VwGH 2006/21/0368

VwGH2006/21/036831.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der S, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 26. Jänner 2006, Zl. Fr-4250a- 167/04, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
FrPolG 2005 §9;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
FrPolG 2005 §9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0049 (Versagung einer von der Beschwerdeführerin beantragten Niederlassungsbewilligung), vom 19. Oktober 2004, Zlen. 2004/21/0243 und 0244 (Erlassung befristeter Aufenthaltsverbote gegenüber der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn K) sowie vom 30. August 2007, Zl. 2005/21/0422 (Versagung einer von K. beantragten Niederlassungsbewilligung) verwiesen.

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 26. Jänner 2006 wies die belangte Behörde (Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg) die von der Beschwerdeführerin am 6. Juni 2005 beantragte Aufhebung des erwähnten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.

Begründend führte sie aus, dass sich seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes keine maßgeblichen Gesichtspunkte zu Gunsten der Beschwerdeführerin, die "konkrete Änderungstatsachen" nicht einmal behauptet habe, im tatsächlichen oder (nach Inkrafttreten des FPG) rechtlichen Bereich geändert hätten. Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen. Unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin gegenüber der Behörde gemachten falschen Angaben über den Zweck und die Dauer des von ihr beabsichtigten Aufenthaltes wäre auch im nunmehrigen Zeitpunkt ein Aufenthaltsverbot zu verhängen. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin trotz wiederholter Ausreiseaufforderungen unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben sei und sich weigere, den rechtmäßigen Zustand herzustellen.

Der Eingriff sei auch unter Berücksichtigung ihres Privat- und Familienlebens geboten. K., der älteste Sohn der Beschwerdeführerin, sei ihr im August 2002 nach Österreich gefolgt und nach Ablauf seines Aufenthaltstitels unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet verblieben. K. sei derzeit unbekannten Aufenthaltes. L., sein Vater und Ehemann der Beschwerdeführerin, halte sich zwar rechtmäßig in Österreich auf, sei von der Beschwerdeführerin und den gemeinsamen Kindern jedoch bereits früher jahrelang räumlich getrennt gewesen. Die geschilderten Umstände seien bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden, relevante Änderungen seien auch insoweit nicht behauptet worden. Die maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes lägen unverändert vor und seien höher zu veranschlagen als die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin. Insbesondere seien keine Umstände aufgezeigt worden, die einer gemeinsamen Rückkehr in die Türkei entgegenstünden. Dadurch könnte die Familieneinheit gewahrt werden, "zumal die ganze Familie in der Türkei geboren und dort aufgewachsen" sei. Ein individuelles Zuwanderungsrecht könnte in diesem Fall aus Art. 8 EMRK nicht abgeleitet werden.

Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 sei nur auf jene türkischen Staatsangehörigen anzuwenden, die die Genehmigung erhalten hätten, zu ihren in Österreich lebenden Angehörigen zuzuziehen. Eine derartige Bewilligung sei der Beschwerdeführerin jedoch nicht erteilt worden. Sie habe lediglich die Erlaubnis zu einem kurzzeitigen Besuch erhalten. Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts seien die Mitgliedstaaten befugt, Vorschriften über die Einreise der Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer in ihr Hoheitsgebiet zu erlassen. Diese habe die Beschwerdeführerin durch die genannten Täuschungshandlungen bei der Einreise umgangen. Auf Grund ihres nach wie vor bestehenden unrechtmäßigen Aufenthaltes könne ein Wegfall oder auch nur eine Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr nicht angenommen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. November 2006, B 530/06-12, ablehnte und die Beschwerde mit gesondertem Beschluss vom 12. Dezember 2006 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die vorliegende ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß dem - im vorliegenden Fall nach der Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 1 FPG anzuwendenden - § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Fremden, die nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, jedoch vor Erlassung der Entscheidung über seine Aufhebung die Stellung eines Familienangehörigen eines Österreichers (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) erlangt haben, wäre überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grund des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0004, mwN).

Familienangehörige eines Österreichers (oder eines sonstigen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union) ist die Beschwerdeführerin jedoch nach eigenem Vorbringen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht gewesen. Mögliche künftige Entwicklungen können daran nichts ändern.

Inhaltlich kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit seiner Erlassung die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des (hier angefochtenen) Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0004, mwN).

Die Beschwerdeführerin wendet sich - ungeachtet dieser Rechtslage - gegen die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und wiederholt dabei ihr (etwa zur depressiven Erkrankung ihres Ehemannes L. erstattetes) Vorbringen, das bereits im eingangs zitierten hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2004 als nicht stichhältig angesehen worden war. Diese Argumentation kann somit auch der vorliegenden Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Mit umfangreichem Vorbringen versucht die Beschwerdeführerin weiters darzulegen, dass der angefochtene Bescheid gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, insbesondere der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, nicht standzuhalten vermöge. Diese Ausführungen gehen zum Teil jedoch schon deshalb ins Leere, weil die Beschwerdeführerin zwar türkische Staatsangehörige ist, der allerdings die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB nicht zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2007, Zlen. 2005/21/0323 und 2006/21/0313, 0314). Aus dem ARB kann die Beschwerdeführerin daher für ihren Standpunkt nichts gewinnen.

Dasselbe gilt für die Richtlinien 2003/86/EG und 2003/109/EG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zlen. 2006/21/0057 bis 0059) und die Richtlinie 2004/38/EG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138, und vom 18. Mai 2007, Zl. 2005/18/0652).

Letztlich ist dem Beschwerdeargument, auch eine Verneinung des Bezuges zum Gemeinschafts- bzw. Assoziationsrecht müsse der Prüfung durch eine unabhängige Instanz vorbehalten bleiben, sowie dem Vorwurf einer (bereits vom Verfassungsgerichtshof - u.a. in seinem oben zitierten, im vorliegenden Fall ergangenen Beschluss vom 27. November 2006 - verneinten) Verfassungswidrigkeit des § 9 FPG zu entgegnen, dass das Gemeinschaftsrecht die verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes - anerkennt und die behördliche Beurteilung der jeweiligen Zuständigkeit der (effektiven) Kontrolle durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts unterliegt. Für eine in Zweifelsfällen geforderte Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates bleibt somit kein Raum (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0373, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird; weiters etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0010).

Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Eine Entscheidung über die Zuerkennung von Aufwandersatz war gemäß § 59 Abs. 1 VwGG nicht zu treffen, weil die obsiegende belangte Behörde keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Wien, am 31. März 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte