Normen
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Beschluß des Gemeinderates Wien vom 26.06.78 (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) Plandokument Nr 5520.
VfGG §15 Abs2
VfGG §57 Abs1
Wr BauO 1930 §1 Abs3
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Beschluß des Gemeinderates Wien vom 26.06.78 (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) Plandokument Nr 5520.
VfGG §15 Abs2
VfGG §57 Abs1
Wr BauO 1930 §1 Abs3
Spruch:
Der zweite Satz im Punkt II Z1 des Beschl. des Gemeinderates der Stadt Wien vom 26. Juni 1978, Pr Z 2360/78 (Plandokument Nr. 5520), (Beschlußfassung bekanntgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 28/1978) wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Wr. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Beim VwGH ist zur Z 82/05/0117 ein Säumnisbeschwerdeverfahren über die beantragte Enteignung des Grundstückes .../1 der KG Neustift am Walde nach §§39 und 42 der Bauordnung für Wien anhängig; die Parzelle liegt in dem vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 5520 (Beschl. des Gemeinderates der Stadt Wien vom 26. Juni 1978, Pr Z 2360/78) umfaßten Gebiet. Aus Anlaß dieses Verfahrens stellt der VwGH unter Bezugnahme auf Art139 Abs1 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag,
"der VfGH wolle die Verordnung des Wiener Gemeinderates vom 26. Juni 1978, Pr.Zl. 2360/78, Plandokument Nr. 5520, insoweit als gesetzwidrig aufheben, als im Bereich des Grundstückes .../1, KG Neustift am Wald, Festsetzungen erfolgten, die die gärtnerische Ausgestaltung und eine Abtretungsverpflichtung ins öffentliche Gut auslösen; in eventu wolle im Bereich des genannten Grundstückes die festgesetzte Baufluchtlinie und die Widmung 'G' sowie die die nördliche Begrenzung bildende Baulinie oder nur die festgesetzte Baufluchtlinie und die Widmung 'G' als gesetzwidrig aufgehoben werden."
II. Der VfGH leitete aus Anlaß dieses (unter V6/83 protokollierten) Antrags gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes im Punkt II Z1 der bezogenen Verordnung (im folgenden auch bloß: PD 5520) ein und legte zu den Verfahrensvoraussetzungen und den Bedenken folgendes dar:
"Zunächst nimmt der Gerichtshof vorläufig an, daß das vom VwGH primär gestellte Begehren prozessual nicht zulässig ist, weil ihm die in §§57 Abs1 iVm. 15 Abs2 VerfGG geforderte Bestimmtheit fehlt; es ist diesem Begehren anscheinend nicht zweifelsfrei zu entnehmen, welche konkreten Verordnungsstellen bei Zutreffen der vom VwGH dargelegten Bedenken der Aufhebung verfallen sollen.
Das erste Eventualbegehren hingegen ist wohl zulässig, weil es die in Betracht kommenden Verordnungsstellen, nämlich eine Baufluchtlinie und eine Baulinie sowie die Widmung 'G' im Bereich des eingangs bezeichneten Grundstücks, eindeutig anführt. Ihr normativer Gehalt resultiert aus verwendeten Planzeichen (dem schon erwähnten Großbuchstaben 'G' für 'gärtnerische Ausgestaltung', einer strichlierten Linie mit breiter Unterbrechung für 'Baufluchtlinie' sowie einer nicht unterbrochenen Linie für 'Baulinie') gemäß der (nicht kundgemachten, beim Magistrat gesondert gegen Entgelt erhältlichen) 'Zeichenerklärung für den Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan' vom 16. August 1976, bezüglich der die Verordnung PD 5520 unter Punkt II Z1 (im zweiten Satz) folgendes bestimmt:
'1. Die roten Planzeichen gelten als neu festgesetzt.
Für die rechtliche Bedeutung der Planzeichen ist die 'Zeichenerklärung für den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan' vom 16. Aug. 1976 maßgebend, die einen Bestandteil dieses Beschlusses bildet.'
Der VfGH geht weiters vorläufig davon aus, daß er im Rahmen der Prüfung der Prozeßvoraussetzungen seines Verfahrens nach Art139 B-VG insbesondere zu klären haben wird, ob die vom Antrag des VwGH erfaßten Stellen des Plandokumentes überhaupt als Verordnungsbestimmungen qualifiziert werden können. Er hegt nun das Bedenken, daß die im zweiten Satz getroffene Anordnung, mit der nicht normative Aussagen zu einem normativen Teil der vom Gemeinderat erlassenen Verordnung erklärt werden (und damit eine den angefochtenen Stellen vorgeordnete Norm erlassen wird), weder den Voraussetzungen für das gesetzmäßige Zustandekommen eines Gemeinderatsbeschlusses über die Festsetzung oder Abänderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes noch der maßgeblichen Kundmachungsvorschrift Rechnung trägt. Denn einerseits ist wohl anzunehmen, daß eine Aussage über die inhaltliche Bedeutung eines unter einem beschlossenen Planes entweder als solche (dh. ihrem vollen Wortlaut nach) Gegenstand der Beschlußfassung durch das verordnungsgebende Kollegialorgan zu sein hat oder daß sie als Verweisung nur dann in Betracht kommt, wenn der Inhalt des Verwiesenen zum Zeitpunkt der Beschlußfassung als bestehende oder bestandene Rechtsvorschrift zureichende Publizität genießt. Andererseits ist auf §1 Abs3 zweiter Satz der Bauordnung für Wien hinzuweisen, demzufolge nach der Kundmachung der Beschlußfassung durch den Gemeinderat jedermann gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten Anspruch auf Ausfolgung der Beschlüsse und der dazugehörigen Planbeilagen hat; diese Regelung spricht dafür, daß auf Verlangen die verwiesene Zeichenerklärung als Teil des Gemeinderatsbeschlusses (oder der Planbeilage) und nicht erst über eine gesonderte Anforderung auszufolgen ist, mithin ein nicht abtrennbarer Bestandteil der solcherart zu veranlassenden Kundmachung zu sein hat."
III. Der Gemeinderat der Stadt Wien erstattete eine Äußerung und führte im wesentlichen folgendes aus:
"Der Gemeinderat teilt die Ansicht des VfGH, daß das erste Eventualbegehren des VwGH zulässig ist, ist aber entgegen der im Prüfungsbeschluß vom VfGH vorläufig vertretenen Auffassung der Meinung, daß die vom Antrag des VwGH erfaßten Stellen des Plandokumentes als Verordnungsbestimmungen zu qualifizieren sind.
Der Gemeinderat der Stadt Wien erlaubt sich zunächst darauf zu verweisen, daß die im gegenständlichen Fall bei Erlassung des Plandokumentes praktizierte Vorgangsweise auch in jenen Fällen erfolgt ist, in denen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bisher die Gesetzmäßigkeit von Plandokumenten des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zu beurteilen hatten. Es sind also bisher Zweifel daran, ob überhaupt Verordnungsbestimmungen vorliegen, nicht releviert worden, obwohl die in Rede stehende Vorgangsweise seit 1965 angewendet wird. Dafür, daß eine ordnungsgemäß kundgemachte Verordnung vorliegt, spricht nach Auffassung des Gemeinderates der Umstand, daß die Zeichenerklärung für den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom 16. August 1976 dem Gemeinderat anläßlich der Beschlußfassung genauso vorlag, wie das Plandokument selbst und laut ausdrücklichem Wortlaut des Beschlusses einen Bestandteil desselben bildet. Durch die Aufnahme der Zeichenerklärung in den Antragstext bei jedem einzelnen Antrag kann auf eine gesonderte Verordnung über die Planzeichen verzichtet werden. Mit dieser Vorgangsweise können die Bebauungspläne wesentlich leichter und schneller dem jeweils aktuellen Stand in rechtlicher und zeichnerischer Hinsicht angepaßt werden.
Es wurden also nach Auffassung des Gemeinderates keine nicht normativen Aussagen zu einem normativen Teil der Verordnung gemacht, sondern eine Gesamtverordnung, welche aus Plandokument und Zeichenerklärung besteht, beschlossen. Die Kundmachung dieses Gesamtbeschlusses ist in gesetzmäßiger Weise im Sinne des §1 Abs3 der Bauordnung für Wien (BO) erfolgt und der vom Gesetz geforderten Voraussetzung, daß jedermann gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten Anspruch auf Ausfolgung der Beschlüsse und Planbeilagen hat, wird im Ergebnis voll entsprochen. Die MA 20, der die Ausfolgung der Gemeinderatsbeschlüsse obliegt, übergibt jedem Interessenten automatisch auch jeweils ein Exemplar der als Bestandteil des Plandokumentes beschlossenen Zeichenerklärung gleichzeitig mit dem geforderten Plandokument. In der Praxis verzichten jedoch Interessenten manchmal auf die Ausfolgung der Zeichenerklärung, da sie diese ohnehin bereits besitzen. Der Gemeinderat der Stadt Wien ist daher nicht der Ansicht, daß die im Prüfungsbeschluß vom VfGH geltend gemachten Bedenken zutreffen."
IV. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens sind gegeben.
Der Gerichtshof hält an der im Einleitungsbeschluß dargelegten Auffassung fest, daß zwar das vom VwGH im Verordnungsprüfungsantrag primär gestellte Begehren prozessual nicht zulässig ist (weil ihm die in §57 Abs1 iVm. §15 Abs2 VerfGG geforderte Bestimmtheit fehlt), dagegen aber das erste Eventualbegehren.
Der Gerichtshof bleibt auch auf dem im Prüfungsbeschluß eingenommenen Standpunkt, daß der zweite Satz des Punktes II Z1 im Textteil des PD 5520 präjudiziell ist, wobei es auf sich beruhen kann, ob der vom Gemeinderat behauptete (aufgrund der im Anlaßverfahren V6/83 vorgelegten Aktenablichtungen jedoch nicht verifizierbare) Umstand zutrifft, daß die Zeichenerklärung als Teil der "Gesamtverordnung" (mit-)beschlossen worden sei. Von dieser Prämisse der erstatteten Äußerung her gesehen, läßt der Gemeinderat nämlich außer acht, daß der inhaltliche Zusammenhang zwischen der mit 16. August 1976 (also rund zwei Jahre vor der Beschlußfassung über das Plandokument) datierten allgemeinen Zeichenerklärung (welche weitaus mehr Zeichen als die im Plan verwendeten definiert) und den im Plan enthaltenen Festlegungen überhaupt erst durch den zweiten Satz im Punkt II Z1 des Beschlußtextes hergestellt wird; dieser Satz dient - weiter von der erwähnten Prämisse her betrachtet - gerade dem Zweck, der allgemeinen Zeichenerklärung normativen Inhalt in bezug auf den Plan zu verleihen und wäre sonst völlig überflüssig. Geht man hingegen davon aus, daß die vom Gemeinderat aufgestellte Behauptung nicht zutrifft, so gelangt man zu der im Einleitungsbeschluß dargestellten Konsequenz, daß der zweite Satz im Punkt II Z1 die Zeichenerklärung als eine nicht normative Aussage zu einem normativen Teil der Gemeinderatsverordnung erklärt.
2. Soweit die Bedenken des Gerichtshofs die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle unter dem Aspekt der Kundmachung annehmen, erweisen sie sich im Ergebnis als gerechtfertigt.
Der zweite Satz im §1 Abs3 der BauO für Wien ordnet an, daß nach der Kundmachung der Beschlußfassung durch den Gemeinderat (in der für amtliche Mitteilungen der Stadt bestimmten Zeitung und im Amtsblatt zur Wr. Zeitung) jedermann gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten Anspruch auf Ausfolgung der Beschlüsse und der dazugehörigen Planbeilagen hat. Die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes hängt somit davon ab, daß beide dieser Voraussetzungen erfüllt sind, also die Bekanntgabe der Beschlußfassung einerseits und das Bereithalten des Beschlusses samt Planbeilagen zur entgeltlichen Abgabe an Interessenten andererseits (s. VfSlg. 3809/1960 und 4898/1964; vgl. auch
VfSlg. 8350/1978 S 501). Aus der wiedergegebenen Anordnung folgt, daß - wie der Gerichtshof schon im Einleitungsbeschluß angenommen hat - auf Verlangen die verwiesene Zeichenerklärung als Teil des Gemeinderatsbeschlusses (oder der Planbeilage) und nicht erst über eine gesonderte Anforderung auszufolgen ist, mithin ein nicht abtrennbarer Bestandteil der solcherart zu veranlassenden Publikation zu sein hat. Wenn der Gemeinderat, welcher dieser Rechtsauffassung nicht widerspricht, nun vorbringt, daß jedem Interessenten "automatisch" auch jeweils ein Exemplar der Zeichenerklärung gleichzeitig mit dem geforderten Plandokument übergeben, in der Praxis jedoch auf die Übernahme der Zeichenerklärung manchmal verzichtet werde, so kann der Gerichtshof diese Tatsachenbehauptung zumindest für den unmittelbar nach der Bekanntgabe der Beschlußfassung des Gemeinderates liegenden Zeitraum nicht als erwiesen annehmen, weil die gegenteilige Vorgangsweise (nämlich daß die Zeichenerklärung erst auf gesondertes Verlangen gegen ein für sie festgesetztes Entgelt abgegeben wird) gerichtsbekannt ist. Der VfGH braucht daher auf die weitere Frage nicht einzugehen, welche Bedeutung dieser Vorgangsweise bei späterer entgeltlicher Ausfolgung von Gemeinderatsbeschlüssen samt Planbeilagen an Interessenten zukommt.
3. Die in Prüfung genommene Verordnungsstelle war aus dem dargelegten Grund als gesetzwidrig aufzuheben, weshalb es entbehrlich war, das im Einleitungsbeschluß geäußerte weitere Bedenken zu erörtern.
Der Ausspruch über die Verpflichtung der Wr. Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG.
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