VwGH 2002/18/0268

VwGH2002/18/026818.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1979, vertreten durch Dr. Herbert Veit, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Coulinstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. August 2002, Zl. St 76-3/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §19 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
AsylG 1997 §19 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. August 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, seinen Behauptungen zufolge ein sudanesischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen Angaben im Asylverfahren am 14. August 1998 in einem Lkw versteckt in das Bundesgebiet gelangt. Er besitze keine Dokumente, und es stehe seine Identität nicht fest.

Am 18. August 1998 habe er beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 1. Juli 1999 abgewiesen worden sei. Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei noch keine Entscheidung ergangen. Er sei während des Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt (§ 19 Abs. 2 Asylgesetz).

Während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei er fünfmal rechtskräftig verurteilt worden, und zwar in allen Fällen wegen des Vergehens des Diebstahls (§ 127 StGB), dreimal wegen des Vergehens der Nötigung bzw. versuchten Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) und einmal auch wegen Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB). Über ihn seien neben Geldstrafen zweimal bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen von einem bzw. zwei Monaten und zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 27. November 2001 eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt worden. Zudem sei die hinsichtlich der beiden anderen Freiheitsstrafen jeweils gewährte bedingte Strafnachsicht ("LG Linz vom 9.11.2000 ... und vom 5.6.2000 ...") widerrufen worden. Zusammengefasst habe der Beschwerdeführer am 27. April 1999, 1. Dezember 1999, 10. Oktober 2000, 31. Dezember 2000, 12. Mai 2001 und 11. Juni 2001 in Kaufhäusern Diebstähle begangen und in drei Fällen mit Gewalt versucht, einschreitende Personen zur Unterlassung der weiteren rechtmäßigen Anhaltung zu nötigen, wobei in einem Fall zwei Personen am Körper verletzt worden seien.

Der Beschwerdeführer habe in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung vorgebracht, er hätte die Straftaten zu einem Zeitpunkt begangen, als er keine Arbeit gehabt und sich in einer aussichtslosen Lage befunden hätte. Da er nunmehr Arbeit hätte, wäre davon auszugehen, dass er in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen würde. Er wäre Vater einer am 11. März 2001 in Österreich geborenen und hier lebenden Tochter.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass in Anbetracht der fünfmal wegen Diebstahls und damit wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen erfolgten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG verwirklicht sei. Ferner habe er, wie sich aus seinen Verurteilungen wegen des Vergehens der Nötigung und der Körperverletzung ergebe, ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt. Die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten erstreckten sich von 27. April 1999 bis 11. Juni 2001, also über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren, wobei er sich seit nunmehr vier Jahren im Bundesgebiet aufhalte. In seinem weiteren Aufenthalt sei daher eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu sehen. Der Umstand, dass er über einen längeren Zeitraum hindurch straffällig geworden sei, lasse selbst unter dem Gesichtspunkt, dass er nunmehr eine Beschäftigung gefunden habe, keine günstige Prognose zu. Außerdem habe er Charakterzüge aggressiven Verhaltens gezeigt und sei zu befürchten, dass derartige Verhaltensweisen bei ihm auch in anderen Lebenssituationen zu Tage träten.

Im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet von vier Jahren werde durch das Aufenthaltsverbot in sein in Österreich geführtes Privatleben und "allenfalls auch", weil er Vater eines unehelichen Kindes sei, in sein Familienleben eingegriffen. Dessen ungeachtet sei im Hinblick auf seine Neigung zu Straftaten die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG). Wie die Mutter seines Kindes bei ihrer Vernehmung am 5. Juli 2002 ausgeführt habe, bestünde zwischen dem Beschwerdeführer und ihr bzw. dem Kind keine Beziehung. Er würde keine Unterhaltszahlungen leisten, sich nicht um sein Kind kümmern und hätte dieses zuletzt Anfang 2002 gesehen. Ein gemeinsames Familienleben bestünde nicht.

Selbst wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 6. August 2002 anführe, in ständigem telefonischen Kontakt mit der Kindesmutter zu stehen und sich ständig nach seiner Tochter zu erkundigen, könne nicht von intensiven familiären Bindungen ausgegangen werden. Das Ausmaß seiner Integration werde durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich gemindert. Bei dieser Sachlage wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sodass das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Gründe, die geeignet wären, im Rahmen einer Ermessensentscheidung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen, seien nicht zu erkennen.

