Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art8;
ZustformV 1982;
ZustG §17 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
B-VG Art8;
ZustformV 1982;
ZustG §17 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 4. April 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. November 1999 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten (der erstinstanzlichen Behörde) vom 14. Oktober 1999 gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dieser Bescheid, mit dem gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, am 19. Oktober 1999 beim Postamt hinterlegt und eine Verständigung über die Hinterlegung im Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei. Die Berufungsfrist habe gemäß § 63 Abs. 5 AVG am 2. November 1999 geendet. Erst am 15. November 1999 sei bei der erstinstanzlichen Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid eingelangt. Gleichzeitig mit der Berufung habe er den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht, den er damit begründet habe, dass er an den auf die Zustellung bzw. Hinterlegung folgenden beiden Wochenenden jeweils von Freitag um 15.00 Uhr bis Sonntag bzw. Montag 19.00 Uhr nach Rumänien gefahren wäre, um private Angelegenheiten zu erledigen, zumal seine Schwiegermutter schwer erkrankt wäre. Wochentags, und zwar Montag bis Donnerstag von 07.00 bis 18.00 Uhr und am Freitag von 07.00 bis 13.00 Uhr, würde er bei einem namentlich genannten Unternehmen in 2432 Schwadorf arbeiten. Er hätte den Aufenthaltsverbotsbescheid am 3. November 1999 vom Postamt abgeholt und der Rechtsbelehrung des Bescheides entnommen, dass eine Berufung innerhalb von zwei Wochen dagegen zulässig wäre, weshalb er der irrigen Rechtsansicht gewesen wäre, dass die Berufungsfrist erst am 17. November 1999 ablaufen würde. Er wäre daher am 10. November 1999 mit seiner Ehegattin zur Caritas in St. Pölten gegangen. Dort wäre ihm gesagt worden, dass die Frist zur Erhebung der Berufung bereits abgelaufen wäre. In weiterer Folge, am 12. November 1999, hätte er seinen nunmehr ausgewiesenen Vertreter aufgesucht, der ihm ebenfalls erklärt hätte, dass die Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides bereits durch die Hinterlegung erfolgt wäre und dass innerhalb von sieben Tagen ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist eingebracht werden könnte. Der Beschwerdeführer wäre zwar bereits seit 10. Juli 1989 in Österreich aufhältig und hätte von diesen zehn Jahren rund sieben Jahre gearbeitet, er würde jedoch nach wie vor merken, dass er entsprechende sprachliche Probleme hätte. Die im fremdenpolizeilichen Verfahren abgegebenen Äußerungen und Stellungnahmen hätte er jeweils mit einer Vertreterin der Caritas ausgearbeitet, zumal er dazu sprachlich, und zwar was das Schreiben und auch das Verstehen anlange, einfach nicht in der Lage gewesen wäre. Darüber hinaus hätte er keine spezifischen Kenntnisse über die österreichische Rechtslage, insbesondere was die Bestimmung über die Fristenberechung bei der Zustellung von behördlichen Schriftstücken betreffe, sodass er entsprechend der Belehrung im Bescheid logischerweise davon ausgegangen wäre, dass die zweiwöchige Frist ab dem Zeitpunkt der Abholung des Bescheides am 3. November 1999 zu laufen begonnen hätte und erst am 17. November 1999 enden würde. Er wäre daher durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich seinen Irrtum über den Beginn des Fristenlaufes, an der rechtzeitigen Erhebung der Berufung gehindert worden. Wenn auch grundsätzlich die Gesetzesunkenntnis keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellte, würde jedoch ein besonders gelagerter Fall vorliegen, weil der Beschwerdeführer einerseits enorme Sprachprobleme hätte und andererseits unter der Woche bis abends nicht in St. Pölten, sondern auswärts gearbeitet hätte.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2000 habe die erstinstanzliche Behörde den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass dem Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbotsbescheid mittels RSa-Briefs zugestellt worden wäre. Laut Rückschein wären der erste Zustellversuch am 18. Oktober 1999 und der für den 19. Oktober 1999 angekündigte zweite Zustellversuch negativ verlaufen, weshalb der Bescheid am 19. Oktober 1999 beim Zustellpostamt hinterlegt worden wäre und mit Hinterlegung als zugestellt zu betrachten wäre. Die Rechtsmittelfrist hätte somit am 2. November 1999 geendet.
Nach Wiedergabe des weiteren Inhalts des erstinstanzlichen Bescheides und des wesentlichen Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers sowie der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass mangelnde Rechtskenntnisse oder ein Rechtsirrtum nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu werten seien und auch mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache für sich allein keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellten. Dem Beschwerdeführer sei eine grobe Unachtsamkeit im Sinn von auffallender Sorglosigkeit (grobe Fahrlässigkeit) vorzuwerfen, die dazu geführt habe, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingebracht worden sei. Trotz größter Sprachprobleme anzunehmen, dass die Rechtsmittelfrist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen würde, ab dem er das Schriftstück von der Post abgeholt haben würde, könne niemals als minderer Grad des Verschuldens gewertet werden. Dies ergebe sich schon aus der einfachen Überlegung, dass die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage die Partei niemals hindern könne, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren.
2. Mit dem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 4. April 2000 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den vorzitierten Aufenthaltsverbotsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen.
Da dem Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbotsbescheid am 19. Oktober 1999 durch Hinterlegung zugestellt worden sei und die zweiwöchige Berufungsfrist am 2. November 1999 geendet habe, sei die erst am 15. November 1999 bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachte Berufung als verspätet anzusehen.
3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:
1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerde nicht die Auffassung der belangten Behörde bekämpft, dass der besagte Aufenthaltsverbotsbescheid an den Beschwerdeführer am 19. Oktober 1999 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden sei und die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diesen Bescheid, die am 2. November 1999 geendet habe, versäumt worden sei.
2. Die Beschwerde macht indes geltend, der Beschwerdeführer habe die (beim Postamt) hinterlegte Sendung nicht sofort abgeholt, weil er an den auf die Zustellung folgenden beiden Freitagen (22. und 29. Oktober 1999) jeweils um 15.00 Uhr von seinem Arbeitsort Schwadorf nach Rumänien gefahren sei, um dort seine schwer kranke Schwiegermutter zu besuchen, und erst am Sonntag (24. Oktober 1999) bzw. Montag (1. November 1999) wieder nach St. Pölten zurückgekehrt sei. Unter der Woche habe er von Montag bis Donnerstag jeweils von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr und am Freitag von 7.00 bis ca. 13.00 Uhr jeweils in Schwadorf gearbeitet. Den Bescheid habe er erst am 3. November 1999 vom Postamt abgeholt und sei der irrigen Rechtsansicht gewesen, dass die in der Rechtsmittelbelehrung angeführte zweiwöchige Berufungsfrist erst am 17. November 1999 ablaufen würde. Da seine Ehegattin und er nicht sehr gut Deutsch sprächen, habe er am 10. November 1999 die Caritas-Stelle in St. Pölten und am 12. November 1999 seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter aufgesucht, wo ihm jeweils erklärt worden sei, dass die zweiwöchige Berufungsfrist längst abgelaufen wäre. In Anbetracht seines (früheren) Irrtums über den Beginn der Berufungsfrist und angesichts des Umstandes, dass er Sprachprobleme habe und (vor der besagten Rechtsauskunft) nicht rechtsfreundlich vertreten gewesen sei, wäre die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen gewesen.
3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Aus dem Beschwerdevorbringen ist abzuleiten, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 19. Oktober bis 2. November 1999 mit Ausnahme des 22. und 23. sowie 29., 30. und 31. Oktober 1999 täglich an die Abgabestelle, seine Wohnung in St. Pölten (vgl. § 4 Zustellgesetz), zurückgekehrt sei. Die Beschwerde behauptet auch nicht, dass der Beschwerdeführer nicht schon am 19. Oktober 1999 von der Hinterlegung der Sendung Kenntnis erlangt habe. Hatte er jedoch am 19. Oktober 1999 Kenntnis erlangt, so hatte er ausreichend Zeit, um durch geeignete Dispositionen entweder sich selbst in die Lage zu versetzen, das zuzustellende behördliche Schriftstück zu beheben, oder dieses durch einen von ihm Bevollmächtigten abholen zu lassen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 zu § 71 AVG E 107, 133, 135, 139 zitierte hg. Judikatur). Dass der Beschwerdeführer behauptetermaßen unter der Woche tagsüber in Schwadorf gearbeitet habe, lässt jedenfalls noch nicht den Schluss zu, dass ihm eine Disposition im vorgenannten Sinn nicht möglich gewesen wäre. Wenn er vorbringt, er sei vor der ihm erteilten Rechtsberatung dem Irrtum unterlegen, dass eine (beim Postamt) hinterlegte Sendung erst mit der tatsächlichen Abholung als zugestellt gelte, so vermag ein solcher Irrtum im vorliegenden Fall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen. Die Beschwerde zieht die Rechtswirksamkeit der besagten Zustellung durch Hinterlegung am 19. Oktober 1999 nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes nicht in Zweifel und bestreitet insbesondere auch nicht die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass die Verständigung über die Hinterlegung im Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass diese Hinterlegungsanzeige den in § 17 Abs. 2 letzter Satz Zustellgesetz aufgestellten Erfordernissen entsprochen hat und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangt ist. Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die schriftliche Hinterlegungsanzeige den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Dementsprechend ist in dem von der Zustellformularverordnung 1982, BGBl. Nr. 600, gestalteten Formular 1 zu § 17 Abs. 2 Zustellgesetz der Satz enthalten: "Das Schriftstück wird daher hinterlegt. Die Hinterlegung gilt grundsätzlich als Zustellung. Holen Sie das Schriftstück in ihrem Interesse ehestens ab, Sie könnten sonst wichtige Fristen versäumen!". Dem Beschwerdeführer musste daher bei Lesen der Hinterlegungsanzeige und gehöriger Aufmerksamkeit, die in Bezug auf die Wahrnehmung von Fristen auch einem juristischen Laien zumutbar ist, klar sein, dass die Hinterlegung und nicht erst die Abholung der Sendung als Zustellung gilt. Von daher kann ein Irrtum des Beschwerdeführers über die Folgen der besagten Hinterlegung, sollte er zur verspäteten Abholung des Aufenthaltsverbotsbescheides und schon damit zur Versäumung der Berufungsfrist geführt haben, - ebenso wie ein (allfälliges) Unterlassen des Lesens des Verständigungstextes - nicht als ein bloß auf einem minderen Grad des Versehens beruhendes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG beurteilt werden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1992, Zl. 91/10/0251).
Darüber hinaus ist auch mit dem Beschwerdehinweis auf mangelhafte deutsche Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers für seinen Standpunkt nichts gewonnen, weil gerade das Wissen um die mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache ihn dazu hätte veranlassen müssen, sich mit dem Inhalt der amtlichen Verständigung zu befassen (vgl. dazu die in Walter/Thienel, aaO zu E 153 ff zitierte hg. Judikatur).
4. Unter Zugrundelegung dieser Überlegungen kann die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Zur Zurückweisung der Berufung:
Im Hinblick darauf, dass die Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid unbestritten nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) erhoben wurde, steht auch die Zurückweisung der Berufung mit dem Gesetz in Einklang.
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 1. August 2000
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