VwGH 2003/18/0268

VwGH2003/18/02687.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1979, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. August 2003, Zl. SD 778/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. August 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im August 1992 nach Österreich eingereist und habe seither durchgehend über Aufenthaltstitel verfügt. Zuletzt sei ihm am 29. Mai 2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck erteilt worden.

Mit Urteil vom 13. Mai 2002 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 8. März 2002 als Mittäter EUR 10.791,06 Bargeld geraubt habe. Er habe eine Spielzeugpistole gegen zwei Raubopfer gerichtet, während sein Mittäter mit einer Pfefferspraydose gegen das Gesicht eines der Opfer gesprüht habe. Darauf habe das andere Opfer eine Damenhandtasche mit dem angeführten Bargeldbetrag dem Beschwerdeführer zugeworfen.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher im Grund des § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer lebe seit etwa elf Jahren in Österreich und verfüge über familiäre Bindungen im Bundesgebiet zu seiner Mutter, seinem Stiefvater und zwei Schwestern. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, weil zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz des Vermögens und der körperlichen Integrität Dritter) dringend geboten. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Schon im Hinblick auf die bei der Tatvorbereitung und Tatausführung eingesetzte hohe kriminelle Energie und die generelle Verwerflichkeit der Straftat des Beschwerdeführers - was schon in der Höhe des Strafrahmens von fünf bis 15 Jahren dokumentiert werde - könne eine Verhaltensprognose nicht positiv ausfallen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf den etwa elfjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Der daraus ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als sie in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Auch das berufliche Engagement des Beschwerdeführers sei durch mehrmaligen Arbeitgeberwechsel bzw. Arbeitslosengeldbezug gekennzeichnet und daher entsprechend zu relativieren. Die familiären Bindungen würden dadurch erheblich gemindert, dass der Beschwerdeführer "mit seinen Angehörigen, insbesondere seinen Schwestern", nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten öffentlichen Interessen, insbesondere jenes an der Verhinderung der Eigentumskriminalität, gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Zutreffend habe die Erstbehörde das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit erlassen. Im Hinblick auf das oben dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Berücksichtigung der privaten und familiären Situation derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grundlage der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt.

2. Der Beschwerdeführer hat am 8. März 2002 einen schweren Raub begangen, wobei er selbst zur Einschüchterung der Opfer eine Spielzeugpistole verwendete und ein Mittäter gegen ein Raubopfer einen Pfefferspray einsetzte. Dabei wurde eine Damenhandtasche mit Bargeld in der Höhe von mehr als EUR 10.000,-- erbeutet. Der Beschwerdeführer hat damit gezeigt, dass er nicht davor zurückschreckt, erhebliche Gewalt gegen Personen einzusetzen, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Bei der Straftat des Beschwerdeführers handelt es sich um ein das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewalt- und der Eigentumskriminalität schwer beeinträchtigendes Verhalten, wobei es unerheblich ist, ob das Oberlandesgericht - wie in der Beschwerde vorgebracht - die "Tatbestandsgrenzen" zum schweren Raub gemäß § 143 zweiter Fall StGB als nur geringfügig überschritten angesehen hat. Auch unter Berücksichtigung des weiters vorgebrachten Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer in den etwa neuneinhalb Jahren von seiner Einreise bis zur Begehung des schweren Raubes wohl verhalten hat, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde auf Grund der vom Beschwerdeführer eingesetzten "hohe(n) kriminelle(n) Energie" zu einer negativen Verhaltensprognose gelangte.

Aus diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, auch unter Bedachtnahme auf die in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände nicht als rechtswidrig angesehen werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde neben der insgesamt etwa elfjährigen Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers den Aufenthalt der Mutter, des Stiefvaters und der beiden Schwestern im Inland sowie die Berufstätigkeit zu Gunsten des Beschwerdeführers gewertet.

Diesen jedenfalls schwerwiegenden persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die - oben 2. dargestellte - aus der Straftat resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber. Im Hinblick auf das sehr große öffentliche Interesse an der Verhinderung von bewaffneten Raubüberfällen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken. Dies auch dann, wenn man weder die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Angehörigen (mangels Haushaltsgemeinschaft) noch die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration (wegen Arbeitgeberwechsel und fallweisem Bezug von Arbeitslosenunterstützung) als relativiert ansieht. Hinzugefügt sei, dass die belangte Behörde mit der von ihr angenommenen Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente nichts anderes zum Ausdruck gebracht hat, als dass das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer durch seine aus seiner Integration (die neben der Dauer seines Aufenthaltes auch von seinem Verhalten in Österreich abhängt) ableitbaren persönlichen Interessen nicht in ausschlaggebendem Umfang reduziert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 99/18/0120).

4. Schließlich wendet sich die Beschwerde auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. Mai 2003, Zl. 2003/18/0097) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltverbots maßgeblichen Umstände, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und daher das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 7. November 2003

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