Normen
B-VG Art17
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
LandwirtschaftsG 1992 §2
B-VG Art17
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
LandwirtschaftsG 1992 §2
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Mit einem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, "die (als Verordnung zu qualifizierende) 'Sonderrichtlinie für das österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL)' des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in ihrem '3. Teil Maßnahmenumfang ab 1. Jänner 1996' als verfassungswidrig aufzuheben".
Der Antragsteller begründet die Verordnungsqualität dieser Sonderrichtlinie ÖPUL mit der Formulierung des §2 Abs3 des Bundesgesetzes, mit dem Maßnahmen zur Sicherung der Ernährung sowie zur Erhaltung einer flächendeckenden, leistungsfähigen, bäuerlichen Landwirtschaft getroffen werden (Landwirtschaftsgesetz 1992 - LWG), BGBl. 375/1992 idF BGBl. 420/1996. §2 Abs3 LWG bestimme, daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften nähere Bestimmungen über die Abwicklung der Förderungen zu erlassen habe. Darin sei eine Verordnungsermächtigung zu erblicken, auf die sich auch die Sonderrichtlinie ÖPUL nach eigenen Angaben stütze.
Seine Antragslegitimation begründet der Antragsteller damit, er betreibe eine Landwirtschaft und habe im Jahr 1996 für eine Personengemeinschaft Förderungen nach dem "ÖPUL-Programm" beantragt. Dieser Antrag sei von der Agrarmarkt Austria nicht durch Bescheid erledigt, sondern mit "Mitteilung vom 2.12.1996" abgelehnt worden.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gründen im Umstand, daß Pkt. 3 der Sonderrichtlinie ÖPUL einen Einstiegsstop für das Förderungsprogramm vorsehe, was dazu führe, daß Förderungswerber, die einen Antrag erstmals im Jahre 1995 gestellt haben, weiter in den Genuß von Förderungen kämen, Förderungswerber, die einen Antrag erstmals im Jahre 1996 gestellt haben, jedoch in den nächsten Jahren nicht in den Genuß der Förderung kommen könnten. Dieser Differenzierung liege keine sachliche Rechtfertigung zugrunde; daher sei sie gleichheitswidrig.
2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der er hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit zu dem Ergebnis kommt, daß zum einen ein anderer Weg als jener des Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 Abs1 B-VG zumutbar sei und daß zum anderen sich die Sonderrichtlinie ÖPUL als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung darstelle, weswegen die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens gemäß Art139 B-VG allein schon deshalb nicht in Betracht komme. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft begründet seinen Standpunkt, daß die Sonderrichtlinie ÖPUL ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung sei, im wesentlichen mit der fehlenden Kompetenz des Bundes zum hoheitlichen Vollzug in diesem Bereich und mit dem Umstand, daß der generell abstrakte Rechtsakt "Sonderrichtlinie ÖPUL" auf den "Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln, Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung 1977/136" basiere, deren Pkt. 6. jedem Bundesminister für seinen Bereich die Möglichkeit eröffne, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen Sonderrichtlinien aufzustellen. Pkt. 1.1. der "Allgemeinen Rahmenrichtlinien" stelle klar, daß Förderungen in ihrem Sinne Geldzuwendungen privatrechtlicher Art seien, die der Bund in Ausübung der Privatwirtschaftsverwaltung gewähre. Die Rechtsnatur der Sonderrichtlinie ÖPUL stelle sich daher als ein Teil einer privatrechtlichen Vertragskonstruktion dar. Weiters ergebe sich aus der Verfassungsbestimmung des §2 Abs5 LWG idF
BGBl. 420/1996, daß die Förderungen aufgrund von privatwirtschaftlichen Vereinbarungen im Rahmen von Maßnahmen gemäß der Sonderrichtlinie ÖPUL gewährt werden.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist.
2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach Art139 Abs1 B-VG ist unter anderem, daß dem behördlichen Akt, dessen Aufhebung beantragt wird, Verordnungsqualität zukommt (vgl. dazu etwa VfSlg. 10224/1984, 11472/1987, 13229/1992).
Unter einer Verordnung ist nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre jede von einer Verwaltungsbehörde im Bereich der Hoheitsverwaltung erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen (s. etwa VfSlg. 11472/1987 mwH oder 13021/1992 mwH).
3. Diese Voraussetzungen liegen bei der Sonderrichtlinie ÖPUL nicht vor:
3.1. Die Sonderrichtlinie ÖPUL stellt sich nicht als Akt der Hoheitsverwaltung dar.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Abgrenzung der Privatwirtschaftsverwaltung von der Hoheitsverwaltung auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an; entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt.
3.2.1. Die Sonderrichtlinie ÖPUL selbst deklariert nicht ausdrücklich ihre Rechtsqualität. Für ihre Einordnung als Maßnahme im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung sprechen aber vor allem ihr typisch privatrechtlicher Inhalt und ihr Regelungszweck. Geht es in ihr doch um die Voraussetzungen und die inhaltliche Ausgestaltung der Förderungsvereinbarungen, sohin um die Ausgestaltung zivilrechtlicher Verträge
(VfSlg. 13968/1994). Dies hat auch der Verfassungsgesetzgeber in der mit BGBl. 420/1996 als §2 Abs5 LWG aufgenommenen Verfassungsbestimmung klargestellt, die ausdrücklich von den "privatwirtschaftlichen Vereinbarungen im Rahmen von Maßnahmen gemäß der Sonderrichtlinie ÖPUL", aufgrund derer die Förderungen gewährt werden, spricht. Pkt. 1.15 der Sonderrichtlinie ÖPUL bestimmt zudem, daß für Streitigkeiten aus dem die Förderung begründenden Rechtsverhältnis die Gerichte zuständig sind. Da somit die Förderungen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt werden, ist auch davon auszugehen, daß die die Voraussetzungen für die Gewährung der Förderungen regelnde Sonderrichtlinie ÖPUL ein der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnender Rechtsakt ist. Dies verdeutlicht zudem ihr Pkt. 1.16, der die subsidiäre Anwendbarkeit der "Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln" anordnet. Auch läßt der Inhalt der Sonderrichtlinie ÖPUL in seiner Gesamtheit erkennen, daß die Richtlinie für die einzelnen Förderungswerber oder Förderungsnehmer keine unmittelbare Wirkung hat, sondern Wirkung erst über die mit den Förderungswerbern abzuschließenden Förderungsverträge entfaltet, ähnlich allgemeinen Geschäftsbedingungen. Für dieses Verständnis der Sonderichtlinie ÖPUL als privatwirtschaftlich spricht darüber hinaus, daß sie nicht im Bundesgesetzblatt - wie es das BGBlG in seinem §2 Abs1 litf für Verordnungen des Bundesministers vorsieht - veröffentlicht wurde.
3.2.2. §2 Abs3 LWG gebietet - anders als der Antragsteller vermeint - nicht die Qualifikation der Sonderrichtlinie ÖPUL als Verordnung, weil §2 Abs3 LWG die Rechtsform, in der die "näheren Bestimmungen über die Abwicklung der Förderungen" zu erlassen sind, nicht determiniert (vgl. OGH 24.11.1988, 6 Ob 694/88 = JBl. 1990, 169). Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, daß der Bundesminister die Sonderrichtlinie ÖPUL als Verordnung erlasse, dann hätte er dies in §2 Abs3 LWG ebenso ausdrücklich wie zB in den §§4 und 5 LWG angeordnet. Diese Bestimmungen, die bereits in der Stammfassung enthalten waren, zeigen bei systematischer Betrachtung, daß der Gesetzgeber mit den unterschiedlich formulierten Anordnungen nicht dasselbe gemeint hat. Die Sonderrichtlinie ÖPUL sollte eben nicht als Verordnung ergehen, sie ist vielmehr eine Maßnahme der Privatwirtschaftsverwaltung.
3.2.3. Schließlich gebietet auch die Verfassung, die Sonderrichtlinie ÖPUL nicht als Verordnung zu qualifizieren. Mangels Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung hat der Bundesgesetzgeber das LWG auf Art17 B-VG gestützt (vgl. 481 BlgNR 18. GP, 7). Art17 B-VG gestattet auch im jeweils anderen Vollzugsbereich nichthoheitliche Verwaltung ebenso wie die Erlassung von Selbstbindungsgesetzen. Diese Gesetze dürfen keine subjektiven Rechte einräumen (VfSlg. 13973/1994) und mangels Kompetenz nicht zu hoheitlichem Vollzug ermächtigen. Die Erlassung von (Rechts-)Verordnungen würde sich jedoch als Akt der Hoheitsverwaltung darstellen. Im Zweifel ist somit eine aufgrund eines Selbstbindungsgesetzes ergangene Enunziation eines Bundesministers - wie hier die Sonderrichtlinie ÖPUL - verfassungskonform nicht als Verordnung, eine gesetzliche Ermächtigung zur Richtlinienerlassung nicht - wie der Antragsteller vermeint - als Verordnungsermächtigung zu deuten. Da eine Verordnung schon von ihrem Wesen her auf Außenwirkung abstellt, diese aber weder einem Selbstbindungsgesetz eignet noch im Zweifel einer aufgrund eines solchen Gesetzes ergangenen Richtlinie ohne zwingende Gründe unterstellt werden darf, ist auch bei verfassungskonformer Betrachtung davon auszugehen, daß der Sonderrichtlinie ÖPUL Verordnungsqualität nicht zukommt.
3.3. Mangels Verordnungsqualität kann die angefochtene Sonderrichtlinie ÖPUL nicht Gegenstand eines Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 Abs1 B-VG sein.
4. Der Antrag war deshalb schon mangels eines tauglichen Anfechtungsobjektes als unzulässig zurückzuweisen.
5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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