VfGH V81/97

VfGHV81/9717.10.1998

Keine Gesetzwidrigkeit der Regelung des Kostenersatzes für Zahnersatz in der Satzung der Sbg Gebietskrankenkasse aufgrund der Bestimmung von Zuschußleistungen in der durchschnittlichen Höhe des der Gebietskrankenkasse für vergleichbare Sachleistungen aufgrund bestehender Tarife entstehenden Aufwandes; keine gesetzliche Verpflichtung zur Leistung solcher Zuschüsse; gesetzeskonforme Ausgestaltung als Rechtsanspruch und nicht als Ermessensleistung

Normen

B-VG Art18 Abs2
Satzung der Sbg Gebietskrankenkasse
ASVG §153 Abs2
VfGG §62 Abs1
VfGG §61a
B-VG Art18 Abs2
Satzung der Sbg Gebietskrankenkasse
ASVG §153 Abs2
VfGG §62 Abs1
VfGG §61a

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Beschluß vom 4. März 1997 stellt das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht gestützt auf Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG den Antrag, "die Bestimmung der Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse Stammfassung Amtliche Verlautbarung Nr. 31/1983 in der Fassung Amtliche Verlautbarung Nr. 100/1988 Punkt 2 b des Anhanges 1 zur Satzung bezüglich der Wortfolge 'in Höhe von S 1.000,--'" als gesetzwidrig aufzuheben.

1.2.1. Der Anhang 1 zur Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse, SoSi Nr. 4/1983, Amtliche Verlautbarung Nr. 31/1983, idF SoSi Nr. 10/1988, Amtliche Verlautbarung Nr. 100/1988, lautet auszugsweise - die angefochtene Wendung ist hervorgehoben - wie folgt:

"Anhang 1 zur Satzung

I. Abnehmbarer Zahnersatz -

Neuanfertigung und Reparaturen

...

II. Festsitzender Zahnersatz

...

a) ...

b) Für Kronen anderer Art, Stiftzähne und Brückenglieder wird von der Kasse je Einheit ein Zuschuß in Höhe von

S 1.000,-

geleistet.

III. Kieferorthopädische Behandlung

..."

1.2.2. Mit der Amtlichen Verlautbarung Nr. 66/1995, SoSi Nr. 6/1995, wurde eine neue Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse erlassen. Sie trat gemäß ihrem §50 Abs1 am 1. Juli 1995 in Kraft. Zufolge des Abs2 der genannten Vorschrift ist die aufgehobene Satzung jedoch auf eingetretene Versicherungsfälle sowie bereits geltend gemachte Leistungsansprüche, die vor ihrer Aufhebung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden.

1.3.1. Hinsichtlich des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhaltes führt das antragstellende Gericht aus, daß in zwei Fällen Parteien mit Klage - die Klagen wurden, wie sich aus den vorgelegten Gerichtsakten ergibt, im Juni 1995 eingebracht - von der Salzburger Gebietskrankenkasse den vollständigen (für vier Kronen und zwei Brückenglieder samt Nebenleistungen im ersten Verfahren) bzw. teilweisen (für drei Kronen und drei Zwischenglieder im zweiten Verfahren) Ersatz für unentbehrlichen Zahnersatz in Höhe von jeweils 50 % der tatsächlichen Kosten abzüglich des von der beklagten Partei jeweils bezahlten Betrages begehrt haben. Die beklagte Gebietskrankenkasse habe in beiden Verfahren die Klagsabweisung beantragt und vorgebracht, daß die Gewährung des Zuschusses der gegenwärtigen Rechtslage entspreche und eine Rechtsgrundlage für einen den Zuschuß übersteigenden Betrag nicht gegeben sei. Unbestritten sei, daß das Gericht aufgrund der Übergangsbestimmungen der Satzung 1995 die Satzung 1982 und damit auch deren Anhang idF SoSi Nr. 10/1988, Amtliche Verlautbarung Nr. 100/1988, anzuwenden habe.

Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13571/1993 begründet das antragstellende Gericht seine Bedenken gegen die angefochtene Vorschrift wie folgt:

§153 Abs2 ASVG ermächtige den Versicherungsträger, in der Satzung eine Kostenbeteiligung des Versicherten festzulegen oder - wenn die Leistung nicht von einem Vertragsarzt oder einer anstaltseigenen Einrichtung, also einer Ambulanz des Versicherungsträgers erbracht wird - Zuschüsse für die Kosten des Zahnersatzes festzusetzen.

