VfGH V6/09 ua

VfGHV6/09 ua17.6.2009

Aufhebung von Bestimmungen der Grazer Abfuhrordnung 2006 betreffend den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs am Abfall auf den Abfallwirtschaftsverband bei Einbringen in ein Sammelbehältnis wegen Widerspruchs zum Stmk Abfallwirtschaftsgesetz 2004

Normen

B-VG Art15 Abs9
B-VG Art18 Abs2
Grazer AbfuhrO 2006 §11
Stmk AbfallwirtschaftsG 2004 §11, §12
B-VG Art15 Abs9
B-VG Art18 Abs2
Grazer AbfuhrO 2006 §11
Stmk AbfallwirtschaftsG 2004 §11, §12

 

Spruch:

I. §11 Abs1, die Wortfolge "nach den Abs1 und 2" im §11 Abs3 und die Wortfolge "nach Abs1 und 2" im §11 Abs4 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 16. November 2006, mit der eine Abfuhrordnung erlassen wird (Grazer AbfO 2006), kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 11 vom 29. November 2006, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B836-840/08 eine auf

Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die beschwerdeführende Genossenschaft des Anlassverfahrens ist nach ihrem Vorbringen Verwalterin (und damit Vertreterin der Wohnungseigentümergemeinschaft) mehrerer Wohnhäuser auf näher bezeichneten Liegenschaften in Graz. Die "Hausmeistertätigkeit" in diesen Gebäuden werde von einem bestimmten Unternehmen besorgt, das u.a. damit beauftragt sei, das Abfallsammelbehältervolumen in den auf den betreffenden Liegenschaften vorhandenen Abfallsammelstellen (für Siedlungsabfälle) zu verbessern. Von Mitarbeitern des Unternehmens würden deshalb u.a. "Fehlwürfe" aus der Restmülltonne aussortiert und in die für diese Abfälle vorgesehenen Sammelbehälter eingebracht. Durch die selektive Umsortierung sei eine Optimierung des jeweiligen Behältervolumens erreicht worden, weshalb die beschwerdeführende Partei bei der zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Graz gemäß §9 Abs3 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 (im Folgenden: StAWG 2004) iVm §6 Abs10 Grazer Abfuhrordnung 2006 (im Folgenden: Grazer AbfO 2006) in fünf Fällen Anträge zur Erwirkung einer Reduzierung der Behältervolumen und/oder der Intervalle der regelmäßigen (wöchentlichen) Abfuhr gestellt habe.

1.2. Mit (fünf gesonderten) Bescheiden des Stadtsenates der Stadt Graz wurden diese Anträge der beschwerdeführenden Genossenschaft gestützt auf §6 Abs1 und §9 Abs1 StAWG 2004 abgewiesen.

1.3. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit (ebenfalls gesonderten) Bescheiden der Berufungskommission der Stadt Graz (jeweils) vom 26. März 2008 als unbegründet abgewiesen: Da das Eigentum an Abfällen gemäß §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 (bereits) mit dem Einbringen in ein Sammelbehältnis der öffentlichen Müllabfuhr auf den Abfallwirtschaftsverband der Landeshauptstadt Graz übergehe, könne die seitens der beschwerdeführenden Partei eigenmächtig und verordnungswidrig veranlasste "Nachsortierung" zu keiner Änderung des Behältervolumens und/oder der Abfuhrintervalle führen.

2. Zur maßgeblichen Rechtslage:

2.1. Die im gegebenen Zusammenhang relevanten Bestimmungen des Gesetzes vom 6. Juli 2004 über eine nachhaltige Abfall- und Stoffflusswirtschaft in der Steiermark (Steiermärkisches Abfallwirtschaftsgesetz 2004 - StAWG 2004), LGBl. 65/2004 idF LGBl. 56/2006, lauten (auszugsweise):

"1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

§1

Ziele und Grundsätze

(1) Die Abfallwirtschaft ist im Sinne des Vorsorgeprinzips und der Nachhaltigkeit danach auszurichten, dass

1. schädliche oder nachteilige Einwirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze, deren Lebensgrundlagen und deren natürliche Umwelt vermieden oder sonst das allgemeine menschliche Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen so gering wie möglich gehalten werden,

2. die Emissionen von Luftschadstoffen und klimarelevanten Gasen so gering wie möglich gehalten werden,

3. Ressourcen (Rohstoffe, Wasser, Energie, Landschaft, Flächen, Deponievolumen) geschont werden,

4. bei der stofflichen Verwertung die Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe kein höheres Gefährdungspotenzial aufweisen als vergleichbare Primärrohstoffe oder Produkte aus Primärrohstoffen und

5. nur solche Abfälle zurückbleiben, deren Ablagerung keine Gefährdung für nachfolgende Generationen darstellt.

(2) Es gelten folgende Grundsätze:

1. Die Abfallmengen und deren Schadstoffgehalte sind so gering wie möglich zu halten (Abfallvermeidung).

2. Abfälle sind zu verwerten, soweit dies ökologisch zweckmäßig und technisch möglich ist und die dabei entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Abfallbehandlung nicht unverhältnismäßig sind und ein Markt für die gewonnenen Stoffe oder die gewonnene Energie vorhanden ist oder geschaffen werden kann (Abfallverwertung).

3. Nach Maßgabe der Z. 2 nicht verwertbare Abfälle sind je nach ihrer Beschaffenheit durch biologische, thermische, chemische oder physikalische Verfahren zu behandeln. Feste Rückstände sind möglichst reaktionsarm und ordnungsgemäß abzulagern (Abfallbeseitigung).

(3) ...

...

Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

§3

Abgrenzung des Geltungsbereiches

Dieses Gesetz gilt nicht für gefährliche Abfälle. Es ist nicht anzuwenden, soweit bundesgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.

§4

Begriffsbestimmungen

(1) Abfälle sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer/die Besitzerin entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§1 Abs3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) ...

(4) Im Sinne dieses Gesetzes sind Siedlungsabfälle Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind. ...

