Normen
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §17 Abs1 Z1;
WEG 1975 §23 Abs1;
WEG 1975 §25 Abs1;
WEG 2002 §43 Abs1;
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §17 Abs1 Z1;
WEG 1975 §23 Abs1;
WEG 1975 §25 Abs1;
WEG 2002 §43 Abs1;
Spruch:
Die angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Am 16. November 2000 und am 3. Jänner 2001 unterfertigten die V Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft mbH (im Folgenden kurz: V) einerseits und die als "Wohnungseigentumswerber" bezeichnete Mitbeteiligte andererseits einen "Anwartschaftsvertrag für den Kindergarten Top Nr. 2 im Haus L" über die beiderseitige Verpflichtung zum Abschluss eines Kaufvertrages über den Erwerb von Wohnungseigentum und die Einräumung von Wohnungseigentum an dort näher bezeichneten Räumlichkeiten zum Betrieb eines Kindergartens um einen vorläufigen Kaufpreis von S 12.202.800,--. Punkt XI. des Anwartschaftsvertrages lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz:
"Rücktritt vom Anwartschaftsvertrag
...
(3) Die Mitbeteiligte ist weiters berechtigt, bis zur Unterfertigung des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages über den Vertragsgegenstand von diesem Anwartschaftsvertrag unter Einhaltung einer einmonatigen Frist zum letzten Tag eines jeden Monats mit eingeschriebenem Brief ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Dies jedoch nur dann, wenn die Mitbeteiligte einen von der V zu genehmigenden Nachfolger stellt, der in der Lage ist, sofort die gesamten bestehenden Zahlungsverpflichtungen der V gegenüber zu begleichen bzw. sämtliche von der Mitbeteiligten bereits an die V geleisteten und an sie rückbezahlten Einzahlungen an die V bar zurückzuerstatten und gewillt ist, den Vertragsgegenstand in dem Zustand zu übernehmen, in welchem er von der Mitbeteiligten zurückgestellt wird. Der Nachfolger muss bereit sind, in sämtliche Verpflichtungen der Mitbeteiligten, insbesondere auch in solche, die aus Sonderwünschen entstanden sind, einzutreten. Rechtsnachfolger dürfen vom Rücktretenden nicht über Realitätenvermittler, Gebäudeverwalter oder andere Vermittlungsbüros gestellt werden.
..."
Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge beschloss die Gemeindevertretung der Mitbeteiligten in ihrer Sitzung vom 15. Mai 2001 einstimmig, dass die Finanzierung dieses Kaufes durch die Bank A erfolgen solle. Mit Schreiben vom 7. August 2001 teilte der rechtsfreundliche Vertreter der "Bank A C" der V mit, dass deren Konzerntochter B GmbH (in der Folge kurz: B) im Hinblick auf eine mit der Mitbeteiligten vereinbarte Leasingfinanzierung des Ankaufes der gegenständlichen Miteigentumsanteile, mit welchem das Wohnungseigentum verbunden werde, in den Anwartschaftsvertrag vom 16. November 2000/3. Jänner 2001 eintreten solle. In diesem Zusammenhang forderte er Modifikationen des Anwartschaftsvertrages in einzelnen Bestimmungen.
Am 30. November 2001 unterfertigte vorerst die Mitbeteiligte als Leasingnehmer einen Leasingvertrag mit der B als Leasinggeber betreffend die eingangs genannten Wohnungseigentumsanteile: Das Leasingverhältnis beginne mit beiderseitiger Unterfertigung diese Vertrages rückwirkend mit dem Tag der Unterfertigung dieses Vertrages durch den Leasingnehmer. Übergabe des Leasingobjektes sei "voraussichtlich" der 1. März 2001.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 erklärte die Mitbeteiligte gegenüber der V, gemäß Punkt XI. Abs. 3 des Anwartschaftsvertrages von diesem zurückzutreten. Weiters gebe sie bekannt, dass die B den gegenständlichen Kindergarten käuflich erwerben werde.
In weiterer Folge urgierte der Rechtsfreund der B von der V die Übermittlung eines verbücherungsfähigen Kaufvertrages über die betreffenden Wohnungseigentumsanteile und bewirkte im Jahr 2002 eine Änderung der Bestimmungen des zukünftigen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages über die Abwicklung der Zahlung (über einen Treuhänder). Im Frühjahr 2003 schlossen schließlich die V und die B einen Kaufvertrag über näher bezeichnete Miteigentumsanteile am eingangs genannten Bauvorhaben, mit denen das Wohnungseigentum an den als "Kindergarten Top 2" näher bezeichneten Räumlichkeiten verbunden ist.
Am 22. Oktober 2003 unterfertigte die B den Leasingvertrag mit der Mitbeteiligten.
Mit Bescheid vom 5. November 2003 setzte das Finanzamt Feldkirch gegenüber der Mitbeteiligten die Grunderwerbsteuer für den Rechtsvorgang "Anwartschaftsvertrag vom 16. November 2000 mit V" mit dem Betrag von EUR 33.017,16 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte im Kern vor, sie sei mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 gemäß Punkt XI. Abs. 3 des gegenständlichen Anwartschaftsvertrages von diesem zurückgetreten, sodass der gegenständliche Erwerbsvorgang innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Jahren seit Entstehen der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht worden sei. Der Rücktritt sei dem Finanzamt von der V bekannt gegeben worden. Sie stelle daher den Antrag, der Berufung stattzugeben und die Grunderwerbsteuer mit EUR 0,-- festzusetzen.
Das Finanzamt Feldkirch wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 5. Dezember 2003 als unbegründet ab, weil - so die wesentliche Begründung dieses Bescheides - nach der Sachlage der Rücktritt der Mitbeteiligten keine Auflösung und Rückgängigmachung des Ankaufes darstelle, sondern eine Erfüllung des Vertrages durch Weiterübertragung des Übereignungsanspruches. Von einer Rückgängigmachung zur vollständigen Wiedererlangung der Verfügungsmacht des Veräußerers im Sinn des § 17 Abs. 1 GrEStG könne in diesem Zusammenhang daher nicht gesprochen werden.
Hierauf beantragte die Mitbeteiligte die Vorlage der Berufung.
Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 29. September 2005 gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid statt und hob den Bescheid vom 5. November 2003 ersatzlos auf. Unter näherer Darstellung der vertraglichen Grundlagen, des Schriftverkehrs sowie des Verfahrensganges führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 sowie von Rechtsprechung zu dieser Bestimmung aus,
"vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage gelangte der erkennende Senat in freier Beweiswürdigung zu Überzeugung ..., dass der am 16.11.2000 und 3.1.2001 unterfertigte Anwartschaftsvertrag im Sinne des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG mit der Wirkung rückgängig gemacht worden ist, dass die V ihre freie Verfügungsmacht (als Eigentümerin) wiedererlangt hat:
- Die von der Mitbeteiligten namhaft gemachte Nachfolgerin ersuchte um Abänderung der von der Mitbeteiligten eingegangenen Verpflichtungen und setzte sich mit diesem Ersuchen in nicht unwesentlichen Punkten (Haftung und Fälligkeit) auch durch (Schreiben Dris. M. vom 7.8. und 6.9.2001). Es kann also keine Rede davon sein, dass das Grundstück zu denselben Konditionen verkauft wurde.
- Die Mitbeteiligte erklärte am 18.12.2001 ihren Rücktritt vom Anwartschaftsvertrag. Der Kaufvertrag zwischen dem von ihr namhaft gemachten 'Nachfolger' und der V wurde am 23.5. bzw. 16.6.2003 unterfertigt. Dies verdeutlicht, dass von einer 'postwendenden' Veräußerung zu identen Konditionen (im Sinne von VwGH 27.2.1995, 94/16/0074) schon im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Verträgen und dem geänderten Vertragsinhalt nicht gesprochen werden kann. Dieser Umstand wird auch durch die langwierigen Vertragsverhandlungen zwischen der von der Mitbeteiligten namhaft gemachten möglichen Nachfolgerin und der V deutlich.
- Die von der Mitbeteiligten getätigten Anzahlungen wurden von der V an die Mitbeteiligte verzinst rückerstattet. Damit kann aber auch nicht die Rede davon sein, der Anwartschaftsvertrag sei lediglich formal rückgängig gemacht worden.
- Das Finanzamt ist der Überzeugung, die Mitbeteiligte habe durch den unter Namhaftmachung eines Nachfolgers erfolgten Rücktritt den Anwartschaftsvertrag erfüllt. Der Senat vermag diese Sicht nicht zu teilen. Nach dem klar erkennbaren Ziel und Zweck der Anwartschaftsvereinbarung kann in der Namhaftmachung eines Nachfolgers nicht die Erfüllung einer Erwerbsvereinbarung, sondern nur die Schaffung der Voraussetzungen für den Rücktritt vom Vertrag erblickt werden. Dadurch wurde die V erst in die Lage versetzt, den namhaft gemachten Nachfolger entsprechend dem eingeräumten bedingungslosen Recht zu genehmigen und auf diese Art den einseitig erklärten Rücktritt anzunehmen. Nach Überzeugung des Senates wäre es der V aber nach dem einseitig erklärten Rücktritt auch völlig frei gestanden, den Nachfolger nicht zu genehmigen oder (freilich unter Inkaufnahme von schuldrechtlichen Konsequenzen) über das Grundstück anderweitig zu verfügen.
- Durch die Namhaftmachung eines Nachfolgers hat die Mitbeteiligte Einfluss auf die Veräußerung genommen. Allerdings steht nach Überzeugung des Senates nicht jede im eigenen Interesse liegende Einflussnahme des (ursprünglichen) Erwerbers der Anwendung der in Rede stehenden Bestimmungen entgegen. Die Vorschrift ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Einflussnahme des (Erst)Erwerbers auf die (Weiter)Veräußerung als Ausfluss der ihm (nach dem Rücktritt) verbliebenen Rechtsposition zu beurteilen ist ... Da nun aber die V das Grundstück zwar (zwei Jahre nach dem Rücktritt) an den von der Mitbeteiligten genannten Nachfolger verkauft hat, dazu aber keineswegs rechtlich verpflichtet war, hat die Mitbeteiligte mit dem erklärten Rücktritt die rechtliche Position aufgegeben, die ihr eine maßgebliche Einflussnahme gegeben hätte.
- Nach dem Vorbringen der Amtspartei in der mündlichen Berufungsverhandlung ist der erfolgte Rücktritt zwar zivilrechtlich, aber nicht grunderwerbsteuerlich anzuerkennen. Nach dem weiteren Vorbringen des Finanzamtes wurde mit dem nachfolgenden Kaufvertrag vom 23.5. bzw. 16.6.2003 ein (weiterer) grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerb über das strittige Grundstück zwischen der V und dem von der Mitbeteiligten namhaft gemachten Nachfolger vereinbart. Das bedeutet, dass auch das Finanzamt davon ausgeht, dass die V jene grunderwerbsteuerliche Position wiedererlangt hat, die ihr eine Übertragung an einen Dritten erlaubte. Dies ist aber nur bei grunderwerbsteuerlicher Anerkennung des Rücktrittes möglich. Es gilt in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück einerseits und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers andererseits in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Nur wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung deshalb nicht wiedererlangt, weil trotz der formellen Aufhebung des Vertrages der Erwerber die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück behält, steht dies der Annahme einer tatsächlichen Rückgängigmachung entgegen ...
- Das Finanzamt vertritt die Auffassung, die Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung mache die tatsächliche Rückgängigmachung erforderlich, ein Umstand der nicht gegeben sei, da die Mitbeteiligte den Kindergarten entsprechend der Aussage in der mündlichen Berufungsverhandlung ab dem Herbst 2001 durchgehend, also auch nach dem erklärten Rücktritt, genutzt habe.
