VwGH 2007/15/0261

VwGH2007/15/026124.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Salzburg-Land in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 10. September 2007, Zl. RV/0124-S/07, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2004 (mitbeteiligte Partei: M B und Mitgesellschafter in E, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4/1), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §11;
EStG §11a;
EStG 1972 §11;
EStG §11a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine atypisch stille Gesellschaft. Sie ermittelt den Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr; Bilanzstichtag ist der 31. März.

Das Finanzamt erließ am 24. Jänner 2007 einen Bescheid über die Feststellung der Einkünfte für das Kalenderjahr 2004. Der Spruch dieses Bescheides enthält auch die Feststellung, dass vom Gewinnanteil des Gesellschafters MB (des Unternehmensinhabers) ein Anteil von 9.636,03 EUR nach § 11a EStG als "nicht entnommener Gewinn" begünstigt zu besteuern sei. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die in der Erklärung ausgewiesene Höhe an nicht entnommenem Gewinn iSd § 11a EStG von 55.703,46 EUR sei um "nicht betriebsnotwendige Einlagen" zu kürzen gewesen, nämlich um die Einkommensteuergutschrift für 2002 von 39.317,43 EUR sowie die Gutschrift aus Einkommensteuervorauszahlungen für 2004 von 6.750 EUR.

Die Mitbeteiligte brachte Berufung ein und begehrte, die Höhe des nicht entnommenen Gewinnes der Erklärung entsprechend mit 55.703,46 EUR festzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge, indem sie spruchmäßig feststellte, dass vom Gewinnanteil des MB ein Anteil 55.703,46 EUR nicht entnommenen Gewinn nach § 11a EStG darstelle.

In der Begründung wird ausgeführt, es sei strittig, ob eine Einlage des MB in der Höhe von 46.067 EUR, die er aus Einkommensteuergutschriften gespeist habe, als "betriebsnotwendige Einlage" iSd § 11a Abs. 1 EStG 1988 zu beurteilen sei.

Auf dem Abgabenkonto des MB (Unternehmensinhaber) sei Einkommensteuer am 8. Mai 2003 gutgeschrieben und am Tag ihrer Buchung mit einer Nachzahlung an Umsatzsteuer 2002 von 1.338,85 EUR verrechnet worden. Sodann seien 44.728,58 EUR an den Gesellschafter MB zurückgezahlt worden. Der vom Finanzamt zurückgezahlte Betrag sei am 3. Juni 2003 dem betrieblichen Girokonto gutgeschrieben worden. Am 5. Juni 2003 sei von diesem Konto die Abdeckung des betrieblichen Yen-Kredites in Höhe von 58.641,15 EUR erfolgt. Nach der Abdeckung dieses Kredites habe der Guthabenstand am Girokonto (am 5. Juni 2003) nur mehr 417,84 EUR betragen.

Das Finanzamt sei von einer nicht betriebsnotwendigen Einlage ausgegangen. Die Einlage resultiere aus einer Gutschrift an Einkommensteuer 2002 für MB von 39.317,43 EUR und einer Gutschrift an Einkommensteuervorauszahlung 2004, wiederum für MB, von 6.750 EUR. Die Verrechnung dieser Einkommensteuergutschrift auf dem Abgabenkonto des MB (Anmerkung: auf diesem Konto ist auch die aus der betrieblichen Tätigkeit der Mitbeteiligten resultierende Umsatzsteuer verbucht worden) mit der betrieblichen Umsatzsteuernachzahlung für 2002 (von 1.338,85 EUR) - direkt auf dem Abgabenkonto des MB - stelle nach Ansicht der belangten Behörde jedenfalls eine betriebliche Verwendung dar, sodass insoweit die Betriebsnotwendigkeit der Einlage keinesfalls verneint werden könne.

Der vom Finanzamt zurückgezahlte Betrag von 44.728,58 EUR sei am 5. Juni 2003 zur Abdeckung eines betrieblichen Yen-Kredites verwendet worden. Diese Einlage sei daher nach Auffassung der belangten Behörde als betriebsnotwendig zu qualifizieren. Sie ersetze nämlich unmittelbar Fremdkapital.

In seinem Erkenntnis vom 26. April 2000, 99/14/0249, habe der Verwaltungsgerichtshof zu § 11 EStG 1972 ausgesprochen, dass bei Berechnung der Mehrentnahmen iSd § 11 Abs. 6 EStG 1972 Einlagen und Entnahmen gegeneinander aufzurechnen seien, wenn im selben Wirtschaftsjahr sowohl Entnahmen als auch Einlagen getätigt würden, es sei denn, dass eine Einlage nur kurze Zeit um den Bilanzstichtag im Betrieb verbleibe und darin eine Umgehungshandlung zu erblicken sei. Diese Aussage des Verwaltungsgerichtshofes erweise sich nach Ansicht der belangten Behröde auch für den Geltungsbereich des § 11a EStG 1988 als zutreffend.

Eine Umgehungshandlung im Sinne einer missbräuchlichen Einlagengestaltung liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Im gegenständlichen Fall sei die Einlage zehn Monate vor dem Bilanzstichtag getätigt worden.

Es mache keinen Unterschied, ob eine Einlage direkt aus der privaten Sphäre des Unternehmers stamme oder aus einer rückerstatteten Über- bzw. Vorauszahlung an (privater) Einkommensteuer. Die Tatsache, dass die Mittel aus einer Einkommensteuergutschrift kämen, spreche nicht gegen die Betriebsnotwendigkeit einer Einlage iSd § 11a EStG 1988.

Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Das Finanzamt bringt vor, aus den ErlRV zum Budgetbegleitgesetz 2003, mit dem die Regelung über die begünstigte Besteuerung des nicht entnommenen Gewinnes in das EStG 1988 als § 11a eingefügt worden sei, ergebe sich, dass von der Betriebsnotwendigkeit der Einlage insbesondere dann auszugehen sei, wenn sie Fremdkapitalersatz darstelle. Nach Ansicht des Finanzamtes komme dem Begriff "betriebsnotwendig" in § 11a EStG 1988 eine eigenständige Bedeutung zu. Demnach sei es erforderlich, dass bereits im Zeitpunkt der Einlage feststehe, welchem konkreten betrieblichen Zweck die Einlage dienen solle. Der Umstand, dass sich das Unternehmen über Fremdkapital finanziere, führe nicht zwangsläufig dazu, dass jede Einlage betriebsnotwendig sei. Betrachte man den hohen Fremdkapitalanteil der Unternehmen, würde nämlich eine andere Sicht fast jede Einlage als betriebsnotwendig erfassen.

Nach Ansicht des Finanzamtes seien zwei Fallgruppen "bedeutsam", bei denen eine Betriebsnotwendigkeit zu bejahen sei:

Das seien zum einen die Fälle, in denen die Einlage konkrete Investitionen oder Aufwendungen decke, die andernfalls mit Fremdmitteln finanziert werden müssten. Und das seien zum anderen die Fälle, in denen die eingelegten Mittel dazu bestimmt seien, eine ansonsten drohende Insolvenz zu verhindern.

Im gegenständlichen Fall wäre die Verwendung der Einlage zur Tilgung des Yen-Kredites nur dann ausreichend gewesen, "wenn der Yen-Kredit zum einen fällig gewesen wäre und zum anderen dieser Kredit aus nicht bereits vorhandenen betrieblichen Mitteln hätte bedient werden können". Die belangte Behörde habe es auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht unterlassen zu prüfen, ob es sich beim Yen-Kredit um einen fälligen Kredit gehandelt habe bzw ob es zu einer vorzeitigen Kredittilgung gekommen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§11a Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 71/2003 und 180/2004 lautete:

"Natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100 000 EUR, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind."

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die belangte Behörde die Einlage eines Mitunternehmers zur Abdeckung einer Schuld der Mitunternehmerschaft in Form eines Fremdwährungskredites zu Recht als betriebsnotwendig iSd § 11a Abs. 1 EStG 1988 beurteilt hat, und zwar auch dann, wenn der Kredit noch nicht fällig gewesen ist oder die Rückzahlung auch aus bereits vorhandenen betrieblichen Mitteln hätte getätigt werden können.

Der Begriff der betriebsnotwendigen Einlagen ist in § 11a EStG 1988 nicht umschrieben und insoweit unklar (vgl. Doralt/Heinrich, EStG12, § 11a Tz 28). Mit dem Erfordernis der Betriebsnotwendigkeit wird vom Gesetzgeber Bezug genommen auf die bereits im Geltungsbereich des § 11 EStG 1972 in der Rechtsprechung behandelte Problematik der Umgehungshandlungen durch nur für wenige Tage getätigte Einlagen. Der Gesetzgeber will mit diesem Begriff vermeiden, dass vorangegangene Entnahmen kurz vor dem Bilanzstichtag durch kurzzeitige Einlagen ausgeglichen werden können (vgl. Hofstätter/Reichel, § 11a EStG 1988 Tz 3).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist eine "betriebsnotwendige Einlage" iSd § 11a EStG 1988 jede Einlage in das Betriebsvermögen, die im betrieblichen Interesse gelegen ist. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn Einlagen bloß kurze Zeit um den Abschlussstichtag im Betrieb verbleiben. Offensichtliche Umgehungshandlungen in Form kurzzeitiger Einlagen sind der Steuerbegünstigung nicht zugänglich.

Das beschwerdeführende Finanzamt ist mit dem Vorbringen im Recht, dass die Betriebsnotwendigkeit einer Einlage insbesondere auch dann vorliegt, wenn die Einlage konkrete Investitionen oder Aufwendungen deckt oder eine drohende Insolvenz abwendet. Damit sind aber andere Fälle von im betrieblichen Interesse gelegenen Einlagen in das Betriebsvermögen nicht ausgeschlossen.

Dass Einlagen zur Abdeckung eines betrieblichen Fremdwährungskredits als betriebsnotwendig iSd § 11a Abs. 1 EStG 1988 qualifiziert werden, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, und zwar auch dann nicht, wenn noch keine Verpflichtung, sondern bloß die Möglichkeit der Tilgung des Fremdwährungskredites bestanden hat. Im Übrigen hat, wie die Gegenschrift der mitbeteiligten Partei aufzeigt, die vorzeitige Tilgung des Fremdwährungskredites der Realisierung eines Kursgewinnes gedient.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandsersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Juni 2010

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