VfGH V72/12

VfGHV72/1221.2.2013

Zurückweisung des Individualantrags einer Pflegeeinrichtung auf Aufhebung bestimmter, in einer Anlage zur Stmk SozialhilfeG-Leistungs- und Entgeltverordnung neu festgesetzter Beträge betreffend die Hotelkomponente und den Pflegegeldzuschlag im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang der Entgeltregelungen; Unzulässigkeit des Antrag auch hinsichtlich der in eventu angefochtenen Novelle 2012

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Stmk SozialhilfeG-Leistungs- und EntgeltV (SHG-Leistungs- und EntgeltV - LEVO-SHG) Anlage 2 Punkt 2.
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Stmk SozialhilfeG-Leistungs- und EntgeltV (SHG-Leistungs- und EntgeltV - LEVO-SHG) Anlage 2 Punkt 2.

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem auf Artikel 139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt die Einschreiterin, der Verfassungsgerichtshof möge "in Anlage 2 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Juli 2007 über die Festlegung von Leistungen, Leistungsentgelten, Ab- und Verrechnungsmodalitäten und sonstigen Rahmenbedingungen für Pflegeheime nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung – LEVO-SHG) (LGBl 2007/68 in der Fassung gemäß LGBl 2012/50) […] in der unter dem dortigen Punkt '2.' verordneten Tabelle in der Zeile 'Hotelkomponente' die Wortfolge '60,69 Euro' sowie unter 'Pflegezuschlag bei' in den Zeilen 'Pflegegeld Stufe VI' und 'Pflegegeld Stufe VII' die Wortfolgen '51,82 Euro' bzw '59,59 Euro' als gesetzwidrig" aufheben. In eventu wolle der VfGH die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Juni 2012, mit der die Steiermärkische SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung geändert wird, LGBl 50/2012 zur Gänze als gesetzwidrig aufheben.

2. Die Antragstellerin betreibt in Gamlitz eine stationäre Einrichtung zur Unterbringung pflegebedürftiger Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können. In der stationären Einrichtung der Antragstellerin in Gamlitz unterhält diese 50 Pflegebetten. Mit Stand vom Juli 2012 befanden sich darin 90 % Pflegebedürftige, denen gemäß §13 Abs1 und Abs5 Stmk. SHG die Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Anstalt bescheidmäßig zuerkannt wurde. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 24. Februar 2010 erteilte die Steiermärkische Landesregierung der Antragstellerin gemäß §13a Stmk. SHG, LGBl 29/1998, in der Fassung LGBl 119/2008, für den genannten Standort die Anerkennung. In jenem Bescheid wurde unter anderem festgelegt, dass die Einhaltung der Steiermärkischen SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung einschließlich der Anlagen 1 (Leistungsbeschreibung), Anlage 2 (Entgeltkatalog), Anlage 3 (Ab- und Verrechnungsmodalitäten) und Anlage 4 (Sonstige Rahmenbedingungen) als Dauerauflage gelte.

Mit "Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Juni 2012, mit der die Steiermärkische SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung geändert wird", LGBl 50/2012, wurden in Anlage 2 mit Wirkung ab 1. Juli 2012 neue Entgeltregelungen für die Pflegegeld Stufe I bis VII festgelegt.

Die Antragstellerin bringt vor, es sei ihr in diesem Haus (worin BewohnerInnen mit hohen Pflegestufen untergebracht seien) auf Grund der aktuellen Tagessätze nicht (mehr) möglich, ausgeglichen zu bilanzieren. Einerseits sei es mit der diesem Tagsatzmodell zugrunde liegenden "Hotelkomponente" nicht möglich, ein in den letzten drei Jahren erbautes und eingerichtetes Pflegeheim (wie dies auf das Heim der Antragstellerin in Gamlitz zutreffe) zu refinanzieren. Andererseits könne mit den neuen, stark herabgesetzten "Pflegezuschlägen" bei "Pflegegeld Stufe VI" und "Pflegegeld Stufe VII" in Höhe von € 51,82 (statt bisher € 55,02) bzw. € 59,59 (statt bisher € 70,64) der (auch bundes-)gesetzlich vorgeschriebene, qualitativ und quantitativ über den Mindestpersonal schließlich hinausgehende, rechtliche pflichtige Personaleinsatz nicht mehr finanziert werden. Dies sei auch nicht für die Antragstellerin vorhersehbar gewesen, weil es zwischen der Pflegeheimbranche und dem Land Steiermark anders lautende Vereinbarungen gegeben hätte, die aber nun im Entgeltkatalog der Steiermärkischen LEVO-SHG nicht berücksichtigt worden wären. Die vorgenommene Anpassung zur Kostendeckung zwinge die Antragstellerin als Betreiberin einer stationären Einrichtung mit vielen BewohnerInnen mit den hohen Pflegestufen VI und VII entweder zum Gesetzesbruch (also zu normwidrigen Pflegedefiziten) oder aber zur Schließung des Betriebs bzw. zur Anmeldung der Insolvenz.

