VwGH 2005/08/0052

VwGH2005/08/005225.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Anton-Sattler-Gasse 105/1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. Dezember 2004, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2004-6150, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I. 1. Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

1.1. Der im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführerin wurde von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) am 23. September 2004 eine Beschäftigung als Hausgehilfin "bzw. Bedienerin" bei "Sozial Global" mit einer Bruttoentlohnung von EUR 6,96 pro Stunde zuzüglich Unterkunft und Verpflegung angeboten.

1.2. Die belangte Behörde gibt in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwei Versionen der Vorgänge beim "Vorstellungsgespräch" der Beschwerdeführerin bei dem genannten Unternehmen wieder, die dazu geführt haben, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zu Stande gekommen ist:

1.2.1. Zunächst bezieht sich die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, es hätte in den Räumlichkeiten des potenziellen Dienstgebers, in denen viele Raucher anwesend gewesen seien, "starker Rauch und Nikotingeruch geherrscht". Der Beschwerdeführerin sei übel geworden und sie habe eine näher bezeichnete Mitarbeiterin des potenziellen Arbeitgebers, welche die Bewerbungsgespräche geführt habe, um Hilfe ersucht. Diese habe aber keine "Maßnahmen gegen den Qualm" ergriffen. Überdies sei die Beschwerdeführerin 15 Minuten zu spät gekommen, weshalb es kein Vorstellungsgespräch gegeben habe. Es sei "ein neuer Termin vereinbart" worden, bei dem die Beschwerdeführerin die genannte Mitarbeiterin des potenziellen Dienstgebers ersucht habe, das Gespräch in einem raucharmen Raum zu führen, worauf diese ohne neuen Termin das Gespräch beendet habe.

1.2.2. Nach der von der belangten Behörde sodann wiedergegebenen Darstellung des potenziellen Dienstgebers sei die Beschwerdeführerin statt um 9.30 Uhr erst um 10.20 Uhr erschienen, weshalb ein neuer Termin vereinbart worden sei. Dabei sei zugesagt worden, die Beschwerdeführerin würde "gleich drankommen, wenn sie pünktlich" erscheine. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin von der genannten Mitarbeiterin verlangt, diese solle zu ihr auf die Straße kommen und das Gespräch führen.

1.2.3. Dieser zuletzt wiedergegebenen Darstellung habe die Beschwerdeführerin insoweit widersprochen, als sie behauptet habe, sie sei nur 15 Minuten zu spät gekommen und sie habe nicht auf der Straße, sondern in einer Halle unten im Gebäude mit der genannten Mitarbeiterin des potenziellen Dienstgebers sprechen wollen.

1.3. Den solcherart geschilderten Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde - ohne eine der beiden Versionen ausdrücklich zu verwerfen oder als erwiesen anzunehmen - als Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung. Sie wies die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, mit welchem wegen Vereitelung des Zustandskommens einer Beschäftigung der Verlust des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für die Zeit vom 25. Oktober bis 5. Dezember 2004 ausgesprochen worden war; ferner sprach die belangte Behörde aus, dass Gründe für eine Nachsicht nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, "Feststellungs- bzw. Begründungsmängel" sowie "unrichtige rechtliche Beurteilung" geltend machende Beschwerde.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

1. Vorausgeschickt sei, dass in der Beschwerde den Beschwerdegründen eine Darstellung des Sachverhaltes vorangestellt wird, welche von beiden Versionen abweicht, die dem angefochtenen Bescheid als in Betracht kommende Beweisergebnisse zu Grunde liegen, und zwar soweit behauptet wird, die Beschwerdeführerin sei mangels Ortskenntnis zum Vorstellungsgespräch zu spät gekommen, sowie, dass die Mitarbeiterin des potenziellen Dienstgebers bei einem späteren Telefongespräch bereits auf das Ersuchen der Beschwerdeführerin um Gesprächsführung in einem möglichst rauchfreien Raum ungehalten und mit sofortigem Gesprächsabbruch reagiert habe, worauf die Beschwerdeführerin noch einen weiteren, erfolglosen Versuch der Vereinbarung eines Vorstellungsgespräches unternommen habe.

In den Beschwerdegründen werden aber aus dieser Darstellung keine unmittelbaren Schlussfolgerungen abgeleitet. Soweit gerügt wird, es sei von der belangten Behörde nicht festgestellt worden, dass ein Vorstellungsgespräch aus nicht von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen "letztendlich nicht zu Stande gekommen sei", wird - soweit man dieses Vorbringen als eine Beweisrüge deuten wollte - nicht dargetan, welchen Beweisergebnissen die belangte Behörde welche anderen Gründe, aus denen die Beschäftigung nicht zu Stande gekommen ist, entnehmen hätte sollen.

