VwGH 2007/13/0076

VwGH2007/13/007626.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 8/16/17 gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 28. Juni 2007, GZ. RV/1980-W/04, GZ. RV/0492-W/07 und GZ. RV/0493- W/07, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1995 sowie hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1995, (mitbeteiligte Partei: S in W), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §276;
BAO §303 Abs4;
BAO §307 Abs3;
BAO §276;
BAO §303 Abs4;
BAO §307 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 17. November 1999 einer bei der mitbeteiligten Partei durchgeführten Prüfung der Aufzeichnungen hinsichtlich der Umsatz- und Einkommensteuer für 1994 bis 1996 wurde festgehalten:

"Feststellungen lt BP:

1) Einnahmen 94-96

Die AbgPfl hat vor Prüfungsbeginn Selbstanzeige gem. § 29 FinstrG für die Jahre 1994-95 erstattet. Die BP hat folgende Einnahmen festgestellt.

 

1994

1995

1996

Einnahmen lt BP netto

51.250,00

276.800,00

592.104,17

Ust

10.250,00

55.360,00

118.420,83

brutto

61.500,00

332.160,00

710.525,00

Die Einnahmen unterliegen zur Gänze mit 20 % der Umsatzsteuer.

2) Ausgaben 94-96

An Ausgaben wurden an Hand der BP vorgelegten Unterlagen folgende anerkannt.

Ausgaben brutto

1994

1995

1996

Fachliteratur

4.395,00

5.768,00

 

Fahrtkosten

4.700,00

11.813,00

 

Arbeitsmaterial

5.483,40

7.154,80

8.160,00

Flugkosten Ecuador

17.643,00

  

Büromaterial

16.417,40

916,70

3.555,40

Fortbildung

 

7.752,00

3.300,00

Werbung

 

482,00

 

Telefon

  

13.558,20

KFZ-Kosten 80 % betrieblich

  

62.740,24

Gebühren, Beiträge

  

671,50

Kurs

  

500,00

AfA

1.415,00

1.415,00

1.415,00

Summe Ausgaben

50.053,80

35.301,50

93.900,34

Einnahmen lt BP

61.500,00

332.160,00

710.525,00

Ausgaben

50.053,80

35.301,50

93.900,34

Gewinn lt BP

11.446,20

296.858,50

616.624,66

3) Vorsteuern

An Hand der vorgelegten Unterlagen wurden von der BP folgende Vorsteuern ermittelt.

 

1994

1995

1996

 

7.306,95

3.474,93

8.560,95"

In ihrem Bericht vom 7. Februar 2000 über diese Prüfung der Aufzeichnungen führte die Prüferin unter Tz 13 an:

"Die AbgPfl bzw. der steuerliche Vertreter hat bei Prüfungsbeginn Selbstanzeige gem 29 FinstrG hinsichtlich fehlender Umsätze der Jahre 1994 + 95 erstattet. Im Zuge der BP wurden jedoch auch zu verschiedenen geltend gemachten Ausgaben keine Belege vorgelegt."

Unter Tz 15 ihres Berichtes gab die Prüferin den Gesamtbetrag an vereinnahmten Entgelten für das jeweilige der drei Prüfungsjahre wieder, unter Tz 16 führte sie die Beträge der davon anerkannten Vorsteuern in näher angeführter Höhe an. Unter Tz 17 bis 19 berechnete die Prüferin davon ausgehend die Umsatzsteuer. Die Prüferin ermittelte unter Tz 21 ausgehend von der "Veranlagung bzw Erklärung" und der "Differenz lt BP" den Gewinn, erkannte unter Tz 22 den Alleinerhalterabsetzbetrag für 1996 zu und berechnete unter Tz 23 das Einkommen für 1994.

Unter Tz 32 ihres Berichtes führte die Prüferin an, hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume seien Feststellungen getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlich machten:

Umsatzsteuer 1994-1996, Hinweise auf Tz 15 bis 19; Einkommensteuer 1994-1996, Hinweis auf Tz 21 bis 23.

Mit Bescheiden vom 5. und 7. Februar 2001 nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer für 1995 wieder auf. Zur Begründung führte das Finanzamt an:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303

(4) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu ersehen."

Ebenfalls mit Bescheiden vom 5. und 7. Februar 2001 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer für 1995 neu fest.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. Jänner 2007 wies das Finanzamt die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die Wiederaufnahmebescheide ab, worauf die mitbeteiligte Partei einen Vorlageantrag einbrachte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Bescheide des Finanzamtes vom 5. und 7. Februar 2001 über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1995 (ersatzlos) auf und wies die gegen die Bescheide vom 5. und 7. Februar 2001 betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1995 erhobene Berufung als unzulässig zurück.

