VwGH 2003/05/0071

VwGH2003/05/007114.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Ludwig Jagosits in Wien, vertreten durch Dr. Susanne Tichy-Scherlacher, Rechtsanwältin in Wien I, Wipplingerstraße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. März 2003, Zl. RU1-V-02170/00, betreffend Erteilung eines Bauauftrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, vertreten durch Mag. Michael Mendel, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 59-61), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
VwRallg;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf der "Parzelle Nr. 1" der Kleingartenanlage Strasshof-West in der mitbeteiligten Gemeinde besteht ein Kleingartenhaus; der diesbezügliche Bauplan wies den Beschwerdeführer als Bauwerber, den "Verband der Österreichischen Bundesbahnen - Landwirtschaft" als Grundeigentümer aus. Dem Erdgeschoss mit einer Fläche von 7,05 m x 4,95 m ist eine Terrasse im Ausmaß von 2,50 m x 7,05 m vorgelagert. Die Baubewilligung wurde auf Grund eines Antrages des Beschwerdeführers am 30. Jänner 1980 (die Jahresangabe im Bescheid "1979" ist offenbar unrichtig) erteilt.

Anlässlich einer Verhandlung zur baubehördlichen Überprüfung an Ort und Stelle am 22. Februar 2001 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und eines Bausachverständigen wurde festgestellt, dass der bewilligte Umfang des Gebäudes zwischenzeitlich erweitert wurde. Es wurde eine Überschreitung von insgesamt 26,6 m2 gegenüber der Bewilligung erhoben. Diese Überschreitung sei auf Grund einer Innenraumerweiterung im Ausmaß von 2 m x 3 m, der kompletten Einhausung der Terrasse und des Kellerabganges und einer Hinzunahme des ehemaligen straßenseitigen Einganges zum Zweck der Schaffung eines Schrankraumes erfolgt. Ausgeführt wurde, dass die festgestellten Erweiterungen nachträglich nicht bewilligt werden könnten, weil die verbaute Fläche mit 35 m2 limitiert sei, welches bereits mit dem bewilligten Umfang nahezu erreicht würde.

Dem Verhandlungsprotokoll wurde eine vom Bausachverständigen angefertigte Skizze angeschlossen, in welcher die Zubauten gegenüber dem konsentierten Gebäude dargestellt werden. Danach wurde durch das Verschließen der Terrasse ein 17,5 m2 großer Raum, durch den Anbau an der Ostseite ein 6,2 m2 großer Raum und durch die Umschließung des Eingangsbereiches an der Nordseite ein 2,90 m2 großer Raum geschaffen, woraus sich die Summe von 26,60 m2 ergab.

Mit Bescheid vom 23. April 2001 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer "als Eigentümer des auf dem Grundstück Nr. 164, Los 1" errichteten Gebäudes den baupolizeilichen Auftrag, die errichteten Zubauten, und zwar

einen an das ursprüngliche Gebäude in südlicher Richtung anschließenden Zubau (Erweiterung des vorhandenen Wohnraumes, Einhausung der Terrasse),

einen an dieses Gebäude in östlicher Richtung anschließenden Zubau (Einhausung des Kellerabganges) und

einen an das Gebäude in nördlicher Richtung angebauten Schrankraum, der durch Umbauung des ehemaligen straßenseitigen Einganges geschaffen wurde,

abzubrechen und die durch den Abbruch entstehenden Öffnungen in den Außenwänden des Gebäudes ordnungsgemäß zu verschließen. Es wurde eine Frist von 4 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides gesetzt. In der Begründung verwies die Behörde auf die Feststellungen an Ort und Stelle.

In seiner dagegen erstatteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Schrankraum sei errichtet worden, da durch Absperren der Terrassentüre der Haupteingang verlegt und "die Stufen zu diesen legalisiert" worden seien. Bezüglich der Terrasse hätte der Bauplan eine einseitige Zumauerung vorgesehen, es seien lediglich zwei Mauern errichtet und dadurch ein zusätzlicher Wohnraum mit 6 m2 geschaffen worden. Der Zubau bestehe schon seit 1993 und sei von der Gemeinde nie beanstandet worden. Die Einhausung der Terrasse und des Kellerabganges bestehe nur aus Holz, Glas mit Schiebetür und Fenstern, die sich jederzeit öffnen ließen. Die Einhausung sei als Schutz der Kellerstiege und des Kellereinganges gegen Schnee und Regen erfolgt, da im Winter der Zutritt zum Keller wegen Schneeverwehungen nicht möglich gewesen sei.

Mit Bescheid vom 9. September 2002 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. Die Bauführungen seien wegen des Widerspruches zu § 6 NÖ Kleingartengesetz unzulässig. Das am 30. Jänner 1979 (richtig: 1980) bewilligte Gebäude weise bereits eine Grundrissfläche von 35 m2 auf, weshalb die Erhöhung der bebauten Fläche um 26,6 m2 unzulässig sei. Wohl seien nach § 6 Abs. 2 letzter Satz NÖ Kleingartengesetz Terrassen bis zu einer Größe von 16 m2 nicht in die Grundrissfläche einzurechnen; dies gelte jedoch nicht für durch einen nunmehr durch die Einhausung geschaffenen allseits umschlossenen Gebäudeteil. Sämtliche Bauteile, die den Spruch des Abbruchbescheides bildeten, seien im ursprünglich bewilligten Einreichplan nicht vorgesehen gewesen; nunmehr stellten sie Bestandteile des Gebäudes und damit eine Vergrößerung in waagrechter Richtung dar.

In seiner dagegen erhobenen Vorstellung berief sich der Beschwerdeführer auf eine im Sinne des § 113 Abs. 2a bis Abs. 2c NÖ BauO 1976 erteilte Genehmigung, weil Abgabenbescheide über die Kanalbenützungsgebühr und über die Kanaleinmündungsabgabe von einer erhöhten bebauten Fläche ausgingen. Die vorhandene Terrasse sei bereits durch Mauerwerk an zwei Seiten umschlossen gewesen, es sei nur ein zusätzlicher, öffenbarer Glas- bzw. Holzabschluss konstruiert worden. Die Dachkonstruktion habe keinerlei Änderung erfahren. Daher habe die Behörde, weil sie erkannt habe, dass es sich um keinen Zubau handle, den Begriff "Einhausung" verwendet, der gesetzlich nicht definiert sei. Die Verschalung von Terrasse und Kellerabgang mit Holz/Glas stelle keine Erweiterung der Grundfläche dar. Das NÖ Kleingartengesetz finde keine Anwendung, weil die meisten Parzellen das nach diesem Gesetz vorgesehene Flächenhöchstausmaß überschritten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die Einhausung der Terrasse stelle einen unzulässigen Zubau dar. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 2 letzter Satz NÖ Kleingartengesetz gelte nicht für einen allseits umschlossenen Gebäudeteil, wie er nunmehr bestehe; auf Grund der Einhausung ergebe sich daher die Erweiterung. Auch die übrigen festgestellten Ausführungen seien Vergrößerungen in waagrechter Richtung, somit Zubauten. Die Amnestiebestimmungen in § 113 Abs. 2a und 2b NÖ BauO 1996 (richtig wohl: 1976) könnten hier schon deshalb keine Anwendung finden, weil der Beschwerdeführer keinen Antrag gestellt habe.

Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Erstmals in der Beschwerde wird im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nicht Grundeigentümer ist, der Einwand der "mangelnden Passivlegitimation" erhoben. Zu dieser Frage und zur Frage der Anwendbarkeit des NÖ Kleingartengesetzes, insbesondere von dessen § 6 und den dort enthaltenen Beschränkungen, wird in Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tage, Zl. 2002/05/0686, und die dort angeführte Judikatur verwiesen.

Im Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1154, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bei Behandlung einer Beschwerde bezüglich einer Bauführung in der selben Kleingartenanlage mit dem dort gleichartig erstatteten Vorbringen zu § 19 ROG auseinander gesetzt und darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Festsetzung im Flächenwidmungsplan hier nicht erfolgt sei. Es wurde auch ausgeführt, dass Abgabenbescheide über die Kanalbenützungsgebühr und die Kanaleinmündungsgebühr keine Baubewilligung nach der NÖ BauO darstellten. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im § 6 Abs. 2 NÖ Kleingartengesetz enthaltenen Beschränkungen geteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch auf die Begründung dieses Erkenntnisses gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Was schließlich die Heranziehung des § 113 Abs. 2a und Abs. 2b NÖ BauO 1976 betrifft, ist es zwar nach der Aktenlage zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer wirklich, wie die Behörden ausgeführt haben, keinen Antrag gestellt hat, weil im Bauakt ein Schreiben der Baubehörde vom 10. Februar 2000 enthalten ist, welches auf ein (im Bauakt nicht einliegendes) Ersuchen vom 27. Dezember 1999 verweist. Allerdings ist diese Schwarzbautensanierungsbestimmung mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1999, Zlen. G 132/98 u.a., aufgehoben und diese Aufhebung am 30. April 1999 im Landesgesetzblatt verlautbart worden, sodass sie keinesfalls hätte Anwendung finden können.

Der Beschwerdeführer rügt, die Baubehörde erster Instanz hätte sich im Bauauftrag des unbestimmten Begriffes der "Einhausung" bedient; eine "Einhausung" sei aber nicht bewilligungspflichtig.

Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO) hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder - anzeige (§ 15) vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Voraussetzung eines derartigen Bauauftrages ist somit die Errichtung eines Bauwerkes, für welches weder eine Bewilligung noch eine Anzeige vorliegt; nach § 14 Z. 1 BO sind aber Zubauten von Gebäuden bewilligungspflichtig. Ein Zubau ist jede Vergrößerung eines Gebäudes in waag- oder lotrechter Richtung (Hauer-Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6, 235). Solche Zubauten wurden festgestellt und der Abbruch der festgestellten Zubauten angeordnet; wenn in zwei Punkten des Bauauftrages Zubauten als Einhausung bezeichnet wurden, vermag dies an der Qualifikation nichts zu ändern.

Als Verfahrensmangel wird in der Beschwerde geltend gemacht, es seien keine Feststellungen getroffen worden, inwieweit tatsächlich konsenswidrige Zubauten vorlägen. Es werde nämlich nicht festgestellt, in welcher Form die bei der Bauverhandlung festgestellten Ausführungen erfolgten, insbesondere, ob es sich um dauerhafte Maßnahmen im Sinne der Bauordnung handle oder nicht. Es hätten diesbezüglich ergänzende Erhebungen durch ein konkretes Sachverständigengutachten erfolgen müssen um zu klären, welcher Art der Zubau sei, ob dieser mit dem Boden fest verbunden sei, und um eine Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich um eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme gehandelt habe.

Damit wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, dass die Zubauten keine feste Verbindung mit dem Boden hätten und damit nicht dem Bauwerksbegriff des § 4 Z. 3 BO unterlägen. Der Gebäudebegriff des § 4 Z. 6 BO verlangt nur ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere und Sachen zu schützen. Diese Definition knüpft aber nicht daran an, ob die Baumaßnahmen dauerhafter Art sind oder, wie in der Vorstellung aufgezeigt, ob die Wände aus Glas oder aus Holz bestehen. Den getroffenen Feststellungen (Innenraumerweiterung, Einhausung der Terrasse, des Kellerabganges und des ehemaligen straßenseitigen Einganges) ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht entgegen getreten, sodass kein Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme bestand.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 14. Dezember 2004

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