VwGH 2007/18/0466

VwGH2007/18/046625.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des E K, (geboren 1973), vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Juni 2007, Zl. St 121/07, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2, § 60 Abs. 2 Z. 1 und den §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei türkischer Staatsbürger, derzeit richte sich sein Aufenthalt nach dem Asylgesetz. Er sei am 13. April 2004 über Ungarn unrechtmäßig nach Österreich eingereist. Am 15. April 2004 habe er einen Asylantrag gestellt. Für die Dauer des diesbezüglichen Asylverfahrens sei ihm das Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zuerkannt worden. Dieses Asylverfahren sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Vorliegend sei der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 2 und § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG schon insofern erfüllt, als der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. August 2006 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von acht Monaten verurteilt worden sei, wobei gemäß § 43 Abs. 1 StGB der Vollzug der gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen worden sei.

Dieser Verurteilung sei folgender Sachverhalt zugrunde gelegen: Der Beschwerdeführer sei für schuldig befunden worden, seine Ehefrau

I. zur genannten Zeit gefährlich mit dem Tode bedroht zu haben um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

1. im Winter 2005/2006, indem der Beschwerdeführer sie mit einem Messer im Bereich des Halses über den Oberkörper gestrichen und gefragt habe, ob er sie umbringen sollte;

2. im Winter 2005/2006 im Anschluss an die zu Punkt II.1. geschilderte Tathandlung, indem der Beschwerdeführer geäußert habe: "Jetzt bring ich dich um!", wobei er dabei ein ca. 30 cm langes Messer in Händen gehalten habe, und

3. am 12. August 2006 im Anschluss an die zu Punkt II.3. geschilderte Tathandlung, indem der Beschwerdeführer geäußert habe: "Ich bring dich um!", wobei er wiederum ein ca. 30 cm langes Fischermesser in Händen gehalten habe.

II. zu nachgenannten Zeiten vorsätzlich am Körper verletzt habe, und zwar

1. im Winter 2005/2006, indem er seine Ehefrau zu Boden geworfen und auf sie eingeschlagen habe, wodurch sie Hämatome und Schmerzen erlitten habe;

2. am 21. Juli 2007, indem er ihr mehrere Schläge ins Gesicht versetzt habe, in Form von Schmerzen und Schwellungen im Gesicht;

3. am 12. August 2006, indem er sie am linken Unterarm gepackt, zu Boden gestoßen und sodann an ihren Haaren gezerrt habe, in Form von Hämatomen und Druckstellen sowie Schmerzen am linken Unterarm;

4. im Herbst 2006 dadurch, dass er sie wiederholt ins Gesicht bzw. gegen den Körper geschlagen habe, wodurch sie Hämatome und Schmerzen erlitten habe.

Mildernd sei das Geständnis des Beschwerdeführers sowie seine Unbescholtenheit berücksichtigt worden, während ihm erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen sowie die Tatwiederholung angelastet worden sei.

Die Erlassung des Rückkehrverbots im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei auch dringend erforderlich iSd § 66 Abs. 1 FPG, weil der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum mehrere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen begangen habe, nämlich massive Drohungen mit dem Tod gegenüber seiner Ehefrau, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und weil der Beschwerdeführer seine Drohungen mehrmals durch das besagte Hantieren mit einem Messer unterstrichen habe. Dieses wiederholte Fehlverhalten ließen ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, welches von einer geringen Hemmschwelle sowie erheblicher Aggressivität geprägt sei.

An dieser Beurteilung könne der lapidare Hinweis des Beschwerdeführers nichts ändern, dass sich die gegenständlichen Verhaltensweisen, welche er dem Grunde nach nicht bestreite, ausschließlich innerhalb einer Beziehung - seiner Ehe - abgespielt und diesen massive Beziehungsprobleme zugrunde gelegen hätten, vermöge doch der Beschwerdeführer dadurch nicht zu widerlegen, auch zukünftige Konflikte durch Gewalt bzw. Androhung von Gewalt zu lösen. Auch das Vorbringen, die Ehefrau würde nunmehr angeben, dass der Beschwerdeführer nunmehr keinen Alkohol mehr trinken würde, ändere nichts an dieser Beurteilung, biete dies doch keine hinreichende Gewähr dafür, dass zukünftig derartige Tathandlungen hintangehalten würden, zumal der Beschwerdeführer wegen mehrerer Tatwiederholungen verurteilt worden sei.

