Normen
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §61 Z4;
EMRK Art7;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwRallg;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §61 Z4;
EMRK Art7;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, wurde am 29. März 1983 in Österreich geboren und er verfügte zuletzt über einen bis 26. Juni 2013 gültigen Niederlassungsnachweis. In Österreich leben auch die Eltern des Beschwerdeführers und seine Schwester, der die österreichische Staatbürgerschaft verliehen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 2006 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 20. Juli 2006, mit dem gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen worden war, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Die belangte Behörde stellte dazu fest, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 21. September 2005 wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt worden. Dem liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 5. Juni 2005 zusammen mit einem Mittäter gegen die Angestellte eines Tankstellenshops eine Gaspistole und ein Klappmesser gerichtet und sie aufgefordert habe, Geld aus der Tageskassa und den Inhalt des Tresors herauszugeben, und dadurch mehrere Autobahnvignetten und Telefonwertkarten sowie eine Banktasche mit einem Bargeldbetrag von EUR 16.000,-- abgenötigt habe.
In der weiteren Begründung ging die belangte Behörde im Hinblick auf die erwähnte Verurteilung des Beschwerdeführers von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG aus und sie hielt vor allem angesichts der erwähnten Gewaltmomente bei der Tatausführung (Bedrohung mit Gaspistole und Klappmesser) die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - für gerechtfertigt.
In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls gerechtfertigt und zur Erreichung der Ziele des Art. 8 Abs. 2 EMRK, vor allem zum Schutz der Rechte anderer, dringend geboten. Das sich aus dem schwerwiegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende Persönlichkeitsbild lasse nämlich auf seine ausgeprägte sozialschädliche Neigung zur Missachtung österreichischer Rechtsvorschriften schließen.
Die in § 61 Z 2 (iVm § 55 ) sowie Z 3 und 4 FPG angeführten Tatbestände kämen angesichts der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren nicht zum Tragen. Entgegen den Ausführungen in der Berufung normiere Art. 7 EMRK nur ein Rückwirkungsverbot für Strafen; bei einem Aufenthaltsverbot handle es sich aber um keine Strafe, sondern um eine adminstrativrechtliche Maßnahme. Daher sei es ohne Belang, dass im vorliegenden Fall nach dem (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) § 38 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 ein Aufenthaltsverbot unzulässig gewesen wäre.
Mit dem Aufenthaltsverbot werde - so begründete die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG - massiv in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, weil der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich aufhältig sei, hier auch seine Eltern und seine Schwester lebten und er nicht nur die Schul- und Berufsausbildung in Österreich absolviert habe, sondern danach auch die überwiegende Zeit einer Beschäftigung nachgegangen sei. Es müsse aber festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auch durch seine familiären Beziehungen nicht von der Begehung der erwähnten Straftat abgehalten worden sei. Das Gewicht der aus dem langjährigen Aufenthalt und der Erwerbstätigkeit ableitbaren Integration werde durch die Begehung dieser gravierenden Straftat entscheidend gemindert. Dem privaten Interesse des Beschwerdeführers stehe somit das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen gegenüber. Demnach könnten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Die Trennung von der Familie müsse im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden, wobei der Kontakt durch Besuche im Ausland aufrecht erhalten werden könne. Im Übrigen seien die Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinen Eltern und zu seiner Schwester in ihrem Gewicht auch durch die Volljährigkeit relativiert.
Davon ausgehend erachtete die belangte Behörde die Erlassung eines mit zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes für gerechtfertigt und eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund des § 55 Abs. 3 FPG für nicht zulässig
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 25. September 2007, B 190/07-7, ablehnte und sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über die ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Nach § 60 Abs. 6 FPG "gilt" bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Demnach ist ein Aufenthaltsverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 66 Abs. 1 FPG). Ein Aufenthaltsverbot darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen (§ 66 Abs. 2 FPG).
Die Beschwerde tritt den Feststellungen der belangten Behörde zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers nicht entgegen und bestreitet - zu Recht - nicht, dass demzufolge der erste Fall des genannten Tatbestandes nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht wurde. Auch gegen die darauf gegründete Prognose im Sinne des § 60 Abs. 1 FPG führt die Beschwerde nichts ins Treffen und sie trägt auch gegen die am Maßstab des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG vorgenommene Interessenabwägung keine konkreten Argumente vor. Die diesbezüglichen, oben wiedergegebenen Überlegungen der belangten Behörde sind vom Verwaltungsgerichtshof fallbezogen auch nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer macht - wie auch schon erfolglos in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - in der vorliegenden Beschwerde neuerlich nur geltend, er sei im September 2005 aufgrund einer im Juni 2005 begangenen Straftat gerichtlich verurteilt worden. Nach dem damals geltenden § 38 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (jedenfalls) unzulässig gewesen, wenn der Fremde - wie der Beschwerdeführer - von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes stelle eine Strafe dar, sodass dessen Erlassung gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK verstoße.
Anders als der erwähnte § 38 Abs. 1 Z 4 FrG sieht § 61 Z 4 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen FPG eine Ausnahme hinsichtlich der Unzulässigkeit von Aufenthaltsverboten gegen Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig im Bundesgebiet niedergelassen sind, (u.a.) für den Fall vor, dass der Fremde wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Im Hinblick auf den erwähnten Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung hatten sie sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde bei ihren im Jahre 2006 erlassenen Bescheiden anzuwenden. Eine ausdrückliche (Übergangs)Regelung, dass diese Norm auf vor dem Inkrafttreten des FPG verwirklichte Sachverhalte nicht anzuwenden wäre, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies widerspricht entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers aber auch nicht dem - im Verfassungsrang stehenden - nur für Strafen geltenden Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK, sodass auch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung nicht geboten erscheint. Zu Recht hat die belangte Behörde nämlich darauf verwiesen, dass es sich beim Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe handelt, sondern um eine im öffentlichen Interesse erlassene adminstrativ-rechtliche Maßnahme (vgl. unter vielen etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2007, Zl. 2007/18/0130, und vom 18. Mai 2007, Zl. 2007/18/0122; siehe auch Mayer BVG4 Art. 7 EMRK I.2.).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Da kein Vorverfahren eingeleitet wurde (die Verwaltungsakten wurden nicht von der belangten Behörde vorgelegt, sondern vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Beschwerdeabtretung übermittelt) und der belangten Behörde lediglich eine Äußerungsmöglichkeit zum (nachträglich gestellten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingeräumt worden war, stehen die in der dazu eingebrachten Stellungnahme verzeichneten Kosten - für Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift - nicht zu. Dieses Aufwandersatzbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am 7. Februar 2008
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