Normen
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, reiste im September 1989 im Alter von elf Jahren (sichtvermerksfrei) nach Österreich ein und hielt sich in der Folge - ohne über Aufenthaltstitel zu verfügen - bei seinen Eltern in Vorarlberg auf. Am 29. September 1999 wurde dem Beschwerdeführer (erstmals) eine "humanitäre" Aufenthaltserlaubnis und danach am 31. März 2000 und noch einmal am 31. März 2001 jeweils eine mit einem Jahr befristete Niederlassungsbewilligung erteilt. Am 28. März 2002 stellte der Beschwerdeführer (fristgerecht) einen Verlängerungsantrag.
Der Beschwerdeführer ist ledig. Aus einer früheren Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen stammt seine am 1. März 1999 geborene Tochter, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.
Der Beschwerdeführer wurde wie folgt rechtskräftig verurteilt:
1.) mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 19. Juli 2001 wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Wochen;
2.) mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. September 2001 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie § 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten und zu einer Geldstrafe (300 Tagessätze) und
3.) mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 6. Juni 2002 neuerlich wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Wochen.
Der unter 2.) erwähnten Verurteilung liegen im gemeinsamen Zusammenwirken mit anderen Mittätern im Laufe des Jahres 2000 in Vorarlberg begangene, zum Teil im Versuchsstadium gebliebene (insgesamt) 19 Einbruchsdiebstähle zu Grunde. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht das Alter des Beschwerdeführers unter 21 Jahren, das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung sowie den Umstand, dass mehrere Taten beim Versuch geblieben sind, als mildernd, als erschwerend hingegen den über ATS 100.000,-- liegenden Wert der Diebsbeute.
Im Hinblick darauf erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Dezember 2002 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von drei Jahren. Die belangte Behörde erachtete einerseits aufgrund der zweimaligen Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht und andererseits aufgrund der Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahles, wobei sie nähere Feststellungen zu den einzelnen Fakten traf, den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG für erfüllt und hielt die Annahme im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt, dass der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Verstärkt werde diese Annahme dadurch, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 2001/2002 wegen Verwaltungsübertretungen - im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeugbenützung - 35mal rechtskräftig bestraft worden sei, wobei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jeweils die Aktenzahl, das Bescheiddatum, die übertretene Norm und die Höhe der Geldstrafe auflistete.
In den weiteren Ausführungen begründete die belangte Behörde, dass der Erlassung des Aufenthaltsverbotes weder § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 35 FrG noch § 38 Abs. 1 Z 3 FrG entgegenstehe. Die genannten Bestimmungen über die Aufenthaltsverfestigung kämen nicht zum Tragen, weil das Aufenthaltsverbot aufgrund des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers seit dem Jahre 2000 verhängt werde und er erst seit dem 29. September 1999 über "entsprechende" Aufenthaltstitel verfüge. Durch seinen (davor) "fast" zehnjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt habe der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass er zur Republik Österreich nicht "bejahend" eingestellt sei und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle.
Die belangte Behörde räumte ein, dass durch das Aufenthaltsverbot ein "relevanter" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erfolge und daher die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zu prüfen sei. In diesem Zusammenhang stellte die belangte Behörde neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt betreffend die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers noch fest, er habe in Österreich die Pflichtschule absolviert und sei anschließend "zeitweise" als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen. "Vor allem" in den letzten zwei Jahren habe er aber keine regelmäßige Arbeit mehr ausgeübt. Das Verhältnis zu seiner Tochter sei "relativiert" zu sehen, weil der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen Verletzung der ihr gegenüber bestehenden Unterhaltspflicht habe bestraft werden müssen. Die sich aus dem langjährigen Aufenthalt ergebende Integration sei einerseits in Bezug auf die soziale Komponente durch die große Anzahl der Gesetzesverstöße erheblich beeinträchtigt und andererseits wesentlich dadurch relativiert, dass der Aufenthalt zum überwiegenden Teil unrechtmäßig gewesen sei und der Beschwerdeführer die gebotene Ausreise "jahrelang" unterlassen habe. Im Übrigen befinde sich der Beschwerdeführer in einem Alter, in dem er auf seine in Österreich aufhältigen Eltern nicht mehr "direkt" angewiesen sei.
Bei der Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 37 Abs. 1 FrG vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei angesichts der Anzahl und Schwere der dem (oben zu 2.) erwähnten Gerichtsurteil zu Grunde liegenden Eigentumsdelikte zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, dringend erforderlich. Die Dringlichkeit der Maßnahme ergebe sich auch aus der in der Vielzahl der Verwaltungsübertretungen zum Ausdruck kommenden Neigung des Beschwerdeführers, die österreichische Rechtsordnung zu missachten. Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 37 Abs. 2 FrG dränge das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, sein privates Interesse in den Hintergrund. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden schwerer wiegen als dessen Auswirkungen auf seine Lebenssituation.
Schließlich sind dem angefochtenen Bescheid noch ähnlich begründete Erwägungen hinsichtlich der zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommenen Ermessensübung und zur (von der belangten Behörde von zehn auf drei Jahre herabgesetzten) Dauer des Aufenthaltsverbotes zu entnehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 1 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Beschwerdeführer stellt die erwähnten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen ebenso wenig in Abrede wie die darauf gegründete Auffassung der belangten Behörde, es sei vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt. Gegen die darauf gestützte Prognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG wendet sich die Beschwerde aber erkennbar mit dem Hinweis auf das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit den von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalten aus dem Jahr 2000. Der Beschwerdeführer habe aus den Vorkommnissen in der Vergangenheit gelernt und sich "stabilisiert", er gehe einer geregelten Arbeit nach, kümmere sich um seine Tochter und engagiere sich in einem Jugend- und Kulturzentrum für "soziale Zwecke".
Einer Auseinandersetzung mit diesem Beschwerdeeinwand und mit den unter dem Gesichtpunkt der Abwägung nach § 37 FrG vorgetragenen Beschwerdeausführungen bedarf es allerdings nicht, weil die belangte Behörde die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 Z 3 FrG im vorliegenden Fall zu Unrecht verneint hat:
Gemäß § 38 Abs. 1 Z 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 - StbG, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat (Z 1) und keiner der in den Z 2 bis 8 dieses Absatzes genannten Tatbestände verwirklicht ist. Nach der Z 6 leg.cit. ist Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft, dass der Fremde nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 38 Abs. 1 Z 3 FrG zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstandes bereits mehr als zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen in Österreich hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 2003/18/0283, mwN). Im vorliegenden Fall ist daher zunächst entscheidungswesentlich, dass der im September 1989 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer vor Verwirklichung des von der belangten Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes - das ist sein im Jahr 2000 beginnendes Fehlverhalten - bereits mehr als zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hatte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt es dabei auf die Rechtmäßigkeit seines inländischen Aufenthaltes nicht an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2003, Zl. 2000/18/0049, mwN).
Die belangte Behörde zog aber aus dem unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers auch den Schluss, dass er zur Republik Österreich nicht "bejahend" eingestellt sei. Sie hat damit erkennbar auf den ersten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgestellt, dabei allerdings nicht beachtet, dass sich die dort geforderte positive Einstellung zur Republik Österreich auf die politische Gesinnung eines Einbürgerungswerbers bezieht - Derartiges hatte die belangte Behörde zweifelsohne nicht vor Augen - und dass dieser Fall (nur) gewährleisten soll, dass nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0120). Es ist aber auch die auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers gestützte weitere Annahme der belangten Behörde im Sinne des zweiten Falles des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, er stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, schon angesichts der mittlerweile erteilten Aufenthaltstitel nicht gerechtfertigt.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt (Beginn des Jahres 2000) lagen somit keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 1 StbG vor, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer entgegengestanden wären. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes war daher nach § 38 Abs. 1 Z 3 FrG unzulässig. Das hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. Februar 2004
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