VwGH 2005/15/0004

VwGH2005/15/000419.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach in 2130 Mistelbach, Mitschastraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 22. November 2004, Zl. RV/1605-W/03, betreffend Einkommensteuer für 2001 (mitbeteiligte Partei: ES in H), zu Recht erkannt:

Normen

DurchschnittssatzV Gewinnermittlung 2001/II/054 §8;
DurchschnittssatzV Gewinnermittlung 2001/II/054;
EStG 1988 §17 Abs4;
DurchschnittssatzV Gewinnermittlung 2001/II/054 §8;
DurchschnittssatzV Gewinnermittlung 2001/II/054;
EStG 1988 §17 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei betrieb eine Landwirtschaft, deren maßgebenden Einheitswerte im Sinne des § 1 Abs. 2 der Verordnungen des Bundesministers für Finanzen BGBl. II Nr. 430/1997 und Nr. 54/2001 sie mit den Einkommensteuererklärungen für das Jahr 1999 mit 844.040 S, für das Jahr 2000 mit 916.000 S und für das Jahr 2001 mit 939.000 S erklärte. Für das Streitjahr 2001 erklärte sie "teilpauschalierte" Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinn des § 8 der Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001 in Höhe von rund 33.000 S.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 setzte das beschwerdeführende Finanzamt die Einkommensteuer für 2001 fest, wendete jedoch die so genannte Vollpauschalierung an und legte der Einkommensermittlung höhere als die erklärten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu Grunde. Für eine Gewinnermittlung in Form der Teilpauschalierung sei schon vor dem Verpflichtungseintritt (§ 125 Abs. 3 BAO) eine Beitragsgrundlagenoption bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern innerhalb der zweijährigen Übergangsfrist erforderlich und die mitbeteiligte Partei habe keine Option ausgeübt.

Dagegen berief die mitbeteiligte Partei mit der Begründung, gemäß § 8 Abs. 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001 müsse entweder der Einheitswert über 65.500 EUR liegen oder die Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz (Beitragsgrundlagenoption) erfolgt sein. Im Beschwerdefall sei jedoch bereits die Voraussetzung der Einheitswertgrenze (gemeint: Überschreiten der Einheitswertgrenze) gegeben, welche eine Anwendung der Beitragsgrundlagenoption entbehrlich mache. Der Betrieb der mitbeteiligten Partei habe im Streitjahr und auch im vorangegangenen Jahr die mit 65.500 EUR gesetzte Grenze überschritten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und änderte die Einkommensteuerfestsetzung dahin gehend, dass sie zur Einkommensermittlung die von der mitbeteiligten Partei erklärten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft heranzog. Der maßgebende Einheitswert im Jahr 1999 (61.338 EUR), im Jahr 2000 (66.586 EUR) und im Jahr 2001 (68.239 EUR) sei unstrittig und die mitbeteiligte Partei habe keine Optionserklärung nach § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz abgegeben. Wenn vom Steuerpflichtigen eine Pauschalierung (Gewinnermittlung nach den §§ 2 bis 7 der Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001) gewünscht werde, habe eine verpflichtende Teilpauschalierung nach § 8 der zitierten Verordnung erst dann zu erfolgen, wenn der maßgebende Einheitswert nach § 125 Abs. 3 BAO zweimal hintereinander die Grenze von

65.500 EUR überschritten habe. Der im § 1 Abs. 3 der zitierten Verordnung enthaltene Verweis auf § 125 Abs. 3 und 4 BAO betreffe das Überschreiten oder Unterschreiten der Einheitswertgrenze von

65.500 EUR und beziehe sich nur auf den Zeitpunkt des Eintritts der verpflichtenden Teilpauschalierung. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes (EStG 1988) noch aus dem der Verordnung (BGBl. II Nr. 54/2001) ergebe sich eine ausdrückliche Regelung über die Nichtanwendung der Teilpauschalierung während der zweijährigen Übergangsfrist. Diese zweijährige Übergangsfrist bestimme nur den letztmöglichen Zeitpunkt, ab dem der Abgabepflichtige zur Buchführung oder zur Gewinnermittlung in Form der Teilpauschalierung verpflichtet sei. § 125 Abs. 3 BAO iVm der zitierten Verordnung regle nicht, welche Pauschalierungsform während der zweijährigen Übergangsfrist verpflichtend sei, sondern entbinde den Abgabepflichtigen lediglich von der Pflicht zur Teilpauschalierung innerhalb einer zweijährigen Übergangsfrist.