3. Nach Auffassung der Antragstellerin bestehe auch kein anderer (zumutbarer) Weg, die Frage der etwaigen Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der Entscheidung vom 8.2.2005, 4 Ob 262/04 f die Zulässigkeit des Rechtswegs vor den ordentlichen Zivilgerichten bejaht, wenn ein Heimträger gegen den Sozialhilfeträger Ansprüche gerade auf Grundlage einer solchen LEVO verfolge, deren Auszahlung insbesondere aus dem Titel des zivilrechtlichen Pflegevertrags mit den Pflegebedürftigen, des zivilrechtlichen Schadenersatzes und des zivilrechtlichen Bereicherungsrechtes vom Sozialhilfeträger begehrt werde. Für die Antragstellerin liege der Fall aber grundlegend anders, weil sie Tagsätze, die eine wirtschaftliche, Pflegenormen gemäße Führung ihres Pflegeamts überhaupt erst ermöglichen (also jedenfalls höhere Tagsätze als die nach der Steiermärkischen LEVO-SHG idF LGBl 50/2012) von dem Sozialhilfeträger begehren wollte, als in der dort durch die ordentlichen Zivilgerichte zu entscheidenden Frage der Rechtswegzulässigkeit.

Die in Anlage 2 der Stmk. LEVO-SHG verordnungsförmig festgelegten Tagsätze seien für die Antragstellerin im Sinne des Artikel 139 Abs1 B-VG unmittelbar wirksam, weil eine auf die Auszahlung von Tagsätzen, die eine wirtschaftliche und Pflegenormen gemäße Führung ihres Pflegeheims überhaupt erst ermöglichen (also mindestens jenen die nach der Steiermärkischen LEVO-SHG in der Fassung vor der Novelle LGBl 50/2012 festgelegt worden waren), gerichtete Klage vor dem ordentlichen Gericht von diesem mangels Zulässigkeit des Gerichtsweges zurückgewiesen werden würde. Ansprüche auf nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz und der Steiermärkischen LEVO-SHG gerade ausdrücklich nicht (mehr) gebührende Tagsätze, und zwar weil sie eben mit der Verordnung LGBl 50/2012 unzweifelhaft niedriger festgelegt wurden (oder weil sie schon vorher zu niedrig gewesen waren, um ein Pflegenormen gemäßes Führen des Heimes zu ermöglichen), beruhten auf keinerlei zivilrechtlichem Rechtsgrund. Anders als in jenem Fall vor dem OGH könnte die Antragstellerin sich also gerade nicht auf einen Entgeltanspruch an den Sozialhilfeträger aus dem Titel des zwischen ihr und den jeweiligen Pflegebefohlenen bestehenden Pflegevertrag oder auf Schadenersatz oder auf Ansprüche nach §1041 ABGB berufen. Alle diese Ansprüche wären, wenn ihre Befriedigung durch den Sozialhilfeträger verweigert werde, nur dann zivilrechtlicher Natur, wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage – mithin eine diese höheren Tagsätze rechtfertigende Vereinbarung und/oder Steiermärkischen LEVO-SHG – vorläge. Dies sei aber gerade nicht mehr der Fall.

Es gebe auch keine Möglichkeit, in einem Bescheidverfahren eine Entscheidung über die nach der Steiermärkischen LEVO-SHG gebührenden Entgelte zu erwirken.

4. Die Steiermärkische Landesregierung beantragt in der von ihr erstatteten Äußerung mit näherer Begründung die Zurückweisung bzw. die Abweisung des Individualantrags.

II. Rechtslage

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - SHG, LGBl 29/1989, in der Fassung LGBl 10/2012, lauten:

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Aufgabe der Sozialhilfe

(1) Durch die Sozialhilfe soll jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

(2)Die Sozialhilfe umfaßt:

a) Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs,

b) Hilfe in besonderen Lebenslagen,

c) Soziale Dienste.

(3) Die Sozialhilfe ist zu gewähren, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden. Sie ist fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern.

§2

Einsetzen der Sozialhilfe, Antragstellung

(1) Die Sozialhilfe kann auf Antrag des Hilfsbedürftigen oder mit Zustimmung des Hilfsbedürftigen von Amts wegen gewährt werden; bei Gefahr im Verzug und mangelnder Geschäftsfähigkeit ist die Zustimmung des Hilfsbedürftigen als gegeben anzunehmen.

(2) Die Sozialhilfe hat vor Abschluß des Ermittlungsverfahrens einzusetzen, wenn dies zur Beseitigung einer Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder des Lebensbedarfes (§7) eines Hilfsbedürftigen erforderlich erscheint.

(3) Leistungen der Sozialhilfe können weder verpfändet noch gepfändet werden.

[…]

§13

Unterbringung in stationären Einrichtungen

(1) Pflegebedürftige Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege und Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können, haben Anspruch auf Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Bei Personen, die zumindest Pflegegeld der Stufe 4 beziehen, ist das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anzunehmen. Bei Personen, die nach den pflegegeldrechtlichen Bestimmungen ein Pflegegeld der Stufe 1 bis 3 beziehen oder bei denen das Verfahren der Pflegegeldeinstufung noch nicht abgeschlossen ist, ist die tatsächliche Notwendigkeit der Unterbringung sowie der Pflege und Betreuungserfordernisse durch ein amtsärztliches und/oder pflegerisches und/oder sozialarbeiterisches Gutachten zu bestätigen.

(2) Hilfeempfänger dürfen nur Einrichtungen in Anspruch nehmen, die von der Landesregierung gemäß §13a anerkannt sind.

(3) Wird einem Hilfeempfänger, der über kein eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs1 gewährt, so gebührt ihm, insbesondere zur Sicherung des Aufwandes für persönliche Bedürfnisse, ein Taschengeld. Das Taschengeld darf 20% des Richtsatzes für den alleinstehend Unterstützten (§8 Abs8 lita) nicht überschreiten. Das Taschengeld gebührt in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe.

(4) Wird einem Hilfeempfänger, der über eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs1 gewährt, so haben ihm 20 % des eigenen Einkommens und Sonderzahlungen, die mit einem Pensionsbezug im Zusammenhang stehen, als Taschengeld zu verbleiben.

(5) Die dem Hilfeempfänger bescheidmäßig zuerkannten Kosten/Restkosten sind vom Sozialhilfeträger direkt mit der Einrichtung zu verrechnen.

(6) Ist zum Zeitpunkt des Todes des Hilfeempfängers ein Verfahren auf Gewährung von Leistungen gemäß Abs1 noch nicht abgeschlossen, so ist der Rechtsträger der stationären Einrichtung, in der der Hilfeempfänger untergebracht war, auf Antrag zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt. Der Antrag ist binnen drei Monaten nach dem Tod des Hilfeempfängers, wird ein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt, binnen drei Monaten nach Abschluss dieses Verfahrens, zu stellen. Voraussetzung für die Antragstellung im Fall eines Verlassenschaftsverfahrens ist, dass die Ansprüche des Rechtsträgers in diesem Verfahren nicht oder nicht zur Gänze befriedigt worden sind.

§13a

Anerkennung stationärer Einrichtungen

(1) Die Landesregierung hat stationäre Einrichtungen auf Antrag bescheidmäßig anzuerkennen, sofern ein Bedarf besteht und diese geeignet sind. Die Anerkennung kann erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Bedingungen oder Auflagen oder zeitlich befristet erteilt werden.

(2) Ein Bedarf gemäß Abs1 ist gegeben, wenn unter Bedachtnahme auf die örtlichen und regionalen Bedürfnisse eine Nachfrage nach stationären Einrichtungen besteht und diese Nachfrage nicht durch bestehende Einrichtungen abgedeckt werden kann.

(3) Geeignet sind stationäre Einrichtungen, die über eine Bewilligung nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz (mit Ausnahme von Pflegeplätzen gemäß §16 Steiermärkisches Pflegeheimgesetz 2003, LGBl Nr 77/2003 in der jeweils gültigen Fassung) oder über eine Bewilligung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (z.B. dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz) verfügen und die in der Verordnung gemäß Abs5 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

(4) Der Sozialhilfeverband, in dessen Gebiet sich die stationäre Einrichtung befindet, ist vor Erlassung des Bescheides zu hören.

(5) Die Landesregierung hat durch Verordnung zu regeln:

1. die von der stationären Einrichtung zur Sicherung des Lebensbedarfs der Hilfeempfänger zu erbringenden Leistungen, insbesondere die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse, die Unterkunfts-, Verpflegungs- und Betreuungsleistungen, die Wäscheversorgung und die Versorgung mit Pflege und Hygieneartikeln,

2. das vom Sozialhilfeträger zu erbringende Entgelt für die Leistungen gemäß Z1 in Form von Tagsätzen,

3. die Ab und Verrechnungsmodalitäten zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung, wie beispielsweise die Möglichkeit der Weiterverrechnung von Tagsätzen im Falle der Abwesenheit des Hilfeempfängers, die Verrechnung von Zusatzleistungen an Hilfeempfänger, Zurückbehaltungsregelungen und

4. sonstige Rahmenbedingungen, insbesondere betreffend Aufnahmemodalitäten für Hilfeempfänger, Meldepflichten wie Meldung von Änderungen in der Unternehmensstruktur oder in der Geschäftsführung, Freihalteregelungen für Hilfeempfänger, den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung, den Abschluss von nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes gültigen Kollektivverträgen, Zessionsverbote.

[…]

§17

Träger der Sozialhilfe

Träger der Sozialhilfe sind nach Maßgabe dieses Gesetzes das Land, die Sozialhilfeverbände, allfällige sonstige Gemeindeverbände (ISGS), die Stadt Graz als Stadt mit eigenem Statut und die Gemeinden (Sozialhilfeträger).

§18

Aufgaben des Landes

(1) Im Rahmen der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat das Land 60 % dieses Aufwandes den Sozialhilfeverbänden und der Stadt Graz zu ersetzen (§22).

(2) Im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen kann das Land gemeinsam mit den Sozialhilfeverbänden und der Stadt Graz oder allein Leistungen erbringen.

(3) Im Rahmen der sozialen Dienste kann das Land gemeinsam mit den übrigen Sozialhilfeträgern oder allein soziale Dienste erbringen oder fördern. Das Land hat besonders dort soziale Aktivitäten zu fördern bzw. zu unterstützen, wo der Bedarf örtlich nicht gedeckt werden kann oder Bedarf nach einem landesumfassenden Angebot besteht.

§19

Aufgaben der Sozialhilfeverbände und der Stadt Graz

(1) Die Sozialhilfeverbände und die Stadt Graz haben 40 % der Kosten der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes zu tragen.

(2) Im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen können die Sozialhilfeverbände und die Stadt Graz allein oder gemeinsam mit dem Land Steiermark Leistungen erbringen.

[…]

§22

Verpflichtung der Sozialhilfeträger

(1) Die nicht gedeckten Kosten der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes sind vorläufig von den Sozialhilfeverbänden (Stadt Graz) zu tragen. Das Land hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen 60 % der Kosten zu tragen (§18).

(2) Die Sozialhilfeverbände (Stadt Graz) haben der Landesregierung jährlich bis zum 31. März eine Schätzung der im kommenden Jahr zu erwartenden Kosten zu übermitteln und diese glaubhaft zu machen.

(3) Die Landesregierung hat die Schätzung zu prüfen. Ergeben sich Bedenken gegen die Plausibilität, hat die Landesregierung dies dem Sozialhilfeverband (Stadt Graz) bis 15. Mai mitzuteilen und den Sozialhilfeverband (Stadt Graz) dazu zu hören.

(4) Wird die Plausibilität der Schätzung anerkannt, hat das Land dem Sozialhilfeverband (Stadt Graz) den dem Land zukommenden Gesamtbetrag in sechs gleichen Raten im vorhinein zu überweisen.

(5) Legt der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) die Schätzung samt Unterlagen nicht rechtzeitig vor oder kommt es hinsichtlich der Plausibilität der Schätzung zu keiner Einigung, so hat das Land vorläufig eine Kostenabgeltung in Höhe von 60 % des Gesamtbetrages des Jahres zu leisten, das jenem vorangegangen ist, für das keine plausible Schätzung erfolgt ist. Hat der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) eine Erhöhung der Kostenabgeltung verlangt und wurde vom Land nur ein Teil dieser Erhöhung als berechtigt anerkannt, so ist die vorläufige Kostenabgeltung in jenem Ausmaß zu erhöhen, das vom Land als berechtigt anerkannt worden ist.

(6) Nach Ende jedes Rechnungsjahres hat der Sozialhilfeverband (Stadt Graz) dem Land eine Aufstellung der gesamten Kosten vorzulegen und deren Höhe glaubhaft zu machen. Ergibt sich, daß diese Kosten höher gewesen sind als die geschätzten Kosten, hat das Land 60 % der Differenz zu überweisen. Ergibt sich, daß diese Kosten geringer gewesen sind als die geschätzten Kosten, hat das Land 60 % der Differenz von den Überweisungen, die im darauffolgenden Jahr fällig werden, einzubehalten.

(7) Die Sozialhilfeverbände bzw. die Stadt Graz haben an das Land 60 % der hereingebrachten Kostenersätze für die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes abzuführen."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über die Festlegung von Leistungen, Leistungsentgelten, Ab- und Verrechnungsmodalitäten und sonstigen Rahmenbedingungen für Pflegeheime nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung – LEVO-SHG), LGBl 68/2007 in der Fassung LGBl 50/2012, lauten (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Regelungen sind hervorgehoben):

"§1

Regelungsgegenstand

(1) Diese Verordnung regelt hinsichtlich des Betriebes von Pflegeheimen

1. in Anlage 1 die von stationären Einrichtungen zu erbringenden Leistungen (Leistungskatalog),

2. in Anlage 2 die vom Sozialhilfeträger zu gewährenden Leistungsentgelte Entgeltkatalog),

3. in Anlage 3 die Ab und Verrechnungsmodalitäten zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung und

4. in Anlage 4 die sonstigen Rahmenbedingungen.

(2) Die Anlagen 1 bis 4 werden durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme kundgemacht. Die Einsicht kann während der Amtsstunden genommen werden

1. beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung bei der für rechtliche Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständigen Stelle;

2. bei den Bezirksverwaltungsbehörden.

(3) Einrichtungen, die über eine Bewilligung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (z. B. nach dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz) verfügen, sind dann als geeignet anzusehen, wenn sie die Leistungen gemäß der Betriebsbewilligung erbringen. Die Anlagen 3 und 4 gelten sinngemäß.

§2

Verfahrensbestimmungen

(1) Im Verfahren gemäß §13 Abs1 SHG ist festzustellen, ob

1. der Hilfeempfänger/die Hilfeempfängerin seinen/ihren Lebensbedarf auf Grund der Pflege und Betreuungsbedürftigkeit auch im Zusammenhang mit einer psychiatrischen Erkrankung in sonst keiner anderen zumutbaren Weise decken kann als in Form einer Pflegeheimunterbringung, allenfalls mit Gewährung eines 'Psychiatriezuschlages',

2. der Lebensbedarf durch eine häusliche Versorgung, Betreuung und Pflege mit allen sonst vorhandenen alternativen Versorgungsangeboten, wie beispielsweise durch (psychosoziale) mobile oder ambulante Dienste, Hauskrankenpflege, Essen auf Rädern und dergleichen, gesichert werden kann und

3. der Lebensbedarf in Form einer anderen stationären Versorgung (beispielsweise in einer Einrichtung der Behindertenhilfe für psychiatrisch beeinträchtigte Menschen mit Behinderung, mit "Betreutem Wohnen", mit speziellen "betreuten Wohngemeinschaften" oder in anderen sonst geeigneten Einrichtungen wie Sonder oder Rehabilitationskrankenanstalten) sichergestellt werden kann.

(2) Für die Zuerkennung des Psychiatriezuschlages ist als Zuweisungskriterium eine fachärztlich diagnostizierte psychiatrische Diagnose notwendig, wie beispielsweise:

1. Schizophrenie, schizoaffektive Erkrankungen,

2. Intelligenzminderung (Oligophrenie),

3. organische oder psychiatrische Störungen nach chronischem Suchtmittelmissbrauch,

4. bipolare Störungen,

5. hirnorganische Psychosyndrome,

6. Depressionen,

7. Wahnerkrankungen und

8. Persönlichkeitsstörungen.

(3) Kein Zuschlag wird gewährt, wenn

1. eine altersbedingt demenzielle Erkrankung,

2. eine akute Suchterkrankung,

3. ein Mini Mental State Examination Wert unter 17 im Screening vorhanden ist oder

4. nur vorübergehende, tägliche (mit leichten oder mittelgradigen Episoden), kurzfristige Stimmungsschwankungen oder Verhaltensauffälligkeiten, die in Ausprägungsgrad und Intensität nicht als psychiatrische Erkrankung zu werten sind,

vorliegen.

§3

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag, das ist der 26. Juli 2007, in Kraft.

§4

Inkrafttreten von Novellen

(1) Die Neuerlassung der Anlagen 1 und 2 durch die Novelle LGBl Nr 6/2009 tritt mit 1. Jänner 2009 in Kraft.

(2) Die Neuerlassung der Anlage 2 durch die Novelle LGBl Nr 25/2010 tritt mit 1. Jänner 2010 in Kraft.

(3) Die Neuerlassung der Anlage 2 durch die Novelle LGBl Nr 50/2012 tritt mit 1. Juli 2012 in Kraft.

[…]

Anlage 2

Entgeltkatalog

1. Für die Erbringung der Leistungen gemäß Anlage 1 gebührt der Einrichtung je HilfeempfängerIn und Tag folgendes Entgelt (exklusive Umsatzsteuer). Das Entgelt besteht aus der Hotelkomponente und dem jeweiligen Pflegezuschlag oder für die Betreuung psychisch erkrankter HeimbewohnerInnen dem jeweiligen Psychiatriezuschlag. Das Entgelt beträgt ab 1. Juli 2012:

  

Hotelkomponente:

59,83 Euro

Pflegezuschlag bei

 

Pflegegeld Stufe I

8,46 Euro

Pflegegeld Stufe II

16,91 Euro

Pflegegeld Stufe III

27,43 Euro

Pflegegeld Stufe IV

39,03 Euro

Pflegegeld Stufe V

40,59 Euro

Pflegegeld Stufe VI

44,12 Euro

Pflegegeld Stufe VII

50,74 Euro

Psychiatriezuschlag bei

 

Pflegegeld 0 bis einschließlich V:

40,59 Euro

Pflegegeld Stufe VI:

44,12 Euro

Pflegegeld Stufe VII:

50,74 Euro

2. Sofern die Einrichtung den Kollektivvertrag für die Berufsvereinigung von ArbeitgeberInnen für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) und deren ArbeitnehmerInnen in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung bringt, beträgt das Entgelt ab 1. Juli 2012 (wobei der Verfassungsgerichtshof in Klammern die vorher geltenden Entgelte angibt):

  

Hotelkomponente:

60,69 Euro [60,69 Euro]

Pflegezuschlag bei

 

Pflegegeld Stufe I

9,93 Euro [13,71 Euro]

Pflegegeld Stufe II

19,86 Euro [18,84 Euro]

Pflegegeld Stufe III

32,21 Euro [25,61 Euro]

Pflegegeld Stufe IV

45,84 Euro [35,02 Euro]

Pflegegeld Stufe V

47,67 Euro [43,34 Euro]

Pflegegeld Stufe VI

51,82 Euro [55,02 Euro]

Pflegegeld Stufe VII

59,59 Euro [70,64 Euro]

Psychiatriezuschlag bei

 

Pflegegeld 0 bis einschließlich V:

47,67 Euro [43,34 Euro]

Pflegegeld Stufe VI:

51,82 Euro [55,02 Euro]

Pflegegeld Stufe VII:

59,59 Euro [70,64 Euro]

3. Einrichtungen, die über eine Bewilligung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (z. B. Steiermärkisches Kranken­anstaltengesetz) verfügen, gebührt jenes Entgelt, das entweder in einer Verordnung der Landesregierung für derartige Pflegegebühren festgelegt ist oder das auf Grund einer solchen Rechtsvorschrift bescheidmäßig festgelegt wurde.

[…]"

III. Erwägungen

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefoch­tene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Be­scheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungs­befugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers un­mittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschütz­ten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsvorschrift sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 8461/1978, 12.464/1990) schon wiederholt darlegte, notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.629/1992, 14.740/1997, 15.964/2000, 16.212/2001, 16.693/2002, 16.756/2002, 17.564/2005).

Die Einschreiterin stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "in Anlage 2 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Juli 2007 über die Festlegung von Leistungen, Leistungsentgelten, Ab- und Verrechnungsmodalitäten und sonstigen Rahmenbedingungen für Pflegeheime nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung – LEVO-SHG) (LGBl 2007/68 in der Fassung gemäß LGBl 2012/50) […] in der unter dem dortigen Punkt '2.' verordneten Tabelle in der Zeile 'Hotelkomponente' die Wortfolge '60,69 Euro' sowie unter 'Pflegezuschlag bei' in den Zeilen 'Pflegegeld Stufe VI' und 'Pflegegeld Stufe VII' die Wortfolgen '51,82 Euro' bzw '59,59 Euro' als gesetzwidrig" aufheben.

Dieser Antrag ist vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen generellen Rechtsvorschrift zu eng gewählt und daher unzulässig:

2.1. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes stehen die Beträge des Entgeltkatalogs in Bezug auf die sogenannte Hotelkomponente, den Pflegezuschlag für die Pflegegeld Stufen I bis VII und den Psychiatriezuschlag für die Pflegegeld Stufen I bis VII in einem untrennbaren Zusammenhang. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass mit der Novelle der Steiermärkischen LEVO-SHG, LGBl 50/2012, nicht nur die (von der Antragstellerin angefochtenen) Entgeltregelungen für die Hotelkomponente und den Pflegezuschlag für die Pflegegeld Stufen VI und VII, sondern die Entgeltregelungen insgesamt neu geregelt und zum Teil eine Senkung und zum Teil eine Erhöhung der geltenden Entgelte vorgenommen wurde. Diese unterschiedlichen Festsetzungen berücksichtigen unter anderem, dass in einer stationären Einrichtung pflegebedürftige Personen untergebracht werden, für die unterschiedliche Pflegegeld Stufen angewendet werden, und damit für den Rechtsträger der stationären Einrichtung die Gesamtheit der Entgeltregelungen für den Pflegegeldzuschlag bei den Pflegegeld Stufen I bis VII bedeutsam ist. Dies zeigt den untrennbaren Zusammenhang des gesamten Entgeltkatalogs in Anlage 2 Punkt 2. der Stmk. LEVO-SHG, LGBl 68/2007, in der Fassung LGBl 50/2012.

Da die Antragstellerin in ihrem (Haupt-)Antrag nicht den gesamten Entgeltkatalog in Anlage 2 Punkt 2. der Stmk. LEVO-SHG, sondern – neben dem Betrag der Hotelkomponente – nur die Beträge für den Pflegegeldzuschlag bei den Pflegegeld Stufen VI und VII angefochten hat, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Die Antragstellerin begehrt in ihrem Eventualantrag, dass die "Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Juli 2012, mit der die Steiermärkische SHG-Leistungs- und Entgeltverordnung geändert wird, (LGBl 2012/50), zur Gänze als verfassungswidrig aufgehoben" werde. Die Anfechtung richtet sich also nicht gegen die als verfassungswidrig gerügten Vorschriften der Steiermärkischen LEVO-SHG in der Fassung der Novelle LGBl 50/2012, sondern allein gegen die entsprechende Novelle LGBl 50/2012 zur Steiermärkischen LEVO-SHG. Ein solches Vorgehen ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn eine Bestimmung durch eine Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet, die behauptete Verfassungswidrigkeit auf anderem Wege also nicht beseitigt werden kann (VfSlg 16.588/2002; 16.764/2002; 19.522/2011; VfGH 29.6.2012, G206/10 ua).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Es handelt sich bei der angefochtenen Novelle bzw. bei einzelnen, darin enthaltenen Novellierungsanordnungen nicht um solche, die Bestimmungen aufheben und aus dem Rechtsbestand ausscheiden (eine Bestimmung also "entfällt") und somit eine Anfechtung zulässig machen würden. Da die Anfechtung nur gegen eine näher bestimmte Novelle zur Steiermärkischen LEVO-SHG gerichtet ist, ist der Antrag bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg 16.588/2002). Es ist daher nicht mehr darauf einzugehen, ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags auch aus anderen Gründen nicht vorliegen.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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