Da die Beschwerdeführerin ferner die im angefochtenen Bescheid enthaltene Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des beiderseitigen Vorbringens nicht als unrichtig bestreitet und somit die Beweisergebnisse des Verfahrens nicht substanziiert in Zweifel zieht, ist weder auf die in der Beschwerde dargestellte (etwas abweichende) Version des Geschehens noch auf die insoweit nicht nachvollziehbar ausgeführte Feststellungsrüge weiter einzugehen.

2. Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner unter der Bezeichnung "Feststellungs- bzw. Begründungsmängel" - der Sache nach aber die Rechtsauffassung der belangten Behörde bekämpfend - , dass es sich bei dem Vorfall entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht um das Angebot einer Beschäftigung, sondern bloß um die Vermittlung eines Vorstellungsgespräches gehandelt habe. Insoweit verkennt die Beschwerdeführerin das Thema des Verfahrens: Ihr wird nämlich vorgeworfen, dass sie durch ihr Verhalten gegenüber dem potenziellen Dienstgeber die Aufnahme einer Beschäftigung vereitelt hat. Ob dieses Verhalten vor, während oder nach dem Vorstellungsgespräch gesetzt wurde, ist irrelevant, weil jedes Verhalten, das im Zuge der Bewerbung um eine Stelle gegenüber dem potenziellen Dienstgeber gesetzt wird, als Vereitelungshandlung in Betracht kommt, sofern es nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von einer Einstellung abzuhalten, und die arbeitslose Person das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zumindest in Kauf nimmt (zum Begriff der Vereitelung und zur erforderlichen Schuldform des "dolus eventualis" vgl. etwa aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg.Nr. 13.722/A).

3. Der Beschwerdeführerin werden in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde erkennbar - alternativ - zwei Verhaltensweisen als Vereitelung vorgeworfen, nämlich, dass sie zum Vorstellungsgespräch zu spät gekommen sei und im Zusammenhang mit der Vereinbarung eines neuen Gesprächstermines Bedingungen über den Ort gestellt habe, an dem sie bereit sei, das Gespräch mit der Mitarbeiterin des potenziellen Dienstgebers zu führen.

Diesen Annahmen der belangten Behörde (die auch nach der in der Beschwerde nicht angegriffenen Begründung des angefochtenen Bescheides den Angaben der Beschwerdeführerin in deren eigener Berufungsschrift entsprechen) tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen.

Auf der Grundlage dieser Sachverhaltsannahmen, hinsichtlich derer sich beide Versionen, welche die belangte Behörde in ihrem Bescheid wiedergibt, decken, ist es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde angenommen hat, dass ein solches Verhalten einer arbeitssuchenden Person typischerweise geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Führung eines Vorstellungsgespräches und damit von einer Einstellung abzuhalten. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin um 15 oder um 40 Minuten zu spät zum vereinbarten Vorstellungstermin gekommen ist, weil grundsätzlich jede nicht ganz unerhebliche Verfehlung der vereinbarten oder vom potenziellen Dienstgeber angegebenen Zeit zu Zweifeln an der Verlässlichkeit von Stellensuchenden oder an der Ernsthaftigkeit der Stellensuche führen kann (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. März 2005, Zl. 2003/08/0059). Es kann auch offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin an die Mitarbeiterin des potenziellen Arbeitgebers das Ansinnen gerichtet hat, mit ihr auf der Strasse oder bloß in einem von der Beschwerdeführerin gewählten Raum zu sprechen, weil das zur Ernsthaftigkeit der Stellensuche Gesagte auch für die - die Gestaltungsbefugnis des potenziellen Dienstgebers bei der Führung von Vorstellungsgesprächen nicht in der gebotenen Weise achtende - Setzung von solchen Bedingungen durch die stellensuchende Person gilt.

4. Das soeben erwähnte Verhalten der Beschwerdeführerin wäre auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn man ihrer Behauptung folgte, dass sie sich wegen Übelkeit in einem von Nikotinrauch stark belasteten Raum nicht habe aufhalten können: Auch daraus durfte sie nämlich nicht das Recht ableiten, von sich aus einen bestimmten Ort zur Bedingung der Führung eines Vorstellungsgespräches (und damit der Bewerbung) zu machen.

5. Die belangte Behörde hat daher schon aus diesen Gründen das Verhalten der Beschwerdeführerin zu Recht als Vereitelung beurteilt.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auch Sachverhaltselemente wiedergibt, die einander zu widersprechen scheinen, ohne sich beweiswürdigend für eine der Versionen zu entscheiden, ist dies ohne Relevanz auf das Verfahrensergebnis geblieben, da diese Details für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens der Beschwerdeführerin ohne Belang sind.

6. Da somit schon die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2005

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