VwGH 2006/18/0251

VwGH2006/18/025113.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde

1. der AA, geboren 1981, und 2. der GA, geboren 1985, beide in L, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Juni 2006, Zl. St - 333 B/05 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin; hg. Zl. 2006/18/0252) und Zl. St - 333A/05 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin; hg. Zl. 2006/18/0251), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juni 2006 wurden die Beschwerdeführerinnen, Schwestern mit türkischer Staatsangehörigkeit, jeweils gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Bundespolizeidirektion Linz (Erstbehörde) habe (in ihren Bescheiden vom 16. November 2005) folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerinnen seien am 13. November 2001 illegal nach Österreich eingereist und hätten einen Asylantrag gestellt. Die Asylverfahren seien jeweils rechtskräftig negativ abgeschlossen und mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. September 2005 die Behandlung einer jeweils dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt worden. Seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens hielten sich die Beschwerdeführerinnen ohne jegliche fremden- bzw. asylrechtliche Bewilligung und somit nicht rechtmäßig in Österreich auf.

Wie die Beschwerdeführerinnen angegeben hätten, stünden sie in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis und unterstützten ihre Schwester B. durch ihre Erwerbstätigkeit. Sie hätten in Österreich keinen Ehegatten und keine eigenen Kinder, es hielten sich jedoch sechs Geschwister der jeweiligen Beschwerdeführerinnen hier auf. Auch gegen ihre Schwester B. werde ein Ausweisungsverfahren geführt.

Der Eingriff in ihr Familien-, Privat- bzw. Berufsleben sei dahingehend zu relativieren, dass eine Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung schwerer wiege als die von den Beschwerdeführerinnen geschilderten Auswirkungen auf ihre Lebenssituation. Diese hätten noch vier Brüder, die in Österreich legal aufhältig seien, sodass eine angemessene Betreuung (ihrer Schwester B.) auch von legal in Österreich aufhältigen Verwandten durchgeführt werden könne. Die Beschwerdeführerinnen hielten sich zwar bereits mehr als vier Jahre im Bundesgebiet auf, und es werde durch die Ausweisung im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer und die daraus resultierende Integration nicht unerheblich in ihr Berufs- und Privatleben eingegriffen, es werde jedoch nicht in einem solchen Ausmaß eingegriffen, dass die fremdenpolizeiliche Maßnahme unzulässig erschiene.

In Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin (und nicht auch die Zweitbeschwerdeführerin) führte die belangte Behörde im diesbezüglich angefochtenen Bescheid an anderer Stelle überdies aus, dass es sich im Hinblick auf die Darstellung der persönlichen Verhältnisse der Erstbeschwerdeführerin (diese sei am 13. November 2001 illegal eingereist, und es sei das Asylverfahren negativ abgeschlossen worden) erübrigen würde, zu erörtern, ob die Ausweisung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, weil nicht in relevanter Weise in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Die belangte Behörde traf jedoch auch insoweit eine Beurteilung unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und führte aus, dass sich die Beschwerdeführerinnen, bedingt durch das rechtskräftig negativ abgeschlossene Asylverfahren, seit dem 1. September 2005, also seit mehr als einem halben Jahr, illegal in Österreich aufhielten und bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung in hohem Maß gefährde, sodass deren Ausweisung nach dieser Gesetzesbestimmung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.

Die Ausweisung sei erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte, und es hätte daher von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 leg. cit. Gebrauch gemacht werden müssen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerinnen stellen nicht in Abrede, dass das Verfahren über ihre Asylanträge rechtskräftig negativ beendet wurde und sie über keine asyl- oder fremdenrechtliche Bewilligung für ihren Aufenthalt in Österreich verfügen. Im Hinblick darauf begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG jeweils erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft die angefochtenen Bescheide lediglich unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass die Beschwerdeführerinnen und ihre kranke Schwester B. von Geburt an in der Türkei in einem Haushalt aufgewachsen seien und auch in Österreich immer zusammengelebt hätten, ein sehr intensives Verhältnis zueinander bestehe und ihre Schwester ihre Krankheit nur durch deren Unterstützung emotional bewältigen könne. Die Beschwerdeführerinnen seien in Österreich bestens integriert, gingen einer geregelten Erwerbstätigkeit in einer Bäckerei nach und könnten für den gemeinsamen Lebensunterhalt sorgen.

2.2. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerinnen seit 13. November 2001 berücksichtigt und auch in diese Beurteilung miteinbezogen, dass im Bundesgebiet - wie von den Beschwerdeführerinnen in deren Berufung vorgebracht wurde - vier Brüder legal aufhältig seien, und darauf hingewiesen, dass diese die gemeinsame Schwester B. betreuen könnten.

Wenn die belangte Behörde in dem gegen die Erstbeschwerdeführerin erlassenen angefochtenen Bescheid - insoweit unzutreffend - ausgeführt hat, es würde sich erübrigen, zu erörtern, ob die Ausweisung dringend geboten sei, so hat sie an anderer Stelle dieses Bescheides gleichwohl einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Erstbeschwerdeführerin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen und in weiterer Folge auch eine Interessenabwägung nach dieser Gesetzesbestimmung vorgenommen. Durch die obzitierte, insoweit unzutreffende Ausführung der belangten Behörde ist die Erstbeschwerdeführerin daher nicht in Rechten verletzt.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet wird dadurch entscheidend gemindert, dass ihr Aufenthalt nur auf Grund von Asylanträgen, die sich als unberechtigt erwiesen haben, vorläufig berechtigt war. Dass ihre kranke Schwester zu ihren in Österreich lebenden Brüdern keinen Kontakt und keine emotionale Bindung habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Ebenso ergibt sich weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid, dass die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, es könnte deren Schwester ihre Krankheit nur durch deren Unterstützung emotional bewältigen, im Verwaltungsverfahren - so etwa durch ein medizinisches Gutachten - unter Beweis gestellt oder in sonstiger Weise objektiviert worden sei. Von daher begegnet der Hinweis der belangten Behörde, dass eine (allenfalls) erforderliche Unterstützung der genannten Schwester auch durch deren Brüder erfolgen könne, keinem Einwand.

Den privaten und familiären Interessen steht gegenüber, dass sich die Beschwerdeführerinnen, die illegal nach Österreich eingereist sind, jedenfalls seit Ablehnung der gegen die obgenannten negativen Asylbescheide gerichteten Beschwerden unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten. Dies stellt eine große Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, dar.

Bei gehöriger Abwägung der dargestellten Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerinnen, weil zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten, im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Von daher ist auch die Verfahrensrüge, dass die belangte Behörde sich "umfassend" mit den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerinnen in Österreich hätte auseinandersetzen müssen und, hätte sie deren Familienleben und deren Integration in Österreich berücksichtigt, sie "zu einem inhaltlich anders lautenden Ergebnis" gekommen wäre, nicht zielführend.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. September 2006

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