Aus den Wiederaufnahmebescheiden sei nicht ersichtlich, aus welchen konkreten Gründen das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1995 verfügt habe. Die bekämpften Bescheide würden in einer (Standard) Begründung lediglich auf die Feststellungen im BP-Bericht und auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verweisen. Doch lasse sich weder aus den Feststellungen des BP-Berichtes noch aus der Niederschrift auch nur ansatzweise entnehmen, aus welchen gesetzlich vorgesehenen Gründen die Verfahrenswiederaufnahme tatsächlich verfügt worden sei. Das Finanzamt dürfte zwar den Wiederaufnahmegrund der neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel im Auge gehabt haben, habe dies in den bekämpften Wiederaufnahmebescheiden aber nicht in ausreichend klarer und nachvollziehbarer Weise zum Ausdruck gebracht. Selbst in der Tz 13 des Prüferberichtes finde sich lediglich der bloße Hinweis auf die bei Prüfungsbeginn erstattete Selbstanzeige, ohne die Höhe dieser nicht erklärten Umsätze und Einnahmen konkret zu beziffern. Auch im gesamten restlichen Prüferbericht seien keine ziffernmäßigen Angaben über diese nicht erklärten Umsätze, geschweige denn über die steuerlichen Auswirkungen dieser festgestellten Tatsachen enthalten. Daher sei die Wiederaufnahme durch das Finanzamt ohne jegliche Begründung erfolgt. Die bekämpften Wiederaufnahmebescheide des Finanzamtes seien deshalb ersatzlos zu beheben gewesen. Mit der ersatzlosen Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide würden gemäß § 307 Abs. 3 BAO auch die daraufhin erlassenen Sachbescheide aus dem Rechtsbestand ausscheiden und es würde das Verfahren in die Lage zurücktreten, in der es sich vor der Wiederaufnahme befunden habe. Daher sei die Berufung gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1995 als unzulässig geworden zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u.a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht hinsichtlich des zugrunde liegenden rechtserheblichen Sachverhaltes und der zu beantwortenden Rechtsfrage dem mit dem hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, 2004/13/0108, entschiedenen in einer Weise, die es erlaubt, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Gründe jenes Erkenntnisses zu verweisen.

Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat das Finanzamt zur Begründung der Wiederaufnahmebescheide auf einen Prüferbericht verwiesen, in welchem die in der Beschwerde des Finanzamtes hervorgehobene Selbstanzeige nicht von den von der Prüferin durch Verweis auf bestimmte Tz ihres Berichtes (Tz 15 bis 19 und Tz 21 bis 23) als Wiederaufnahmegrund bezeichneten Feststellungen erfasst ist, sondern in einer anderen Tz (Tz 13).

Die Wiederaufnahmebescheide des Finanzamtes verweisen auch auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung, doch finden sich dort lediglich Feststellungen, dass eine Selbstanzeige erstattet worden ist, welche Einnahmenbeträge in den einzelnen Jahren die Prüferin festgestellt habe und welche Ausgaben sie anerkannt habe. Feststellungen, welche Tatsachen durch die Selbstanzeige neu hervorgekommen wären oder welche Ausgaben oder Vorsteuern die Prüferin deshalb nicht anerkannt hätte, finden sich in der Niederschrift über die Schlussbesprechung nicht.

Solche allenfalls im Arbeitsbogen der Prüferin oder im weiteren Verwaltungsverfahren (etwa in der vom beschwerdeführende Finanzamt erwähnten Berufungsvorentscheidung, welche nicht als erstmalige Entscheidung in einem Gegenstand ergehen darf - vgl. Stoll, BAO III, 2712) getroffenen "Feststellungen" ersetzen nicht die Feststellung im Wiederaufnahmebescheid, dessen ersatzlose Aufhebung somit bereits durch die erwähnte Berufungsvorentscheidung hätte erfolgen müssen (vgl. Ritz, BAO3, Tz 6 zu § 276).

Da die vor der belangten Behörde bekämpften Wiederaufnahmebescheide sohin einen Tatsachenkomplex, der als neu hervorgekommen herangezogen werden könnte, nicht beschreiben, stand die ersatzlose Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide durch die belangte Behörde im Einklang mit der Rechtslage (vgl. neben dem von der belangten Behörde in der Gegenschrift zutreffend angeführten, bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 19. September 2007 auch die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2006, 2003/15/0141, vom 26. April 2007, 2002/14/0075, vom 17. April 2008, 2007/15/0062, und vom 15. Dezember 2010, 2007/13/0157).

Zum Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides, mit welchem die Berufung gegen die Sachbescheide zurückgewiesen wurde, enthalten die Beschwerdegründe keine Ausführungen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2011

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