VwGH 2007/21/0226

VwGH2007/21/022630.8.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. März 2007, Zl. Fr 2513/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer im Jänner 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei mit erstinstanzlichem Bescheid vom 8. September 2004 mit einem Ausspruch nach § 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Gegen den die Berufung abweisenden zweitinstanzlichen Bescheid habe er Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, weshalb dem Beschwerdeführer die Rechtsstellung als Asylwerber zukomme.

Er sei mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 11. Oktober 2006 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und sechster Fall, Abs. 2 Z 2 erster Fall SMG und wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt worden. Dem sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer ab etwa Mitte Mai 2006 bis zum 2. Juni 2006 gewerbsmäßig nicht mehr feststellbare Mengen Suchtgift, insbesondere Kokain und Heroin, erworben und Unbekannten durch gewinnbringenden Verkauf überlassen habe. Weiters habe er am 2. Juni 2006 Suchtmittel in jeweils geringen Mengen erworben und besessen. Als mildernd seien der ordentliche Lebenswandel, das Geständnis und das Alter unter 21 Jahren berücksichtigt worden, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen.

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - in schwerwiegender Weise gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen, weil sich in der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit manifestiere. Mit ihr gehe üblicherweise eine hohe Begleitkriminalität und eine große Wiederholungsgefahr einher und sie sei in höchstem Maß sozialschädlich. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei daher außerordentlich gravierend und gefährde massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Somit sei die Erlassung eines Rückkehrverbotes nach § 62 Abs. 1 und 2 FPG gerechtfertigt. Dieses sei zur Erreichung der Ziele des Art. 8 Abs. 2 EMRK, vor allem zum Schutz der Rechte und der Gesundheit anderer, dringend geboten. Für das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers könne nur eine "schlechte Prognose" erstellt werden und es sei davon auszugehen, dass durch seinen weiteren Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre.

Der Behörde seien keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu in Österreich lebenden Personen bekannt. Er habe zeitweise als Zeitungskolporteur gearbeitet. Von einer Integration im Bundesgebiet könne nicht ausgegangen werden, da diese auch eine gewisse Rechtstreue des Fremden zu den Normen des Gastlandes voraussetze. Auf Grund der großen Sozialschädlichkeit der Suchtgiftkriminalität würde selbst eine ansatzweise zu erkennende Integration der Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht entgegenstehen. Die Abwägung nach § 62 Abs. 3 FPG iVm § 66 FPG gehe auf Grund der vorliegenden Sachverhaltselemente zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Insofern stehe weder die "Kannbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG 2005 noch § 66 FPG 2005" der Erlassung des Rückkehrverbotes entgegen.

In der Folge begründete die belangte Behörde die Befristung des Rückkehrverbotes und wies darauf hin, dass eine allfällige Bedrohung im Heimatland für die Erlassung des Rückkehrverbotes ohne Relevanz sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 1 FPG entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, sofern nichts anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (Z 1) und in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz (Z 2). Warum nach Ansicht des Beschwerdeführers über die vorliegende Berufung der unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt hätte, wird in der Beschwerde nicht weiter dargelegt und ist nicht nachvollziehbar.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

Wie im Fall eines Aufenthaltsverbotes ist auch bei der Erstellung der für jedes Rückkehrverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Rückkehrverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Rückkehrverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0206.)

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG (Verurteilung von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten) erfüllt sei. Angesichts der besonderen Sozialschädlichkeit von Suchtmitteldelikten kann auch die weitere Annahme der belangten Behörde nicht erfolgreich in Zweifel gezogen werden, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährlichkeitsprognose im Fall des Beschwerdeführers verwirklicht sei. Auch wenn der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung fest entschlossen sei, "mit seinem kriminellen Lebensabschnitt zu brechen" und nach relativ kurzer Zeit "auf die medikamentöse Hilfe für einen ruhigeren Schlaf" habe verzichten können, kann der Beschwerde in keiner Weise gefolgt werden, dass allein dadurch ein Rückfall in die Drogenabhängigkeit und die Drogenkriminalität auszuschließen sei. Dazu bedarf es im Regelfall einer längeren Zeit des Wohlverhaltens nach Entlassung aus der Haft (vgl. das die identische Prognose für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz 1997 betreffende hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, Zl. 2003/21/0058).

Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, eine Rechtswidrigkeit der behördlichen Beurteilung nach § 66 iVm § 62 Abs. 3 FPG aufzuzeigen. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität hegt der Gerichtshof keinen Zweifel daran, dass das Rückkehrverbot dringend geboten sei und es kann auch angesichts der nicht nennenswerten Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die Interessenabwägung nicht zu einem für ihn günstigen Ergebnis führen. Daran ändert nichts, dass ihm ein ordentlicher Lebenswandel vor der Straftat zugebilligt wurde, er die Straftat gestanden und diese im Alter von unter 21 Jahren verübt hat. Die belangte Behörde ging davon aus, dass sich der Beschwerdeführer seit 2004 im Bundesgebiet aufhalte, keine familiären Bindungen aufweise und lediglich zeitweise als Zeitungskolporteur gearbeitet habe. Welche weiteren günstigen Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen können und sollen, wird in der Beschwerde nicht näher dargelegt.

Dass der Beschwerdeführer - wie die Beschwerde meint - durch das Rückkehrverbot schlechter gestellt werde als andere Asylwerber, liegt allein darin, dass sein Verhalten zu einem Rückkehrverbot geführt hat und die Beschwerde wohl nicht ernsthaft davon ausgeht, dass alle Asylwerber einen Grund für ein Rückkehrverbot bieten würden. Die aufgezeigten (allfälligen) beschäftigungsrechtlichen Nachteile hat er im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Bei ihrer Rüge, dass die belangte Behörde das ihr zustehende Ermessen rechtswidrig ausgeübt habe, "obwohl auch viele positiv zu wertende Fakten verfügbar waren", vermag die Beschwerde in keiner Weise darzulegen, dass die belangte Behörde auf Grund bestimmter Umstände von ihrem Ermessen hätte Gebrauch machen und von der Erlassung des Rückkehrverbotes absehen müssen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. August 2007

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