(5) Bestehen begründete Zweifel, ob eine Sache als Abfall anzusehen oder welcher Abfallart sie zugehörig ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag der Liegenschaftseigentümer/innen, der Gemeinde oder des Abfallwirtschaftsverbandes mit Bescheid eine Feststellung zu treffen.

...

§6

Aufgabenzuordnung

(1) Für die Sammlung und Abfuhr der in einem Gemeindegebiet anfallenden Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4 haben die Gemeinden zu sorgen (Andienungspflicht).

(2) Für die Behandlung (Verwertung und Beseitigung) der in Abs1 genannten Abfälle haben die Abfallwirtschaftsverbände zu sorgen.

(3) - (5) ...

2. Abschnitt

Sammeln und Abfuhr von Abfällen

§7

Organisation der Abfuhr

(1) Die Gemeinde hat für die Sammlung und Abfuhr der Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4 eine öffentliche Abfuhr einzurichten.

(2) Die Gemeinde hat einen Abfuhrbereich in der Abfuhrordnung gemäß §11 festzulegen, der jenes Gebiet umfasst, innerhalb dessen die regelmäßige Sammlung und Abfuhr der Siedlungsabfälle durch die öffentliche Abfuhr unter Berücksichtigung der Verkehrslage der Grundstücke sowie der technischen Möglichkeiten der öffentlichen Abfuhr durchgeführt wird.

(3) ...

(4) Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4 Z. 5 sind bei den einzelnen anschlusspflichtigen Liegenschaften jedenfalls im Rahmen der öffentlichen Abfuhr im Abfuhrbereich gemäß Abs2 abzuholen (Holsystem).

(5) Die Gemeinde kann sich zur Besorgung der öffentlichen Abfuhr eigener Einrichtungen, anderer öffentlicher Einrichtungen (Abfallwirtschaftsverband, Verwaltungsgemeinschaft) oder eines nach bundesrechtlichen Bestimmungen hiezu berechtigten privaten Entsorgers bedienen.

(6) ...

§8

Anschlusspflicht

(1) Die Liegenschaftseigentümer/innen der im Abfuhrbereich gelegenen Grundstücke sind berechtigt und verpflichtet, diese an die öffentliche Abfuhr anzuschließen und die auf ihren Grundstücken anfallenden Siedlungsabfälle durch die öffentliche Abfuhr sammeln und abführen zu lassen.

(2) ...

(3) Die Anschlusspflicht entsteht für die innerhalb des Abfuhrbereiches gelegenen Grundstücke mit der Bereitstellung der Abfallsammelbehälter. Die Gemeinde hat die Anschlusspflichtigen von der Beistellung der Abfallsammelbehälter nachweislich zu verständigen. Auf Antrag des Liegenschaftseigentümers/der Liegenschaftseigentümerin hat die Gemeinde über die Anschlusspflicht mit Bescheid abzusprechen. In diesem Bescheid hat die Gemeinde auch die Art, Größe und Anzahl der Abfallsammelbehälter sowie die Abfuhrintervalle festzulegen. Der Antrag ist vom Liegenschaftseigentümer/von der Liegenschaftseigentümerin binnen eines Monats ab Zustellung der Verständigung über die Beistellung der Abfallsammelbehälter einzubringen.

(4) Die Anschlusspflicht entsteht für die außerhalb des Abfuhrbereiches gelegenen Grundstücke mit Inkrafttreten der Verordnung gemäß §11. Eine bloß zeitweilige Benützung des Grundstückes (z. B. Zweitwohnung, Ferienhaus oder Kleingartenanlage) begründet keine Ausnahme von der Anschlusspflicht.

§9

Abfallsammelbehälter

(1) Für die Sammlung von Siedlungsabfällen gemäß §4 Abs4 sind von der Gemeinde geeignete und je nach zu sammelnder Abfallart unterscheidbare Abfallsammelbehälter oder Befestigungseinrichtungen für Sacksammelsysteme beizustellen. Die Abfallsammelbehälter bleiben im Eigentum der Gemeinde oder des privaten Entsorgungsunternehmens und sind von diesen zu reinigen, zu erhalten und im Bedarfsfalle zu ersetzen.

(2) Die Anzahl und Größe der zu verwendenden Abfallsammelbehälter oder Abfallsäcke ist so festzulegen, dass der anfallende Siedlungsabfall innerhalb des Abfuhrzeitraumes ordnungsgemäß eingebracht werden kann. Bei der Festlegung der Anzahl und Größe der Abfallsammelbehälter ist die Art, die Beschaffenheit und die Menge des anfallenden Abfalls, die Anzahl der Haushalte oder Personen und die Häufigkeit der öffentlichen Abfuhr zu beachten.

(3) Über begründeten Antrag des Liegenschaftseigentümers/der Liegenschaftseigentümerin kann das Behältervolumen und/oder die Häufigkeit der regelmäßigen Abfuhr der Menge des tatsächlich anfallenden Siedlungsabfalls in Entsprechung zu den Vorgaben der Abfuhrordnung der Gemeinde angepasst werden. Die Gemeinde hat über solche Anträge mit Bescheid abzusprechen.

(4) Sollten sich nach Bescheiderlassung gemäß Abs3 wesentliche Änderungen ergeben, hat die Gemeinde von Amts wegen ein Bescheidverfahren einzuleiten.

§10

Aufstellung und Benützung der Abfallsammelbehälter

(1) ...

(2) In die Abfallsammelbehälter darf nur der im Abfuhrbereich anfallende Siedlungsabfall gemäß §4 Abs4 eingebracht werden. Die Liegenschaftseigentümer/innen sind verpflichtet, die Abfallsammelbehälter oder die Abfallsammelsäcke nur so weit zu befüllen, als der Deckel geschlossen oder die Abfallsammelsäcke ordnungsgemäß verschlossen werden können. In die Abfallsammelbehälter oder Abfallsammelsäcke dürfen nur jene Abfälle eingebracht werden, für dessen Aufnahme sie bestimmt sind.

