VwGH 2007/15/0223

VwGH2007/15/022329.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des R B in G, vertreten durch die Stemmer Bahl Fend Steuerberatungsges. OEG in 6830 Rankweil, Am Bühel 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 25. Juni 2007, Zl. RV/0347-F/02, betreffend Haftung gemäß § 82 EStG für 1997 bis 2000, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §47 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2007150223.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer kaufte Videokassetten und Kundenstock einer Videoverleihfirma und organisierte in der Folge einen Videoverleih. In der Videothek war jeweils eine Person (so genannter "Betreiber") im Auftrag des Beschwerdeführers tätig, und zwar jeweils für einen mehrmonatigen Zeitraum. Grundlage für das Tätigwerden des jeweiligen Betreibers war ein "Partnervertrag" zwischen ihm und dem Beschwerdeführer, in welchem es der Betreiber übernahm, "als selbständiger Kaufmann diese Videothek zu führen und alle für den Betrieb der Videothek üblichen Verkaufs- und Verleihgeschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns abzuwickeln". Der Beschwerdeführer beurteilte die Betreiber als selbständig tätige Personen.

Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung über den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 2000 gelangte der Prüfer zur Auffassung, die jeweiligen Betreiber seien Dienstnehmer im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 gewesen, die vom Beschwerdeführer an diese Personen bezahlten Beträge ("Betreiberprovisionen") hätten daher Löhne für in einem Dienstverhältnis stehende Angestellte dargestellt.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 4. März 2002 gemäß § 82 EStG 1988 zur Haftung für Lohnsteuer in Höhe von 22.624,14 EUR herangezogen. Zugleich wurden ihm Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben.

In der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, sämtliche Betreiber hätten ihre Tätigkeit aufgrund des Partnervertrages im Sinne eines Betreibervertrages ausgeübt. Dieser Vertrag sei ein Werkvertrag und habe den jeweiligen Betreiber (fünf Personen im Prüfungszeitraum) verpflichtet, seine Tätigkeit mit einem aufrechten Gewerbeschein auszuüben. Der Partnervertrag habe es dem Betreiber ermöglicht, für die Erbringung seiner Leistungen geeignetes Hilfspersonal auf eigene Rechnung zu beschäftigen (Punkt 5 des Vertrages). Es lägen daher keine Dienstverhältnisse vor.

Der Berufung wurde ein Partnervertrag in Kopie mit dem Bemerken beigelegt, dass die Verträge für alle Betreiber gleichartig gewesen seien.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird darauf hingewiesen, dass das "Arbeitsverhältnis" mit einem der Betreiber, nämlich Otto B, strittig geendet habe. Für "Zwecke des beiderseitigen Parteiengehörs und zur Ermittlung des Sachverhaltes (Überwiegen der Merkmale einer selbständigen oder jener einer unselbständigen Tätigkeit)" werde die Klageschrift des Otto B vom 17. Februar 1999 (Klage gegen den Beschwerdeführer wegen 112.000 S s. A.) auszugsweise dargestellt. Der Rechtsstreit sei mittlerweile außergerichtlich beigelegt worden. In dieser Klageschrift gehe Otto B von folgendem Sachverhalt aus (ohne Wiedergabe der durch Unterstreichen erfolgten Hervorhebungen):

"Unabhängig von der Titulierung des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages handelt es sich dem Wesen und der tatsächlichen Ausführung nach um ein Angestelltenverhältnis. Der Kläger war persönlich und wirtschaftlich im Organismus des Betriebes des Beklagten untergeordnet. Dies ergibt sich zum einen aus dem Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages selbst; so hatte der Kläger den Beklagten laufend über alle interessanten Umstände zu informieren (Punkt 4), festgelegte Öffnungszeiten (Punkt 5), ein EDV-geführtes Kassenbuch täglich an die Einzelfirma zu übermitteln (Punkt 6). Der Kläger war verantwortlich für den jeweiligen Kassettenbestand (Punkt 7) und übernahm darüber hinaus weitere Verpflichtungen gemäß Punkt 8 des Vertrages. Gemäß 11. wurde eine Probezeit vereinbart.

Zum anderen ergeben sich aus der faktischen Tätigkeit des Klägers folgende Punkte, die für das Bestehen eines Dienstverhältnisses sprechen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Wenn diese beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos) Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018).

Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2009, 2007/15/0163, und vom 22. März 2010, 2009/15/0200).

Die für das Dienstverhältnis charakteristische Weisungsunterworfenheit ist durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet und führt zu einer weitreichenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Dienstnehmers. Ein persönliches Weisungsrecht beschränkt die Entschlussfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus (vgl. Doralt, EStG6, § 47 Tz 37). Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 90/14/0103). Hievon muss die sachliche und technische Weisungsbefugnis unterschieden werden, die etwa im Rahmen eines Werkvertrages ausgeübt wird und sich lediglich auf den Erfolg einer bestimmten Leistung bezieht (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 47 Tz 4.3).

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, 97/13/0164).

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmenals auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 2009, 2005/15/0035).

Kann sich der Auftragnehmer bei seiner Arbeitsleistung vertreten lassen und kann er über die Vertretung selbst bestimmen, so spricht dies gegen ein Schulden der Arbeitskraft und damit gegen ein Dienstverhältnis (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 47 Tz 4.3.)

Die belangte Behörde hat sich im gegenständlichen Fall zur Feststellung des Sachverhaltes - neben der Heranziehung des Partnervertrages - auf die Darstellung in der Klageschrift des Otto B bezogen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren zu dieser erstmals in der Berufungsvorentscheidung angeführten Klageschrift eingewendet, der Kläger habe ihm durch unrichtige Behauptungen Schaden zufügen wollen. Der Beschwerdeführer hat im Vorlageantrag u.a. vorgebracht, der jeweilige Betreiber sei nicht verpflichtet, persönlich anwesend zu sein oder persönlich Arbeitsleistungen zu erbringen und könne sich anderer Personen zur Erbringung der Leistungen bedienen. Der Beschwerdeführer hat im Vorlageantrag weiters auf die im Partnervertrag festgehaltene Art der Ermittlung der Entlohnung und die Festlegung der Tragung der Aufwendungen verwiesen.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid dennoch von "nicht widerlegbaren Behauptungen des Klägers" aus und stützt sich dabei im Wesentlichen darauf, dass nach Einbringung der Klage eine außergerichtliche Einigung zustande gekommen sei, in der sich der Beschwerdeführer "zur Zahlung eines gewissen ausstehenden Betrages verpflichtet" habe. Im Hinblick darauf, dass das Klagebegehren auf 112.000 S gerichtet war, die außergerichtliche Einigung aber bloß 44.000 S inklusive Umsatzsteuer umfasst, vor allem aber im Hinblick darauf, dass sich das Klagebegehren alternativ ("Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung des gegenständlichen Partnervertrages") auf Punkt 11 des Vertrages stützte, wonach der Vertrag nur mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden kann, wenn keine wichtigen Gründe für eine sofortige Vertragsauflösung vorliegen, erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach über die im Partnervertrag festgelegten Verpflichtungen der Betreiber hinausgehend wesentliche weitere, in der Klage beschriebene bestanden hätten, als nicht schlüssig.

Die detaillierten Regelungen des Partnervertrages, wonach der Betreiber innerhalb eines bestimmten örtlichen und zeitlichen Bereichs in von vornherein festgelegter Weise tätig zu werden hat, stellen sich weitgehend als Elemente einer sachlichen Weisungsgebundenheit dar (vgl. Doralt, EStG6, § 47 Tz 36).

Vor dem Hintergrund der sodann nicht klar erkennbaren persönlichen Weisungsunterworfenheit der Betreiber kommt im gegenständlichen Fall - zusätzlich zur unbestritten gegebenen Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Beschwerdeführers - weiteren Abgrenzungskriterien, insbesondere dem Unternehmerwagnis, Bedeutung zu. Entsprechende Feststellungen wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu treffen haben.

Keine Rechtswidrigkeit zeigt der Beschwerdeführer auf mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe seinen Anträgen auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht entsprochen. Diese Anträge hat der Beschwerdeführer nämlich mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 zurückgezogen.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Juli 2010

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