VwGH 2007/18/0355

VwGH2007/18/035525.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des MK in W, geboren 1979, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Mai 2007, Zl. SD 815/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Mai 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe sich in seinem Antrag vom 21. Mai 2003 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels darauf gestützt, dass sein Vater mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und eine entsprechende Heiratsurkunde, sowie eine Verpflichtungserklärung seiner österreichischen Stiefmutter vorgelegt. Auf diese Weise sei es dem Beschwerdeführer gelungen, erstmals einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer vom 23. Juni 2003 bis 23. Juni 2004 zu erlangen. Über einen gleich lautenden Antrag des Beschwerdeführers sei dieser Titel bis 6. Juli 2005 verlängert worden. Erst im Zug eines weiteren Verlängerungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass die Ehe des Vaters des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen bereits am 28. Oktober 2002 geschieden worden sei. Solcherart sei als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer unter Vortäuschung falscher Tatsachen, nämlich der wahrheitswidrigen Behauptung seiner Familienangehörigeneigenschaft zu seiner österreichischen Stiefmutter, zwei Aufenthaltstitel erwirkt habe. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG sei daher verwirklicht. Ebenso seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots gemäß § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung geltend gemacht, nicht in Kenntnis der Scheidung seines Vaters gewesen zu sein, weil ihm sein Vater die Tatsache der Ehescheidung verheimlicht hätte. Dies sei als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung einzustufen, zumal der Beschwerdeführer keinerlei hinreichende Begründung für ein derartiges Verhalten seines Vaters angeboten habe.

Der Beschwerdeführer sei seit 5. Juli 2005 verheiratet. Der Ehe entstamme ein Kind. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden erlassenen Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses große öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch die Vortäuschung falscher Tatsachen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln gravierend verstoßen. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von solchem Gewicht, dass das Aufenthaltsverbot im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei auf die Dauer des inländischen Aufenthalts Bedacht zu nehmen gewesen. Die daraus ableitbare Integration wiege jedoch keinesfalls schwer, stütze sich doch die Berechtigung des gesamten bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers auf das dargestellte rechtsmissbräuchliche Verhalten. Gleiches gelte für das in Österreich geführte Familienleben. Dass der Beschwerdeführer auch nur ansatzweise am heimischen Arbeitsmarkt integriert sei, sei nicht aktenkundig. Dass der Gattin zwischenzeitig die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden wäre, sei ebenfalls nicht aktenkundig. Die familiären Bindungen zu Gattin und Kind seien zwar keinesfalls zu unterschätzen, könnten jedoch angesichts aller Umstände die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht derart verstärken, dass demgegenüber die öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer hat sich unstrittig bei Beantragung eines Aufenthaltstitels am 21. Mai 2003 auf die Ehe seines Vaters mit einer österreichischen Staatsangehörigen berufen. Dazu hat er eine Heiratsurkunde seines Vaters vorgelegt. Auch im Antrag auf Verlängerung des ihm zunächst bis 23. Juni 2004 erteilten Aufenthaltstitels hat er sich auf diese Ehe berufen. Ebenso unstrittig ist die Ehe des Vaters des Beschwerdeführers jedoch bereits am 28. Oktober 2002 geschieden worden.

1.2. Die belangte Behörde hat aus diesem Sachverhalt geschlossen, der Beschwerdeführer habe (bewusst) unrichtige Angaben über das Bestehen der Ehe seines Vaters gemacht, um den jeweils beantragten Aufenthaltstitel zu erlangen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Vater hätte ihm die Ehescheidung verschwiegen, wertete die belangte Behörde als unglaubwürdige "Schutzbehauptung" und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer keine plausible Erklärung für ein derartiges Verhalten seines Vaters angeboten habe.

1.3. In der Beschwerde wird behauptet, dass der Beschwerdeführer sehr wohl begründet habe, warum er am 21. Mai 2003 noch nicht in Kenntnis der Scheidung seines Vaters gewesen sei. Dazu hätte die belangte Behörde etwa den Vater des Beschwerdeführers befragen müssen, ob er seinem Sohn unmittelbar nach erfolgter Scheidung davon Mitteilung gemacht habe. Die Unterlassung derartiger Ermittlungen stelle einen Verfahrensmangel dar.

1.4. Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer damit nicht geltend macht, auch bei Stellung des Antrages, der zur Verlängerung des Aufenthaltstitels über den 23. Juni 2004 hinaus geführt hat, von der Scheidung seines Vaters nichts gewusst zu haben. Im Übrigen bringt er in der Beschwerde nicht vor, welche Begründung er im Verwaltungsverfahren für das anfängliche Verschweigen der Ehescheidung durch seinen Vater gegeben habe, und tut somit die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

Vor diesem Hintergrund begegnet die zur Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei den Antragstellungen bewusst unrichtige Angaben gemacht, um sich jeweils einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, führende Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. zum Umfang dieser Befugnis das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

1.5. Dem weiteren Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte bei amtswegiger Überprüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Heiratsurkunde die bereits erfolgte Scheidung der Ehe des Vaters in Erfahrung bringen können, ist zu entgegnen, dass es für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG nicht darauf ankommt, ob die Unrichtigkeit der Angaben des Fremden bei entsprechender Überprüfung hätte hervorkommen können.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass dieser Tatbestand erfüllt sei, ist somit unbedenklich.

2. Der Beschwerdeführer hat zwei Mal bei der Beantragung eines Aufenthaltstitels fälschlich behauptet, der Stiefsohn einer Österreicherin zu sein und dazu eine infolge der Scheidung der Ehe seines Vaters nicht mehr den Tatsachen entsprechende Heiratsurkunde vorgelegt. Auf Grund dieses aus fremdenpolizeilicher Sicht verwerflichen Fehlverhaltens geht vom weiteren inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens aus. Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers die etwa vierjährige Dauer des inländischen Aufenthalts und die seit 5. Juli 2005 bestehende Ehe, aus der ein Kind entstammt, berücksichtigt. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht dadurch deutlich gemindert, dass die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers ausschließlich auf das dargestellte rechtsmissbräuchliche Verhalten zurückzuführen ist. Unstrittig kommt dem Beschwerdeführer keine berufliche Integration zu.

Den auf Grund der Ehe des Beschwerdeführers und des daraus entstammenden Kindes dennoch gewichtigen privaten und familiären Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die große Gefährdung öffentlicher Interessen durch das aus fremdenpolizeilicher Sicht schwer wiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Bei gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. September 2007

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