VfGH V75/03

VfGHV75/0323.9.2003

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend Auflassung eines öffentlichen Weges mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers angesichts des Bestehens einer anderen Zufahrtsmöglichkeit zu den im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücken

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Stmk LStVG 1964 §8 Abs3
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Michaelerberg vom 08.03.02 betreffend Auflassung eines öffentlichen Weges
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Stmk LStVG 1964 §8 Abs3
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Michaelerberg vom 08.03.02 betreffend Auflassung eines öffentlichen Weges

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1.1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Waldgrundstücke Nr. 722/4 und 572, je KG 67206 Michaelerberg.

1.2. Am 8. März 2002 hat der Gemeinderat der Gemeinde Michaelerberg folgende Verordnung erlassen und durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. März 2002 bis 22. März 2002 kundgemacht:

"Gemäß §8 Abs3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 wird der Weg Grundstück Nr. 1069/2 beginnend von der Einmündung zu[m] Weg 1067/1 bis zu Koordinate y41976 x254016 (=letzte Rechtskurve ca. 37 m vor dem nördlichen Ende) als öffentlicher Weg aufgelassen und in freies Gemeindevermögen umgewandelt."

2. Gegen diese Verordnung wendet sich der Antragsteller mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag. Er führt aus, dass es sich bei der im Eigentum der Gemeinde Michaelerberg stehenden Wegparzelle Nr. 1069/2, KG 67206 Michaelerberg um den einzigen benutzbaren und zumutbaren Zufahrtsweg zu den in seinem Eigentum stehenden Waldgrundstücken Nr. 722/4 und 572 handle. Durch die bekämpfte Verordnung werde er seiner Verfügungsrechte an den Grundstücken beraubt. Die Verletzung von Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes durch die Verordnung wirke sich unmittelbar auf den Antragsteller aus. "So darf er eine öffentliche Straße nicht mehr befahren und betreten und auch eine Gemeindestraße nicht mehr." Es stünde ihm auch kein anderer Weg zur Verfügung, um seine Bedenken gegen die Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Der Antragsteller führt weiters aus, dass er als "Eigentümer der Landwirtschaft" vlg. Mitterhofer (bzw. der nunmehrige Pächter der Landwirtschaft) bis in die 60-er Jahre über die Wegparzelle Nr. 1069/2, auf der sich ein "öffentlicher Gemeindeweg" befand, gegangen und mit Pferdefuhrwerken und Traktoren gefahren sei, um die Waldgrundstücke zu bewirtschaften. In den 60-er Jahren habe der Nachbar F. L. einen Weg errichtet, welcher zwei Mal den öffentlichen Weg gekreuzt habe. Bei diesen Kreuzungen seien unberechtigter Weise vom Nachbarn gravierende Änderungen des öffentlichen Weges vorgenommen worden. Durch diese Veränderungen, welche vor allem Einengungen sowie steile Aufschüttungen der Böschung beträfen, sei es für den Antragsteller und auch dessen Pächter unmöglich geworden, diesen öffentlichen Weg mit Traktoren zu befahren. Zunächst hätten der Antragsteller und sein Pächter über den neuen vom Nachbarn angelegten Weg fahren dürfen. Nachdem der Nachbar in weiterer Folge das Befahren seines Weges zwanzig Jahre lang geduldet hätte, habe er es plötzlich verboten. Aufgrund dieses Verbotes bliebe dem Antragsteller und (nun) seinem Pächter nur noch die Möglichkeit, über den nunmehr mit der bekämpften Verordnung aufgehobenen öffentlichen Gemeindeweg mit Traktoren zu fahren. Das Befahren sei jedoch aufgrund der vom Nachbarn vorgenommen Veränderungen unmöglich geworden.

Die Gemeinde Michaelerberg habe aufgrund des Einschreitens des Antragstellers beim Bezirksgericht Gröbming den Nachbarn auf Entfernung der von ihm verursachten Einengungen des Weges geklagt. Der Nachbar sei mit rechtskräftigem Urteil vom 30. Dezember 1991 des BG Gröbming dazu verpflichtet worden, die Unterbindung und Einengung der Wegparzelle Nr. 1069/2, KG Michaelerberg, zu entfernen und sich in Hinkunft jeder weiteren derartigen Unterbindung und Einengung zu enthalten. Die Gemeinde Michaelerberg habe jedoch in der Folge trotz dieses rechtskräftigen Urteiles und ständiger Urgenzen des Antragstellers die Vollstreckung dieses Urteils nicht betrieben. Erst zirka sechs Jahre später habe die Gemeinde mitgeteilt, dass der Nachbar aufgefordert worden sei, gemäß dem Urteil die Veränderungen bis 15. Mai 1997 rückgängig zu machen. Der Nachbar habe jedoch dem Urteil nicht vollinhaltlich entsprochen. Dies insbesondere auch dahingehend, dass vor den Wegveränderungen eine Steigung von zirka 10 % bestanden hätte, nach den Wegveränderungen jedoch zum Teil eine solche von 40 %. Mit Schreiben vom 20. Jänner 1998 habe der Antragsteller, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, bei der Gemeinde Michaelerberg erneut urgiert und darauf hingewiesen, dass in der Zwischenzeit ein großer Teil des Weges, zumindest am Rand, mit Gestrüpp und Bäumen bewachsen sei, welche entfernt werden müssten, um ihn wieder befahrbar zu machen. Die Gemeinde Michaelerberg sei auch mehrmals darauf hingewiesen worden, dass sie gemäß §39 Abs1 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes innerhalb ihres Gebietes für die Herstellung und Erhaltung der Gemeindestraßen zu sorgen habe und daher verpflichtet sei, allfällige Verwachsungen zu entfernen. Die Gemeinde Michaelerberg habe dem Antragsteller lediglich erklärt, dass er andere Möglichkeiten habe, zu seinen Grundstücken zu gelangen. Der Weg könne derzeit zwar begangen werden, auch mit kleinen Fuhrwerken befahren; dies sei jedoch mit den heutigen Traktoren "sehr schwierig".

Die von der Gemeinde behaupteten "anderen Möglichkeiten" seien jedoch aus folgenden Gründen "faktisch nicht gegeben und auch nicht zumutbar":

Die Gemeinde Michaelerberg behaupte, es stünde dem Antragsteller offen, wesentlich einfacher und auch wirtschaftlicher über die Gemeindestraße, Nr. 1148 oder 1150, KG Michaelerberg und die anschließende Wegparzelle Nr. 1067/1 zum Grundstück Nr. 722/4, KG Michaelerberg, des Antragstellers zuzufahren und die Liegenschaft zu bewirtschaften.

Dies würde für den Antragsteller aber bedeuten, dass er von seinem Hof aus zuerst in den Ort Pruggern und sodann auf die stark befahrene Landesstraße fahren müsste, um von dort weiter in Richtung Nerwein einzubiegen. Diese Strecke betrage zirka 5 km. Jene über den nunmehr aufgelassenen Weg, Parzelle Nr. 1069/2, bei dessen Benützung der Antragsteller nicht über eine Landesstraße fahren müsse, betrage vom Hof des Antragsstellers bis zur Waldparzelle zirka 500 bis 600 m.

Die von der Gemeinde Michaelerberg vorgeschlagene Lösung sei auch in der Winterzeit unpraktikabel, da man auf der von Schnee geräumten Landesstraße nicht mit Schneeketten fahren könne, jedoch auf der Wegparzelle [wohl gemeint: 1067/1] im Winter das Anlegen von Schneeketten unbedingt erforderlich sei.

Die Bewirtschaftung einer Waldparzelle brächte auch nicht absehbare, durch Windwurf bedingte Holztransporte mit sich, welche auf der Landesstraße jedenfalls nicht zu jeder Zeit durchgeführt werden dürften.

Nachdem der Antragsteller sowie sein Pächter Amtshaftungsansprüche "bei der Gemeinde Michaelerberg, dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung, sowie der Finanzprokuratur" geltend gemacht hätten, habe die Gemeinde am 8. März 2002 die bekämpfte Verordnung erlassen.

2. Die Gemeinde Michaelerberg erstattete eine Äußerung, in der sie mitteilt, dass der mit der Verordnung vom 8. März 2002 als öffentlicher Weg aufgelassene Teil der Wegparzelle Nr. 1069/2, KG Michaelerberg, seit 1960 nicht mehr mittels Pferdefuhrwerken zur Bewirtschaftung von Waldgrundstücken benutzt werde. Mit Traktoren seien die Waldgrundstücke nach Wissen der Gemeinde nie bewirtschaftet worden. Dieser Weg sei auch schon lange zugewachsen, habe einen sehr schlechten Untergrund und sei nur nach längerer Trockenheit zu Fuß begehbar.

Bei diesem durch einen Wald führenden Hohlweg handle es sich um keine Straße im Sinne der StVO; es gebe auch keinen öffentlichen Verkehr.

Die beiden Waldgrundstücke des Antragstellers seien nach wie vor über öffentliches Gut, über seine eigenen Grundstücke und über einen Teil des Grundstücks Nr. 571 des J. L. erreichbar und seien auch bisher von ihm über diese Grundstücke bewirtschaftet worden. Eine Zufahrt über den aufgelassenen Weg, Parzelle Nr. 1069/2, sei nicht notwendig. Einen Hohlweg mit großen Summen öffentlicher Mittel zur Bewirtschaftung des 1702 m² großen Waldgrundstücks Nr. 722/4 instand zu setzen, sei nach Meinung der Gemeinde nicht verantwortbar. Die Gemeinde habe auch am 27. Mai 2002 ein Kaufangebot für das Grundstück Nr. 722/4 gelegt, welches unbeantwortet geblieben sei.

Der aufgelassene Weg Nr. 1069/2 sei nicht vermessen und er sei aufgrund seiner Spitzkehren für einen Holztransport mittels Traktor nicht gut geeignet. Eine mögliche Beschädigung der angrenzenden Bäume auf den Grundstücken Nr. 570 und 571 sei nicht auszuschließen.

Da der Antragsteller an einer Bewirtschaftung über den "öffentlichen Interessentenweg", Nr. 1067/1 in den letzten Jahren kein Interesse gezeigt habe, sei dieser Weg schon länger nicht mehr saniert worden; dies wäre aber bei entsprechendem Bedarf jederzeit nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes möglich.

Das Grundstück Nr. 722/4 sei bis zum Jahr 1958 im Eigentum der Waldgenossenschaft Pruggem gestanden, welche auch das angrenzende Waldgrundstück Nr. 722/6 problemlos über die Gemeindestraße bewirtschaftet habe. Das Problem der Zufahrt des Antragstellers sei erst entstanden, als er das Grundstück Nr. 722/4 im Jahr 1958 von der Waldgenossenschaft Pruggem "erhalten" habe.

II. Der Antrag ist nicht zulässig:

1.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass niemandem ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer öffentlichen Straße zukommt (VfSlg. 9309/1981, 10.423/1985, 14.275/1995); er hat auch in jenen Fällen die unmittelbare Betroffenheit in Rechten und mit ihr die Antragslegitimation verneint, in denen sich die behaupteten Wirkungen einer Verordnung ausschließlich als wirtschaftliche Reflexwirkungen darstellten (zB VfSlg. 8060/1977, 8670/1979).

1.3. Der Verfassungsgerichtshof hat allerdings in ähnlichen Zusammenhängen bei Vorliegen besonderer Konstellationen auch schon wiederholt eine solche unmittelbare Betroffenheit in Rechten angenommen: So etwa dann, wenn durch eine Verordnung dem Antragsteller die einzige rechtliche Möglichkeit genommen wird, seinen zulässigerweise verfolgten Interessen nachzugehen, weil in einem solchen Fall über eine bloß wirtschaftliche Reflexwirkung hinaus die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung berührt werden (vgl. VfSlg. 8984/1980, 9721/1983, 15.871/2000). Auch in den bereits zitierten Entscheidungen, in denen es um die Anfechtung von Verordnungen ging, mit denen öffentliche Straßen aufgelassen wurden, hat es der Verfassungsgerichtshof nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen solcher besonderer Umstände der jeweilige Antrag zulässig gewesen wäre (vgl. VfSlg. 10.423/1985, 452: "Die Rechtssphäre der Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft wird jedoch dadurch nicht berührt, da die Zu- und Abfahrt für ihre Liegenschaft nach wie vor gesichert ist ..."; vgl. weiters VfSlg. 14.275/1995, 340).

2. Im gegenständlichen Fall liegt aus folgenden Gründen keine besondere Konstellation im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung vor, aufgrund derer von einem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers gesprochen werden könnte:

Es kann dahingestellt bleiben, ob der aufgelassene Weg zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung aufgrund von Verengungen und dem mittlerweile eingetretenen Bewuchs nicht mehr oder nur schwer befahrbar gewesen war oder über welchen Weg der Antragsteller bzw. sein Pächter die Waldparzellen während der letzten Jahre tatsächlich bewirtschaftet haben. Dies geht aus dem Antragsvorbringen auch nicht hervor.

Denn der Antragsteller gesteht selbst zu, dass es noch eine andere Möglichkeit der Zufahrt zu den in seinem Eigentum stehenden Grundstücken Nr. 722/4 und 572, je KG 67206 Michaelerberg, gebe, nämlich über eine Landesstraße, die Gemeindestraße Nr. 1148 oder 1150 und die anschließende Wegparzelle Nr. 1067/1, je KG Michaelerberg. Er behauptet jedoch in der Bewirtschaftung der Waldgrundstücke beeinträchtigt zu sein, da er durch die Auflassung der Wegparzelle Nr. 1069/2 einen längeren Weg in Kauf nehmen müsse und Holztransporte nicht zu jeder Zeit auf einer Landesstraße möglich wären. Diese Ausführungen zeigen, dass der Antragsteller durch die bekämpfte Auflassung der über die Parzelle Nr. 1069/2 führenden Straße ausschließlich in wirtschaftlicher Hinsicht betroffen ist. Wie der Gerichtshof bereits in ähnlich gelagerten Fällen, insbesondere in VfSlg. 8060/1977, 8670/1979 und 10.423/1985 dargelegt hat, handelt es sich bei solchen wirtschaftlichen Auswirkungen nur um faktische Reflexwirkungen von an die Allgemeinheit gerichteten Normen. Die Rechtssphäre des Antragstellers als Eigentümer der Liegenschaft wird jedoch dadurch nicht berührt, da die Zu- und Abfahrt für seine Liegenschaften nach wie vor gesichert ist. Vom Antragsteller wird auch nicht einmal behauptet, dass ihn bezüglich der Wegparzelle Nr. 1067/1 Beitragspflichten zu deren Erhaltung treffen würden (vgl. VfSlg. 15.871/2000).

3. Dem Antragsteller fehlt sohin die Legitimation zur Anfechtung der Verordnung. Sein Antrag war daher schon aus diesem Grund unzulässig.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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