Die Kann-Bestimmung im ASVG werde durch die Konkretisierung in der Satzung zu einer Pflichtleistung. Entgegen der Formulierung in §153 Abs2 ASVG (Kostenbeteiligung des Versicherten) gewähre aber der beklagte Versicherungsträger nur Zuschußzahlungen pro Einheit, welche den tatsächlichen Aufwand der Versicherten nur in einer Höhe von 10 bis 20 % ersetzten. Damit handle es sich aber schon begrifflich nicht um eine Kostenbeteiligung, wie sie gesetzmäßig vorgesehen sei. Wenn auch im Gesetz für die Anwendung des Begriffes "Kostenbeteiligung" ein nach Sachlichkeitsgesichtspunkten aufzufüllender Spielraum gegeben sei, werde dieser durch die angegriffene Regelung doch offenkundig überschritten.

2.1. Die Salzburger Gebietskrankenkasse hat eine Äußerung erstattet, in der sie die angefochtene Satzungsbestimmung verteidigt und im wesentlichen - die Hervorhebungen im Original werden im folgenden nicht wiedergegeben - ausführt:

"Die Hauptversammlung der Salzburger Gebietskrankenkasse hat mit Beschluß vom 30.11.1987 (Genehmigung durch den BMAS Zl 26.524/1-5/1988 vom 10.2.1988, verlautbart in Soziale Sicherheit, Amtliche Verlautbarung Nr. 100/1988) den Zuschuß für Kronen, Stiftzähne und Brückenglieder je Einheit mit S 1.000,-- festgesetzt.

Wie ist die Wortfolge 'An Stelle der Sachleistung' auszulegen, wenn der Versicherungsträger nur bestimmte Leistungen, also nicht alle möglichen Arten des Zahnersatzes als Sachleistung bereitstellt?

Diese Frage ist angesichts der Entscheidung V21,22/92 des Verfassungsgerichtshofes vom 11.10.1993 (= VfSlg. 13571/1993) von besonderer Bedeutung:

Kann man einfach auf einen bloßen Prozentsatz eines freien Privathonorares abstellen, oder soll der finanzielle Aufwand des Versicherungsträgers für jene Vertrags(=Sach)leistungen des Zahnersatzes maßgeblich sein, an deren Stelle der Zuschuß geleistet wird?

Die Krankenversicherungsträger, so auch die Salzburger Gebietskrankenkasse, stellen den unentbehrlichen Zahnersatz als Sachleistung in Form des abnehmbaren Zahnersatzes bei, und zwar entweder als Kunststoffprothesen oder Metallgerüstprothesen. Dafür gibt es verbindliche Vertragstarife und eine Kostenbeteiligung des Versicherten von 25% (früher 20%) für Kunststoffprothesen bzw. 50% für Metallgerüstprothesen.

Der festsitzende Zahnersatz (Kronen und Brückenglieder) ist hingegen nicht Gegenstand der vertraglichen Sachleistungsvorsorge, weil das kosmetisch schönere Aliud 'Krone' das Maß des Unentbehrlichen (§153 Abs2 ASVG) überschreiten würde und ein Sachleistungsangebot aus den gesetzlich festgelegten Beitragseinnahmen nicht finanzierbar wäre. Diese Leistungen muß sich der Versicherte somit auf eigene Rechnung beschaffen. Die Leistungserbringer sind auch nicht an verbindliche Vertragstarife der Sozialversicherung gebunden; sie bestimmen die Preise also selbst, und sind letztere gerade in Salzburg im Vergleich mit jenen in anderen Bundesländern oder zum angrenzenden bayrischen Raum häufig unangemessen hoch.

Die Vertragstarife und die Kostenbeteiligung betragen nach der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde zu legenden alten Rechtslage bis 30.06.1995 (ab 01.07.1995 gelten geänderte Bestimmungen) jeweils für die Versorgung eines Kiefers:

Anteil der Kasse

Tarif pro

gesamt ersetzten

Zahn

Kunststoffprothese 8.940,-- 7.152,-- 511,--

(Dauerversorgung)

Metallgerüstprothese

an 4 Klammerzähnen * 10.760,-- 5.380,-- 538,--

an 4 VG-Klammerzahnkronen * 23.720,-- 11.860,-- 847,--

an 2 VG- und

2 VMK-Klammerzahnkronen * 28.560,-- 14.280,-- 1.020,--

an 4 VMK-Klammerzahnkronen 33.400,-- 16.700,-- 1.193,--

* in der Regel werden pro Kiefer 2-4 Halteelemente benötigt

Im Schnitt bezahlt die Salzburger Gebietskrankenkasse unter Abzug der Kostenbeteiligung pro ersetzten Zahn somit knapp über S 800,--.

Zieht man also als Vergleichsgrundlage (arg. 'An Stelle') die bestehenden Vertragsleistungen heran, mag vielleicht ein Zuschuß von rund S 500,-- pro Krone (wie er dem Verfahren V21,22/92 zugrunde lag) als niedrig erscheinen, der Zuschuß von S 1.000,-- gemäß angefochtener Bestimmung der Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse hingegen nicht.

Knüpft man aber bloß am Prozentsatz der Kostenbeteiligung ohne betragliche Begrenzung an, überbürdet man der sozialen Krankenversicherung die Tragung von 50% völlig ungeregelter Preise (in Salzburg für eine Krone bis zu S 20.000,--!). Zweifellos würde das die Salzburger Gebietskrankenkasse finanziell überfordern und gleichzeitig die ungeregelten Preise in die Höhe treiben, wovon dann wiederum 50% von der Kasse getragen werden müßten.

Abgesehen von diesen Überlegungen ist darauf hinzuweisen, daß Zahnersatz als satzungsmäßige Mehrleistung nur nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers eingeführt werden darf.

1992 hatte die Hauptversammlung der Salzburger Gebietskrankenkasse eine Satzungsänderung auf Erhöhung des Zuschusses für Kronen von netto S 1.000,-- auf S 1.500,-- beschlossen. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales als Aufsichtsbehörde hat diese Änderung aber mit Bescheid Zl. 26.524/7-5/93 vom 14.02.94 die Zustimmung mit der Begründung versagt, daß eine solche Anhebung nicht der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kasse entspricht. (Anmerkung: Erst durch die Einsparungsmaßnahmen einschließlich der völligen Streichung des Kostenzuschusses für Zahnersatz war für 1996 eine ausgeglichene Gebarung möglich.)

Schließlich gilt hier das argumentum a maiori ad minus: Wenn der Versicherungsträger im Leistungssystem des ASVG eine satzungsmäßige Mehrleistung auch zur Gänze streichen kann, oder aus finanziellen Erwägungen sogar streichen muß, kann ein auch nur vergleichsweise geringer Kostenzuschuß nicht gesetzwidrig sein."

2.2. Auch die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat eine Äußerung erstattet. In dieser wird zunächst darauf hingewiesen, daß der Antrag schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen wäre, da er auf Aufhebung einer nichtexistenten rechtlichen Vorschrift gerichtet sei: Der Anhang 1 zur Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse enthalte nämlich keinen Punkt 2 b, sondern lediglich einen Punkt II b.

In der Sache führt die Bundesministerin im wesentlichen - die Hervorhebungen im Original werden nicht wiedergegeben - das Folgende aus:

"Den Ausführungen und der Auslegung des Begriffes 'Kostenbeteiligung' wie sie (in der Begründung des Erkenntnisses VfSlg. 13571/1993) zum Ausdruck kommt, kann auch aus Sicht des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales nur uneingeschränkt zugestimmt werden. Die Bestimmung des §153 Abs2 ASVG kennt aber eben nicht nur den Fall der Sachleistungserbringung unter Kostenbeteiligung, sondern auch einen zweiten, davon zu unterscheidenden Fall, nämlich jenen der Geldleistungsgewährung mittels Zuschußleistung durch den Versicherungsträger (vgl. Binder, DRdA 1993, 345). Die Konsequenzen dieser Unterscheidung haben aber im oben zitierten Erkenntnis des VfGH nach ho. Auffassung nicht ausreichend Beachtung gefunden. Insbesondere die Feststellung, wonach es im wirtschaftlichen Ergebnis in beiden Fällen für den Versicherten zu gleichen Leistungen zu kommen hat, bedarf einer neuerlichen Überprüfung.

Gegen diese im vorigen zitierte Auffassung hinsichtlich einer Angleichung von 'Kostenbeteiligung' und 'Zuschüssen' spricht zunächst bereits der allgemeine Wortsinn dieser beiden Begriffe, von dem abzugehen keine Veranlassung zu bestehen scheint (vgl. hiezu insbes. Binder a.a.O.). Das Wort 'Kostenbeteiligung' legt nahe, daß es dabei um die Übernahme eines kleineren Teiles an vorgegebenen und an sich von einem Dritten (hier dem Krankenversicherungsträger) zu tragenden Kosten handelt.

