Normen
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §108 Abs1 Z3 litb;
FrG 1997 §110 Abs3;
FrG 1997 §107;
FrG 1997 §108 Abs1 Z3 litb;
FrG 1997 §110 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 stellte die belangte Behörde gemäß § 73 Abs. 1, 2 und 4 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) fest, dass 1.) die über den Mitbeteiligten verhängte Schubhaft (vom 30. August 1999, 18.00 Uhr, bis zum 7. September 1999) nicht rechtmäßig gewesen sei, 2.) der Schubhaftbescheid der Bundspolizeidirektion Wien vom 30. August 1999 nicht zu Recht erlassen worden sei, sowie 3.) die Festnahme des Mitbeteiligten am 30. August 1999 um 15.40 Uhr als rechtswidrig zu qualifizieren sei. Weiters habe der Bund dem Mitbeteiligten gemäß § 73 Abs. 2 FrG in Verbindung mit § 79a AVG und § 1 der Aufwandersatzverordnung UVS Aufwendungen in der Höhe von S 8.400,--
zu ersetzen.
Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, der Mitbeteiligte (ein Staatsangehöriger Polens) sei am 22. August 1999 zum Zwecke eines Verwandtenbesuches ins Bundesgebiet eingereist und am 30. August 1999 bei Renovierungsarbeiten in der Wohnung seines Schwagers unentgeltlich arbeitend angetroffen worden. Daraufhin sei er gemäß § 110 Abs. 3 FrG festgenommen und angehalten sowie wegen Übertretung des § 107 Abs. 1 Z 4 FrG 1997 angezeigt worden. Noch am gleichen Tag sei über den Mitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 1 FrG in Verbindung mit § 57 AVG die Schubhaft mittels Schubhaftbescheid verhängt worden. Aus den Akten ergebe sich kein Hinweis darauf, dass sich der Mitbeteiligte jemals einem behördlichen Zugriff entzogen hätte. Da der Mitbeteiligte zum Zwecke eines Verwandtenbesuches, daher zu touristischen Zwecken nach Österreich gekommen sei, sei er somit (zumal durch einen Hilfsdienst bei Renovierungsarbeiten in der Wohnung des Schwagers der touristische Zweck des Aufenthalts "noch nicht vernichtet" werde) für die Dauer von drei Monaten zum sichtvermerksfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Als Besucher seines Schwagers habe er mit keinerlei Aufwand für Unterkunft und Verpflegung rechnen müssen, sodass der Umstand, dass er im Zeitpunkt seiner Festnahme lediglich über eine Telefonwertkarte verfügt habe, nicht als Indiz für eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit durch den Mitbeteiligten bzw. das Nichtvorliegen eines touristischen Aufenthaltes gewertet werden könne. Somit habe der Mitbeteiligte am 30. August 1999 nicht das Tatbild einer der Ziffern des § 107 Abs. 1 FrG erfüllt. Da aber § 110 Abs. 3 FrG eine Festnahme nur im Falle einer Begehung eines Verstoßes gegen eine dieser Ziffern für zulässig erkläre, sei die Festnahme zu Unrecht erfolgt. Infolge des legalen Aufenthaltes und der ausreichenden Unterhaltsmittel seien auch weder die Voraussetzungen für eine Festnahme nach § 61 Abs. 1 noch nach § 63 Abs 1 FrG vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf § 74 FrG gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972 idF BGBl. III Nr. 122/1999, hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 1
(1) Die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die Inhaber eines der im Artikel 3 angeführten Reisedokumente sind, dürfen ohne Sichtvermerk des anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet einreisen, sich dort bis zu drei Monaten aufhalten und aus ihm ausreisen. (...)
(3) Die Berechtigung der Absätze 1 und 2 gilt nicht für die Staatsbürger eines jeden der beiden Staaten, die sich auf das Hoheitsgebiet des anderen Staates begeben wollen, um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder um dort einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt zu nehmen."
§ 110 Abs. 3 FrG lautet:
"Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können einen Fremden, den sie bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 107 oder 108 Abs. 1 Z 3 lit. b betreten, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, er werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen."
