VwGH 2005/18/0518

VwGH2005/18/051827.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des C, geboren 1986, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Juni 2005, Zl. SD 375/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §45 Abs4;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §45 Abs4;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Juni 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, nach seinen Behauptungen ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und der von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) im Bescheid vom 24. Februar 2005 gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität und Nationalität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei am 11. April 2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der am 23. September 2004 zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer dagegen eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde (an den Verfassungsgerichtshof) sei abgelehnt worden. Ein weiteres Beschwerdeverfahren sei anhängig.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Jänner 2004 sei der Beschwerdeführer nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sieben Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Er habe von Mitte Juli 2004 bis zum 7. Dezember 2004 fünf Kugeln Kokain an einen namentlich genannten Abnehmer und weitere fünf Kugeln Suchtgift pro Woche an unbekannte Abnehmer verkauft sowie am 7. Dezember 2004 vier Kugeln Heroin und eine Kugel Kokain zum unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf bereit gehalten. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt. Die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Es bestünden keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: die Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und der Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer könne keine maßgebliche Integration in Österreich vorweisen. Er sei lediglich auf Grund des Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt. Die jeglicher Integration zu Grunde liegende soziale Komponente sei durch sein strafbares Verhalten an Gewicht gemindert. Mangels jeglicher familiärer Bindungen zu Österreich sei das ihm insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und am Schutz der Gesundheit Dritter gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Vor diesem Hintergrund und in Ermangelung besonderer für den Beschwerdeführer sprechender Umstände könne auch im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde betreffend die (rechtskräftige) Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien begegnet die - nicht bekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

2. Den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zufolge liegt dieser Verurteilung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer von Mitte Juli 2004 bis zum 7. Dezember 2004 Suchtgift verkauft bzw. zum unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf bereitgehalten hat. Die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinem Einwand, zumal dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Z. 2 SMG, also die Begehung eines Deliktes gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. entweder in der Form der Gewerbsmäßigkeit oder als Mitglied einer Bande, zur Last liegt, für das nach Meinung des Gerichts eine zum Teil bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von acht Monaten schuldangemessen war.

3. Die Beschwerde wendet sich gegen die im angefochtenen Bescheid gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG getroffene Interessenabwägung. Der Behörde seien nicht "sämtliche Lebensumstände des Bf bekannt" gewesen. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben. Welche weiteren "Lebensumstände" aber die belangte Behörde nach Meinung des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen, legt er nicht dar.

Den - wie oben I.1. dargestellt - gering ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die von ihm ausgehende, mit seiner Suchtgiftdelinquenz verbundene Gefährdung des öffentlichen Interesses gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und Schutz der Gesundheit Dritter) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.

4. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 FrG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist er ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Gesetzesstelle zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

5. Die Beschwerde wendet sich auch gegen die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes und bringt vor, dass auch eine Dauer von fünf Jahren ausreichend gewesen wäre.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0047, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von zehn Jahren der Fall sein werde, begegnet keinen Bedenken.

6. Die Beschwerde wendet sich auch gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, "dass ein Verfahren beim VwGH" (auf Grund der Beschwerde gegen den abweisenden Asylbescheid) anhängig sei.

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG gegeben waren, weil mit der Entscheidung der Berufungsbehörde in der Hauptsache ein Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung jedenfalls seine Wirkung verloren hat und der Beschwerdeführer - der sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung in Österreich aufgehalten hat - nicht vorbringt, inwieweit der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung nachteilige Auswirkungen auf ihn gehabt habe (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0113).

7. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

8. Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 27. September 2005

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