In ganz ähnlicher Weise bezeichnet das Wort 'Zuschuß' zunächst ebenfalls offenkundig eine Situation, in der zu einer bestimmten Anschaffung von einem Dritten (in concreto wieder dem Versicherungsträger) ein im Verhältnis zur Gesamtsumme geringerer Beitrag geleistet wird.

Der nach ho. Auffassung wesentliche Unterschied zwischen den beiden durch die Worte 'Kostenbeteiligung' einer- und 'Zuschüsse' andererseits bezeichneten Fällen liegt eben in der Frage begründet, wen typischerweise die Hauptlast einer Kostentragung zu treffen hat.

Wenn nämlich in §153 Abs2 ASVG einerseits von der Kostenbeteiligung des Versicherten, andererseits aber von Zuschüssen des Versicherungsträgers die Rede ist, so kann dies - wenn beide Begriffe jeweils auf den kleineren Teil eines Ganzen verweisen - im Ergebnis daher gar nicht zu 'gleichen (zu ergänzen offenbar: anteilsmäßigen) Leistungen des Sozialversicherungsträgers an die Versicherten' führen.

Abgesehen von dieser am Wortsinn orientierten Auslegung kommt den genannten Begriffen aber eine ganz spezifisch juristische Bedeutung, insbesondere im Bereich des ASVG zu. Von 'Kostenbeteiligung' ist im Bereich des ASVG immer im Zusammenhang mit der Erbringung von Sachleistungen (des Versicherungsträgers) die Rede. So ist im Bereich der 'Sachmittelgewährung' (Heilmittel, Heilbehelfe, Hilfsmittel) im ASVG die Kostenbeteiligung des Versicherten - im oben dargelegten Verständnis - ein durchgehender Grundsatz (so Kletter, ZAS 1994, 45). Genau wie für Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel (gerade letzteren ist der unentbehrliche Zahnersatz ja strukturell am ähnlichsten; so schon Binder in Tomandl, System 2.2.7, und zuletzt in DRdA 1993, z.B. 339) wird der unentbehrliche Zahnersatz - so er als Sachleistung beigestellt wird - nur unter Kostenbeteiligung gewährt.

Im Gegensatz dazu findet sich der Terminus 'Zuschuß' durchwegs im Zusammenhang mit den sogenannten Barleistungen der Krankenversicherungsträger (§128 ASVG), welche bei mehrfacher Versicherung auch mehrfach zu leisten sind.

Dafür, daß die Leistung des unentbehrlichen Zahnersatzes als Sachleistung unter Kostenbeteiligung des Versicherten zu gleichen (anteilsmäßigen) Leistungen des Sozialversicherungsträgers zu führen hat, wie die Barleistung eines Zuschusses zu den Kosten eines Zahnersatzes, läßt sich aber nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales auch aus den Worten 'An Stelle' im §153 Abs2 zweiter Satz ASVG nichts gewinnen, können diese Worte doch ebenso als Hinweis auf eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit für den Versicherten (so das zitierte Erkenntnis des VfGH), wie auch als Hinweis auf die unterschiedliche Leistungsstruktur (Sachleistung - Geldleistung) verstanden werden. Zur Entscheidung der Frage, welche der beiden Interpretationsvarianten heranzuziehen ist, wäre aber nun der ganz klare Wortlaut der Bestimmung und da insbesondere jener der Termini 'Kostenbeteiligung' und 'Zuschüsse' heranzuziehen.

Bei Inanspruchnahme vertraglich nicht geregelter Leistungen wird der Versicherte eben auf die (Bar)Leistung eines Kostenzuschusses verwiesen. Anders im Falle etwa der Wahlarztinanspruchnahme, wie dies ebenfalls im zitierten Erkenntnis offenbar angenommen wird, da in diesem Fall - geht man mit der eingangs zitierten jüngeren Judikatur, so etwa auch Binder a.a.O., davon aus, daß die Regelungen über die Krankenbehandlung auch im Bereich des §153 ASVG zur Anwendung kommen - wohl analog den §§131 bzw. 131a ASVG nur Kostenerstattung in Betracht käme.

