VwGH 2007/18/0182

VwGH2007/18/018214.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des G S in L, geboren 1973, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. Oktober 2006, Zl. St 226/06, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

62002CJ0467 Cetinkaya VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
62002CJ0467 Cetinkaya VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. Oktober 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 13. April 2006 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 2001 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbots gemäß § 65 Abs. 1 FPG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe seinen Aufhebungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass er sich seit der letzten Straftat wohlverhalten hätte und einer geregelten Arbeit nachginge. Seiner Gattin und den beiden Kindern wäre zwischenzeitig die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Die familiäre und private Situation des Beschwerdeführers sei bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbots bekannt gewesen. Eine Änderung sei nur insofern eingetreten, als der Gattin und den Kindern die Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. Angesichts der von den Straftaten des Beschwerdeführers ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen könne dieser Umstand die Aufhebung des Aufenthaltsverbots jedoch nicht rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Jänner 1993 wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, am 19. August 1996 wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen und am 6. Mai 1998 wegen Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 2 StGB und wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 207 Abs. 1 leg. cit. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, davon 18 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Der zuletzt genannten Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer ein erst 13-jähriges Mädchen Ende November 1997 durch Drohung mit Ohrfeigen und Schlägen zur Durchführung eines Oralverkehrs und im November 1997 oder Jänner 1998 durch Festhalten und Versetzen einer Ohrfeige zur Duldung des Betastens der Brust unter der Kleidung und der Scheide oberhalb der Kleidung genötigt habe. Bei der Strafbemessung seien zwei einschlägige Vorstrafen und die Tatwiederholung als erschwerend, hingegen kein Umstand als mildernd gewertet worden. Das Oberlandesgericht habe der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Strafurteil nicht Folge gegeben.

Auf Grund dieser Straftaten sei gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die dagegen gerichtete Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0002, als unbegründet abgewiesen. Dazu habe der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgeführt, dass das Verbrechen der Vergewaltigung als besonders verwerfliche Handlung zu werten wäre. Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne trotz des seit der letzten Straftat verstrichenen Zeitraumes keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden, zumal der Beschwerdeführer sechs Monate in Haft verbracht habe.

Gegen den Beschwerdeführer als Angehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbots nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG zulässig. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dies treffe beim Beschwerdeführer zu, sei doch der Schutz von Unmündigen vor gewaltsamen sexuellen Übergriffen eines der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren eines Rechtsstaates europäischer Prägung. Dass es sich hiebei um eine erhebliche Gefahr handle, sei auch aus dem Umstand ersichtlich, dass das StGB zwischenzeitig dahin novelliert worden sei, dass für Vergewaltigung nunmehr ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren statt bisher bis zu fünf Jahren vorgesehen sei.

2. Die Behandlung der vom Beschwerdeführer dagegen gerichteten Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2007, B 2123/06-6, abgelehnt. Mit Beschluss vom 29. März 2007, B 2123/06-8, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat in den an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen die Verletzung der Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend gemacht. Dazu hat er jeweils ausschließlich vorgebracht, dass auf Grund der von ihm erworbenen Rechtsstellung gemäß dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) ein Tribunal zu entscheiden gehabt hätte. Über die gegenständliche Berufung hätte somit nicht die belangte Behörde, sondern der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich zu entscheiden gehabt.

In den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeausführungen verweist der Beschwerdeführer unter dem Beschwerdegrund "inhaltliche Rechtswidrigkeit/Unzuständigkeit der belangten Behörde" vollinhaltlich auf die gegenüber dem Verfassungsgerichtshof gebrauchten Argumente. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1991 rechtmäßig zu seinen Eltern nach Österreich gereist und sei jahrelang einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Aus diesen Gründen erfülle er die Kriterien des Art. 6 und des Art. 7 ARB. Daher hätte in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt. Als Verfahrensmangel wird geltend gemacht, dass sich die belangte Behörde mit den Kriterien der genannten Bestimmungen des ARB nicht auseinander gesetzt habe.

Die Beschwerde richtet sich somit ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die von der belangten Behörde in Anspruch genommene Zuständigkeit.

2. Der Beschwerdeführer könnte allenfalls vor Erlassung des Aufenthaltsverbots eine Rechtsposition gemäß Art. 6 oder Art. 7 ARB erlangt haben. Eine derartige Position würde nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138) gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates als Berufungsbehörde zur Folge haben. Der Beschwerdeführer hätte diese Position aber jedenfalls durch die rechtskräftige Verhängung des Aufenthaltsverbots verloren, handelt es sich hiebei doch um eine gemäß Art. 14 ARB zulässige Beschränkung der genannten Rechtsposition aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0314). Im über die Beschwerde gegen die Verhängung des hier gegenständlichen Aufenthaltsverbots ergangenen Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob der Beschwerdeführer eine Rechtsposition nach dem ARB erworben habe, dahinstehen lassen, weil die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Aberkennung dieser Rechtsposition jedenfalls gemäß Art. 14 ARB gerechtfertigt sei.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich somit nicht um einen durch den ARB begünstigten türkischen Staatangehörigen. Da die österreichische Gattin des Beschwerdeführers ihr Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen hat (die diesbezügliche Ansicht der belangten Behörde wird in der Beschwerde nicht bekämpft) und es sich beim Beschwerdeführer daher auch nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG handelt, hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. zutreffend in Anspruch genommen.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. Juni 2007

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