Hinsichtlich seiner persönlichen und familiären Verhältnisse sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer seit dem 13. April 2004 im Bundesgebiet aufhältig sei und sich auch seine Ehefrau hier befinde. Die darauf aufbauende Integration sei jedoch in ihrer sozialen Komponente angesichts der vom Beschwerdeführer verwirklichten strafrechtlichen Tatbestände, insbesondere der mehrmaligen Tatwiederholung, sowie auch der Tatsache, dass er seine Drohungen unter Zuhilfenahme eines Messers untermauert habe, in erheblichem Ausmaß gemindert.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Rückkehrverbots wesentlich schwerer zu wiegen schienen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Rückkehrverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Das Vorbringen, die seinerzeitige Entfremdung von seiner Ehefrau wäre nicht allein auf seine Verhaltensweise zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Ehefrau massiv mit der Situation überfordert und belastet gewesen sei, vermöge diese Beurteilung nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu ändern, könne doch die beschriebene Aggression und Gewalt niemals zur Bereinigung einer Konfliktsituation in einer demokratischen Gesellschaft beitragen.

Aus den oben angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG zu Lasten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen gewesen, weil das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Fehlverhalten (Bedrohung seiner Ehefrau mit dem Tod unter Zuhilfenahme eines Messers sowie mehrfache Tatwiederholung) im Verhältnis zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Integration überwiege, und weder aus den Akten noch aus der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Erstbescheid besondere Umstände ersehen werden könnten, die eine Ermessensübung zu seinen Gunsten begründen würden.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Rückkehrverbots sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass der Beschwerdeführer sich an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung nicht. Angesichts dieser Verurteilung erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FPG verwirklicht sei, als unbedenklich.

1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, der besagten Verurteilung zugrunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers besteht auch gegen die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die Annahme nach § 62 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch sein wiederholtes, gegen die körperliche Integrität seiner Ehefrau gerichtetes Fehlverhalten seine Gewaltbereitschaft nachdrücklich unter Beweis gestellt und das große öffentliche Interesse an der Hintanhaltung der Gewaltkriminalität erheblich beeinträchtigt. Die seit seinem Fehlverhalten im Jahr 2006 vergangene Zeit erscheint viel zu kurz, um einen Wegfall oder auch nur eine maßgebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Von daher ist mit seinem Vorbringen, er bereue das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten und verhalte sich seither wohl, nichts zu gewinnen. Da die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von den die bedingte Entlassung begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeirechts zu treffen hatte, ist auch der Hinweis des Beschwerdeführers, das Landesgericht Linz habe ihm eine günstige Zukunftsprognose gestellt, nicht zielführend. Im Hinblick auf die in seinem wiederholten Fehlverhalten manifestierte Gewaltbereitschaft geht auch der Hinweis des Beschwerdeführers fehl, er habe sich zwischenzeitig mit seiner Ehefrau - die auch bestätige, dass er nunmehr auf Alkohol verzichte, wodurch sein bedauerliches strafrechtliches Verhalten mit ausgelöst worden sei - vollständig ausgesöhnt und er führe den ehelichen Haushalt. Von daher kann auch keine Rede davon sein, dass sich die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung - wie die Beschwerde meint - "eine letztendlich nur Psychologen zustehende Fachkenntnis" angemaßt hätte.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG. Seine Ehefrau habe ihm verziehen, seit Sommer 2006 führe er mit seiner Ehefrau ein durch die EMRK verfassungsgesetzlich geschütztes harmonisches Familienleben, wobei er den ehelichen Haushalt führe, während seine Ehefrau (im Gegenzug) durch ihre Berufstätigkeit für das finanzielle Wohl der Familie sorge. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung sei nicht nachvollziehbar, weil sie darauf nicht Rücksicht genommen habe. Seine Ehefrau würde seine Anwesenheit bei ihr ausdrücklich wünschen.

2.2. Bei ihrer Prüfung nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 FPG hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich angenommen. Angesichts des besagten massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers hat sie aber ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass das gegen ihn erlassene Rückkehrverbot gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG zulässig sei, ist es doch zur Erlassung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von (weiteren) strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.

Vor diesem Hintergrund kann auch das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grund des § 66 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 FPG getroffenen Beurteilung, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Rückkehrverbots in den Hintergrund zu treten hätten, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich (einschließlich der ins Treffen geführten Bindungen zu seiner Ehefrau, die seinen weiteren Aufenthalt in Österreich wünsche) sind angesichts der noch nicht langen Dauer des Aufenthalts - der sich auf eine bloß vorläufige asylrechtliche Berechtigung stützt - insgesamt als nicht besonders ausgeprägt zu erachten. Ferner hat der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten das Gewicht seiner persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich in der für sie maßgeblichen sozialen Komponente erheblich geschwächt.

3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbots Abstand zu nehmen. Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde sind besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Auf dem Boden des Gesagten erweist sich die Rüge, die belangte Behörde habe ihre im bekämpften Bescheid vorgenommenen Beurteilungen nicht nachvollziehbar begründet, als nicht zielführend.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. September 2007

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