Daß die Höhe dieser Barleistung aber ganz grundsätzlich nicht mit der Höhe der Kostenerstattung für eine allfällige Sachleistung verglichen werden kann und daher keinesfalls zum wirtschaftlich gleichen Ergebnis für den Versicherten führen kann bzw. muß, ergibt sich nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales zwingend vor allem auch aus der unterschiedlichen faktischen Lage, in welcher die besagten Leistungen jeweils zum Tragen kommen. Die Situation während eines Vertragszustandes (daher natürlich auch Inanspruchnahme eines Wahlarztes während dieser Zeit) ist eben nicht mit der Situation vergleichbar, die im Bereich jener Leistungen besteht, für die keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen sind. Hier bildet sich ein vor allem anbieterbestimmter 'Marktpreis', den zu beeinflussen die Krankenversicherungsträger keinerlei Möglichkeit haben. Bei einer über die Annäherung an die im Bereich der Sachleistung (unter Kostenbeteiligung) gewonnenen Berechnung der 'Zuschuß'-Sätze von bis zu 75% der Kosten, wäre für den Versicherten der Anreiz kostensteuernd einzugreifen (nochmals sei dies hervorgehoben: auf einem im wesentlichen anbieterbestimmten Markt) überaus gering. Die Preise und dementsprechend die Kosten für die Sozialversicherungsträger stiegen wohl zwangsläufig ins beinahe Unermeßliche, jedenfalls aber Unfinanzierbare. Der bereits jetzt eher geringe Anreiz für die Leistungserbringer, einen Vertrag mit den Sozialversicherungsträgern abzuschließen, wäre damit wohl völlig verloren.

Davon, daß der Gesetzgeber ein solches für die Versicherungsträger im Ergebnis letztlich nicht finanzierbares System zu schaffen beabsichtigt hat, kann aber wohl nicht ausgegangen werden. Vielmehr finden sich im ASVG bekanntlich entsprechende gegenteilige Bestimmungen (vgl. nur §342 Abs2 ASVG). Es ist wohl davon auszugehen, daß der Gesetzgeber ein System anstrebte, in welchem Leistungspflicht und finanzielle Leistungsfähigkeit der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung korrelieren.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang überdies nochmals auf die Auffassung Kletters (ZAS 1994, Pkt. 2.2.2), wonach die vertraglich vorgesehenen Sachleistungen im Bereich des unentbehrlichen Zahnersatzes den Bereich des medizinisch Notwendigen jedenfalls abdecken, die in der angefochtenen Bestimmung der Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse vorgesehenen Kostenzuschüsse daher nur Leistungen des unentbehrlichen Zahnersatzes betroffen haben, die in gewisser Weise - weil etwa aus rein kosmetischen Gründen - ein aliud dargestellt haben.

Es wird schließlich in diesem Zusammenhang noch darauf verwiesen, daß als Vergleichsgrundlage (in Anlehnung an die Argumentation im zit. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes) (arg. 'an Stelle') auch die konkreten Vertragsleistungen in Betracht zu ziehen wären. Diesfalls errechnete sich zu jenem Zeitpunkt, welcher der Beurteilung zugrundezulegen ist, und aufgrund der damals herrschenden Rechtslage, eine Leistung der Salzburger Gebietskrankenkasse im Falle einer Sachleistung unter Einberechnung der Kostenbeteiligung des Versicherten pro Zahn von im Schnitt etwa S 800,--, während demgegenüber im Falle eines Zuschusses pro Zahn S 1.000,-- geleistet wurden ... .

Eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung liegt im Hinblick auf die obigen Ausführungen nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht vor."

2.3. Auch eine der klagenden Parteien im Anlaßverfahren hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie - ohne neue Argumente vorzubringen - der Rechtsauffassung des antragstellenden Gerichtes beitritt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Im Verfahren haben sich gegen die Annahme des Landesgerichtes Salzburg zur Präjudizialität der angefochtenen Vorschrift keine Zweifel ergeben.

Entgegen der Auffassung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales führt auch die unrichtige ziffernmäßige Bezeichnung der angefochtenen Verordnungsbestimmung im Antrag ("2 b" anstelle von "II b") nicht zur Unzulässigkeit des Gerichtsantrages: Es ist nämlich offenkundig, daß sich das antragstellende Gericht bloß im Ausdruck vergriffen hat. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß im Antrag die angefochtene Wendung im Wortlaut zitiert wird, sondern auch aus dem Umstand, daß bei der Darstellung der Rechtslage in der Antragsbegründung diese korrekt als Bestandteil des Punktes II b des Anhanges 1 zur Satzung wiedergegeben wird. Die Fehlbezeichnung führt auch sonst weder zu Zweifeln am Inhalt des Antrages noch zu dessen Mehrdeutigkeit.