Die maßgebende Bestimmung bei der Festlegung der Art der pauschalen Gewinnermittlung sei die Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001. Diese regle, welche pauschale Gewinnermittlungsart bei einem bestimmten maßgebenden Einheitswert anzuwenden sei. Bei einem maßgebenden Einheitswert über 65.500 EUR sei die Gewinnermittlung eine Teilpauschalierung. Durch den Verweis auf § 125 Abs. 3 und 4 BAO schiebe die Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001 den Zeitpunkt des Eintritts der verpflichtenden Form der Gewinnermittlung (Teilpauschalierung) ab dem erstmaligem Überschreiten der maßgebenden Einheitswertgrenze hinaus. Die freiwillige Inanspruchnahme der durch die zitierte Verordnung grundsätzlich gebotenen Form der Gewinnermittlung bei erstmaligem Überschreiten der Einheitswertgrenze, die Teilpauschalierung, werde durch den Verweis auf § 125 Abs. 3 BAO jedoch nicht untersagt. Es sei dem Abgabepflichtigen unbenommen, seinen Gewinn in Form der Teilpauschalierung auch bei erstmaligem oder zweitmaligem Überschreiten des maßgebenden Einheitswertes von

65.500 EUR zu ermitteln.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 4 EStG 1988 können für die Ermittlung des Gewinnes mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden.

§ 17 Abs. 5 EStG 1988 lautet:

"In der Verordnung werden bestimmt:

1. Die Gruppen von Betrieben, für die Durchschnittssätze anzuwenden sind.

2. Die für die Einstufung jeweils maßgeblichen Betriebsmerkmale. Als solche kommen insbesondere in Betracht:

a) Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Betriebsart und der Einheitswert.

b) Bei anderen Betrieben .....

3. Die Art der Gewinnermittlung für die einzelnen Gruppen von Betrieben durch Aufstellung von Reingewinnsätzen und Reingewinnprozentsätzen vom Einheitswert oder vom Umsatz oder von anderen, für einen Rückschluss auf den Umsatz und Gewinn geeigneten äußeren Betriebsmerkmalen. In der Verordnung kann bestimmt werden, dass für die Gewinnermittlung nur die Betriebsausgaben oder Betriebsausgabenteile nach Durchschnittssätzen ermittelt werden.

4. Der Veranlagungszeitraum, für den die Durchschnittssätze anzuwenden sind.

5. Der Umfang, in dem jenen Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach Durchschnittssätzen ermitteln, Erleichterungen in der Führung von Aufzeichnungen gewährt werden."

Die für das Streitjahr 2001 anzuwendende Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft BGBl. II Nr. 54/2001 lautete auszugsweise:

"I. Anwendung und maßgebender Einheitswert

§ 1. (1) Der Gewinn eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, dessen Inhaber hinsichtlich dieses Betriebes weder zur Buchführung verpflichtet ist noch freiwillig Bücher führt, kann nach den Bestimmungen dieser Verordnung ermittelt werden. Es ist dabei nur die Anwendung der Verordnung auf einen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zwecke einer Berechnung der Einkommensteuer gemäß § 33 Einkommensteuergesetz 1988 zulässig. Eine Anwendung bloß auf einzelne Betriebszweige oder einzelne betriebliche Teiltätigkeiten ist unzulässig.

(2) Als maßgebender Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gilt der Einheitswert des während des Veranlagungsjahres bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zuzüglich ...

(3) Hinsichtlich eines Überschreitens und Unterschreitens der Einheitswertgrenze von 65 500 Euro gilt § 125 Abs. 3 und 4 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß.

(4) Durch diese Verordnung werden nur die regelmäßig in den Betrieben anfallenden Rechtsgeschäfte und Vorgänge pauschal berücksichtigt, die .....

(5) ......

II. Gewinnermittlung bis zu einem Einheitswert von 65 500 Euro Grundbetrag

§ 2. (1) Bei einem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bis 65 500 Euro kann der Gewinn mittels eines Durchschnittssatzes vom maßgebenden Einheitswert (§ 1 Abs. 2) ermittelt werden (Grundbetrag), soweit die §§ 3 bis 6 nichts Gegenteiliges bestimmen oder die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage nicht gemäß § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz ermittelt wird.

Der Durchschnittssatz beträgt, wenn der land- und forstwirtschaftliche Betrieb einen maßgebenden Einheitswert aufweist

bis 15 000 Euro

............................................

37 %

über 15 000 bis 36 500 Euro

.........................

41 %

über 36 500 bis 65 500 Euro

.........................

45 %.

    

(2) .....

.....

III. Gewinnermittlung bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen

Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz oder einem Einheitswert von mehr als 65 500 Euro

Einnahmen-Ausgaben-Rechnung

§ 8. (1) Bei einem Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes von mehr als 65 500 Euro oder bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz (Beitragsgrundlagenoption) ist der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft stets durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln.

(2) Die Betriebsausgaben sind, soweit sie nicht in den §§ 9 bis 12 abweichend geregelt sind, mit einem Durchschnittssatz von 70 % der diesen Betriebsausgaben gegenüberstehenden Betriebseinnahmen (einschließlich Umsatzsteuer) anzusetzen.

....."

§ 125 Abs. 3 und 4 BAO lauten:

"(3) Wird die Grenze des Abs. 1 lit. b am 1. Jänner eines Jahres überschritten, so tritt die Verpflichtung nach Abs. 1, sofern sie nicht gemäß Abs. 4 aufgehoben wird, mit Beginn des darauf zweitfolgenden Kalenderjahres ein, wobei für die Wertermittlung im Sinn des Abs. 1 nur solche Bescheide maßgeblich sind, die vor dem genannten 1. Jänner ergangen sind. Dies gilt entsprechend bei Nichtüberschreiten der Grenze des Abs. 1 lit. b am 1. Jänner eines Jahres für das Erlöschen der Verpflichtung nach Abs. 1 mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung bereits mit Beginn dieses Kalenderjahres erlischt.

(4) Macht der Unternehmer glaubhaft, dass die Grenzen des Abs. 1 lit. a oder lit. b nur vorübergehend und auf Grund besonderer Umstände überschritten worden sind, so hat das Finanzamt auf Antrag eine nach Abs. 2 oder 3 eingetretene Verpflichtung aufzuheben."

Für den nicht buchführungspflichtigen und nicht freiwillig buchführenden Abgabepflichtigen ist die grundsätzliche Art der Ermittlung des Gewinnes eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Durch § 17 Abs. 4 EStG 1988 ermächtigt bestimmte die Verordnung BGBl. II Nr. 54/2001 in ihrem § 1, dass der Gewinn nach den Bestimmungen dieser Verordnung (vereinfacht) ermittelt werden kann. Somit konnten die Abgabepflichtigen wählen, ob sie den Gewinn durch Buchführung oder durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ohne Pauschalierung oder durch Pauschalierung unter Anwendung der Verordnung ermittelten.

Im § 2 Abs. 1 legte die Verordnung fest, dass bei einem Einheitswert bis 65.500 EUR der Gewinn mittels Durchschnittssatzes vom maßgebenden Einheitswert ermittelt werden kann (Vollpauschalierung).

§ 8 der zitierten Verordnung legte die Verpflichtung fest, bei einem Einheitswert von mehr als 65.500 EUR oder bei Ermittlung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1a Bauernsozialversicherungsgesetz den Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln, und sah für diesen Fall den Ansatz der Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz von 70 % der diesen gegenüberstehenden Betriebseinnahmen vor.

Der Steuerpflichtige konnte wählen, ob er von der Pauschalierung nach der Verordnung Gebrauch machen wollte. Machte er von der Pauschalierung Gebrauch, stand es allerdings nicht in seinem Belieben, ob die "Vollpauschalierung" nach §§ 2 ff (Art. II der Verordnung) oder die Teilpauschalierung nach §§ 8 ff (Art. III der Verordnung) zur Anwendung kam. Bei Vorliegen der in § 8 der Verordnung genannten Voraussetzungen (und nur in einem solchen Fall) "ist" der Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 der Verordnung), wobei die Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz von 70 % anzusetzen "sind" (§ 8 Abs. 2 der Verordnung).

§ 8 Abs. 1 der Verordnung sah - soweit aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung - die Teilpauschalierung für den Fall vor, dass der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes den Betrag von 65.500 EUR überschritt. Unter welchen Voraussetzungen ein Überschreiten dieser Grenze im Sinne der Verordnung gegeben war, ergab sich aus der ausdrücklichen Anordnung des § 1 Abs. 3 der Verordnung. Dieser Anordnung zufolge waren die Regelungen der Abs. 3 und 4 des § 125 BAO sinngemäß anzuwenden.

Aus dem Verweis des § 1 Abs. 3 der Verordnung auf § 125 BAO ergibt sich nun: Die Teilpauschalierung nach §§ 8 ff der Verordnung kam, wenn zum 1. Jänner der land- und forstwirtschaftliche Einheitswert den Betrag von 65.500 EUR überstieg, mit Beginn des zweitfolgenden Kalenderjahres zur Anwendung, wobei für die Wertermittlung nur solche Einheitswertbescheide maßgebend waren, die vor dem genannten 1. Jänner ergangen waren. Außerhalb dieses Anwendungsbereiches konnte von der Teilpauschalierung nach §§ 8 der Verordnung nicht Gebrauch gemacht werden.

Der angefochtene Bescheid, mit welchem der mitbeteiligten Partei entgegen der dargelegten Ansicht die Teilpauschalierung zugestanden wurde, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. Dezember 2007

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