Normen
BauO NÖ 1883 §113;
BauO NÖ 1883 §38;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1964:1964000617.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund eines als Anzeige zu wertenden Ansuchens eines Mieters an die Stadtgemeinde Mödling vom 18. September 1962, die erheblichen Bauschäden des Hauses Mödling, K-Gasse 24, amtlich feststellen zu lassen, wurde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vorn 12. November 1962 den Eigentümern der obgenannten Liegenschaft gemäß § 113 der Bauordnung für Niederösterreich aufgetragen, folgende Mängel beheben zu lassen:
1.) die lockeren Fassadenteile und Putzflächen abzuschlagen, sowie den fehlenden Fassadenputz zu ergänzen,
2.) die schadhaften Fensterstöcke und die reparaturbedürftigen Außenfensterflügel instandzusetzen bzw. zu erneuern und schließbar zu machen,
3.) den Badezimmerbelichtungsschacht im Bereich des Dachbodens feuersicher zu verkleiden,
4.) die schadhaften Sohlbankverblechungen an der Nord- und Westfassade instandzusetzen,
5.) die Elektroleitung an der linken Hausecke der Ostfassade gemäß den fachtechnischen Bestimmungen herzustellen,
6.) eine Anhaltestange beim Kellerabgang anzubringen.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben gegen diesen Bescheid am 6. Dezember 1962 Berufung wegen "Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung", der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 30. August 1963 teilweise stattgegeben wurde, wobei den Eigentümern des Objektes Mödling, Kgasse 24, gemäß § 113 der Bauordnung für Niederösterreich die Durchführung folgender Maßnahmen vorgeschrieben wurde
1.) Die lockeren Fassadenteile und Putzflächen sind abzuschlagen sowie der fehlende Fassadenputz zu ergänzen,
2.) Die schadhaften Fensterstöcke und die reparaturbedürftigen Außenfensterflügel sind instandzusetzen bzw. zu erneuern und schließbar zu machen.
3.) Der Badezimmerbelichtungsschacht ist im Bereiche des Dachbodens feuersicher zu verkleiden.
4.) Die schadhaften Sohlbankverblechungen an der Nord- und Westfassade sind instandzusetzen.
5.) Der Forderung der Wiener Stadtwerke E-Werk in der Zuschrift vom 4. Juli 1963 ist zu entsprechen.
Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen am 3. Oktober 1963 Berufung. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung gab mit Bescheid vom 29. Jänner 1964 der Berufung teilweise Folge und schrieb den Beschwerdeführerinnen folgende Maßnahmen zur Durchführung vor:
1.) Sämtliche schadhaften Fenster sind zu reparieren bzw. teilweise zu erneuern.
2.) Die fehlenden Sohlbänke sind zu ergänzen und schadhafte Sohlbankverblechungen sind zu erneuern.
3.) Der Belichtungsschacht für das Badezimmer ist innenseits mind. mit Heraklith zu verkleiden und zu verputzen.
4.) Die an der Straßenseite verlegte neue elektr. Zuleitung vom Stützpunkt zur Zähleranlage ist an der Außenfassade mit einem wetterfesten Verputz zu versehen.
Zur Begründung wurde angeführt, bei der kommissionellen Berufungsverhandlung sei durch den Amtssachverständigen festgestellt worden, daß die an der Westfront des Hauses in Mödling, K-gasse 24, im 1 Stock befindlichen Fenster durch Kriegsschäden und Witterungseinflüsse kaum mehr geöffnet werden könnten, da die Fensterflügel angefault seien, ein Großteile der Außenverglasung fehle und nicht mehr erneuert werden könne. Der Außenverputz bei den Fensterstöcken sei abgefallen und auch ein Teil des Gesimses unterhalb der Verblechung sei schadhaft. Außerdem sei ein Entlüftungsschacht für ein Bad nur aus Holz und könne als Ventilationsschacht nicht verwendet werden, Schließlich müsse auch die elektrische Zuleitung an der Außenfassade mit einem wetterfesten Verputz versehen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wird. Zur Begründung wird ausgeführt, daß eine Beseitigung von Baugebrechen nur im öffentlichen Interesse vorgeschrieben werden könne. Ein öffentliches Interesse sei aber nur dann gegeben, wenn es sich um Belange in "sicherheitlicher, hygienischer, baupolizeilicher und schönheitlicher Hinsicht" handle. Bloß privatrechtliche Belange eines Mieters seien nicht in. den Bereich der öffentlichen Interessen einzubeziehen. Der angefochtene Bescheid versuche nicht einmal festzustellen, welche Umstände geeignet seien, ein öffentliches Interesse zu begründen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen
Gemäß § 113 der Bauordnung für Niederösterreich vom 17. Jänner 1883, LGBl. Nr. 36/1883, in der derzeitigen Fassung, führt der Gemeindevorsteher die Aufsicht über den baulichen Zustand der bestehenden Gebäude und überwacht die genaue Einhaltung der dem Hauseigentümer bezüglich der Erhaltung der Gebäude gesetzlich obliegenden Verpflichtungen, verfügt die im öffentlichen Interesse notwendige Beseitigung der an denselben bemerkten Baugebrechen und ordnet erforderlichenfalls die Räumung oder Demolierung von Gebäuden und Gebäudeteilen an.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat (z.B. Erkenntnis vom 9. Jänner 1907, Slg. Nr. 4909/A; Erkenntnis vom 9. September 1963, Zl. 643/63), liegt ein Baugebrechen dann vor, wenn der Zustand eines Baues sich im Vergleiche zu dessen ursprünglichem Bestand derart verschlechtert hat, daß die öffentlichen Interessen dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, sei es durch Verschlechterung, durch Baufälligkeit, durch Schadhaftigkeit des Baumaterials oder durch sonstige innere oder äußere Ursachen.
Der Ansicht der Beschwerdeführerinnen kann beigepflichtet werden daß ein öffentliches Interesse, das die vorgeschriebene Beseitigung von Baugebrechen rechtfertigen würde, nur bei Vorliegen sicherheitlicher, hygienischer, baupolizeilicher oder schönheitlicher Momente gegeben ist. Es ist jedoch unbestritten, daß - wie im Spruch des angefochtenen Bescheides ausgeführt ist - Fensterstöcke schadhaft und die Außenfensterstöcke sowie die Sohlbankverblechungen reparaturbedürftig sind. Wie bereits der Bundesgerichtshof in seinem Erkenntnis vorn 13. März 1935, Slg. Nr. 351/A (teilweise abgedruckt bei Krzizek "Die Bauordnung für Niederösterreich", Manz-Verlag 1964, Seite 121), festgestellt hat, ist ein öffentliches Interesse auch dann gegeben, wenn der mindere Zustand der Baulichkeit die Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Gesundheit gefährdet. Gesundheitliche Interessen und nicht nur privatrechtliche Belange eines Mieters sind jedoch dadurch gefährdet, wenn, wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt und auch nicht bestritten wird, sich die im 1. Stock befindlichen Fenster durch Witterungseinflüsse und durch Kriegsschäden in einem baulich derart schlechten Zustand befinden, daß ein Öffnen der Außenfenster kaum möglich ist. Desgleichen, wenn die Fensterflügel angefault sind und ein Großteil der Außenverglasung, die nicht mehr erneuert werden kann, fehlt.
In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1932, Slg. Nr. 17230/A, zu verweisen (abgedruckt bei Krzizek, Seite 121 ff), wonach die Baubehörde unabhängig von einem privatrechtlichen Anspruch des Mieters, verpflichtet ist, die Beseitigung von Baugebrechen zu verfügen, sofern dies für die Sicherheit der Bewohner zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit notwendig ist.
Im Hinblick auf den unbestrittenen Sachverhalt und die ob zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte der Verwaltungsgerichtshof weder eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften finden, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am 29. Juni 1964
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