Der Antrag ist daher zulässig.

3.2. Der OGH hat in seinem Beschluß v. 18.12.1990, SSV-NF 4/163, in Auslegung des §153 Abs2 ASVG die Auffassung vertreten, daß es sich beim unentbehrlichen Zahnersatz um eine Pflichtleistung, also um eine Leistung handle, auf die ein Rechtsanspruch bestehe (woraus sich in der damals vom OGH zu behandelnden Fallkonstellation ergab, daß der Versicherungsträger über derartige Ansprüche mit Bescheid, der mit Einbringung einer Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht außer Kraft gesetzt werden kann, abzusprechen hat).

Aus diesem allgemeinen Grundsatz ergibt sich aber - wie der OGH in seinem Urteil vom 19.8.1997, 10 Ob S 252/97 (= SoSi 1998, 218 = DRdA 1998, 257 mit Anm. von Mosler und Brodil) klargestellt hat - noch kein inhaltlich bestimmter, konkreter Anspruch: Die Pflichtleistung ist nämlich nur nach Maßgabe der Satzung zu leisten, die "das Nähere" iSd §153 Abs2 letzter Satz ASVG bestimmt ("satzungsmäßige Pflichtleistung" - vgl. Binder in Tomandl, System, 8. ErgLfg, 264/8).

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis VfSlg. 13571/1993 der Auffassung des OGH, wonach es sich bei der Leistung unentbehrlichen Zahnersatzes um eine Pflichtleistung handelt, angeschlossen. In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof einen Kostenzuschuß für festsitzenden Zahnersatz in der Höhe von S 500,-- pro Zahn als jedenfalls zu gering erachtet und §36 Abs6 der Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse als gesetzwidrig aufgehoben. Zu der Frage, in welchem Ausmaß eine "Kostenbeteiligung" an festsitzendem Zahnersatz gesetzmäßig wäre, hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ebensowenig Stellung genommen, wie zu der Prämisse des damals anfechtenden Gerichts, ein Zuschuß zu den Kosten des Zahnersatzes habe mindestens "50% der Leistung" zu umfassen; der Gerichtshof hat vielmehr dem anfechtenden Gericht lediglich zugebilligt, "im Ergebnis im Recht" zu sein (VfSlg. 13571/1993, S 281), ohne sich zu dessen Begründung zu äußern.

3.4. Im zitierten Beschwerdefall hat - worauf die Salzburger Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift zu Recht hinweist - der "Kostenzuschuß für festsitzenden Zahnersatz" nur 10 % der tatsächlichen Kosten, sohin weniger betragen, als die Kosten nach dem Tarif für die billigste prothetische Versorgung betragen hätten. Der Verfassungsgerichtshof hält in diesem Zusammenhang an seiner im Vorerkenntnis vertretenen Rechtsauffassung - diese fortführend und präzisierend - fest, daß der in §153 Abs2 ASVG hergestellte Sachzusammenhang zwischen Kostenbeteiligung und Zuschußleistung die untergesetzlichen Normen insoweit präformiert, als sich Kostenzuschüsse für Leistungen, hinsichtlich derer ein Tarif mangels Zustandekommens entsprechender vertraglicher Vereinbarungen nicht vorgesehen ist, jedenfalls an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Tarifen in der Weise zu orientieren haben, daß - wie der Verfassungsgerichtshof ausgeführt hat - die Alternative des ersten und des zweiten Satzes des §153 Abs2 ASVG zu im wesentlichen gleichen Leistungen des Krankenversicherungsträgers führt (VfSlg. 13571/1993, S 282).

Da die angegriffene Regelung in Punkt II b des Anhanges 1 der Satzung der Salzburger Gebietskrankenkasse für festsitzenden Zahnersatz nunmehr einen Zuschuß von S 1000,-- pro Zahn vorsieht, womit sie - wie die Salzburger Gebietskrankenkasse in ihrer Äußerung darlegte - im wesentlichen dem Kostenaufwand auch für aufwendigeren abnehmbaren Zahnersatz entspricht, widerspricht sie nicht dem Gesetz und ist daher insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich.

3.5. Sollte sich jedoch das antragstellende Gericht - ohne dies freilich in seinem Antrag ausdrücklich darzulegen - die Auffassung der jeweils klagenden Parteien zu eigen gemacht haben, es stünde ihnen jedenfalls ein Kostenersatz von 50% der tatsächlich aufgewendeten Kosten zu, so wäre ihm zu entgegnen, daß aus §153 Abs2 ASVG nicht entnommen werden kann, es müsse die Zuschußregelung der Satzung im Sinne des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle für den Versicherten zum gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führen wie eine Kostenbeteiligung an den von Vertragspartnern oder von der Kasse erbrachten Sachleistungen im Sinne des §153 Abs2 erster Satz ASVG.

3.5.1. Ein solcher Rechtsgrundsatz läßt sich aus §153 Abs2 ASVG schon deshalb nicht ableiten, weil die Verpflichtung der Kasse, derartige Leistungen als Pflichtleistungen zu erbringen, - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OGH - nur bedeutet, daß ein solcher Zuschuß nicht als Ermessensleistung, sondern nur als eine Leistung, auf die der Versicherte einen (auch vor den Arbeits- und Sozialgerichten durchsetzbaren) Rechtsanspruch hat, ausgestaltet werden darf. Die Kassen sind aber von Gesetzes wegen nicht gehalten, solche Zuschüsse überhaupt vorzusehen.

3.5.2. Wenn Kostenzuschüsse der Kasse zum selben wirtschaftlichen Ergebnis führen müssen wie von der Kasse erbrachte oder (teil)finanzierte Sachleistungen im Sinne des §153 Abs2 erster Satz ASVG, so kommt als diesbezügliche Orientierungshilfe nur eine zulässige (d.h. von einem Vertrag mit zahnärztlichen Leistungserbringern erfaßte) Sachleistung in Betracht, nicht aber eine Sachleistung, die mangels vertraglicher Vereinbarung gemäß §153 Abs3 ASVG auch von der Kasse selbst gar nicht erbracht werden darf.

Dies findet in folgenden Überlegungen eine zusätzliche Stütze:

Abgesehen davon, daß §153 Abs2 ASVG die Krankenversicherungsträger ermächtigt, Sachleistungen der dort genannten Art gegen Kostenbeteiligung zu erbringen, ermöglicht es die Verweisung des §153 Abs3 ASVG auf §131 Abs1 ASVG überdies, daß dem Versicherten bei Leistungen, hinsichtlich derer ein Vertrag mit ärztlichen Leistungserbringern besteht, auch bei Nichtinanspruchnahme dieser Vertragspartner ein Kostenerstattungsanspruch im Ausmaß von 80 vH jenes Betrages zusteht, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers (unter Einberechnung einer allfälligen Kostenbeteiligung des Versicherten) entstanden wäre. §153 Abs2 ASVG kann daher bei Fehlen vertraglicher Vereinbarungen keine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung der Krankenversicherungsträger darstellen, als "Zuschüsse" Geldleistungen zu erbringen, wie sie ansonsten nur unter den Voraussetzungen des §131 Abs1 ASVG geleistet werden dürfen und wie sie der Gesetzgeber zweifelsfrei an das Bestehen von Vereinbarungen mit ärztlichen Leistungserbringern (und damit an das Bestehen von Tarifen) binden wollte, weil solche Leistungen ansonsten auf von §131 Abs1 ASVG nicht gedeckte Kostenerstattungsansprüche hinausliefen. Überdies käme es bei unterschiedlich hohen Preisen der jeweiligen Erbringer der Leistungen für ein und dieselbe ärztliche Leistung auch zu unterschiedlich hohen Kassenleistungen an die Versicherten.

4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund bestehen daher gegen die Bestimmung von Zuschußleistungen gemäß §153 Abs2 zweiter Satz ASVG in der durchschnittlichen Höhe des der Gebietskrankenkasse für vergleichbare Sachleistungen aufgrund bestehender Tarife entstehenden Aufwandes keine Bedenken. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes treffen somit insgesamt nicht zu. Der Antrag war daher abzuweisen.

5. Kosten waren der einen klagenden Partei aus dem Anlaßverfahren für den von ihr erstatteten Schriftsatz nicht zuzusprechen, weil es im Falle von - wie hier - aufgrund eines Gerichtsantrages eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. zB VfSlg. 10832/1986, 13286/1992, 14302/1995 und 14610/1996).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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