VwGH 2002/18/0297

VwGH2002/18/029728.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren am 15. Juli 1970, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. November 2002, Zl. St 157/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §35 Abs5;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §35 Abs5;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 8. November 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 36 Abs. 1, 37, 39 und 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach den Feststellungen der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer am 21. Dezember 2001 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und sei daher als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen.

Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Kassel in Deutschland "im Dezember 1995" wegen Verstoßes gegen das Deutsche Betäubungsmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil des Landesgerichtes Kassel "vom März 1996" sei im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer "Mitte der 90er Jahre" gemeinsam mit einem Mittäter in Deutschland mit mehreren Kilogramm Heroin gehandelt habe. Der diesbezüglichen Urteilsbegründung sei wörtlich zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer "Handel treiben in reinster Form" vorgelegen sei. Weiters sei der Beschwerdeführer nach der Urteilsbegründung bei den Rauschgiftgeschäften aktiver beteiligt gewesen als sein Mittäter.

Der Beschwerdeführer habe zu seinen persönlichen Verhältnissen ausgeführt, sich seit Mitte September 2001 in Österreich aufzuhalten. Er lebte mit seiner Frau und deren Kindern im gemeinsamen Haushalt. Er ginge einer Beschäftigung nach. Die Gattin wäre arbeitslos und würde von ihm versorgt.

Die Erstbehörde habe festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit deren beiden Kindern in Linz gemeinsam in einer Wohnung lebe.

Da der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger sei, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn gemäß § 48 Abs. 1 FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen rechtfertige, sei auf den Katalog des § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" zurückzugreifen. Eine gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 maßgebliche Verurteilung liege auch bei einer Verurteilung durch ein ausländisches Gericht vor, wenn die Voraussetzungen des § 73 StGB gegeben seien. Da das Fehlverhalten des Beschwerdeführers auch in Österreich als Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz zu ahnden wäre, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots "auch auf dem Grundtatbestand des § 36 Abs. 1 FrG" zulässig.

Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit dieser und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbots zweifellos in das Privat- und Familienleben eingegriffen. Zu beachten sei jedoch, dass sich der Beschwerdeführer erst sei etwa einem Jahr im Bundesgebiet befinde. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, wögen die maßgeblichen öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei schon deshalb dringend geboten, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden vor allem bei Jugendlichen führe. Überdies nehme die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Kriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führe. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bezeichne deshalb Suchtgifte als "Geisel der Menschheit". Nach der Ansicht des Obersten Gerichtshofes böten die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch verbunden seien, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß.

Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, vor allem der Jugend, die den mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen Gefahren vermehrt ausgesetzt sei, sei eine in das Privat- und Familienleben eingreifende Maßnahme zur Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dringend erforderlich. Es sei daher nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste".

Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Prognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Diese Maßnahme sei daher im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Daran könne auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein zwischenzeitiges Wohlverhalten nichts ändern, zumal er sich sechs Jahre davon in Haft befunden habe.

In Anbetracht der besonderen Schwere von Suchtgiftverbrechen und der damit verbundenen hohen Wiederholungsgefahr könne nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt hätten, weggefallen sein würden. Das Aufenthaltsverbot habe daher nur auf unbefristete Dauer erlassen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der Beschwerdeführer unstrittig Angehöriger einer Österreicherin gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG ist, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Bei der Beurteilung dieser Frage kann auf den Katalog des § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0109).

2. Die - nicht bekämpfte - von der belangten Behörde erkennbar vertretene Ansicht, dass die in Deutschland erfolgte Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Handels mit Heroin den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, ist unbedenklich.

Auf Grund dieser Verurteilung ist der - als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehende - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

3.1. Der Beschwerdeführer hat mit der überaus großen Menge von mehreren Kilogramm des gefährlichen Suchtgiftes Heroin Handel betrieben. Da eine derart große Suchtgiftmenge zweifellos geeignet ist, in großem Stil eine Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von Menschen herbeizuführen, stellt dieses Verhalten des Beschwerdeführers eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dar.

3.2.1. Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass sein Suchtgiftdelikt schon lange Zeit zurückliege und er in Österreich noch nie straffällig geworden sei.

3.2.2. Der Beschwerdeführer hat den Handel mit Suchtgift unstrittig "Mitte der 90er Jahre" begangen. In der seither verstrichenen Zeit befand er sich ebenso unstrittig sechs Jahre in Haft, welcher Zeitraum nach ständiger hg. Judikatur für die Frage eines allfälligen Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022). Ungeachtet des Umstandes, dass der Tatzeitpunkt nicht exakt festgestellt wurde, ist der nach Abzug der in Haft verbrachten Zeit verbleibende Zeitraum des - vorgebrachten - Wohlverhaltens angesichts der überaus großen Gefährlichkeit derartiger Suchtgiftdelikte viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, in Österreich nicht straffällig geworden zu sein, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde aus der in Deutschland begangenen Straftat in zulässiger Weise auf eine auch in Österreich gegebene Gefährlichkeit geschlossen hat.

3.3. Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Verhinderung des in großem Umfang angelegten Suchtgifthandels ist die in § 48 Abs. 1 (iVm § 36 Abs. 1 Z. 1) FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer seit September 2001, sohin seit 14 Monaten, in Österreich aufhalte und hier mit seiner österreichischen Gattin und deren beiden minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe. Die in der Beschwerde - ebenso wie im Verwaltungsverfahren - vorgebrachten weiteren Umstände, dass die Gattin arbeitslos sei und vom Beschwerdeführer, der in Österreich einer Beschäftigung nachgehe, versorgt werde, bewirken im vorliegenden Fall keine den Ausschlag gebende Verstärkung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet.

Den geltend gemachten Verfahrensmängeln, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hinreichend auseinandergesetzt und entscheidungswesentliche Feststellungen für die Interessenabwägung gemäß § 37 FrG unterlassen habe, kommt daher keine Relevanz zu.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die aus seinem Fehlverhalten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Im Hinblick auf die vom Handel mit Heroin in großem Stil ausgehende gravierende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Ermessensübung geltend macht, ist ihm zu entgegnen, dass eine auf der Ermessensübung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 (iVm Abs. 5) FrG entsprechenden Weise rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0096).

6. Schließlich wendet sich die Beschwerde auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots und macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der angefochtene Bescheid nicht ausreichend begründet sei.

Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 2002, Zlen. 2001/18/0255, 0256).

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des vom Beschwerdeführer hinsichtlich einer sehr großen Menge begangenen Suchtgiftdelikts im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende große Wiederholungsgefahr (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zlen. 2001/18/0255, 0256) die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung von maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.

7. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

8. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 28. Jänner 2003

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte