Normen
ZustG §11 Abs1;
ZustVwÜbk Eur;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7. Oktober 1999 wurde der Mitbeteiligte wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (67 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.
Die dagegen erhobene Berufung des Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass der Mitbeteiligte bulgarischer, der deutschen Sprache nicht mächtiger Staatsbürger mit Wohnsitz in Bulgarien sei. Er habe das angeführte Straferkenntnis und auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. September 1999, die die einzige Verfolgungshandlung darstelle, unmittelbar durch die Post an seinem Wohnsitz in Bulgarien zugestellt erhalten. Sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung als auch das bekämpfte Straferkenntnis seien in deutscher Sprache abgefasst und keinem der beiden Schriftstücke sei eine Übersetzung angeschlossen worden. Die Berufung gegen das Straferkenntnis sei in deutscher Sprache handschriftlich abgefasst und vom Mitbeteiligten unterschrieben worden. Da bereits aus der Anzeige ersichtlich sei, dass die Amtshandlung mit dem Mitbeteiligten auf dem Parkplatz vor dem Grenzübergang Suben am 9. Juli 1999 unter Zuhilfenahme eines Dolmetsch stattgefunden habe, sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte in eigener Initiative tätig geworden sei, um den Inhalt des Straferkenntnisses in Erfahrung zu bringen, wobei dazukomme, dass nicht nur die Sprache, sondern auch die Schrift in Bulgarien eine gänzlich andere sei. Auf Grund des erstinstanzlichen Aktes stehe unzweifelhaft fest, dass der Mitbeteiligte in seiner Sprache weder Kenntnis vom Tatvorwurf noch von der Rechtsmittelbelehrung erhalten habe.
Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, dass sowohl die Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. September 1999 als auch die des Straferkenntnisses vom 7. Oktober 1999 unter Bedachtnahme auf die maßgeblichen Folgerungen aus dem fair-trial-Gebot des Art. 6 MRK unwirksam gewesen seien, d.h. eine Zustellung dieser beiden Schriftstücke an den Mitbeteiligten sei als nicht erfolgt anzusehen. In diesem Zusammenhang sei auf die gutachterliche Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 14. April 2000, GZ 601.468/32-V/2/99, über die "Notwendigkeit der Übersetzung von Straferkenntnissen bei Zustellung im nichtdeutschsprachigen Ausland", insbesondere Punkt 7, hinzuweisen, deren Ergebnisse auf den vorliegenden Fall zweifellos anzuwenden seien. Es liege daher kein rechtswirksam erlassenes Straferkenntnis vor, sodass dagegen auch keine Berufung zulässig gewesen sei.
Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat dagegen gemäß § 21a GüterbeförderungsG wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erhoben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, dass die belangte Behörde in rechtlich nicht nachvollziehbarer Weise die Frage einer den Anforderungen des § 11 Abs. 1 Zustellgesetz entsprechenden Zustellung von Straferkenntnissen und damit in Zusammenhang stehenden Schriftstücken im Ausland mit jener vermenge, ob Art. 6 Abs. 3 lit. a MRK die Beigebung einer Übersetzung dieser Schriftstücke in eine dem Beschuldigten verständlichen Sprache erfordere. Die belangte Behörde schließe aus der von ihr angenommenen Verletzung des Art. 6 MRK in unzulässiger Weise, dass die Zustellung unwirksam gewesen sei.