Was die vom Beschwerdeführer angeführte Gefahr einer Verfolgung im Sudan betreffe, so werde mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen, in welches Land er auszureisen habe bzw. in welches er allenfalls abgeschoben werde. Das noch offene Asylverfahren stehe der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegen (§ 21 Abs. 1 Asylgesetz), und es könne lediglich die Durchsetzung dieser Maßnahme während des Asylverfahrens nicht erfolgen (§ 21 Abs. 2 leg. cit.).

Was die angefochtene Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei die von der Erstbehörde gewählte Befristung auf zehn Jahre nicht zu hoch gegriffen, zumal das Aufenthaltsverbot auch unbefristet hätte erlassen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

Ferner begegnet auch die - in der Beschwerde gleichfalls unbekämpft gebliebene - Auffassung der belangten Behörde, dass angesichts der diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden, im Zeitraum von 27. April 1999 bis 11. Juni 2001 verübten Straftaten (vgl. I.1.) die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, insbesondere in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität keinem Einwand.

2. Die Beschwerde wendet sich indes gegen die Beurteilung im Grund des § 37 FrG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer zu seiner am 11. März 2001 geborenen Tochter Kontakt pflegen wolle, deren Mutter jedoch diesen Kontakt verwehre, was die belangte Behörde hätte feststellen müssen. Es ergebe sich daraus, dass er den Kontakt mit der Kindesmutter suche und sich bei ihr telefonisch nach seiner Tochter erkundige, ein erhebliche familiäre Bindung, die durch einen Vollzug des Aufenthaltsverbotes unterbunden würde. Er hätte keine Chance, seine Tochter zu sehen, und es müsste diese zumindest einen Großteil ihrer Kindheit ohne Vater aufwachsen. Ferner hätte die belangte Behörde auch berücksichtigen müssen, dass er nunmehr einer geregelten Arbeit nachgehe, über einen festen Wohnsitz verfüge und seit über einem Jahr nicht mehr straffällig geworden sei, und ausreichende Feststellungen zu den Ursachen und den Hintergründen seiner Straftaten treffen müssen. So habe er im Zeitpunkt von deren Begehung keine Arbeit gehabt und über kein Einkommen verfügt, sodass er sich in einer Notsituation befunden habe.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1998 und den Umstand, dass er Vater eines hier lebenden (unehelichen) Kindes ist, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat jedoch - unter Bedachtnahme auf diese Interessenlage - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Licht dieser Gesetzesbestimmung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (nämlich zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten sei. Dieser Auffassung ist beizupflichten, hat doch der Beschwerdeführer durch seine im Zeitraum von mehr als zwei Jahren (von 27. April 1999 bis 11. Juni 2001) in einschlägiger Weise verübten Diebstähle in Kaufhäusern, die zu insgesamt fünf strafgerichtlichen Verurteilungen geführt haben, wobei er nicht nur in drei Fällen jeweils mit Gewalt versucht hatte, einschreitende Personen zur Unterlassung seiner Anhaltung zu nötigen, sondern in einem Fall sogar zwei Personen vorsätzlich am Körper verletzt hatte, deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die Rechte anderer und die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er habe diese Straftaten in einer Notsituation verübt, weil er über kein Einkommen verfügt habe, und er gehe nunmehr einer gemeldeten Arbeit nach, so ist diesem Vorbringen zu erwidern, dass, selbst wenn er in der Zeit der Begehung der Straftaten über kein Einkommen verfügt haben sollte, keine Gewähr dafür bestünde, dass er im Fall eines finanziellen Engpasses nicht neuerlich Vermögensstraftaten begehen würde. In Anbetracht der obgenannten, zu seinen fünfmaligen gerichtlichen Verurteilungen führenden Straftaten erscheint der seit der letzten Straftat (am 11. Juni 2001) verstrichene Zeitraum zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr schließen zu können.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 2 FrG fällt zu Gunsten des Beschwerdeführers, der sich seit 1998 im Bundesgebiet aufhält, ins Gewicht, dass er Vater eines, wenn auch von ihm getrennt lebenden minderjährigen Kindes im Bundesgebiet ist. Die aus der Dauer seines bisherigen inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen werden allerdings dadurch relativiert, dass ihm als Asylwerber nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 zukommt. Seinen persönlichen Interessen steht die durch die wiederholten Straftaten des Beschwerdeführers bewirkte wesentliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegenüber. In Abwägung dieser Umstände kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten öffentlichen Interesse, und zwar auch dann nicht, wenn er tatsächlich bestrebt sein sollte, zu seiner minderjährigen Tochter Kontakt aufzunehmen, damit diese ihn kennen lerne.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Dezember 2002

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