Der Mitbeteiligte wurde am 30. August 1999 bei Renovierungsarbeiten in einer im 8. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Wohnung angetroffen, ohne sich - da der deutschen Sprache nicht mächtig - rechtfertigen zu können. Es ist unbestritten, dass der Mitbeteiligte über keinen Sichtvermerk verfügte. Damit war zunächst die Festnahme des Mitbeteiligten jedenfalls nach § 110 Abs. 3 FrG rechtmäßig: Eine solche war nämlich schon dann zulässig, wenn das einschreitende Sicherheitsorgan ein Verhalten unmittelbar selbst wahrnahm, das es zumindest vertretbarer Weise als eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat qualifizieren konnte, wenn also das Organ mit gutem Grund annehmen konnte, dass eine Verwaltungsübertretung (nach den §§ 107 oder 108 Abs. 1 Z 3 lit. b FrG) vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1996, Zl. 95/02/0203, zur insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 85 Abs. 2 FrG 1992). Nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG begeht aber eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, wobei auf § 31 leg. cit. verwiesen wird. Nach dieser Bestimmung (Z 1) halten sich Fremde (nur) dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie u.a. unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes eingereist sind (vgl. dessen § 5 über die Sichtvermerkspflicht). Dafür aber, dass "auf Grund bestimmter Tatsachen" anzunehmen war, der Mitbeteiligte werde das Bundesgebiet "unverzüglich" verlassen (vgl. § 110 Abs. 3 FrG) ergibt sich kein Anhaltspunkt.
Aber auch der Schubhaftbescheid und in der Folge die Schubhaft (der Mitbeteiligte wurde aus dieser am 7. September 1999 entlassen) erweisen sich als rechtmäßig:
Aus obigen Darlegungen folgt, dass zunächst die Annahme gerechtfertigt war, der Mitbeteiligte halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Wohl hat sich der Mitbeteiligte anlässlich der (unter Beisein jeweils einer Dolmetscherin) mit ihm am 30. August und am 2. September 1999 aufgenommenen Niederschriften darauf berufen, dass es sich bei jener Wohnung, wo er arbeitend angetroffen worden sei, um die Wohnung seines namentlich angeführten Schwagers (dem er "beim Arbeiten geholfen" habe, sodass keine "Schwarzarbeit" ausgeübt worden sei) gehandelt habe, doch befinde sich dieser "derzeit" in Polen und komme erst in ca. einer Woche wieder (Niederschrift vom 2. September 1999). Da sich der Mitbeteiligte, dessen anwaltlicher Vertreter nach der Aktenlage jedenfalls ab 1. September 1999 von der Schubhaft in Kenntnis war, aber auf keine anderen konkreten Beweismittel für sein Vorbringen berufen hat, war die die Schubhaft verhängende und aufrecht erhaltende Behörde auch nicht verpflichtet, abgesehen von ihrem Auftrag an den Mitbeteiligten aber auch an dessen bevollmächtigten Vertreter, "die Besitzverhältnisse der Wohnung" und das "Verwandtschaftsverhältnis" darzulegen, weitere Ermittlungen während der Dauer der Schubhaft durchzuführen (als die als ausreichend bewerteten Nachweise bei der Behörde am 7. September 1999 einlangten, wurde der Mitbeteiligte aus der Schubhaft entlassen). Zu der gerechtfertigten Annahme, der Mitbeteiligte halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, kam jedenfalls noch, dass sich dieser seit 22. August 1999 hier aufhielt, seither polizeilich nicht gemeldet war und auch nur über geringfügige Barmittel verfügte (vgl. die zitierte Niederschrift vom 2. September 1999). Dass der Mitbeteiligte "Besucher" bzw. "Gast" seines Schwagers war, konnte die die Schubhaft verhängende bzw. aufrecht erhaltende Behörde erst nachträglich verifizieren.
Damit war auch die Annahme gerechtfertigt, dass die Schubhaft im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG notwendig war, zumal sich kein Anhaltspunkt dafür bot, dass deren Zwecke mit der Anwendung gelinderer Mittel hätten erreicht werden können (vgl. § 66 Abs. 1 FrG).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am 5. September 2002
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