VwGH 2004/21/0001

VwGH2004/21/000130.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde der C, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 3. November 2003, Zl. Fr-4250a- 287/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 und den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Die Beschwerdeführerin habe am 27. Juli 2001 bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt und dabei als Reisezweck "Tourist" angegeben. Sie habe erklärt, dass sie nur für den angegebenen Zweck und die angegebene Dauer nach Österreich reisen werde. Nach ihrer Einreise am 3. August 2001 sei sie in Österreich geblieben. Sie habe nicht bestritten, dass sie unrichtige Angaben über den Zweck und die Dauer des Aufenthalts gemacht hätte, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu erschleichen. Ihr Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 8. Oktober 2001 abgewiesen worden. (Ihre Beschwerde und auch die ihres Sohnes gegen die letztinstanzliche Abweisung der Niederlassungsbewilligungsanträge wurden mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu den Zlen. 2001/21/0069 und 2001/21/0079 abgewiesen.) Die Beschwerdeführerin habe sich die Einreise nach Österreich erschlichen, um sich das aufwändigere Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu ersparen bzw. es zu umgehen und durch den tatsächlichen Aufenthalt in Österreich dessen Legalisierung zu erzwingen. Auf Grund dieser Umstände sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt und gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. die Annahme indiziert, dass ein weiterer Aufenthalt der Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Ihre Bezugnahme auf den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (den Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. Dezember 1980 über die Entwicklung der Assoziation - ARB) müsse erfolglos bleiben, weil die Beschwerdeführerin nie eine Bewilligung erhalten habe, zu ihrem in Österreich lebenden Angehörigen zu ziehen. Auf das Gemeinschaftsrecht könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, weil sie türkische Staatsangehörige sei. Weder durch eine rechtskräftige Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts noch durch die Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung habe die Beschwerdeführerin dazu veranlasst werden können, den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Der Familiennachzug sei nicht das einzige adäquate Mittel für die Etablierung des gemeinsamen Familienlebens. Es seien keine Umstände aufgezeigt worden, die einer gemeinsamen Rückkehr in die Türkei entgegenstünden, zumal die Beschwerdeführerin eine Wohnmöglichkeit in der Türkei habe, die ganze Familie in der Türkei geboren und dort aufgewachsen sei. In Österreich hielten sich der hier integrierte Ehemann und weiters ihr Sohn auf, der gemeinsam mit ihr eingereist sei und gleichfalls über keinen rechtmäßigen Aufenthalt verfüge. Zuvor habe die Beschwerdeführerin seit ihrer Heirat im Jahr 1990 getrennt von ihrem Ehemann mit ihrem 1992 geborenen Sohn in der Türkei gelebt. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Das Aufenthaltsverbot sei daher dringend geboten. Weiters überwiege das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme den Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof weder gegen die von der belangten Behörde angenommene Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG noch gegen deren weitere Ansicht, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, Bedenken hegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2000/21/0229, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

In diesem zitierten Erkenntnis hat der Gerichtshof auch seine ständige Rechtsprechung dargelegt, dass in solchen Fällen der Einreise mit einem Reisevisum zu einer hier befindlichen "Ankerperson" der oder die türkische Staatsangehörige weder Rechte aus dem ARB noch aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten könne (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zlen. 2002/21/0138 bis 0140). Damit gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen ins Leere.

Auch soweit die Beschwerde § 37 FrG anspricht, ist ihr der Erfolg zu versagen. Die inländische Integration der Beschwerdeführerin ist wegen der Kürze ihres Aufenthaltes nicht maßgeblich. Andererseits wird durch das von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgehen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2000/21/0229). Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als dringend geboten erachtete (§ 37 Abs. 1 FrG) und weiters den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin, zumal die Beschwerdeführerin bis zur Einreise im August 2001 von ihrem Ehemann getrennt gelebt hat (§ 37 Abs. 2 FrG).

An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03, und die darin zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte schon deswegen nichts zu ändern, weil eine in diesem Erkenntnis angesprochene Konstellation hier einerseits wegen des Fehlens von Anhaltspunkten für Hindernisse zur Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat der Beschwerdeführerin und andererseits deshalb nicht vorliegt, weil nicht aufgezeigt wird, dass für den Ehemann der Beschwerdeführerin die (gemeinsame) Rückkehr in den Heimatstaat - im Blick auf den Entschluss, nunmehr in Abkehr von der selbstgewählten jahrelangen Familientrennung ein Familienleben auch tatsächlich zu führen - unzumutbar wäre (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen im bereits zitierten Erkenntnis Zlen. 2001/21/0069 und 2001/21/0079).

In das in der Beschwerde angesprochene Recht der Kinder, "bei beiden Eltern zu leben, von diesen gepflegt und erzogen zu werden", wurde vorliegend nicht unzulässig eingegriffen, ist doch - wie bereits dargelegt - das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat der Beschwerdeführerin mit dem Ehemann und dem gemeinsamen Kind zumutbar.

Letztlich vermag der Verwaltungsgerichtshof der behaupteten Verfassungswidrigkeit (hauptsächlich des § 36 FrG) nicht näher zu treten, ist doch ohnehin (im Sinn der Beschwerde fallgruppenmäßig) bei Erlassung von Aufenthaltsverboten gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige die Bestimmung des § 48 Abs. 1 FrG iVm dem sekundären Gemeinschaftsrecht (etwa der RL 64/221/EWG) heranzuziehen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. März 2004

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