VwGH 2001/13/0224

VwGH2001/13/022428.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. A in W, vertreten durch Auditor Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in Wien I, Teinfaltstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. Juli 2001, Zl. UVS-07/F/16/1931/2000/7, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretung des Kommunalsteuergesetzes (weitere Partei des Verfahrens: Abgabenberufungskommission Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 99/13/0265, verwiesen.

Wie sich aus der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides im Kontext mit dem im hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 99/13/0265, wiedergegebenen Sachverhalt ergibt, waren dem Beschwerdeführer in einem Sammelbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 24. April 1998 erlassene Straferkenntnisse wegen Übertretung des Kommunalsteuergesetzes 1993 am 8. Juni 1998 zugestellt worden, welchen Sammelbescheid der Beschwerdeführer am 9. Juni 1998 der nunmehrigen Beschwerdevertreterin ohne Anschluss des Kuverts, mit welchem ihm die Sendung zugegangen war, übersandte.

Die Sekretärin der Beschwerdevertreterin trug als Zugangsdatum der Straferkenntnisse den 9. Juni 1998 in die Fristenevidenz ein. Ausgehend von diesem Zustelldatum wurde die Berufung gegen die Straferkenntnisse am 23. Juni 1998 erhoben.

Nachdem dem Beschwerdeführer mit einem am 15. Juli 1998 zugestellten Vorhalt der Umstand offensichtlicher Verspätung der Berufung mitgeteilt wurde, langte bei der belangten Behörde am 22. Juli 1998 ein Schriftsatz des durch die Beschwerdevertreterin vertretenen Beschwerdeführers vom 17. Juli 1998 ein, mit welchem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zweiwöchigen Berufungsfrist begehrt wurde. Bei der Beschwerdevertreterin existiere ein zentrales Fristerfassungssystem, mit welchem jede Frist sofort bei Einlangen des betroffenen Bescheides in eine Liste eingetragen werde, wurde in diesem Antrag ausgeführt. Zusätzlich werde im jeweiligen Sekretariat noch eine Fristenevidenz geführt; darüber hinaus werde die korrekte Fristeintragung und die korrekte Fristberechnung nochmals vom zuständigen Sachbearbeiter kontrolliert. Dass der bekämpfte Sammelbescheid beim Beschwerdeführer schon am Vortag des 9. Juni 1998 eingelangt gewesen sei, sei der Beschwerdevertreterin offensichtlich nicht bewusst und auf Grund der übersandten Unterlagen auch nicht ersichtlich gewesen. Sämtliche Mitarbeiter der Beschwerdevertreterin seien beauftragt, in jenen Fällen, in welchen der genaue Fristbeginn nicht klar ersichtlich sei, beim Auftraggeber nochmals nachzufragen, mit welchem Stichtag ein Schriftstück bei ihm tatsächlich eingegangen sei. Die betroffene Mitarbeiterin der Beschwerdevertreterin verfüge über eine fast sechsjährige Berufserfahrung bei dieser, sei schon zuvor fast zwei Jahre in einer anderen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt gewesen, habe sich als überaus gewissenhaft und sorgfältig erwiesen und es sei ihr eine unzutreffende Fristeintragung bislang noch nie unterlaufen. Vom Sachbearbeiter sei auch aus Anlass der Ausfertigung der betroffenen Berufung die Frist geprüft und dabei festgestellt worden, dass auf Basis des eingetragenen Zustelltermines 9. Juni 1998 die Frist korrekt errechnet und damit noch offen gewesen sei. Eine nochmalige Kontrolle des Zugangsdatums sei unterblieben, weil durch das erwähnte Fristenerfassungssystem mit eventueller Rückfrageverpflichtung ohnehin gewährleistet sei, dass auch der Fristbeginn korrekt ermittelt worden sei. Zum anderen sei dem zuständigen Sachbearbeiter auch bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdevertreterin eine sofortige Weitersendung der zu bekämpfenden Erkenntnisse versprochen habe, weshalb der Sacharbeiter auch davon habe ausgehen können, dass das im Begleitschreiben des Beschwerdeführers angeführte Datum der Übermittlung der Straferkenntnisse an die Beschwerdevertreterin mit dem 9. Juni 1998 mit dem Zustelldatum identisch gewesen sei.

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1999 wies der Magistrat der Stadt Wien den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, die richtige Bemessung einer Rechtsmittelfrist könne nicht einer Kanzleiangestellten allein übertragen werden. Bei Abfassung des Rechtsmittels müsse einem pflichtgemäß vorgehenden Parteienvertreter die Versäumung der Rechtsmittelfrist auffallen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass zum Zeitpunkt der Abfassung des Rechtsmittels am 23. Juni 1998 zufolge des Irrtums der Kanzleikraft die Frist bereits abgelaufen gewesen sei. Auch ein Bemerken der Versäumung der Rechtsmittelfrist zu diesem Zeitpunkt hätte eine Einhaltung der Frist nicht mehr ermöglicht.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid "mit der Maßgabe", dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen wurde.

