VwGH 2008/08/0105

VwGH2008/08/01054.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über den Antrag der S E in L, vertreten durch Mag. Robert Schgör, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 47/1, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 2008, Zlen. 2007/08/0296 und 0297, abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zlen. 2007/08/0296 und 0297, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde u.a. der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 28. September 2007, Zl. BMSK- 325761/0002-II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, genannten Bescheid vom 28. September 2007 hat der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz ausgesprochen, dass die Antragstellerin auf Grund ihrer Tätigkeit als Aerobictrainerin für die P GmbH in der Zeit vom 20. Jänner 1998 bis 30. November 2002 in näher genannten Zeiträumen als Dienstnehmerin der Vollversicherung (Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) nach § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm mit Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung und in anderen, näher genannten Zeiträumen der Pflichtversicherung in der Teilversicherung (Unfallversicherung) gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 2 und § 7 Z. 3 lit. a ASVG iVm § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG unterlegen ist.

Begründend legte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 2. April 2008 ausgehend von der Aktenlage und dem Parteienvorbringen dar, dass der Verein A einen Vertrag mit der P GmbH abgeschlossen habe, der kein Pachtvertrag sei, weil der Verein den Freizeitbetrieb im Innenverhältnis der beiden Vertragspartner nicht gegen Entrichtung eines Pachtzinses auf eigene Rechnung, sondern (zumindest auch) auf Rechnung der P GmbH geführt habe. Ebensowenig liege ein Mietvertrag vor. Im Ergebnis seien materielle und immaterielle Mittel (z.B. die Firma und damit der "Goodwill" der P GmbH, "Knowhow" und Mitgliederstock des Vereins) zum Zwecke der Betreibung eines Freizeitzentrums zusammengeführt worden, wobei zusätzlich der Verein als Leistungen die Leitungsaufgaben und die Administration eingebracht habe und die P GmbH das in ihrem Eigentum stehende Lokal und die Ausstattung des Freizeitzentrums. Dafür (wohl insbesondere für den Kapitaleinsatz) habe die P GmbH offenkundig auch den überwiegenden Ertrag des Unternehmens erhalten, während der Verein nur eine Vergütung für die faktische Betriebsführung und für die Übernahme der Werbeträgerschaft (abzüglich einer "Miete") erhalten habe. Der Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Schluss, dass der Sache nach damit eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft im Sinne der §§ 1175 ff ABGB vorliege. Im Hinblick auf das Auftreten des betriebsführenden Vereins nach außen unter Verwendung der Firma und anderer Werbemittel der P GmbH bestehe kein Zweifel, dass es sich dabei um eine Außengesellschaft gehandelt habe, sodass das Freizeitzentrum schon aus diesem Grunde jedenfalls auch auf Rechnung und Gefahr der P GmbH geführt worden sei. Die Dienstgebereigenschaft der P GmbH hinsichtlich der im Freizeitzentrum beschäftigten Personen im Sinne des § 35 ASVG sei daher zu bejahen. Es komme nicht darauf an, ob und aus welchen Gründen auch der Verein Dienstgeber sei, da bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (soweit keine Innengesellschaft vorliege) allen Gesellschaftern die Dienstgebereigenschaft zukomme und daher auch der P GmbH. Deren alleinige Inanspruchnahme als Dienstgeberin würde auch nicht dadurch rechtswidrig, sollte die Gebietskrankenkasse das Versicherungsverhältnis rechtsirrig nur zu ihr und nicht auch zum zweiten Gesellschafter festgestellt haben.

Im vorliegenden Antrag auf Wiederaufnahme wird im Wesentlichen dargelegt, die Antragstellerin habe ihre Vergütung vom A Verein erhalten, unter Berücksichtigung von steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Nachdem der Verein als Dienstgeber und die Tätigkeit der Antragstellerin für den Verein mangels Parteiengehör nicht berücksichtigt worden seien, werde nun nach Abweisung der Beschwerde die Vergütung der Antragstellerin noch einmal (zum zweiten Mal) beim Freizeitzentrum P "versteuert". Die rechtliche Beurteilung der Vereinstätigkeit im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Aussage, dass beide Gesellschafter Arbeitgeber sein können, bewirke, dass "die doppelte Dienstgebereigenschaft" gegeben sei. Diese Situation habe die Antragstellerin überrascht, weil damit "auf einmal zwei Arbeitgeber vorhanden" seien. Das Erkenntnis hätte nach Anhörung der Antragstellerin anders gelautet. Für die Beurteilung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes komme es auf den Parteiwillen an. Nach dem daher maßgeblichen Geschäftsbesorgungsvertrag sei der Verein Dienstgeber. Dienstgeber sei im Übrigen auch nach der Lehre derjenige, der den Arbeitnehmer einsetze oder zur Verfügung stelle, um ihn zum gemeinsamen Nutzen einzusetzen. Dies habe auch der OGH ausgesprochen. Nachdem im Verwaltungsverfahren auf die Tätigkeit des Vereines, der nun doch eine wesentliche Rolle spielen solle, nicht eingegangen worden sei, sei auch nicht zu erkennen gewesen, dass der Verein schon immer Dienstgeber der Aerobiclehrer gewesen sei. Dieser Verfahrensfehler sei insofern relevant, als bei Wissen dieses Sachverhaltes das Erkenntnis anders gelautet hätte. Der Vollzug des Erkenntnisses würde zu dem Ergebnis führen, dass die Dienstgebereigenschaft beider Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegeben wäre. Dieses unbefriedigende rechtliche Ergebnis könne bei Berücksichtung des Parteiengehörs durch ein neuerliches Erkenntnis korrigiert werden.

§ 45 VwGG lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 45. (1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn

1. das Erkenntnis oder der Beschluß durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte, oder

4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte oder

5. das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlaßten Zurückziehung der Beschwerde eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde.

(2) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

(3) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zu entscheiden.

(4) Wenn der Verwaltungsgerichtshof über eine Säumnisbeschwerde (Art. 132 B-VG) in der Sache selbst entschieden hatte, gilt für die Wiederaufnahme § 69 AVG sinngemäß.

(5) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist in Angelegenheiten der Verfahrenshilfe (§ 61) nicht zulässig."

Die Antragstellerin macht den Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG geltend.

Zum Vorbringen der Antragstellerin ist zunächst festzuhalten, dass die Dienstgeberstellung des Vereines A keineswegs Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 2. April 2008, Zlen. 2007/08/0296 und 0297, gewesen ist. Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war nur, dass die Dienstgeberstellung der P GmbH zu Recht von den Verwaltungsbehörden festgestellt worden ist.

Die Antragstellerin wendet sich lediglich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes vorgelegen sei und diese auch im Außenverhältnis aufgetreten sei, sodass alle Gesellschafter als Dienstgeber in Frage kämen.

Der Tatbestand des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG bietet aber keine Handhabe, eine in einem abgeschlossenen Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof geäußerte Rechtsansicht bekämpfen zu können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S 642 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Auch damit, dass der Verwaltungsgerichtshof nach Ansicht der Antragstellerin notwendige rechtliche Erwägungen nicht angestellt und sich nicht mit sämtlichen von ihr erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt hat, kann das Vorliegen dieses Wiederaufnahmegrundes nicht dargetan werden (vgl. die bei Dolp, aaO, S 642 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im Übrigen ist hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommenen Gesetzesauslegung die Gewährung von Parteiengehör nicht erforderlich (vgl. die bei Dolp, aaO, S 642 zitierte hg. Judikatur).

Da im Übrigen die Dienstgeberstellung des Vereines A nicht Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 2. April 2008, Zlen. 2007/08/0296 und 0297, gewesen ist, ist auch in keiner Weise erkennbar, dass dieses Erkenntnis im Hinblick auf das nunmehrige Vorbringen der Antragstellerin anders gelautet hätte (vgl. die bei Dolp, aaO, S 641 und S 644 zitierte hg. Rechtsprechung). Auch dies wäre aber eine Voraussetzung für die hier beantragte Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 4. Juni 2008

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