Die Frage der Wirksamkeit der Zustellung sei jedoch von jener der grundsätzlichen Erforderlichkeit der Beigebung einer Übersetzung auf Grund des Art. 6 MRK unbedingt auseinander zu halten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und der Wirksamkeit der Zustellung sei ausschließlich § 11 Abs. 1 ZustellG heranzuziehen. Demnach seien Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden solle, oder die internationale Übung es zuließen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, finde schon allein aus dem Grund keine Anwendung, dass es von Bulgarien nicht unterzeichnet worden sei. Ein zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien unterzeichneter Vertrag über Rechtshilfe in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl. Nr. 68/1969 (richtig: 268/1968), finde, da er Strafsachen nicht inkludiere, im vorliegenden Fall ebenfalls keine Anwendung. Es bestünden für Verwaltungsstrafverfahren im Verhältnis zu Bulgarien keine internationalen Vereinbarungen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der Frage der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unter dem Blickwinkel der hiefür maßgeblichen Zustellvorschrift auseinander zu setzen. Die Feststellung der belangten Behörde, dass die Zustellung unwirksam gewesen sei, sei daher in Wahrheit begründungslos erfolgt. Der von der belangten Behörde angenommene Verstoß gegen das fair-trial-Gebot des Art. 6 MRK könne nicht die Unwirksamkeit der Zustellung begründen. Bei der Frage der Wirkung des Art. 6 MRK handle es sich um die Frage einer allfälligen Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Zur Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides werde darauf hingewiesen, dass dieser an den Mitbeteiligten adressiert gewesen und diesem auch tatsächlich zugekommen sei. Damit wäre auch ein der Zustellung allenfalls anhaftender Mangel saniert. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Anmerkung 2 zu § 7 Zustellgesetz in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 1215, hingewiesen, wonach auch dann, wenn eine unzulässige Zustellung durch die Post erfolgt sei, dieser Mangel mit dem tatsächlichen Zukommen an den Empfänger im Ausland saniert werden könne. Zu dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0110, werde bemerkt, dass dieser Entscheidung im vorliegenden Fall schon deshalb nur beschränkte Aussagekraft zukomme, weil in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt - im Gegensatz zum gegenständlichen Beschwerdefall - konkrete Bestimmungen eines bestehenden Staatsvertrages anzuwenden gewesen seien. Zudem vermische auch diese Entscheidung in ihrer Argumentation die zustellrechtliche Frage mit jener der Anforderungen des Art. 6 MRK. Zur Anwendbarkeit des Art. 6 MRK werde auf die näher angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, nach denen der Vorbehalt Österreichs zu Art. 5 MRK auch die Anwendung des Art. 6 MRK für den Bereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ausschließe. § 39a Abs. 1 AVG betreffe nach diesen Erkenntnissen nur den mündlichen Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien bzw. den zu vernehmenden Personen. Ein Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde werde damit nicht begründet.
Dem Erfordernis des Art. 6 MRK sei im vorliegenden Fall deshalb entsprochen worden, weil der Mitbeteiligte von der Gendarmerie im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 9. Juli 1999 unter Beiziehung eines Dolmetsches von der gegen ihn erhobenen Anschuldigung in Kenntnis gesetzt worden sei. Der Mitbeteiligte habe weiters gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis fristgerecht und in deutscher Sprache Berufung erhoben. Feststehe auch, dass dem Mitbeteiligten durch die Vorgangsweise der erstinstanzlichen Behörde kein Schaden oder sonstiger Nachteil erwachsen sei.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Bulgarien hat weder das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, unterzeichnet, noch besteht ein bilaterales Rechtshilfeabkommen der Republik Österreich mit der Republik Bulgarien in Verwaltungsstrafangelegenheiten.
Bestehen - wie im vorliegenden Fall - keine internationalen Vereinbarungen über die Zustellung in den betreffenden ausländischen Staat, sind gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG - sofern in dem betreffenden ausländischen Staat Rechtsvorschriften über die Zustellung von Schriftstücken ausländischer (im Besonderen: österreichischer) Behörden bestehen, ausschließlich diese maßgebend. Wenn weder internationale Vereinbarungen (Staatsverträge) noch auch nationale Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, bestehen, bestimmt sich die Zulässigkeit und Form der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland nach der internationalen Übung, d.h. danach, ob und gegebenenfalls welche Form der Zustellung der betreffende ausländische Staat auf seinem Gebiet üblicherweise ohne Protest zulässt und damit stillschweigend seine Zustimmung zu diesem Vorgehen zum Ausdruck bringt (vgl. dazu Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I2, S. 1935, Anm. 5 und 6 zu § 11 Abs. 1 ZustellG). Es ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, dass die belangte Behörde im Sinne des § 11 Abs. 1 ZustellG hätte klären müssen, welche zustellrechtlichen Regelungen für den Fall der Zustellung eines behördlichen Schriftstückes einer österreichischen Behörde in Bulgarien gelten. Es wäre aber auch allenfalls zu erforschen gewesen, ob im Sinne dieser Bestimmung bei der Zustellung von Verwaltungsstrafbescheiden von einer internationalen Übung ausgegangen werden kann. Der angefochtene Bescheid erweist sich, ohne dass das für die Zustellung in Bulgarien maßgebliche bulgarische Recht ermittelt und herangezogen bzw. gegebenenfalls das Vorliegen einer internationalen Übung geklärt wurde, als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die im Lichte des Art 6 EMRK sich allenfalls stellende Problematik brauchte daher nicht eingegangen zu werden.
Wien, am 19. März 2003
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