VwGH 2008/10/0087

VwGH2008/10/00872.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des K U in W, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr.-Karl-Renner-Promenade 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 17. März 2008, Zl. Senat-TU-07-2001, 2003, betreffend Übertretungen des NÖ Sozialhilfegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

SHG NÖ 2000 §44 Abs1;
SHG NÖ 2000 §47 Abs1;
SHG NÖ 2000 §47 Abs2 Z1;
SHG NÖ 2000 §49 Abs1;
SHG NÖ 2000 §74 Abs1 lita;
SHG NÖ 2000 §44 Abs1;
SHG NÖ 2000 §47 Abs1;
SHG NÖ 2000 §47 Abs2 Z1;
SHG NÖ 2000 §49 Abs1;
SHG NÖ 2000 §74 Abs1 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (UVS) vom 17. März 2008 zur Last gelegt, er habe es als Obmann des Vereins "G M" und damit als dessen außenvertretungsbefugtes Organ zu verantworten, dass von diesem am 15. und 16 März 2007 (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 24. April 2007) und am 28. April, 7. und 14. Mai 2007 (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 16. Oktober 2007) in W. ohne die dafür gemäß § 50 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) erforderliche Bewilligung ein Pflegeheim betrieben worden sei. Wegen dieser Übertretungen gemäß § 74 Abs. 1 lit. a NÖ SHG wurden über den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in Höhe von je EUR 1.000 verhängt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, Einrichtungen zur dauernden Unterbringung, Versorgung, aktivierenden Betreuung und Pflege überwiegend betagter Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie Menschen in außerordentlichen Notsituationen, die nicht oder nicht mehr in der Lage seien, selbständig einen eigenen Haushalt zu führen und denen die notwendige Hilfe weder im familiären Bereich noch durch teilstationäre oder ambulante Dienste ausreichend oder zufriedenstellend geboten werde bzw. werden könne, dürften nur mit behördlicher Bewilligung errichtet und betrieben werden. Bei der Begehung des Hauses am 15. und 16. März 2007 seien 17 Personen mit unterschiedlicher Pflegeeinstufung angetroffen worden, am 28. April 2007 16 Personen, am 7. Mai 2007 14 Personen und am 14. Mai 2007 13 Personen. Betreffend die Personalausstattung seien eine Vierzigstundenkraft in der Küche, eine Vierzigstundenkraft für Hilfestellungen bei Pflegeverrichtungen, eine Zwanzigstundenkraft für Reinigungstätigkeiten und eine Dreißigstundenkraft für Beschäftigungstherapie erhoben worden. Diese vom Verein angestellten Personen seien durch ehrenamtliche Helfer aus dem Verein unterstützt worden. Die von den Bewohnern zu tragenden Kosten hätten sich aus einem jährlichen Mitgliedsbeitrag und einem individuellen Tagessatz zusammengesetzt, der sich an den notwendigen Pflegeleistungen bzw. an der Pensionshöhe der Bewohner orientiert habe. Der Beschwerdeführer habe dazu vorgebracht, es würden nicht nur Personen mit unterschiedlichen Pflegestufen das Haus bewohnen, sondern auch andere Personen, die Vereinsmitglieder seien. Sinn und Zweck des Vereins sei es, dass sich die Vereinsmitglieder gegenseitig helfen und unterstützen. Der Verein entfalte ausschließlich Verwaltungstätigkeiten, einschließlich organisatorischer Aktivitäten und Hausreinigung, um den Vereinsmitgliedern die Verwirklichung der Vereinsziele zu ermöglichen. Der Verein biete aber keinesfalls organisierte Pflege und Betreuung an und führe diese auch nicht durch. Er organisiere Hilfestellungen lediglich. Der Verein betreibe daher kein Pflegeheim. Was die Zubereitung des Essens und die Reinigung anlange, handle es sich um Leistungen, die auch in einem Hotel geboten würden. Eine Anwendung des NÖ SHG komme daher nicht in Betracht. Nach Auffassung der belangten Behörde stehe jedoch der Umstand, dass sich Angehörige der untergebrachten Personen an deren Betreuung beteiligen, der Beurteilung, es handle sich um einen im Sinne des NÖ SHG bewilligungspflichtigen sozialen Dienst, nicht entgegen. Es sei nämlich nicht so, dass die Betreuung ausschließlich durch die Angehörigen bewerkstelligt würde und die Hilfsdienste Dritter nur im Einzelfall in Anspruch genommen würden. Vielmehr würden nicht alle Bewohner ausschließlich durch ihre Angehörigen betreut, sondern sie befänden sich - wenn auch nicht ausschließlich, so doch zumindest überwiegend - in der Obhut von Vereinsangestellten. Die angebotenen Dienste (Einschachteln von Medikamenten, Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen, beim Essen) gingen erheblich über die Leistungen eines Gastgewerbebetriebes hinaus. Unstrittig sei schließlich, dass die Verpflegung der Bewohner durch Personen sichergestellt sei, die in keinem Angehörigenverhältnis zu ihnen stünden, sondern vom Verein angestellt seien. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers sei daher vom Verein eine bewilligungspflichtige soziale Einrichtung im Sinne des § 47 NÖ SHG betrieben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 74 Abs. 1 lit. a Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine Sozialhilfeeinrichtung ohne rechtskräftige Bewilligung gemäß §§ 55 ff betreibt oder die in solchen Bewilligungen vorgeschriebenen Auflagen nicht fristgerecht erfüllt.

