VwGH 2007/18/0309

VwGH2007/18/03093.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des S S, (geboren am 19. Juli 1989), vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. April 2007, Zl. SD 765/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. April 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seit 14. Juli 1992 in Wien gemeldet, bis zum 30. Oktober 1993 habe er über Sichtvermerke verfügt. Anschließend gestellte Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels seien wiederholt abgewiesen worden. Offenbar erst seit 1999 verfüge der Beschwerdeführer (wie auch seine Eltern und seine Schwester) über Aufenthaltstitel, zuletzt unbefristet. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. September 2005 sei der Beschwerdeführer nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Dieses Urteil habe den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, sofort erneut einschlägig strafbar zu werden. Mit demselben Mittäter, mit dem er auch gemeinsam den Raub, der dem genannten Urteil zu Grunde gelegen sei, begangen habe, habe er weitere Raubüberfälle verübt. Am 8. März 2005 habe er einen Trafikanten überfallen, wobei beim Raubüberfall ein "Nunchaku" als Drohmittel verwendet worden sei. Dabei hätten sie Bargeld und Telefonwertkarten im Gesamtwert von mehr als EUR 2.000,-- erbeutet. Am 2. November 2005, sohin nicht einmal zwei Monate nach vorgenannter Verurteilung, hätten die beiden unter Verwendung einer Pistole ein Wettlokal überfallen, um Bargeld zu rauben, sie seien jedoch geflüchtet, nachdem es dem Angestellten gelungen wäre, den Alarmknopf zu drücken. Am 11. November 2005 hätten sie erneut eine Trafik überfallen und Bargeld und Telefonwertkarten im Wert von mehr als EUR 3.200,-- erbeutet, wobei der Mittäter den Trafikanten mit einer Pistole bedroht habe, während der Beschwerdeführer den Eingang abgesichert habe. Am 24. November 2005 hätten die Täter ein Geldinstitut überfallen und Bargeld in der Höhe von rund EUR 102.000,-- geraubt, wobei der Mittäter die Angestellte mit einer Pistole bedroht habe, während der Beschwerdeführer ein Messer auf das Kassenpult gelegt habe, dessen Spitze auf die Angestellte gerichtet gewesen sei. Deshalb sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Februar 2006 nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden, gleichzeitig sei die bedingte Strafnachsicht der Vorverurteilung widerrufen worden. Der Beschwerdeführer verbüße seither seine Strafhaft.

Die genannten Urteile erfüllten zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Sachverhalt, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grund des § 62 (richtig: § 60) Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden zu den bereits genannten Familienangehörigen. Solcherart sei zweifelsfrei von einem erheblichen, mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Eigentumskriminalität - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, als Jugendlicher bereits wegen eines Raubüberfalls verurteilt werden müsse, und unbeeindruckt von dieser Verurteilung geradezu nahtlos fortsetze, einschlägige und an Intensität offenbar zunehmende Raubüberfälle zu begehen, und zuletzt sogar eine Bank überfallen habe, lasse eindrücklich erkennen, dass er offenbar nicht willens oder imstande sei, einschlägige, in Österreich gültige Rechtsvorschriften zu beachten. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose geradezu unmöglich. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch für den voraussichtlichen Zeitpunkt der Haftentlassung des Beschwerdeführers dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass ein Gutteil dieses Aufenthalts zunächst unrechtmäßig gewesen sei und die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das wiederholte und besonders schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert werde. Hinsichtlich des mehrjährig unrechtmäßigen Aufenthalts sei auch die Integration seiner Familienangehörigen entsprechend zu relativieren. Dass der Beschwerdeführer am heimischen Arbeitsmarkt integriert wäre, sei nicht aktenkundig. Auch wenn die familiären Bindungen zu Eltern und Schwester zweifelsfrei schwer wögen, sei das dem Beschwerdeführer solcherart insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet keinesfalls ausgeprägt. Dem gegenüber stehe jedoch das maßgebliche große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich auch iSd § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG sei nicht gegeben. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Eine solche Ermessensübung würde angesichts der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe auch mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht in Übereinstimmung stehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen unbestrittenen Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG (erster und vierter Fall) erfüllt sei, keinem Einwand.

1.2. In Anbetracht des unstrittig festgestellten, den besagten Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist vorliegend auch die Annahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat durch das im angefochtenen Bescheid dargestellte wiederholte Fehlverhalten massiv gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und der Gewaltkriminalität verstoßen und dabei im Zeitverlauf sein Fehlverhalten erheblich gesteigert. Ihm liegen mehrere Raubdelikte - u.a. auch ein Bankraub - zur Last, wobei er sich auch durch eine strafgerichtliche Verurteilung nicht davon hat abhalten lassen, sich kurz darauf wieder einschlägig strafbar zu machen. Der seit dem vom Beschwerdeführer im Jahr 2005 wiederholt gesetzten Fehlverhalten verstrichene Zeitraum ist zudem viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Von daher erweist sich sein Vorbringen, der von ihm angerichtete Schaden sei zur Gänze gut gemacht worden, er würde in der Haft eine sehr gute Führung aufweisen und hätte auch deshalb die Möglichkeit erhalten, im Rahmen des Strafvollzugsgesetzes Hafturlaube zu bekommen, als nicht zielführend. Dem Vorbringen, ein Aufenthaltsverbot würde einen ganz massiven strafrechtlichen Charakter aufweisen, ist entgegenzuhalten, dass es sich bei dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 2007, Zl. 2007/18/0059 und vom 24. April 2007, Zl. 2007/18/0130). Das Vorbringen, zum Zeitpunkt der "letzten" gerichtlichen Verurteilung im November 2005 sei noch das alte Fremdenrecht in Kraft gewesen, wonach ein Aufenthaltsverbot nicht möglich gewesen sei, wenn man sein gesamtes Leben in Österreich verbracht habe bzw. als kleines Kind nach Österreich gekommen sei, übersieht, dass nach dem angefochtenen Bescheid die (von der Beschwerde eingeräumte) zeitlich letzte Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 24. Februar 2006 - als das FPG schon in Kraft war - erfolgt ist. Abgesehen davon hatte die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht das alte Fremdenrecht (Fremdengesetz 1997), sondern das FPG anzuwenden.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1992 und seine im angefochtenen Bescheid genannten persönlichen Interessen zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Wenn sie angesichts des schweren Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Erlassung dieser Maßnahme im Licht der genannten Bestimmung dennoch für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponenten durch seine wiederholt verübten Raubdelikte eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher hat die belangte Behörde der durch die Straftaten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots - auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beschwerdeführer bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht 18 Jahre alt war und im Alter von etwa zwei Jahren nach Österreich kam - zutreffend kein geringes Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Angehörigen

3. Das somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. Juli 2007

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