VwGH 2005/18/0686

VwGH2005/18/068617.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geboren 1963), vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. November 2005, Zl. SD 22/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
EMRK Art8;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. November 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Studiums beantragt und einen Aufenthaltstitel vom 27. April 1998 bis (zuletzt) 31. Oktober 1999 erhalten. Seit dem 28. Mai 1998 befinde er sich im Bundesgebiet. Am 17. Mai 1999 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - darauf gestützt - eine Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger bis zum 20. Dezember 2000 erhalten.

Am 13. Mai 2003 sei die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 des Ehegesetzes rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe - laut Urteil - für das Eingehen der Scheinehe vom Scheinehenvermittler S 20.000,-- erhalten. Gleichlautende Feststellungen im Erstbescheid seien vom Beschwerdeführer unwidersprochen geblieben, weshalb der Sachverhalt nach § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht sei. Vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG seien daher die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden zu einem Bruder, mit dem der Beschwerdeführer aber nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung eine Scheinehe gegen Leistung eines Vermögensvorteils eingehe. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass dieses Fehlverhalten, nämlich die Eheschließung, nunmehr beinahe sechseinhalb Jahre zurückliege. Da die Ehe rückwirkend für nichtig erklärt worden sei und der Beschwerdeführer für seine eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse über keine Bewilligung nach dem AuslBG verfüge, seien auch diese Beschäftigungsverhältnisse als unrechtmäßig zu qualifizieren. Hinzu trete weiters, dass der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom 27. September 2005 aufgefordert worden sei, seine ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel darzulegen, deren Herkunft zu bescheinigen und eine allfällige Bewilligung nach dem AuslBG vorzulegen. Der Beschwerdeführer habe zwar eine Unzahl von Lohnzetteln über vergangene Beschäftigungsverhältnisse vorgelegt, er habe jedoch gleichzeitig bekannt gegeben, dass er seit dem 12. September 2005 nicht mehr beschäftigt und arbeitslos gemeldet wäre. Laut Auskunft des Arbeitsmarktservice Wien erhalte er auf Grund der eingegangenen Scheinehe jedoch keine Arbeitslosenbezüge. Da frühere Einkünfte nicht ohne weiteres geeignet seien darzutun, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig über die erforderlichen Mittel zu seinem Unterhalt verfüge und er den Besitz sonstiger Geldmittel nicht habe nachweisen können, sei er auch als mittellos anzusehen. Es könne daher keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer seit Eingehen seiner Scheinehe kein fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten mehr gesetzt hätte. Solcherart sei jedoch unzweifelhaft, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts abzuleitende Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch als nicht gewichtig, weil der Beschwerdeführer lediglich kurzfristig zum Zweck des Studiums zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei, und sich sein darauf folgender Aufenthalt auf das dargelegte Fehlverhalten stütze. Gleiches gelte für die vom Beschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse. Auch unter Bedachtnahme auf seine aktenkundigen familiären Bindungen sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet keineswegs ausgeprägt. Dem gegenüber stehe doch das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen. Bei Abwägung dieser Interessenlage sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und von diesem fern bleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen. Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung dazu gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargestellte Gesamtfehlverhalten könne auch unter Bedachtnahme auf die aktenkundige Lebenssituation des Beschwerdeführers vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet ein, die für nichtig erklärte Ehe habe nicht dazu gedient, einen Aufenthalt in Österreich zu erlangen. Dieser Aufenthalt sei bereits längst gegeben gewesen, der Beschwerdeführer habe auch nie eine österreichische Staatsbürgerschaft angestrebt. Daher lägen in seinem Fall die vom Gesetz verpönten Folgen einer so genannten Scheinehe nicht vor. Ferner sei bei der belangten Behörde noch ein Visumverfahren anhängig. Bevor die Frage eines Aufenthaltsverbots überhaupt zu prüfen gewesen wäre, hätte zunächst über dieses (durch Berufungsbescheid vom 16. September 2003 ausgesetzte) Visumverfahren entschieden werden müssen.

2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen, auf das besagte rechtskräftige Urteil (des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 13. Mai 2003) nach § 23 des Ehegesetzes gestützten Feststellungen über die Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers. Durch dieses Urteil ist bindend festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zu einem der in § 23 Abs. 1 des Ehegesetzes genannten Zwecke geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen. Dem Vorbringen, in seinem Fall würden die verpönten Zwecke einer Scheinehe nicht vorliegen, steht somit die Rechtskraft dieses Urteils entgegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/18/0501, mwH). Die weitere Feststellung der belangten Behörde, dass die in Rede stehende Österreicherin für die Eheschließung den im angefochtenen Bescheid genannten Geldbetrag erhalten habe, wurde in der Beschwerde nicht bestritten. Vor diesem Hintergrund erfüllt das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG. Durch dieses Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften verstoßen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt.

Dazu kommt noch Folgendes: Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, dass sein Lebensunterhalt durch (jeweils gemeldete) entsprechende Tätigkeiten sichergestellt worden sei, und er lediglich vorübergehend infolge der Schließung seiner letzten Firma arbeitslos sei, er würde jedoch jederzeit eine neue Beschäftigung erlangen, wie dies seit 1998 immer möglich gewesen sei. Er tritt aber den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass er zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel nicht nachzuweisen vermochte, nicht entgegen, zumal er kein konkretes, auf einen solchen Nachweis gerichtetes Vorbringen erstattet. Insofern hat der Beschwerdeführer auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0113). Wenngleich die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid spruchmäßig nicht auch auf die zuletzt genannte Bestimmung stützte, wurde der Beschwerdeführer dadurch in keinem Recht verletzt. Angesichts der aus seiner Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Beschwerdeführer auch insoweit dem schon genannten gewichtigen öffentlichen Interesse maßgeblich zuwidergehandelt (vgl. nochmals das eben zitierte hg. Erkenntnis).

Schon angesichts des dargestellten dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Gesamtfehlverhaltens kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtete.

Schließlich war die belangte Behörde durch keine Rechtsvorschrift dazu verhalten, vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides den Ausgang des in der Beschwerde angesprochenen Visumverfahrens abzuwarten.

2.2. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe bezüglich des Vorgesagten kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, als nicht zielführend.

3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer sei jetzt zwar wieder ledig, sei aber bei seinem Bruder aufhältig, mit dem er ein sehr gutes Verhältnis habe und der ihn auch unterstütze. Außerdem halte sich der Beschwerdeführer seit April 1998, somit langjährig, in Österreich auf; abgesehen von dem Tatbestand der Scheinehe habe er sich keiner Verletzung von gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Vorschriften schuldig gemacht. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sei als verfestigt anzusehen, sein Lebensunterhalt sei auch durch (jeweils gemeldete) Tätigkeiten sichergestellt gewesen. Durch das Aufenthaltsverbot würde daher massiv in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers eingegriffen.

3.2. Dieses Vorbringen erweist sich als nicht zielführend. Die belangte Behörde hat in Anbetracht der im bekämpften Bescheid festgehaltenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber die Auffassung vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist, weil es zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und Sicherung des wirtschaftlichen Wohls des Landes) dringend geboten erscheint. Angesichts des solcherart gegebenen großen öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte auch die Interessenabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Abgesehen von einem Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren von April 1998 bis Oktober 1999 liegt nämlich auf der Basis der insoweit unstrittigen Feststellungen dem Aufenthalt des Beschwerdeführers seine für nichtig erklärte Scheinehe zu Grunde; ferner gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beschwerdeführer nach der Nichtigerklärung wieder in den Besitz eines Aufenthaltstitels für seinen Aufenthalt in Österreich gekommen wäre. Von daher erscheint eine aus dem inländischen Aufenthalt ableitbare Integration - auch mit Blick auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers - in ihrem Gewicht entscheidend relativiert.

4. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 2006

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