Gemäß § 49 Abs. 1 NÖ SHG bedürfen soziale Einrichtungen nach den §§ 46 und 47 zu ihrer Errichtung und zu ihrem Betrieb einer Bewilligung nach den §§ 50 ff. Unter Errichtung ist sowohl der Neu- oder Umbau eines Gebäudes, als auch die Verwendung eines bestehenden, nicht als Sozialhilfeeinrichtung gewidmeten Gebäudes für Zwecke der Sozialhilfe zu verstehen.

Gemäß § 44 Abs. 1 NÖ SHG umfassen soziale Dienste

  1. 1. ambulante Dienste
  2. 2. teilstationäre Dienst und
  3. 3. stationäre Dienste.

    Stationäre Dienste sind gemäß § 47 Abs. 1 NÖ SHG Einrichtungen zur dauernden Unterbringung, Versorgung, aktivierenden Betreuung und Pflege überwiegend betagter Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie Menschen in außerordentlichen Notsituationen, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, selbständig einen eigenen Haushalt zu führen und denen die notwendige Hilfe weder im familiären Bereich noch durch teilstationäre oder ambulant Dienste ausreichend oder zufriedenstellend geboten wird (werden kann).

    Stationäre Dienste umfassen gemäß § 47 Abs. 2 NÖ SHG

  1. 1. Pensionisten- und Pflegeheime,
  2. 2. Pflegeeinheiten (für fünf bis zwölf pflegebedürftige Menschen) und Pflegeplätze (für ein bis fünf pflegebedürftige Menschen),

    3. Wohnhäuser und Wohnformen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen (§ 24),

    4. Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen (§ 24),

    5. Wohnhäuser für Menschen in außerordentlichen Notsituationen.

Der Beschwerdeführer wendet gegen die Auffassung der

belangten Behörde, der Verein "Gelebte Menschlichkeit" habe - wie

dargelegt - ein Pflegeheim (§ 47 Abs. 2 Z. 1 NÖ SHG) ohne die

dafür erforderliche Bewilligung betrieben ein, die Umschreibung

der ihm zur Last gelegten Tat sei nicht ausreichend konkret. Die

belangte Behörde hätte sich "schon die Mühe machen müssen, genau

im Rahmen der Tatbeschreibung darzustellen, von welchen faktischen

Handlungen sie ausgeht, um den Tatbestand des § 74

Abs. 1 lit. a NÖ SHG 2000 als erfüllt anzusehen." Weiters ergebe

sich aus den Aussagen der einvernommenen Zeugen nicht konkret, wie

"die Verhältnisse zu den angelasteten Tagen ... im Bezug auf eine

dort allenfalls stattfindende Pflege der Bewohner waren." Nach

Auffassung des Beschwerdeführers hätten "ganz konkrete

Feststellungen" getroffen werden müssen, "in welcher Art sich die

... Pflege an diesen Tagen den Heimbewohnern dargeboten hat." Die

tatsächlich im Heim bestehende Organisation sei jedoch nicht erhoben worden. Schließlich seien weitere vom Beschwerdeführer beantragte Zeugen nicht einvernommen worden, obwohl sie den Nachweis hätten erbringen können, dass vom Verein kein Pflegeheim im Sinne des NÖ SHG betrieben werde.

Mit diesen Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde ist auf Grund der Ergebnisse mehrerer Begehungen und der Aussagen von Zeugen zur Auffassung gelangt, vom Verein seien im Heim Personen mit unterschiedlichen Pflegestufen untergebracht worden, die hier sowohl durch ihre Angehörigen als auch (zum Teil überwiegend) durch Angestellte des Vereins betreut würden und zwar in einer Weise, die über die Leistungen eines Gastgewerbebetriebes hinausgehe. Dies bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Er rügt zwar, dass die tatsächlich bestehende Heimorganisation nicht ausreichend erhoben worden sei, legt aber nicht dar, dass die Annahme, hilfebedürftige Heimbewohner würden (überwiegend) durch Vereinsangestellte betreut, unzutreffend sei. Dies zeigt er auch mit dem Vorbringen, es seien von ihm namhaft gemachte Zeugen nicht einvernommen worden, nicht auf. Vielmehr beschränkt er sich auch bei dieser Rüge darauf, einen Verfahrensmangel zu behaupten, ohne jedoch dessen Relevanz für das Verfahrensergebnis konkret darzutun. Die belangte Behörde ist daher auf dem Boden ihrer Sachverhaltsannahmen zu Recht zur Auffassung gelangt, vom Verein sei ein "stationärer Dienst" im Sinne des § 47 Abs. 1 NÖ SHG betrieben worden.

Was den Vorwurf der unzureichenden Tatumschreibung im angefochtenen Bescheid anlangt, ist weder ersichtlich noch dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer durch die Umschreibung der ihm zur Last gelegten Tat in seiner Verteidigung gehindert oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt worden wäre. Auch mit diesem Vorwurf wird daher keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 2. Juli 2008

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