§11

Abfuhrordnung

Die Gemeinde hat auf der Grundlage des regionalen Abfallwirtschaftsplanes gemäß §15 über die Besorgung der öffentlichen Abfuhr eine Abfuhrordnung zu erlassen.

Die Abfuhrordnung hat jedenfalls zu enthalten:

1. den Abfuhrbereich gemäß §7 Abs2 und die öffentlichen Sammelstellen gemäß §7 Abs3,

2. die Art und Häufigkeit der öffentlichen Abfuhr, bezogen auf alle Siedlungsabfälle,

3. die Art und Häufigkeit der Problemstoffsammlung nach den bundesrechtlichen Bestimmungen sowie die Zeiten der Benützbarkeit der sonstigen öffentlichen Sammelstellen (z.B. Altstoffsammelzentrum),

4. die Art der zu verwendenden Abfallsammelbehälter oder Abfallsammelsäcke unter Angabe der Grundsätze zur Bemessung der Größe und Anzahl,

5. die Art der Gebühren und Kostenersätze gemäß §13,

6. die Grundzüge der Gebührengestaltung, bezogen auf die einzelnen Abfallfraktionen sowie Dienstleistungen und

7. die in Übereinstimmung mit dem regionalen Abfallwirtschaftsplan in Anspruch genommenen Behandlungsanlagen zur Verwertung und Beseitigung der Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4.

§12

Eigentumsübergang

(1) Mit dem Verladen auf ein Fahrzeug der öffentlichen Abfuhr geht das Eigentum am Abfall auf den jeweiligen Abfallwirtschaftsverband über.

(2) Abfall, der der genehmigten Behandlungsanlage zugeführt wird, geht mit der Übergabe an diese in das Eigentum des Betreibers/der Betreiberin über.

(3) Der Eigentumsübergang nach den Abs1 und 2 erstreckt sich nicht auf Wertgegenstände.

(4) Bei Eigentumsübergang nach Abs1 und 2 haftet der/die bisherige Eigentümer/in bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit für Schäden, die dessen/deren eingebrachter Abfall verursacht.

§13

Gebühren und Kostenersätze

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der Abfuhr und der Behandlung der Siedlungsabfälle Gebühren einzuheben, wobei sich diese an den Zielen und Grundsätzen dieses Gesetzes zu orientieren haben.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Zeitpunkt, an dem die Abfallsammelbehälter beigestellt werden.

(3) Zur Entrichtung der Gebühr sind die anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümer/innen verpflichtet. Miteigentümer/innen schulden die Gebühr zur ungeteilten Hand. Die für die Liegenschaftseigentümer/innen geltenden Bestimmungen finden sinngemäß auch auf Personen Anwendung, die zur Nutzung des Grundstückes berechtigt sind oder es verwalten. Bei Bauwerken auf fremdem Grund gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für die Bauwerkseigentümer/innen.

(4) Die Höhe der Gebühr ist nach beigestelltem Behältervolumen und der Anzahl der Entleerungen oder gewichtsbezogen zu berechnen (variable Gebühr), wobei in der Abfuhrordnung eine jedenfalls zu entrichtende Grundgebühr festzulegen ist. Für zusätzliche Leistungen bei der Abholung des Siedlungsabfalls kann ein gesonderter Kostenersatz verrechnet werden.

(5) Die Benützungsgebühr kann bis zu einem Ausmaß festgelegt werden, bei dem der voraussichtliche Jahresertrag der Gebühr das doppelte Jahreserfordernis für Betrieb und Erhaltung der Einrichtungen und Anlagen gemäß Abs1 nicht übersteigt. ...

(6) Die Gebühren- und Kostenersätze sind nach der Abfuhrordnung von der Gemeinde vorzuschreiben.

3. Abschnitt

Abfallwirtschaft

§14

Abfallwirtschaftsverbände

(1) Die Gemeinden der politischen Bezirke Bruck an der Mur und Mürzzuschlag (Mürzverband), Deutschlandsberg, Feldbach, Fürstenfeld, Hartberg, Judenburg, Knittelfeld, Leibnitz, Leoben, Murau, Radkersburg, Voitsberg, Graz-Umgebung und Weiz sowie die Gemeinden des Gerichtsbezirkes Schladming und die Gemeinden der Gerichtsbezirke Liezen und Irdning bilden je einen Gemeindeverband, der den Namen 'Abfallwirtschaftsverband' zu führen hat. Die Verbandsversammlung hat den Sitz des Abfallwirtschaftsverbandes festzulegen.

(2) Alle Aufgaben, Pflichten und Rechte der Abfallwirtschaftsverbände sind für den Bereich der Stadt Graz von dieser wahrzunehmen.

(3) - (8) ...

§15

Regionale Abfallwirtschaftspläne

(1) Die Abfallwirtschaftsverbände haben nach Maßgabe der Ziele und Grundsätze dieses Gesetzes sowie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben regionale Abfallwirtschaftspläne zu erstellen. In diesen regionalen Abfallwirtschaftsplänen sind die organisatorischen, fachlichen und technischen Maßnahmen für eine nachhaltige Abfall- und Stoffflusswirtschaft darzulegen. Die regionalen Abfallwirtschaftspläne haben jedenfalls eine Bestandsaufnahme des Aufkommens der Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4, eine Darstellung der Behandlung einschließlich der dafür erforderlichen Anlagen sowie Strategien für eine nachhaltige Abfall- und Stoffflusswirtschaft zu enthalten. Die regionalen Abfallwirtschaftspläne sind mit dem Landes-Abfallwirtschaftsplan (§5) abzustimmen und bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.

(2) Regionale Abfallwirtschaftspläne sind alle fünf Jahre zu überprüfen und erforderlichenfalls fortzuschreiben. ...

(3) Der Verordnungstext des regionalen Abfallwirtschaftsplanes ist nach Genehmigung durch die Landesregierung vom Abfallwirtschaftsverband in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark' kundzumachen. Dieser ist im Internet auf der Homepage des Abfallwirtschaftsverbandes einschließlich des Erläuterungsberichtes sowie ergänzender Abbildungen und Darstellungen zu veröffentlichen.

...

§21

Eigener Wirkungsbereich der Gemeinden

Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinden sind solche des eigenen Wirkungsbereiches."

2.2. Die u.a. auf Grundlage des StAWG 2004 vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz am 16. November 2006 beschlossene, im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz (Nr. 11 vom 29.11.2006) kundgemachte Verordnung, mit der eine Abfuhrordnung erlassen wird (Grazer AbfO 2006), lautet auszugsweise (die aufgehobenen Verordnungsstellen sind hervorgehoben):

"§1

Allgemeine Bestimmungen

(1) Die Landeshauptstadt Graz erfüllt die von ihr zu besorgenden Aufgaben der Abfallwirtschaft nach den Grundsätzen des Vorsorgeprinzips sowie der Nachhaltigkeit. Dazu zählen insbesondere nachvollziehbare Maßnahmen zur Abfallvermeidung, Maßnahmen für die Sicherstellung einer nachhaltigen Abfall- und Umweltberatung sowie Maßnahmen und Projekte zur Förderung einer nachhaltigen Abfall- und Stoffflusswirtschaft. Für die Beschaffung von Arbeitsmaterial und Gebrauchsgütern sowie Maßnahmen der Wirtschaftsförderung durch die Landeshauptstadt Graz gelten die Grundsätze gemäß §2 StAWG 2004.

(2) Für die Sammlung und Abfuhr der im Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Graz anfallenden Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4 StAWG 2004 hat die Landeshauptstadt Graz im Sinne einer nachhaltigen Abfall- und Stoffflusswirtschaft eine öffentliche Abfallabfuhr eingerichtet.

(3) Die Abfallabfuhr umfasst die Sammlung und Abfuhr der

getrennt zu sammelnden verwertbaren Siedlungsabfälle (Altstoffe), der

getrennt zu sammelnden biogenen Siedlungsabfälle (Bioabfälle), der sperrigen Siedlungsabfälle (Sperrmüll), des Straßenkehrichts sowie der gemischten Siedlungsabfälle (Restmüll), die auf den im Abfuhrbereich gelegenen Liegenschaften anfallen.

(4) Zur Besorgung der öffentlichen Abfuhr bedient sich die Landeshauptstadt Graz im Interesse der Zweckmäßigkeit der Wirtschaftsbetriebe der Stadt Graz als auch hiezu beauftragter Dritter.

§2

Begriffsbestimmungen

(1) Abfälle sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Abfallbesitzer/die Abfallbesitzerin entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen gemäß §1 Abs3 StAWG 2004 nicht zu beeinträchtigen.

(2) ...

(3) Als Siedlungsabfallarten im Sinne des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 gelten: ...

§3

Abfuhrbereich

Der Abfuhrbereich umfasst das gesamte Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Graz.

§4

Anschlusspflicht

(1) Die Liegenschaftseigentümer/innen der im Abfuhrbereich gelegenen Grundstücke sind berechtigt und verpflichtet, diese an die öffentliche Abfuhr anzuschließen und die auf ihren Grundstücken anfallenden Siedlungsabfälle durch die öffentliche Abfuhr sammeln und abführen zu lassen (Andienungspflicht).

(2) - (4) ...

§5

Sammlung und Abfuhr

(1) Verwertbare Siedlungsabfälle (Altstoffe) sind vom Besitzer/von der Besitzerin getrennt zu erfassen und in die von der Landeshauptstadt Graz bereitgestellten, entsprechend gekennzeichneten Abfallsammelbehälter (§7) einzubringen. Dabei ist im Hinblick auf die Wiederverwertung darauf zu achten, dass keine Verschmutzung und keine Vermischung der Altstoffe erfolgt. ...

(2) Biogene Siedlungsabfälle (Bioabfälle) sind einer getrennten Sammlung zu unterziehen und müssen auf jeder Liegenschaft in die zur Verfügung stehenden Abfallsammelbehälter für biogene Siedlungsabfälle ('braune Behälter') eingebracht werden (Holsystem).

...

(3) ...

(4) Gemischte Siedlungsabfälle (Restmüll) müssen auf jeder Liegenschaft in die zur Verfügung stehenden Abfallsammelbehälter für Restmüll ('graue Behälter', Container) oder Restmüllsäcke eingebracht werden (Holsystem).

(5) - (6) ...

§6

Abfallsammelbehälter für gemischteund biogene Siedlungsabfälle

(Restmüll und Bioabfälle)

(1) Die Sammlung von Siedlungsabfällen erfolgt in geeigneten und je nach zu sammelnder Abfallart unterscheidbaren Abfallsammelbehältern oder Abfallsammelsäcken. Die Abfallsammelbehälter bleiben im Eigentum der Landeshauptstadt Graz bzw. des beauftragten Dritten. Werden Abfallsammelbehälter mutwillig (grob fahrlässig oder vorsätzlich) beschädigt oder zerstört, so können die Kosten dieses Schadens am Eigentum der Landeshauptstadt Graz bzw. am Eigentum beauftragter Dritter beim Verursacher eingefordert werden.

(2) Die Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle (Restmüll) erfolgt in geeigneten Sammelbehältern ('grauer Behälter') mit einem Inhalt von 120, 240 oder 1100 Litern. ...

(3) - (8) ...

(9) In die Abfallsammelbehälter darf nur der auf der zugehörigen Liegenschaft anfallende Siedlungsabfall eingebracht werden. Die Abfallsammelbehälter oder die Abfallsammelsäcke sind nur so weit zu befüllen, als der Deckel geschlossen oder die Abfallsammelsäcke ordnungsgemäß verschlossen werden können. In die Abfallsammelbehälter oder Abfallsammelsäcke dürfen nur jene Abfälle eingebracht werden, für dessen Aufnahme sie bestimmt sind. ...

(10) Über begründeten Antrag des Liegenschaftseigentümers/der Liegenschaftseigentümerin kann das Behältervolumen und/oder die Häufigkeit der regelmäßigen Abfuhr der Menge des tatsächlich anfallenden Siedlungsabfalls in Entsprechung zu den Vorgaben dieser Abfuhrordnung angepasst werden. Über solche Anträge ist mit Bescheid abzusprechen. Wird bei vorübergehendem Mehranfall an gemischten Siedlungsabfällen mit dem beigestellten Behältervolumen nicht das Auslangen gefunden, ist der Liegenschaftseigentümer/die Liegenschaftseigentümerin verpflichtet, eine Sonderentleerung der Abfallsammelbehälter gegen Kostenersatz bei der Landeshauptstadt Graz zu bestellen. Zudem besteht die Möglichkeit, zusätzliche Restmüll- bzw. Grünschnittsäcke beim jeweiligen Bezirksamt oder bei der öffentlichen Abfallabfuhr der Landeshauptstadt Graz zum jeweils festgesetzten Preis zu erwerben. Der Preis der Säcke inkludiert auch die Abholung und Entsorgung entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung. Die Säcke sind zusammen mit den Abfallsammelbehältern für die Abholung bereitzustellen.

(11) Die Landeshauptstadt Graz ist darüber hinaus berechtigt, jederzeit selbst festzustellen, ob die vorhandenen Abfallsammelbehältnisse für die Aufnahme der anfallenden gemischten Siedlungsabfälle und der biogenen Siedlungsabfälle ausreichen. Ist dies nicht oder nicht mehr der Fall, wird zusätzliches Behältervolumen oder eine Erhöhung des Entleerungsintervalls vorgeschrieben.

(12) Sollten sich nach Bescheiderlassung gemäß Abs10 wesentliche Änderungen ergeben, ist von Amts wegen ein Bescheidverfahren einzuleiten.

...

§8

Durchführung der Abfallabfuhr

(1) Die Abfuhr der gemischten Siedlungsabfälle (Restmüll), der getrennt zu sammelnden verwertbaren Siedlungsabfälle (Altstoffe) sowie der getrennt zu sammelnden biogenen Siedlungsabfälle (Bioabfälle) erfolgt im gesamten Abfuhrbereich durch die öffentliche Abfallabfuhr und durch beauftragte Dritte.

(2) Die genauen Abfuhrtermine für gemischte Siedlungsabfälle bei zwei- bzw. vierwöchentlicher Entleerung und für biogene Siedlungsabfälle (ausgenommen Abfälle nach §2 Abs3 Z. 2 litb) werden der jeweiligen Liegenschaft zu Beginn des Jahres bzw. bei Änderungen vom Abfallsammler schriftlich bekannt gegeben. ...

(3) - (12) ...

...

§11

Eigentumsübergang

(1) Mit dem Einbringen in ein Sammelbehältnis der öffentlichen Abfuhr geht das Eigentum am Abfall auf den Abfallwirtschaftsverband der Landeshauptstadt Graz über.

(2) Abfall, der einer genehmigten Behandlungsanlage zugeführt wird, geht mit der Übergabe an diese in das Eigentum des Betreibers/der Betreiberin über.

(3) Der Eigentumsübergang nach den Abs1 und 2 erstreckt sich nicht auf Wertgegenstände.

(4) Bei Eigentumsübergang nach Abs1 und 2 haftet der bisherige Eigentümer/die bisherige Eigentümerin bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit für Schäden, die dessen/deren eingebrachter Abfall verursacht.

...

§15

Schlussbestimmungen

(1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2007 in Kraft.

(2) - (4) ..."

3. Bei Behandlung der gegen die oben (Pkt. 1.3.) angeführten Bescheide der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz erhobenen Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §11 Abs1, der Wortfolge "nach den Abs1 und 2" im §11 Abs3 und der Wortfolge "nach Abs1 und 2" im §11 Abs4 Grazer AbfO 2006, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 11 vom 29. November 2006, entstanden; er hat daher mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Verordnungsstellen eingeleitet.

3.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorderhand davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, die belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides die Bestimmung des §11 Abs1 der Grazer AbfO 2006 angewendet hat und diese auch vom Verfassungsgerichtshof in seinem Verfahren anzuwenden wäre.

Weiters war der Verfassungsgerichtshof vorläufig der Auffassung, dass die Wortfolge "nach den Abs1 und 2" im §11 Abs3 Grazer AbfO 2006 und die Wortfolge "nach Abs1 und 2" im §11 Abs4 leg.cit. mit §11 Abs1 der Verordnung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, weshalb er das Verordnungsprüfungsverfahren auch hinsichtlich dieser Wortfolgen (vorderhand) für zulässig erachtete.

3.2. Seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung des §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 formulierte der Verfassungsgerichtshof wie folgt:

"... In der Sache:

... Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind

auch Organe der Selbstverwaltungskörper zur Erlassung von Verordnungen lediglich 'auf Grund der Gesetze' iSd Art18 Abs2 B-VG befugt (vgl. zB VfSlg. 16.307/2001, 16.900/2003 mwN); eine Verordnung darf daher bloß präzisieren, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. zB VfSlg. 11.639/1988, 11.859/1988, 16.893/2003, 17.476/2005).

... Gesetzliche Grundlage für die Erlassung der Grazer AbfO

2006 - als gemäß Art118 Abs2 B-VG iVm §21 StAWG 2004 im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassene Durchführungsverordnung - ist das StAWG 2004.

§11 StAWG 2004 ermächtigt die Gemeinde zur Erlassung einer Abfuhrordnung auf Basis des regionalen Abfallwirtschaftsplanes; die Abfuhrordnung hat u.a. jedenfalls den Abfuhrbereich und die öffentlichen Sammelstellen, Art und Häufigkeit der öffentlichen Abfuhr von Siedlungsabfällen und der Problemstoffsammlung, Zeiten der Benützbarkeit sonstiger öffentlicher Sammelstellen, Art der zu verwendenden Sammelbehälter unter Angabe der Grundsätze zur Bemessung von Größe und Anzahl sowie Art der Gebühren und Kostenersätze zu enthalten. Gemäß §13 leg.cit. wird die Gemeinde zudem zur Einhebung von Gebühren für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der Abfuhr und der Behandlung von Siedlungsabfällen sowie zur Vorschreibung von Gebühren- und Kostenersätzen ermächtigt.

In Bezug auf die Regelung des §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 betreffend den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges am Abfall auf den Abfallwirtschaftsverband dürfte hingegen (wenn auch nicht ausdrücklich genannt) §12 StAWG 2004 die iSd Art18 Abs2 B-VG maßgebliche gesetzliche Grundlage bilden. Die in Prüfung gezogene Vorschrift ist daher anscheinend an den Vorgaben des §12 Abs1 StAWG 2004 zu messen.

... Der Verfassungsgerichtshof hegt aus folgenden Gründen das

Bedenken, dass §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 in Widerspruch zu §12 Abs1 StAWG 2004 steht und damit gesetzwidrig ist:

§12 Abs1 StAWG 2004 normiert, dass das Eigentum am Abfall

'[m]it dem Verladen auf ein Fahrzeug der öffentlichen Abfuhr ... auf

den jeweiligen Abfallwirtschaftsverband über[geht]'.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird hiezu ausgeführt:

'Der mit dieser Bestimmung geregelte Eigentumsübergang der Siedlungsabfälle leitet sich aus der Zuständigkeit des Abfallwirtschaftsverbandes für die Behandlung des Siedlungsabfalls ab.'

Das Gesetz dürfte daher - an sich verfassungsrechtlich unbedenklich - den Eigentumsübergang am Abfall mit dem Zeitpunkt des Aufladens auf ein Fahrzeug der öffentlichen Müllabfuhr festlegen.

Demgegenüber statuiert §11 Abs1 Grazer AbfO 2006, dass der Eigentumsübergang an Abfällen mit deren Einbringen in einen Sammelbehälter der öffentlichen Abfuhr auf den Abfallwirtschaftsverband der Landeshauptstadt Graz stattfindet.

... Die angeführte, in Prüfung genommene Regelung dürfte

somit §12 Abs1 StAWG 2004 widersprechen: Kann diese Gesetzesbestimmung nach den vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes mit Blick auf ihren eindeutigen Wortlaut, den systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung doch nur so verstanden werden, dass das Eigentum am Abfall (erst) mit dessen Verladung in ein Fahrzeug der öffentlichen Müllabfuhr auf den jeweiligen Abfallwirtschaftsverband übergeht, während die bezeichnete Verordnungsstelle nach ihrem anscheinend ebenfalls klaren Wortlaut und Sinngehalt den Eigentumsübergang mit dem Einbringen des Abfalls in den Behälter der öffentlichen Abfuhr - und damit mit einem jedenfalls früheren, vor dem Verladen des Abfalls auf ein Müllfahrzeug gelegenen Zeitpunkt - festschreibt.

Für diese vorläufige Einschätzung dürften auch die Bestimmungen des §6 Abs1 und Abs2 StAWG 2004 sowie die oben wiedergegebenen Erläuterungen zu §12 leg.cit. betreffend die Zuständigkeit des Abfallwirtschaftsverbandes zur Abfallbehandlung sprechen. Dem Vorbringen der belangten Behörde, die in ihrer Gegenschrift von einem bloß 'scheinbaren' Abweichen der Bezug habenden Verordnungsstelle von der angeführten Gesetzesbestimmung ausgeht, kann zumindest vorderhand nicht gefolgt werden.

Eine bloße - zulässige - Präzisierung der Regelung des §12 Abs1 StAWG 2004 durch §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 dürfte mithin nicht vorliegen.

..."

4. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (als verordnungserlassende Behörde) erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen gesetzeskonform sind, und dem Gemeinderat den Schriftsatzaufwand in gesetzmäßiger Höhe zuerkennen.

Der Gemeinderat bringt auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes vor: Im Zuge des Abfallkreislaufes komme es zu mehrfachen Übergängen des Eigentums am Abfall; §12 StAWG 2004 greife nur eine Stufe davon auf, nämlich jene des Überganges des Eigentums auf den Abfallwirtschaftsverband. Den Abfallproduzenten treffe - neben der Trennungspflicht - auch die Verpflichtung, den Abfall in ein von der Gemeinde beizustellendes Sammelbehältnis (§§8, 9 StAWG 2004; §5 Grazer AbfO 2006) einzubringen. Mit der ordnungsgemäßen Einbringung des Abfalls in den Sammelbehälter sei die Entledigung (Dereliktion) nach zivilrechtlichen Grundsätzen vollzogen, der Abfallerzeuger mithin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Eigentümer des von ihm eingebrachten Abfalls (Wertgegenstände ausgenommen), weshalb er ab diesem Zeitpunkt Dritte auch nicht mehr mit dem "Restmüllmanagement" betrauen könne. Da sich der Abfall in einem im Eigentum der Gemeinde stehenden Sammelbehältnis (§9 Abs1 StAWG 2004, §6 Grazer AbfO 2006) befinde und die Gemeinde gemäß §6 Abs1 StAWG 2004 auch für die Sammlung und Abfuhr der Siedlungsabfälle verantwortlich sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die gemischten Siedlungsabfälle bis zum Zeitpunkt des Verladens des Abfalls auf ein Fahrzeug der öffentlichen Müllabfuhr - und dem damit verbundenen Eigentumsübergang auf den Abfallwirtschaftsverband gemäß §12 Abs1 StAWG 2004 - im Eigentum der Gemeinde stehen. Die Annahme, dass der Siedlungsabfall mit der Einbringung herrenlos werde, sei abzulehnen, weil dies im Hinblick auf mögliche unkontrollierte Manipulationen seitens Dritter den allgemeinen Grundsätzen einer nachhaltigen Abfall- und Stoffflusswirtschaft (§1 StAWG 2004) widersprechen und die geordnete Zuführung der Abfälle zu einer einwandfreien Verwertung bzw. Beseitigung gefährden würde. Zu diesem Zweck müsse die Allgemeinheit von der Verfügungsanmaßung durch originären Eigentumserwerb am Abfall ausgeschlossen werden.

Für die von der Behörde vertretene Auffassung spreche auch die Regelung des §12 Abs3 StAWG 2004: Diese sehe zwar einen Ausschluss des Eigentumsübergangs an Wertgegenständen vor, würde aber nichts darüber aussagen, in wessen Eigentum sich die Wertgegenstände nach deren Einbringung in ein Sammelbehältnis befinden. Im Hinblick darauf bzw. auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass sich der Eigentümer seiner Wertgegenstände nicht entledigen wollte. Deshalb sei anzunehmen, dass Siedlungsabfall nach dessen Einbringung in den Sammelbehälter in das Eigentum der Gemeinde übergehe, nicht aber Wertgegenstände.

Die dargestellte Eigentumskette ergebe sich aus dem StAWG 2004; auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH 24.1.1989, 4 Ob 117/88) gehe der Besitz am Abfall mit dem Ablegen in einem Sammelbehälter auf den Aufsteller des Behältnisses über.

Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz weist ferner darauf hin, dass alle im Raum Graz aufgestellten Restmüllbehälter im Eigentum der Gemeinde stünden und die Sammlung und Abfuhr von der Gemeinde selbst besorgt würde (§7 StAWG 2004 iVm §8 Grazer AbfO 2006), da die Stadt Graz - anders als die gemäß §14 Abs1 StAWG 2004 in Abfallwirtschaftsverbände zusammengefassten Gemeinden - gemäß §14 Abs2 StAWG 2004 zugleich Abfallwirtschaftsverband sei. Daraus folge aber auch, dass nach der Einbringung des Abfalls in den Sammelbehälter in der Regel kein Eigentumswechsel mehr stattfinde. Der vom Gesetz eingeräumte Gestaltungsspielraum sei entsprechend den faktischen Gegebenheiten in Bezug auf die Sonderstellung der Stadt Graz ausgenutzt worden.

Im Übrigen wären die Eigentumsverhältnisse am Siedlungsabfall auch ohne die Bestimmung des §11 Grazer AbfO 2006 nicht anders zu beurteilen. Diese Vorschrift sei - auch gemessen an §6 Abs1 sowie §9 StAWG 2004 und nicht nur an §12 StAWG 2004 - gesetzeskonform.

Der Widerspruch zwischen Gesetzes- und Verordnungstext sei daher nur ein scheinbarer; durch §11 Abs1 der Grazer AbfO 2006 sei lediglich eine - zulässige - Präzisierung des §12 Abs1 StAWG 2004 für den Bereich der Stadt Graz erfolgt.

5. Die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz (belangte Behörde im Anlassverfahren) erstattete im Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung, in der beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof möge auf Gesetzeskonformität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung sowie auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes in gesetzmäßiger Höhe erkennen. Die Berufungskommission tritt den im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes mit denselben Argumenten entgegen wie die verordnungserlassende Behörde.

6. Der Abfallwirtschaftsverband Graz (richtig: die Stadt Graz) erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er zunächst darauf hinweist, dass gemäß §14 Abs2 StAWG 2004 alle Aufgaben, Pflichten und Rechte der Abfallwirtschaftsverbände für den Bereich der Stadt Graz von dieser wahrzunehmen seien, weshalb für die Stadt Graz die Organisation eines Verbandes nach den Bestimmungen des Gemeindeverbandsorganisationsgesetzes nicht bestehe.

§12 Abs1 StAWG 2004 regle nur, dass mit dem Verladen des Abfalls auf ein Sammelfahrzeug das Eigentum am Abfall auf den Abfallwirtschaftsverband übergehe; von wem das Eigentum auf den Abfallwirtschaftsverband übergehe, ergebe sich aus dem StAWG 2004 nicht explizit. Es sei deshalb erforderlich gewesen, die Regelung dahin zu präzisieren, dass die Formulierung der Verordnung auch verdeutliche, von wem das Eigentum am Abfall an den Abfallwirtschaftsverband (bzw. hier an die Stadt Graz) überzugehen habe. Im Hinblick darauf, dass die Stadt Graz gemäß §14 Abs2 leg.cit. alle Aufgaben selbst wahrzunehmen habe, sei sie der Auffassung gewesen, in Entsprechung der im StAWG 2004 normierten Ziele und Grundsätze, Begriffsbestimmungen und Aufgabenzuordnungen den Zeitpunkt des Eigentumsüberganges für ihren Bereich präzisieren zu müssen. Dies sei auch gesetzeskonform erfolgt. Jeglicher Versuch von Seiten Dritter, den Abfall zu entziehen und damit die Stadt Graz an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu hindern, soll dadurch hintan gehalten werden. Durch die Festlegung des Eigentumsüberganges mit dem Einbringen in ein Sammelbehältnis in §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 werde den Intentionen des StAWG 2004 nicht zuwider gehandelt. Durch diese Präzisierung werde nämlich sichergestellt, dass das Eigentum am Abfall - wie im StAWG 2004 vorgesehen - auf den Abfallwirtschaftsverband übergehe und die Stadt Graz ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen könne.

Hätte der Landesgesetzgeber gewollt, dass die Gemeinde nur für jene Abfälle zuständig ist, welche nach dem "Nachsortieren" in den im Eigentum der Gemeinde stehenden Abfallbehältern zurück bleiben, hätte er die Zuständigkeiten im StAWG 2004 anders geregelt und die Gemeinde nicht zur Sammlung und Behandlung aller Siedlungsabfälle berechtigt und verpflichtet. Für diesen Standpunkt spreche auch §9 Abs2 StAWG 2004, der normiere, dass Anzahl und Größe der Abfallsammelbehälter so festzulegen ist, dass der anfallende Siedlungsabfall innerhalb des Abfuhrzeitraumes ordnungsgemäß eingebracht werden könne.

Der Abfallwirtschaftsverband (richtig: die Stadt Graz) legt zudem die Auswirkungen einer Nachsortierung durch Dritte auf die Gebührengestaltung dar und weist darauf hin, dass es die Grundfesten der kommunalen Abfallwirtschaft und der Daseinsvorsorge erschüttern würde, wäre der unkontrollierte Zugriff von Dritten auf kommunalen Abfall möglich. Es sei auch aus ökologischer Sicht abzulehnen, dass es Dritten möglich sein soll, die Restmüllbehälter zum Nachsortieren aufzusuchen.

7. Die beschwerdeführende Partei des Anlassverfahrens nahm zur Äußerung der Berufungskommission Stellung. Sie bringt vor, die Berufungskommission verknüpfe in unzulässiger und unrichtiger Weise den zivilrechtlichen Eigentumsübergang von Abfällen mit der verwaltungsrechtlichen Verfügungsgewalt über Abfälle. Die vorgeschlagene Interpretation der Bestimmungen der §§9 und 12 StAWG 2004 anhand sachenrechtlicher Regelungen widerspreche Sinn und Zweck des StAWG 2004. Die Vermengung von sachenrechtlicher Entledigung und verwaltungsrechtlicher Verfügungsgewalt würde zu einem regelmäßigen Verstoß gegen Ziele und Grundsätze des Abfallwirtschaftsrechts führen. Die Ansicht, dass §12 Abs1 StAWG 2004 den Eigentumsübergang von einer Kommune auf den Abfallwirtschaftsverband und nicht den Eigentumsübergang vom Abfallerzeuger auf den Abfallwirtschaftsverband regle, sei im Hinblick auf den telos des Gesetzes verfehlt.

§10 StAWG 2004 lege fest, dass der Liegenschaftseigentümer für eine (ordnungsgemäße) Benützung der Sammelbehälter zu sorgen habe, die ungebührliche Belästigungen hintanhalte. Damit werde klargestellt, dass der Liegenschaftseigentümer nach den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen über die herrenlose Sache "Abfall" verfügungsberechtigt sei. Dass mit dem Einbringen des Abfalls kein Eigentumsübergang auf die Gemeinde stattfinde, sei auch aus dem Wortlaut des §12 Abs4 StAWG 2004 abzuleiten, wonach bei Eigentumsübergang nach Abs1 und 2 der bisherige Eigentümer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit für Schäden, die dessen eingebrachter Abfall verursacht, hafte. Es bedürfe mithin keines Rückgriffs auf zivilrechtliche Vorschriften über das Ende des Sachbesitzes, weil das StAWG 2004 diesen Bereich ausreichend regle.

8. Die zur Erstattung einer Äußerung aufgeforderte Steiermärkische Landesregierung brachte keine Stellungnahme ein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde und an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen sind im Verordnungsprüfungsverfahren weder vorgebracht worden noch beim Verfassungsgerichtshof entstanden. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache:

Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass §11 Abs1 Grazer AbfO 2006 im Widerspruch zu §12 Abs1 StAWG 2004 steht und damit gesetzwidrig ist, hat sich als zutreffend erwiesen:

2.1. Jede Verwaltungsbehörde kann gemäß Art18 Abs2 B-VG auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. "Art 18 Abs2 B-VG unterstreicht diese Gesetzesabhängigkeit auch der Verordnungen, indem er betont, daß diese nur 'auf Grund der Gesetze' erlassen werden können, was mit anderen Worten heißt, daß eine Verordnung nur präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen schon im Gesetz vorgezeichnet ist" (Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 82; so auch VfSlg. 14.630/1996, 15.354/1998, 16.893/2003). Dies gilt auch für Organe der Gemeinden (zB VfSlg. 8280/1978).

2.2. Gesetzliche Grundlage für die Erlassung der Grazer AbfO 2006 ist insbesondere §11 StAWG 2004, in welchem der (wesentliche) Inhalt der Verordnung vorgezeichnet ist.

§11 Abs1 der Grazer AbfO 2006 regelt den Eigentumsübergang am Abfall. Diese Vorschrift beschränkt sich aber nicht darauf, gesetzliche Vorgaben näher durchzuführen, sondern legt entgegen §12 Abs1 StAWG 2004 den Zeitpunkt für den Übergang des Eigentums fest; die Verordnungsbestimmung trifft nämlich - im Widerspruch zu §12 StAWG 2004 - auch eine Regelung in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse am Abfall für den Zeitraum zwischen dessen Einbringen in ein Sammelbehältnis und dem - nach §12 Abs1 StAWG 2004 allein maßgeblichen - Verladen auf ein Fahrzeug der öffentlichen Müllabfuhr.

§11 Abs1 Grazer AbfO 2006 widerspricht somit §12 Abs1 StAWG 2004 und ist daher gesetzwidrig. Mit Blick darauf besteht kein Anlass, sich mit der Frage der Rechtswirkungen der Einbringung des Abfalls in den Sammelbehälter auseinanderzusetzen.

Im gegebenen Zusammenhang hat der Landesgesetzgeber seine Kompetenz gemäß Art15 Abs9 B-VG nicht überschritten: Er ist gemäß Art15 Abs9 B-VG befugt, in Abweichung von bundesrechtlichen Bestimmungen (u.a.) notwendige zivilrechtliche Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 10.097/1984 mwN); angesichts der Erforderlichkeit der Anordnung des §12 Abs1 StAWG 2004 im Bereich der Abfallwirtschaft stößt diese landesgesetzliche Bestimmung auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

§11 Abs1 der Verordnung war sohin wegen Widerspruchs zu Art18 Abs2 B-VG aufzuheben. Auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges der Wortfolge "nach den Abs1 und 2" im §11 Abs3 und der Wortfolge "nach Abs1 und 2" im §11 Abs4 Grazer AbfO 2006 mit §11 Abs1 der Verordnung waren auch diese Wortfolgen wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG, §60 Abs2 VfGG und §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz.

4. Den Anträgen der belangten Behörde des Anlassverfahrens und der verordnungserlassenden Behörde auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes war schon deshalb nicht stattzugeben, weil in amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung kein Kostenersatz vorgesehen ist und ein solcher nur im - hier nicht gegebenen - Fall des §61a VfGG in Betracht kommt.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte