VwGH 2005/12/0100

VwGH2005/12/010028.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie Vizepräsident Dr. Thienel und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, in der Beschwerdesache der Mag. Y S in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 18. August 2003, Zl. 29996/1-PR.9/2003, betreffend die Einrechnung von Praxiszeiten in den Ausbildungsdienst gemäß § 15 RDG, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z1;
GehG 1956 §12 Abs3;
GehG 1956 §12;
PG 1965 §53;
PG 1965 §54;
PG 1965 §55;
PG 1965 §56;
PG 1965 §57;
RDG §15;
RDG §9;
VwGG §33 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GehG 1956 §12 Abs3;
GehG 1956 §12;
PG 1965 §53;
PG 1965 §54;
PG 1965 §55;
PG 1965 §56;
PG 1965 §57;
RDG §15;
RDG §9;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Anträge der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde auf Zuspruch von Aufwandersatz werden abgewiesen.

Begründung

I. Die 1977 geborene Beschwerdeführerin war nach ihrer Sponsion zur Mag.a der Rechtswissenschaften im Juni 2000 mit Wirksamkeit vom 1. August 2002 auf die Planstelle einer Richteramtsanwärterin für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck ernannt worden. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2002 stellte sie den Antrag, die Zeit ihres Gerichtspraktikums vom 1. Jänner 2001 bis zum 30. September 2001, die Zeit eines Verwaltungspraktikums beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 1. Oktober 2001 bis zum 28. Februar 2002 sowie die Zeit eines Praktikums beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 1. März 2002 bis 31. Juli 2002 gemäß § 15 RDG in die Ausbildungszeit einzurechnen.

Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 4. Februar 2003 wurde diesem Antrag insofern stattgegeben, als die Zeit als Verwaltungspraktikantin beim Amt der Vorarlberger Landesregierung im Ausmaß von fünf Monaten sowie die Zeit als Rechtspraktikantin im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 1. Jänner 2001 bis 30. September 2001 gemäß § 15 RDG in den Ausbildungsdienst eingerechnet wurden. Die darüber hinaus beantragte Einrechnung des Praktikums am Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften wurde hingegen abgewiesen, da hiefür keine gesetzliche Grundlage bestehe.

Die ausdrücklich nur gegen die Nichteinrechnung des Praktikums beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften gerichtete Berufung vom 25. Februar 2003 wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Begründend heißt es darin, die in den Ausbildungsdienst einrechenbaren Praxiszeiten würden in § 15 RDG taxativ aufgezählt. Eine Tätigkeit beim Europäischen Gericht erster Instanz oder bei anderen Institutionen der Europäischen Gemeinschaften werde dort aber nicht genannt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei unter dem Begriff "Rechtspraktikant" in § 15 RDG nur die Tätigkeit als Rechtspraktikant im Sinne des Rechtspraktikantengesetzes gemeint, nicht aber Tätigkeiten bei sonstigen Gerichten. Das Gesetz sei in dieser Beziehung auch nicht lückenhaft oder gleichheitswidrig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht wurde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 1. März 2005, B 1413/03-3, ab und trat sie zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof ab. In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf Einrechnung von Praxiszeiten in die Ausbildungszeit gemäß den §§ 9 und 15 RDG geltend und wirft dem angefochtenen Bescheid sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes wie auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auf Anfrage vom 4. März 2008 teilte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass die Beschwerdeführerin mit 1. Oktober 2005 zur Richterin am Landesgericht Feldkirch ernannt wurde. Mit Berichterverfügung vom selben Tag wurde die Beschwerdeführerin im Hinblick darauf um Bekanntgabe ersucht, ob und bejahendenfalls aus welchen Gründen noch ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung bestehe. In ihrer im Wege ihres Rechtsvertreters übermittelten Äußerung vom 27. März 2008 teilte die Beschwerdeführerin daraufhin mit, dass sie ein rechtliches Interesse an der Entscheidung nicht mehr habe. II. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung erkennt, tritt eine Klaglosstellung nur dann ein, wenn der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid formell aufgehoben wird. Wurde hingegen der angefochtene Bescheid durch keinen formellen Akt aus dem Rechtsbestand beseitigt, kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 16. März 2005, Zlen. 2002/12/0201, 2002/12/0202 und 2002/12/0198).

Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall deshalb gegeben, weil die Beschwerdeführerin nach ihrer Ernennung zur Richterin das Ziel ihrer Beschwerde - nämlich eine abweichende Entscheidung über die Einrechnung in den Ausbildungsdienst nach § 15 RDG, die nach dem Abschluss dieses Ausbildungsdienstes nicht mehr möglich ist, und im Anschluss daran eine frühere Ernennung zur Richterin - auch im Fall einer aufhebenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - nicht mehr erreichen könnte (vgl. auch dazu die vorhin zitierten Beschlüsse).

§ 15 des Richterdienstgesetzes (RDG), BGBl. Nr. 305/1961, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 130/2003, lautet:

"Einrechnung in den Ausbildungsdienst

§ 15. Die vor der Ernennung zum Richteramtsanwärter zurückgelegte Praxis als Rechtspraktikant, bei der Finanzprokuratur oder bei einer anderen Dienststelle der Verwaltung, als Rechtsanwaltsanwärter oder Notariatskandidat ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes ganz oder teilweise in den Ausbildungsdienst einzurechnen, soweit durch diese Praxis eine den Zwecken des Ausbildungsdienstes entsprechende Verwendung und Ausbildung des Richteramtsanwärters gewährleistet ist. Im Einrechnungsbescheid ist festzustellen, ob, welche und in welchem Umfang im § 9 Abs. 2 aufgezählte Ausbildungsstationen ersetzt werden."

Durch die Einrechnung gemäß § 15 RDG wird lediglich der Ausbildungsdienst nach § 9 RDG verkürzt, jedoch nicht das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis (der damaligen Richteramtsanwärterin) als solches berührt. Insbesondere sind von der Einrechnung gemäß § 15 RDG die Festsetzung des Vorrückungsstichtages nach § 12 GehG (also die Anrechnung von Vordienstzeiten für die Vorrückung in höhere Bezüge) und die Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten oder im Ruhestand verbrachte Zeiten gemäß den §§ 53 ff PG 1967 zu unterscheiden (vgl. auch dazu die oben zitierten Beschlüsse).

Für andere Belange wie etwa die Feststellung des Vorrückungsstichtages ist eine nach § 15 RDG erfolgte Einrechnung, die nur den Ausbildungsdienst vor der Ernennung zum Richter oder Staatsanwalt betrifft, unter dem Gesichtspunkt des § 12 GehG ohne normative Bedeutung. Auch die hypothetische Möglichkeit einer früheren Ernennung liegt in der Vergangenheit und könnte daher durch eine neue Sachentscheidung - nach Abschluss des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu Gunsten der Beschwerdeführerin - nicht mehr beeinflusst werden.

In einem Beschwerdeverfahren nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann es auch nicht zur bloßen Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne dessen Aufhebung kommen, weil eine solche Entscheidungsform für eine Bescheidbeschwerde einer Partei nach den genannten Bestimmungen und nach dem Inhalt des VwGG nicht zulässig ist.

Auch die Beschwerdeführerin hat auf diesbezügliche Anfrage ausdrücklich erklärt, kein rechtliches Interesse an der Entscheidung mehr zu haben.

Die vorliegende Beschwerde war daher als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 58 Abs. 2 VwGG. Die Beurteilung des hypothetischen Verfahrensausganges wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Im Beschwerdefall erscheint es daher sachgerecht, keiner Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Kostenersatz zuzuerkennen.

Wien, am 28. April 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte