VwGH 2000/16/0640

VwGH2000/16/064023.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführer Mag. Valenta und MMag. Schärf, in den Beschwerdesachen der

1) Weber's Wine World HandelsgesmbH in Mödling, vertreten durch die Perchtoldsdorfer Wirtschaftsberatungs GmbH, Wirtschaftsprüfer in 2380 Perchtoldsdorf, Wiener Gasse 146,

2) Ernestine Rathgeber in Wien, vertreten durch Mag. Wolfgang Ilgenfritz, Wirtschaftsprüfer in 9500 Villach, Haydnstraße 5,

3) Karl Schlosser in Wien, vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12 und 4) Beta-Leasing GesmbH in Wien, vertreten durch die Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwalts KEG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10,

gegen die Bescheide der Abgabenberufungskommission Wien vom 6. September 2000, Zlen. 1.) MD-VfR - W 21/2000, 2.) MD-VfR - R13/2000, 3.) MD-VfR - S 58/2000 und 4.) MD-VfR - B 76/2000 u.a. betreffend Rückzahlung von Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für die Zeit von 1995 bis 1998, den Beschluss gefasst:

Normen

11992E005 EGV Art5;
11992E177 EGV Art177;
11997E010 EG Art10;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31984R1633 Variable SchlachtprämienDV Schafe Art4 Abs1;
31984R1633 Variable SchlachtprämienDV Schafe Art4 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs3;
31992L0108 System-RL ;
61979CJ0068 Just VORAB;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61990CJ0038 Lomas VORAB;
61994CJ0212 FMC VORAB;
61996CC0343 Dilexport Schlussantrag;
61996CJ0228 Aprile VORAB;
61996CJ0343 Dilexport VORAB;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
61998CJ0397 Metallgesellschaft VORAB;
61998CJ0441 Michailidis VORAB;
61999CJ0088 Roquette Frères VORAB;
AbgÄG 2000/I/029 Art2;
AbgVG Vlbg 1984 §106a idF 2000/009;
AbgVG Vlbg 1984 §138 Abs2 idF 2000/009;
AbgVGNov Vlbg 2000;
EURallg;
GetränkesteuerG Wr 1992 §1;
GetränkesteuerG Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1992/044 ;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1994/050 ;
GetränkesteuerVNov Wr 1992;
GetränkesteuerVNov Wr 1994;
LAO Bgld 1963 §187a idF 2000/006;
LAO Krnt 1991 §188a idF 2000/054;
LAO NÖ 1977 §186a idF 3400-7;
LAO OÖ 1996 §186;
LAO OÖ 1996 §186a idF 2000/019;
LAO Slbg 1963 §182a idF 1999/112;
LAO Stmk 1963 §186 Abs3 idF 2000/013;
LAO Stmk 1963 §186 Abs4 idF 2000/013;
LAO Tir 1984 §187a idF 2000/001;
LAO Wr 1962 §107 Abs1;
LAO Wr 1962 §127;
LAO Wr 1962 §185 Abs1;
LAO Wr 1962 §185 Abs2;
LAO Wr 1962 §185 Abs3 idF 2000/009;
LAO Wr 1962 §185 Abs4 idF 2000/009;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
LAONov Bgld 2000 Art2;
LAONov Krnt 2000;
LAONov NÖ 06te 2000 3400-7 Art2 Abs1;
LAONov OÖ 01te 2000 Art2 Abs2;
LAONov Slbg 1999 Art2;
LAONov Stmk 2000 Art2 Abs1;
LAONov Tir 2000 Art2;
LAONov Wr 2000 Art1;
LAONov Wr 2000 Art2;
VwGG §38a;
11992E005 EGV Art5;
11992E177 EGV Art177;
11997E010 EG Art10;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31984R1633 Variable SchlachtprämienDV Schafe Art4 Abs1;
31984R1633 Variable SchlachtprämienDV Schafe Art4 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs3;
31992L0108 System-RL ;
61979CJ0068 Just VORAB;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61990CJ0038 Lomas VORAB;
61994CJ0212 FMC VORAB;
61996CC0343 Dilexport Schlussantrag;
61996CJ0228 Aprile VORAB;
61996CJ0343 Dilexport VORAB;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
61998CJ0397 Metallgesellschaft VORAB;
61998CJ0441 Michailidis VORAB;
61999CJ0088 Roquette Frères VORAB;
AbgÄG 2000/I/029 Art2;
AbgVG Vlbg 1984 §106a idF 2000/009;
AbgVG Vlbg 1984 §138 Abs2 idF 2000/009;
AbgVGNov Vlbg 2000;
EURallg;
GetränkesteuerG Wr 1992 §1;
GetränkesteuerG Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1992/044 ;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1994/050 ;
GetränkesteuerVNov Wr 1992;
GetränkesteuerVNov Wr 1994;
LAO Bgld 1963 §187a idF 2000/006;
LAO Krnt 1991 §188a idF 2000/054;
LAO NÖ 1977 §186a idF 3400-7;
LAO OÖ 1996 §186;
LAO OÖ 1996 §186a idF 2000/019;
LAO Slbg 1963 §182a idF 1999/112;
LAO Stmk 1963 §186 Abs3 idF 2000/013;
LAO Stmk 1963 §186 Abs4 idF 2000/013;
LAO Tir 1984 §187a idF 2000/001;
LAO Wr 1962 §107 Abs1;
LAO Wr 1962 §127;
LAO Wr 1962 §185 Abs1;
LAO Wr 1962 §185 Abs2;
LAO Wr 1962 §185 Abs3 idF 2000/009;
LAO Wr 1962 §185 Abs4 idF 2000/009;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
LAONov Bgld 2000 Art2;
LAONov Krnt 2000;
LAONov NÖ 06te 2000 3400-7 Art2 Abs1;
LAONov OÖ 01te 2000 Art2 Abs2;
LAONov Slbg 1999 Art2;
LAONov Stmk 2000 Art2 Abs1;
LAONov Tir 2000 Art2;
LAONov Wr 2000 Art1;
LAONov Wr 2000 Art2;
VwGG §38a;

 

Spruch:

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen Artikel 10 EG (ex Artikel 5 EG-Vertrag) und der Spruchpunkt 3. des Tenors des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C- 437/97 , Evangelischer Krankenhausverein Wien/Abgabenberufungskommission Wien und Wein & Co. HandelsgesmbH, früher Ikera Warenhandelsgesellschaft mbH/Oberösterreichische Landesregierung, Slg. 2000, I-1157, wonach sich niemand auf

Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG berufen kann, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteiles entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt, der Anwendung der mit der Novelle der Wiener Abgabenordnung (WAO) vom 2. März 2000, LGBl. Nr. 9/2000, geschaffenen, auch auf vor der Kundmachung dieser Novelle entstandene Steuerschuldverhältnisse anzuwendenden Bestimmung des § 185 Absatz 3 WAO entgegen, wonach ein Rückzahlungsanspruch insoweit nicht zusteht, als die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde?

Begründung

1.) Sachverhalt:

Die Erstbeschwerdeführerin betreibt einen Weinhandel, die übrigen Beschwerdeführer betreiben jeweils ein Restaurant. Sie haben im Jahr 1998 Anträge auf Rückzahlung der von ihnen entrichteten Getränkesteuer bezüglich bestimmter Perioden, insgesamt für die Zeit zwischen 1995 bis 1998 an die Abgabenbehörde erster Instanz (Magistrat der Stadt Wien, MA 4/7) gerichtet. In diesen Anträgen machten sie geltend, dass die Steuer der Verbrauchsteuerrichtlinie widerspreche und ihre Einhebung zu Unrecht erfolgt sei. Die Abgabenbehörde erster Instanz wies die Anträge ohne nähere Begründung ab. Alle Beschwerdeführer haben dagegen berufen.

Nach Inkrafttreten der in der ersten Frage genannten Novelle zur Wiener Abgabenordnung hielt die Abgabenbehörde erster Instanz den Beschwerdeführern vor, dass ihre Verkaufspreise Inklusivpreise einschließlich der Getränkesteuer seien.

Mit den im Rubrum genannten Bescheiden wies die belangte Abgabenbehörde zweiter Instanz die an sie gerichteten Berufungen - zumindest teilweise - ab. Sie vertrat dabei insbesondere die Ansicht, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung des § 185 Absatz 3 WAO nicht entgegenstehe.

Die Viertbeschwerdeführerin hat dagegen zunächst Beschwerde an den Österreichischen Verfassungsgerichtshof erhoben. Der Verfassungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit seinem Erkenntnis vom 29. November 2000, B 1735/00, als unbegründet ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist. Die übrigen Beschwerdeführer wandten sich unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof.

Alle Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Rückforderung der in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht erhobenen Getränkesteuer verletzt. Sie machen insbesondere geltend, dass die im Nachhinein beschlossene nationale Bestimmung gegen das Treuegebot des Artikel 10 EG verstoße und dass durch die rückwirkende Schaffung des § 185 Absatz 3 WAO eine Verletzung des Vertrauensschutzes gegeben sei. Weiters behaupten sie übereinstimmend, dass eine Überwälzung an die Verbraucher nicht erfolgt sei.

Die belangte Behörde hat in ihren Gegenschriften jeweils im Ergebnis den gegenteiligen Standpunkt vertreten.

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes lauten:

Artikel 10 EG (ex Artikel 5 EG-Vertrag):

"Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.

Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten."

Spruchpunkt 3. des Urteiltenors des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 in der Rechtssache C- 437/97 lautet:

"3. Niemand kann sich auf Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteiles entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt."

In den Randnummern 55 bis 60 dieses Urteiles hat sich der Gerichtshof ausführlich mit der Frage der zeitlichen Begrenzung der Urteilswirkungen auseinandergesetzt.

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechtes lauten:

§ 185 Wiener Abgabenordnung (WAO) in der hier maßgeblichen Fassung des Artikel I der Novelle vom 2. März 2000, LGBl. Nr. 9/2000 (die zwischenzeitig ergangene Novelle LGBl. Nr. 7/2001 ist in Kursivschrift eingearbeitet) lautet:

(1) Der Abgabepflichtige kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 162 Absatz 2) beantragen. Die Rückzahlung kann auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Gegen den Rückzahlungsbetrag können der Höhe nach festgesetzte Abgabenschuldigkeiten aufgerechnet werden, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

(3) Ein Rückzahlungsanspruch steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde.; insoweit führt die Herabsetzung der Abgabenfestsetzung durch Selbstbemessung oder Abgabenbescheid auch nicht zu einer Gutschrift. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.

(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit ihnen die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt.

Artikel II der Novelle LGBl. Nr. 9/2000, mit der der Absatz 3 neu eingefügt wurde, bestimmt:

"Artikel I ist auch auf vor der Kundmachung dieses Gesetzes entstandene Steuerschuldverhältnisse anzuwenden."

4.) Formelle Voraussetzungen der Vorlage:

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht iS des Artikel 234 Absatz 3 EG (ex Artikel 177 Absatz 3 EG-Vertrag). Dies ist durch die Spruchpraxis des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften betreffend zahlreiche, bereits vom Verwaltungsgerichtshof eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren, nicht zuletzt im Rahmen der Rechtssache C-437/97 bestätigt worden, sodass die Vorlageberechtigung des Verwaltungsgerichtshofes keiner weiteren Begründung bedarf.

5.) Materiellrechtliche Voraussetzungen der Vorlagefragen:

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden kurz: EuGH) hat im Rahmen eines vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/16/0021 und 97/16/0221, initiierten Vorabentscheidungsverfahrens mit Urteil vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 , Evangelischer Krankenhausverein Wien/Abgabenberufungskommission Wien und Wein & Co. HandelsgesmbH, früher Ikera Warenhandelsgesellschaft mbH/Oberösterreichische Landesregierung, Slg. 2000, I-1157, u.a. für Recht erkannt:

"2. Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren steht der Beibehaltung einer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis erhobenen Steuer wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen. Artikel 3 Absatz 2 dieser Richtlinie steht jedoch der Beibehaltung einer auf alkoholische Getränke erhobenen Steuer wie derjenigen entgegen, um die es im Ausgangsverfahren geht."

Der Gerichtshof führte jedoch zu dem im Ausgangsverfahren von der österreichischen Bundesregierung geltend gemachten schwer wiegenden finanziellen Auswirkungen eines zur Erstattung der streitverfangenen Getränkesteuer verpflichtenden Urteils und zu dem Vorbringen, die Steuer sei von den Abgabenschuldnern ohnedies über die Preise der Getränke auf die Verbraucher abgewälzt worden, welcher Umstand von diesen mangels Aufbewahrung von Zahlungsbelegen über den Steuerbetrag nicht nachgewiesen werden könne, aus, auf den in Rede stehenden Gesamtbetrag, das Fehlen von Zahlungsbelegen und die bedeutende Anzahl geringfügiger Umsätze, bei denen es um kleine Beträge gehe, brauche nicht eingegangen zu werden. Zwingende Gründe der Rechtssicherheit schlössen es nämlich aus, dass Rechtsverhältnisse, die ihre Wirkungen in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden, weil dies das Finanzierungssystem der österreichischen Gemeinden rückwirkend in seinen Grundlagen erschüttern würde (Randnr. 59).

Er hat deshalb entgegen dem Antrag des Generalanwalts Antonio Saggio vom 1. Juli 1999 (Randnr. 70 der Schlussanträge) ausnahmsweise (vgl. Randnr. 57 des Urteils) die zeitliche Begrenzung der Wirkungen seines Auslegungsurteils eingeschränkt:

Nach Randnr. 60 des Urteils und Spruchpunkt 3. des Urteilstenors "kann sich niemand auf Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt."

Mit diesem Urteilsspruch war die aus dem Treuegebot des Artikels 10 EG abzuleitende Verpflichtung des betroffenen Mitgliedsstaates verbunden, dem einzelnen Abgabepflichtigen, der vor Ergehen dieses Urteils eine Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt hat, die rechtswidrig erhobene Getränkesteuer auf alkoholische Getränke zu erstatten (siehe Geiger, EUV/EGV3, Randnr. 53 zu Artikel 10 EG). Wie der EuGH in einem jüngst ergangenen Urteil (vom 8. März 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-397/98 und C-410/98 ;

METALLGESELLSCHAFT/HOECHST, Randnr. 84) unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung wiederholt hat, stellt das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen; der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgaben zu erstatten.

Zum Begriffspaar "Klage oder entsprechender Rechtsbehelf" hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2000, Zl. 2000/16/0296, ausgeführt, dass seitens der betroffenen Parteien "rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen werden" müssen und dass der Begriff Rechtsbehelf daher im Sinne des zu gewährenden Rechtsschutzes möglichst weit zu verstehen ist.

Die materielle Rechtslage betreffend die Getränkesteuer hat sich seit dem Urteil des EuGH vom 9. März 2000 erheblich geändert. Durch Steuersatzänderungen bei der Umsatzsteuer für die betreffenden Waren erhalten die Gemeinden durch höhere Ertragsanteile bei der Umsatzsteuer einen Getränkesteuerausgleich (vgl. Artikel II des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2000).

Angesichts der schwer wiegenden Auswirkungen des Urteils des EuGH auf die Finanzlage der österreichischen Gemeinden bei einem Erstattungsvolumen von etwa 22 Milliarden Schilling (vgl. Randnr. 62 der Schlussanträge des Generalanwalts) - wobei ein Grossteil der Betroffenen rechtzeitig einen Rechtsbehelf ergriffen hat - haben knapp vor Verkündung des obzitierten Urteils des EuGH die österreichischen Bundesländer im Hinblick auf die erwartete Aufhebung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke Bestimmungen in ihre Landesabgabenordnungen (Salzburg am 14.12.1999, LGBl. 112/1999, § 182a; Tirol am 11.1.2000, LGBl. 1/2000, § 187a; Burgenland am 18.1.2000, LGBl. 6/2000, § 187a; Niederösterreich am 31.1.2000, LGBl. 3400-7, § 186a;

Steiermark am 29.2.2000, LGBl. 13/2000, § 186; Vorarlberg ebenfalls am 29.2.2000, LGBl. 9/2000, § 106a; Wien am 2.3.2000, LGBl. 9/2000, § 185; und Oberösterreich am 8.3.2000, LGBl. 19/2000, § 186a) eingeführt, denen zufolge die Rückerstattung oder Kompensation von zu Unrecht erhobenen Abgaben insoweit nicht zu erfolgen hat, als die betroffene Abgabe auf einen Anderen überwälzt wurde. Kärnten änderte die Landesabgabenordnung 1991 durch Einfügung eines § 188a, der die Überschrift "Ausschluss der Rückzahlung" trägt, erst mit Gesetz vom 12. Juli 2000, LGBl. Nr. 54, § 188a).

In Wien sah § 185 Absatz 1 WAO schon vor der gegenständlichen Novelle vor, dass der Abgabepflichtige die Rückzahlung von Guthaben beantragen kann. Durch Artikel I des Gesetzes, mit dem die Wiener Abgabenordnung geändert wird, LGBl. 9/2000, wurde dem § 185 u.a. folgender Absatz 3 angefügt:

"(3) Ein Rückzahlungsanspruch steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben."

Nach Artikel II dieses Gesetzes ist Artikel I auch auf vor der Kundmachung dieses Gesetzes entstandene Steuerschuldverhältnisse anzuwenden.

Für den Verwaltungsgerichtshof erhob sich zunächst die Frage, ob es gemeinschaftsrechtlich gestattet ist, dass ein Mitgliedsstaat dann, wenn der EuGH bereits selbst in seinem Urteil eine Beschränkung der Wirkungen seines Urteilsspruches vorgenommen hat, eine zusätzliche Einschränkung der Wirkungen dieses Urteils normiert. Der Verwaltungsgerichtshof hält die Frage, ob eine vom EuGH ausgesprochene Beschränkung seiner Urteilswirkungen im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Grenzen durch eine weitere innerstaatliche Bestimmung ergänzt werden darf, für grundsätzlich geklärt:

Im Urteil vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen C- 38/90 und C-151/90 , "LOMAS", Slg. I-1781, hat der EuGH ausgesprochen (Spruchpunkt 2. des Tenors), dass die Feststellung der Ungültigkeit der dort gegenständlichen Verordnung nicht mit Wirkung für die Zeit vor Erlass des Urteils geltend gemacht werden könne; eine Ausnahme gelte für die Wirtschaftsteilnehmer oder ihre Rechtsnachfolger, die vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Auch in jenem Urteil führte der EuGH aus, dass Ansprüche in Ansehung der Erstattung von bis zum Erlass des diese Ungültigkeit der Verordnung feststellenden Urteils entstandenen Abgaben erhebliche finanzielle Folgen wie auch schwer wiegende Organisationsprobleme nach sich ziehen könnten, sodass unter diesen Umständen zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit dagegensprächen, dass Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen bereits erschöpft sind, wieder in Frage gestellt würden und eine Ausnahme von diesem Grundsatz nur zu Gunsten der Wirtschaftsteilnehmer vorzusehen war, die ihre Rechte rechtzeitig geltend gemacht haben (Randnr. 27ff).

Gegenstand des Urteiles des EuGH vom 8. Februar 1996 in der Rechtssache C-212/94 (Slg. 1996, I-0389, FMC plc u.a.) waren Erstattungsansprüche der dortigen Klägerinnen auf Grund der durch das Urteil LOMAS für rechtswidrig erklärten Verordnung. Der High Court of Justice, Queen' s Bench Division, hatte dem Gerichtshof u. a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"3. Ist Randnummer 30 des Urteils des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen C-38/90 und C-151/90 (LOMAS u. a.) in Bezug auf Ansprüche auf Erstattung von vor dem 10. März 1992 gezahlten Clawback-Beträgen dahin zu verstehen, dass sie es Wirtschaftsteilnehmern, die vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben, ermöglicht, sich auf die Ungültigkeit der Artikel 4 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1633/84 der Kommission zu berufen ...".

Auf diese Frage hat der EuGH zu Recht erkannt (Spruchpunkt 3. des Tenors):

"Randnummer 30 des Urteils vom 10. März 1992 in den Rechtssachen C-38/90 und C-151/90 (Lomas u. a.) erlaubt es Wirtschaftsteilnehmern und ihren Rechtsnachfolgern, die vor dem 10. März 1992 Klage erhoben oder einen nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben, im Hinblick auf Anträge auf Erstattung vor diesem Zeitpunkt zu Unrecht erhobenen Clawbacks, die Ungültigkeit des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1633/84 ab deren Inkrafttreten geltend zu machen, sofern nicht nationale Bestimmungen im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Grenzen den vor der Antragstellung liegenden Zeitraum begrenzen, für den die Erstattung zu Unrecht erfolgter Zahlungen erlangt werden kann."

Dazu verwies der EuGH (Randnummer 74 des Urteils) auf seine ständige Rechtsprechung, dass das Gemeinschaftsrecht eine nationale Rechtsordnung nicht daran hindert, eine Erstattung zu Unrecht erhobener Beträge zu verweigern, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Berechtigten führen würde.

Daraus ergibt sich für den Verwaltungsgerichtshof unzweifelhaft, dass die vom EuGH in seinem Urteil selbst ausgesprochene Beschränkung der Urteilswirkungen nicht zum Ausschluss jeglicher anderer Beschränkung führt, zumal der EuGH in seiner ständigen Rechtsprechung (siehe abermals das schon genannte Urteil vom 8. März 2001, METALLGESELLSCHAFT/HOECHST, Randnr. 85) mangels einer Gemeinschaftsregelung über die Erstattung zu Unrecht erhobener inländischer Abgaben auf die innerstaatliche Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten verweist, soferne die Verfahrensmodalitäten nicht weniger günstig gestaltet sind als die entsprechender inländischer Klagen und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte dadurch nicht praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert werden.

Seit seinem Urteil vom 27. Februar 1980, Rechtssache 68/79, "JUST", Slg. 1980, 501, hat der EuGH immer wieder ausgesprochen, dass es den einzelstaatlichen Gerichten nach Gemeinschaftsrecht freistehe, nach ihrem nationalen Recht den Umstand zu berücksichtigen, dass ohne rechtlichen Grund erhobene Abgaben in die Preise des abgabepflichtigen Unternehmens einfließen und auf die Abnehmer abgewälzt werden können. Im Urteil vom 9. Februar 1999, Rechtssache C-343/96 , "DILEXPORT", Slg. 1999 I- 579, hat der EuGH im Spruchpunkt 2. des Urteilstenors ausgesprochen, dass das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehre, nach dem Erlass von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Im Urteil vom 21. September 2000, Rechtssachen C-441/98 , C- 442/98 , "KAPNIKI MICHAILIDIS", hat der EuGH für Recht erkannt, dass das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat zwar nicht verwehre, die Erstattung von unter Verstoß gegen Gemeinschaftsvorschriften erhobenen Abgaben abzulehnen, wenn nachgewiesen ist, dass die Erstattung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde. Es schließt aber die Anwendung von Vermutungen oder Beweisregeln aus, mit denen dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer die Beweislast dafür auferlegt werden soll, dass die ohne Rechtsgrund gezahlten Abgaben nicht auf andere abgewälzt worden sind, und mit denen er daran gehindert werden soll, Beweismittel vorzulegen, um eine angebliche Abwälzung zu widerlegen.

Zuletzt wurde im Urteil vom 28. November 2000, Rechtssache C- 88/99 , "ROQUETTE FRERES SA", Randnr. 20, wiederholt, dass mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf dem Gebiet der Erstattung zu Unrecht erhobener nationaler Abgaben die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens für die Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sind; dabei dürfen freilich diese Bedingungen nicht ungünstiger sein als diejenigen für entsprechende nur nationales Recht betreffende Klagen, und sie dürfen nicht so gestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die nationalen Gerichte zu schützen verpflichtet sind, praktisch unmöglich machen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt die gegenständliche Bestimmung, nach der der Erstattungsanspruch nicht besteht, wenn die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen getragen wurde, im Zusammenhang mit dem hier anwendbaren Verfahrensrecht grundsätzlich diese gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen. Die Bestimmung bezieht sich mit Rücksicht auf ihren allgemeinen Wortlaut keineswegs nur auf die Erstattung von Abgaben, deren Erhebung aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen rechtswidrig war, oder gar nur auf die Getränkesteuer. In Anbetracht der bestehenden Verfahrensgarantien kann auch nicht gesagt werden, dass die Ausübung des Rechtes auf Rückzahlung durch diese Bestimmung von vornherein übermäßig erschwert oder gar unmöglich gemacht würde.

§ 185 WAO enthält nämlich keine speziellen Aussagen zur Beweislast, zu zulässigen Beweismitteln oder gar zur Beweiswürdigung. Das anzuwendende allgemeine Verfahrensrecht geht vom Grundsatz der Amtswegigkeit bei der Ermittlung der maßgebenden Verhältnisse aus (§ 90 Absatz 1 WAO). Es begnügt sich, soweit es um die Mitwirkung des Abgabepflichtigen an der Sachverhaltsaufklärung geht, wenn der Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann, mit der Glaubhaftmachung (§ 107 Absatz 1 WAO) und lässt im Übrigen als Beweismittel alles zu, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des Falles dienlich ist (§ 127 WAO).

Der Verwaltungsgerichtshof folgt damit der in diesem Zusammenhang vom österreichischen Verfassungsgerichtshof in dem gegenüber der Viertbeschwerdeführerin ergangenen Erkenntnis vom 29. November 2000, B 1737/00, Punkt 3.5. vertretenen Auffassung.

6.) Zur Vorlagefrage:

Der Wiener Landesgesetzgeber hat mit der Anordnung im Artikel II der Novelle LGBl. Nr. 9/2000, dass die Änderung des § 185 WAO auch auf vor der Kundmachung dieses Gesetzes (2. März 2000) entstandene Steuerschuldverhältnisse Anwendung finden soll, diese Bestimmung rückwirkend in Kraft gesetzt. Allen Abgabenpflichtigen, die bezüglich der seit 1. Jänner 1995 (Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft) entstandenen Steuerschuldverhältnisse vor dem 9. März 2000 im Sinne des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-437/97 R echtsbehelfe ergriffen haben, kann daher auf Grund der erst am 2. März 2001 kundgemachten Beschränkung entgegen gehalten werden, dass die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen getragen wurde.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof - der auch ein Gericht im Sinne des Artikel 234 EG ist - hat im genannten Erkenntnis vom 29. November 2000 eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Artikel II der Novelle LGBl. Nr. 9/2000 verneint (Pkt. 4.3.).

Demgegenüber ist auf Folgendes hinzuweisen:

Mit einer rückwirkenden Beschränkung eines Erstattungsanspruches hat sich Generalanwalt Damaso Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlussanträgen zu den Rechtssachen APRILE II, Rechtssache C-228/96 , Slg. 1998, I-7141 (Randnr. 35 ff) und DILEXPORT, Rechtssache C-343/96 , (Randnr. 26 ff) auseinander gesetzt und auf ein Urteil der Corte suprema di cassazione vom 6. November 1992 verwiesen. In dem genannten Urteil hat das (mit dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof vergleichbare) italienische Höchstgericht die Rückwirkung der anzuwendenden Vorschrift (einer Ausschlussfrist) bestätigt und erkannt, dass wegen dieser Rückwirkung die Vorschrift nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, sodass die nationalen Gerichte von ihrer Anwendung abzusehen hätten. Dazu hat der Generalanwalt in der Randnr. 28 seines Schlussantrages (DILEXPORT) ausgeführt:

"Die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht wäre eindeutig im Hinblick auf die Erstattungsanträge, die vor dem Inkrafttreten der neuen Fristen gestellt wurden. Denn der Grundsatz der Rechtssicherheit lässt es nicht zu, dass diese Rechtsbehelfe durch eine spätere, im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestehende Vorschrift in Frage gestellt werden, die die Rechtsstellung des Antragstellers verschlechtert. Dieser Auffassung sind die italienischen Gerichte selbst gefolgt, indem sie die rückwirkende Geltung des Artikels ausgeschlossen haben. "

Im Urteil DILEXPORT war der EuGH zur Beantwortung dieser Frage selbst nicht mehr unmittelbar gestellt. Er hat aber ausgeführt (Randnr. 42), es habe sich aus den vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen ergeben, dass die italienischen Gerichte einschließlich der Corte suprema di cassazione diese Vorschrift dahin ausgelegt haben, dass die Erstattung innerhalb von drei Jahren nach ihrem Inkrafttreten verlangt werden kann und dass diese Vorschrift tatsächlich keine Rückwirkung entfaltet.

Mit Rücksicht auf die jedenfalls vom Generalanwalt gebilligte Rechtsmeinung eines anderen europäischen Höchstgerichtes zu einer rückwirkenden Beschränkung liegt aber ungeachtet des zitierten Erkenntnisses des österreichischen Verfassungsgerichtshofes insbesondere vor dem Hintergrund des Treuegebotes des Artikel 10 EG und des zu schützenden Vertrauens derjenigen Abgabenschuldner, die rechtzeitig einen Rechtsbehelf eingelegt haben, jedenfalls keine zweifelsfreie Situation iS. des Urteiles des EuGH vom 6. Dezember 1982 in der Rechtssache 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415ff vor, weshalb die im Spruch formulierte Frage nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 234 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen ist.

Zur Information wird mitgeteilt, dass in dem nach der Geschäftsverteilung für die Gemeinde-Getränkesteuer zuständigen Senat 16 des Verwaltungsgerichtshofes

derzeit rund 300 gleichartige Beschwerden, zum Teil mit Anregungen zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens, anhängig sind.

Wien, am 23. März 2001

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