Dem hält der Senat entgegen: Entscheidend ist, dass der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, dass der Veräußerer wieder die ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Ist dies wie dargelegt der Fall, ist es unschädlich wenn das Grundstück vom Erwerber auf Grund eines anderen Rechtstitels oder auch ohne einen solchen genutzt wird. Da die Leasingvereinbarung ... erst mit der Gegenzeichnung am 22.10.2003 wirksam wurde, der Rücktritt jedoch viel früher erfolgt und auch akzeptiert worden ist, erachtet der Senat die tatsächliche Nutzung nicht als rücktrittsschädlich. Die Nutzung war offensichtlich kein Ausfluss des Anwartschaftsrechtes, sondern auf die Stellung der Mitbeteiligten als Baubehörde und Gesellschafterin der V sowie auf den politischen Einfluss ihrer Vertreter zurückzuführen, allesamt Umstände, die nichts mit der durch Anwartschaftsvertrag erworbenen und durch Rücktritt wiederum verlorenen Rechtsposition zu tun haben.
- Nach Überzeugung des Senates ist eine politische Gemeinde grundsätzlich in ihrer Handlungsfähigkeit zu unflexibel, um ihr Handeln als Steuerumgehung zu qualifizieren. Dies wird bekräftigt durch die Abwicklung des Kindergartenprojektes, das in steuerlicher Hinsicht nicht als sonderlich professionell bezeichnet werden kann. Aus diesem Grund kann der Begünstigungsbestimmung auch nicht die Anwendung wegen Steuerumgehungsabsicht versagt werden ..."
Zusammengefasst - so die abschließende Begründung - habe sich bei der Beurteilung der Fakten unter rechtspositionsbezogenem Blickwinkel gezeigt, dass mit der zivilrechtlichen Rückgängigmachung auch eine grunderwerbsteuerliche Entlassung aus den eingegangenen Bindungen eingetreten sei. Deshalb sei der Berufung stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Abgabenbehörde erster Instanz, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Weiters hat die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (GrEStG 1987) unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederverkaufsrechtes rückgängig gemacht wird.
Soweit die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift den angefochtenen Bescheid im Ergebnis mit dem Argument zu stützen versucht, dass erstmals durch den Kaufvertrag im Frühjahr 2003 ein Übereignungsanspruch (der B) begründet worden sei, erst dieser Kaufvertrag das zweiseitige Verpflichtungsgeschäft darstelle und demnach die V - nach dem Rücktritt der Mitbeteiligten vom Anwartschaftsvertrag - die Verfügungsmacht gleich einem Eigentümer nicht nur für zivilrechtliche, sondern auch für steuerliche Zwecke wiedererlangt habe, vermag sie damit keine Bedenken gegen die Beurteilung des gegenständlichen Anwartschaftsvertrages als einen der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG unterliegenden Rechtsvorgang zu erwecken. Die Mitbeteiligte erhielt im vorliegenden Anwartschaftsvertrag die schriftliche Zusage der späteren Einräumung von Wohnungseigentum an bestimmten Räumlichkeiten und wurde - im Einklang mit § 23 Abs. 1 WEG 1975 - als Wohnungseigentumswerberin bezeichnet, sodass sie bereits auf Grund des Anwartschaftsvertrages zufolge der Bestimmung des § 25 Abs. 1 WEG 1975 - nunmehr des § 43 Abs. 1 WEG 2002 zu Gunsten des "Wohnungseigentumsbewerbers" - letzen Endes in den Genuss eines klagbaren und damit durchsetzbaren Anspruches auf Einverleibung ihres Wohnungseigentums gegenüber dem Eigentümer der Liegenschaft gelangte. Der vorliegende Anwartschaftsvertrag stellte damit einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 dar (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II
3. Teil, Rz 156 zu § 1 GrEStG, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/16/0269, betreffend die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des Wohnungseigentumsgesetzes 2002, BGBl I Nr. 70).
Ein Erwerbsvorgang ist dann im Sinn des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 rückgängig gemacht, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist also nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innehatte, wiedererlangt hat. Bei derartigen Begünstigungstatbeständen wie dem § 17 GrEStG hat der die Begünstigung in Anspruch nehmende Steuerpflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. März 2003, Zl. 2002/16/0258, sowie vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/16/0094, sowie die in Fellner, aaO, unter Rz 6 und 14 zu § 17 GrEStG wiedergegebene hg. Judikatur).
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von einem Rücktritt der Mitbeteiligten vom Anwartschaftsvertrag nach Punkt XI. Abs. 3 dieses Vertrages aus. Weder den Feststellungen des angefochtenen Bescheides noch den vorgelegten Verwaltungsakten - noch dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - ist ein Anhaltspunkt dafür abzugewinnen, dass die V einerseits und die Mitbeteiligte andererseits den Anwartschaftsvertrag durch einen contrarius actus völlig unabhängig von Punkt XI. Abs. 3 dieses Vertrages rückgängig gemacht hätten.
Die belangte Behörde erblickte nun im Rücktritt der Mitbeteiligten im Dezember 2001eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erlangte die V allerdings mit dem ausdrücklich auf Punkt XI. Abs. 3 des Anwartschaftsvertrages gegründeten Rücktritt nie mehr jene Verfügungsmacht, die sie vor dem Abschluss dieses Vertrages innehatte, weil die Wirksamkeit des Rücktrittes nach Punkt XI. Abs. 3 zweiter und dritter Satz dadurch bedingt war, dass die Mitbeteiligte einen von der V zu genehmigenden Nachfolger stellte. Mit der Stellung des - von der V zu genehmigenden - Nachfolgers nach Punkt XI. Abs. 3 des Anwartschaftsvertrages hatte die V aber nicht jene Verfügungsmacht wiedererlangt, die sie vor Abschluss des Anwartschaftsvertrages mit der Mitbeteiligten innehatte, sondern sah sich nunmehr dem von der Mitbeteiligten gestellten Nachfolger - und aus den Nachwirkungen des Vertrages heraus auch noch der Mitbeteiligten selbst - gegenüber verpflichtet. Der Umstand, dass die schriftliche Umsetzung dieser Genehmigung längere Zeit in Anspruch nahm, änderte nichts an der sofortigen Verpflichtung der V zur Genehmigung nach Punkt XI. Abs. 3 des Anwartschaftsvertrages. Für die Annahme einer durch diesen Rücktritt herbeigeführten freien Verfügungsmacht über die betreffenden Liegenschaftsanteile bleibt daher kein Raum.
An dieser auf den Anwartschaftsvertrag gestützten Beurteilung des Rücktrittes vermögen auch die von der belangten Behörde ins Treffen geführten, als Ergebnis "freier Beweiswürdigung" bezeichneten Überlegungen nichts zu ändern. Soweit die belangte Behörde in der nachträglichen Abänderung einzelner Bestimmungen des Erwerbsvorganges gegenüber der B ein Indiz dafür sieht, dass diese gerade nicht im Sinn des Punkt XI. Abs. 3 bereit war, in sämtliche Verpflichtungen der Mitbeteiligten aus dem Anwartschaftsvertrag einzutreten, hätte dies nur zur Folge, dass der Rücktritt der Mitbeteiligten unwirksam war und somit keine Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges vorlag.
Soweit die belangte Behörde ins Treffen führt, dass es der V nach dem einseitig erklärten Rücktritt der Mitbeteiligten völlig frei gestanden wäre, den Nachfolger nicht zu genehmigen oder (freilich unter Inkaufnahme schuldrechtlicher Konsequenzen) anderweitig über das Grundstück zu verfügen, übersieht sie, dass die Wirksamkeit des Rücktrittes nach Punkt XI. Abs. 3 des Anwartschaftsvertrages durch die Genehmigung des Nachfolgers bedingt war, dh. ohne Genehmigung des Nachfolgers kein Rücktritt. Eine anderweitige Verfügung über die Liegenschaftsanteile - mangels wirksamen Rücktrittes ohne Genehmigung des Nachfolgers während aufrechten Anwartschaftsvertrages daher ein so genannter "Doppelverkauf" - hätte an der Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ebenfalls nichts mehr geändert (vgl. Fellner, aaO, Rz 139 zu § 1 GrEStG).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 26. Jänner 2006
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