Diesen Berufungsbescheid der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 99/13/0265, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Begründung ab, dass für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Parteienvertreter selbst verantwortlich sei, der die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen habe. Die im dargestellten Kontrollsystem vorgesehene Überprüfung der Richtigkeit der Fristeintragung durch den Sachbearbeiter habe offensichtlich nicht stattgefunden. Dieser habe sich tatsächlich allein auf die Fristenberechnung der Kanzleiangestellten verlassen, obwohl er es bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt für möglich hätte halten müssen, dass die Partei den Vertretungsauftrag nicht schon am Tag der Zustellung des Straferkenntnisses weitergeleitet habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach der im Beschwerdefall gemäß § 15 Abs. 3 KommStG 1993 in Verbindung mit § 24 VStG anzuwendenden Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Mit dem hier angefochtenen Ersatzbescheid im Gefolge des aufhebenden Erkenntnisses vom 30. Mai 2001, 99/13/0265, ist die belangte Behörde von der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ausgegangen und hat ihn gleich lautend mit der von der erstinstanzlichen Behörde gegebenen Begründung im Instanzenzug deswegen abgewiesen, weil das Wiedereinsetzungsvorbringen erweise, dass der Träger des Vertretungsauftrages die Ermittlung der Rechtsmittelfrist einer Sekretärin überlassen habe, was dem Parteienvertreter als Verschulden anzulasten sei, welches den Grad bloß minderen Versehens übersteige. Diese Rechtsauffassung des nunmehr angefochtenen Bescheides steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist nicht zu beanstanden.

Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Parteienvertreter selbst verantwortlich, der die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen hat. Wird in einer Kanzlei eines Parteienvertreters die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen eingelangter Schriftstücke von einer - wenn auch verlässlichen und umsichtigen - Kanzleiangestellten vorgenommen, dann entspricht dies nicht der in der Judikatur geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters und erlaubt es nicht mehr, auf Seiten des Parteienvertreters nur einen minderen Grad des Versehens, das der Partei zuzurechnen wäre, anzunehmen. Ein Parteienvertreter, der sich aus welchen Gründen immer völlig auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verlässt, tut dies auf die Gefahr, dass das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert wird (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 189 ff zu § 71 AVG, wiedergegebene hg. Judikatur).

Was der Beschwerdeführer dagegen vorträgt, ist nicht geeignet, die behördliche Beurteilung über das Vorliegen eines einen bloß geringen Grad des Versehens übersteigenden Verschuldens der Beschwerdevertreterin an der Versäumung der Berufungsfrist als rechtsirrig aufzuzeigen. Dass das behauptete Kontrollsystem im Beschwerdefall nicht funktioniert hat, hat seine Ursache nicht, wie der Beschwerdeführer behauptet, in einer Verkettung unglückseliger Umstände, sondern in einer Verkettung von Fehlleistungen der Bediensteten der Beschwerdevertreterin. Die erste Fehlleistung unterlief der Sekretärin, die ohne urkundlichen Nachweis des tatsächlichen Zustelltages von jenem Tag als Tag der Zustellung der zu bekämpfenden Straferkenntnisse ausging, an welchem der Beschwerdeführer diese an die Beschwerdevertreterin übersandt hatte, und diesen Tag im Fristenvormerk eintrug, ohne sich vorher von der Richtigkeit ihrer Vermutung durch Rückfrage beim Beschwerdeführer zu überzeugen. Die nächste Fehlleistung unterlief dem die Berufung verfassenden Sachbearbeiter der Beschwerdevertreterin, der sich auf die Richtigkeit der Eintragung der Sekretärin offensichtlich ungeprüft verließ und naturgemäß auf der Basis einer Annahme der Richtigkeit der Fristeintragung zur Auffassung gelangen konnte, die Berufungsfrist sei noch offen. Das vom Beschwerdeführer behauptete Bestehen eines Kontrollsystems ist nach den im Beschwerdefall vorgelegenen Abläufen nicht zu erkennen. Befasste sich der Sachbearbeiter der Beschwerdevertreterin mit der Abfassung der Berufung vor dem letzten Tag der vermeintlichen Berufungsfrist, dann hätte er die ihm oblegene Überprüfung der Richtigkeit des eingetragenen Fristbeginns angesichts des urkundlich nicht dokumentierten Zustelltages sträflich verabsäumt. Befasste sich der Sachbearbeiter mit der Ausarbeitung der Berufung aber ohnehin erst am letzten Tag der vermeintlichen Berufungsfrist, worauf das Berufungsvorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren hinzudeuten scheint, dann wurde damit das tatsächliche Fehlen des vom Beschwerdeführer behaupteten Kontrollsystems offensichtlich. Am letzten Tag einer auf der Basis einer Fristeneintragung der Sekretärin berechneten Frist kann die Richtigkeit der Fristeneintragung durch die Sekretärin zwangsläufig nicht mehr erfolgreich überprüft und eine Fristversäumung verhindert werden.

Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. November 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte