Normen
B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ludesch vom 19.06.74
Vlbg RaumplanungsG §2
Vlbg RaumplanungsG §14
B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ludesch vom 19.06.74
Vlbg RaumplanungsG §2
Vlbg RaumplanungsG §14
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG in Verbindung mit Art58 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung die "Aufhebung von Punkt 2 und der Wendung 'und 2' im 1. Satz von Punkt 3 der verbalen Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch vom 19.6.1974, genehmigt von der Vorarlberger Landesregierung mit Beschluß vom 15.10.1974, in der Fassung des Beschlusses der Gemeindevertretung von Ludesch vom 7.6.1988, genehmigt 'mit Schreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung' vom 24.10.1988, Zl VIIa-310.54, wegen Gesetzwidrigkeit".
Die Z2 und die ersten beiden Sätze der Z3 im Text des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch lauten:
"2. Im Bereich von Wohngebieten gelten jene Flächen als Mischgebiete, auf denen sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes Gebäude befinden, die nur in Mischgebieten zulässig sind. Diese Mischgebiete werden durch die Außenwände der bestehenden Gebäude begrenzt.
3. Auf Flächen außerhalb der Außenwände von Gebäuden gemäß Ziff 1 und 2 dürfen Zubauten zur Unterbringung von Wohnräumen bzw Betriebsräumen erstellt werden, wenn die Geschoßflächen der Zubauten ein Ausmaß von insgesamt der Hälfte der Gesamtgeschoßflächen nicht übersteigen, die beim bestehenden Gebäude auf Wohnräume bzw Betriebsräume entfallen. Einer solchen Erweiterung dürfen öffentliche Interessen nicht entgegenstehen."
b) Der Antrag wird in der Sache wie folgt begründet:
"Punkt 2 der verbalen Bestimmungen der Gemeinde Ludesch gestattet es, daß die für das Wohngebiet geltenden Grundsätze durch Schaffung von Mischgebiets-'Inseln' (noch dazu mit im einzelnen variabler Gestaltung und Größe) durchbrochen werden, obwohl der Verordnungsgeber offenkundig die in Rede stehenden Gebiete als Wohngebiet verwendet wissen wollte.
Die Bestimmungen des angefochtenen Punktes 2 können (auch ohne Hinzutreten der in Punkt 3 eingeräumten faktischen Erweiterung des Mischgebietes) zur Konsequenz haben, daß eine nach der Gesamtgestaltung eines Gebietes vorgesehene Wohngegend entweder durch in sie eingebettete Mischgebietssplitter, oder aber durch die Konfiguration und Größe auch nur weniger in sie eingebettete Mischgebietssplitter den im dritten Absatz des §14 RPG vorgeschriebenen Charakter als Wohngebiet einbüßt und so in Wahrheit insgesamt zum Mischgebiet wird.
Die bekämpfte Regelung des Punktes 2 widerspricht der in §14 Abs1 RPG geforderten 'gesonderten' Festlegung der verschiedenen Kategorien von Bauflächen und der daraus resultierenden unterschiedlichen Gestaltung dieser Flächen in den - hier relevanten - Absätzen 3 und 4 dieses Paragraphen.
Die durch den angefochtenen Punkt 2 bewirkte Vermischung zweier Widmungsarten und die ermöglichte Verfälschung des Charakters eines Wohngebietes wird durch die in Punkt 3 der genannten Bestimmungen eingeräumte Möglichkeit der faktischen Vergrößerung des Mischgebietes im Wohngebiet noch verstärkt. Dies aber bedingt die Gesetzwidrigkeit der bekämpften verbalen Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch, weshalb der Landesvolksanwalt deren Behebung beantragt."
2. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Ludesch verteidigt in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Regelung und führt zunächst aus:
"Die Gemeindevertretung von Ludesch ging sowohl bei der Beschlußfassung im Jahre 1974, ganz besonders aber bei der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes ab 1984 davon aus, daß die gewachsene Dorfstruktur im Sinne des §2 Raumplanungsgesetz und der darin enthaltenen raumplanerischen Ziele zu berücksichtigen ist. In einer charakteristischen, ländlichen Gemeinde wie Ludesch, in der bis in die 70iger Jahre dieses Jahrhunderts die Landwirtschaft und der Ackerbau eine sehr dominierende Rolle spielten, sind auch die gewachsenen Strukturen und deren Nutzung ein wichtiges Merkmal. Es war daher oberstes Ziel klare Widmungsstrukturen, unter Einbeziehung möglichster Sicherheit und Schonung für den Bestand, zu schaffen. Dabei wurde sowohl die landwirtschaftliche wie auch die gewerbliche Entwicklung miteingebunden. Wir möchten festhalten, daß dies der Gemeinde Ludesch gut gelungen ist."
Die Gemeindevertretung betont, die bekämpfte Regelung betreffe "nur einen einzigen Fall, der bei Nichtanwendung dieser Bestimmungen zu einem Härtefall geworden wäre", und zwar eine Betriebsanlage "am Rande eines sehr schönen Wohngebietes im Bereich des Gemeindezentrums" und meint sodann:
"Die Gemeindevertretung hat bei der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes von einer inselartigen Widmung in Baumischgebiet abgesehen und durch die Aufnahme der verbalen Bestimmungen in den Flächenwidmungsplan eine klare Aussage getroffen, nämlich, daß der seit über 30 Jahren bestehende Familienbetrieb in seinem Bestand erhalten bleibt und eine begrenzte Entwicklungsmöglichkeit hat. Damit konnten auch private Interessen mit den Interessen des Gesamtwohles der Bevölkerung am besten entsprochen werden.
Auf Grund der sehr schönen bestehenden Wohnlage wurde für dieses Gebiet die Widmung Bauwohngebiet festgelegt, bei einer inselartigen Widmung in Baumischgebiet wäre damit aus raumplanerischer Sicht ein zusammenhängendes Widmungsgebiet aufgesplittert worden.
Es ist daher durch diese Bestimmungen ein Ausweiten dieses Betriebes nicht mehr möglich, sodaß hier dem Raumplanungsgesetz §2 und 3 und den Raumplanungszielen entsprochen wird, die Befürchtung einer Verfälschung oder Aufsplitterung durch eine Erweiterung von Baumischgebiet in Bauwohngebiet nicht eingetreten ist, und daß in allen in Ludesch gewidmeten Bauwohngebieten kein weiterer Betrieb steht, der unter diese Bedingungen fällt.
Die Gegenüberstellung der Wohnflächen (Bauwohngebiet) in diesem Bereich des Flächenwidmungsplanes von 34902 m2 zur gewerblich genutzten Fläche dieses einen Betriebes mit 2264 m2 zeigt, daß hier durch die umsichtige Auslegung der verbalen Bestimmungen der Charakter dieses Wohngebietes, sowie die in Ludesch sehr klaren Widmungsstrukturen, nicht negativ beeinflußt werden."
3. Die Vorarlberger Landesregierung begehrt in ihrer Äußerung die Abweisung des vorliegenden Antrags, hält für den Fall der Aufhebung "Bestandsregelungen auf Gesetzesstufe" für erforderlich und regt daher diesfalls eine Fristsetzung von einem Jahr für das Außerkrafttreten an.
Die Landesregierung meint, die Ausführungen des Landesvolksanwaltes gingen an der Sachlage des vorliegenden Falles vorbei, und führt aus:
"Bei den zur Aufhebung beantragten Bestimmungen handelt es sich nämlich um Bestandsregelungen, diese Bestimmungen beziehen sich nicht auf nach dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes errichtete Gebäude. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Ludesch führt in ihrer Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof vom 15. April 1994, Zl. 131-9-169/94, aus, daß sich in Anwendung der zur Aufhebung beantragten verbalen Bestimmungen auf der gesamten in der Gemeinde Ludesch als Wohngebiet gewidmeten Fläche lediglich eine Betriebsanlage findet. Weder der Bestand einer einzigen Betriebsanlage noch die Erweiterung eines einzigen Betriebes in einem nach den verbalen Bestimmungen zugelassenen Ausmaß vermögen aber die vom Landesvolksanwalt skizzierte Verfälschung einer Widmungsart oder Vermischung zweier Widmungsarten zu bewirken. Die zur Aufhebung beantragten Bestimmungen werden daher in der Gemeinde Ludesch für rechtmäßig gehalten.
Ergänzend wird bemerkt, daß gemäß §14 Abs1 des Raumplanungsgesetzes eine Unterteilung von Bauflächen in Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete nicht zwingend, sondern nur nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit festzulegen ist. Die vom Antragsteller vertretene strenge Trennung des Mischgebietes vom Wohngebiet würde auch dazu führen, daß ein Gebiet im Zweifel jedenfalls als Mischgebiet statt als Wohngebiet zu widmen wäre, was den Interessen der betroffenen Bevölkerung nicht dienlich ist. Eine aus sachlicher Sicht vertretbare Durchmischung insbesondere des Wohn- und Mischgebietes ist nach dem heutigen Planungsverständnis im übrigen durchaus erwünscht."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen (s. die mit dem Erkenntnis VfSlg. 10966/1986 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) - Antrag erwogen:
1.a) Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 13180/1992 - auf welches sich der Landesvolksanwalt in seinem Antrag stützt - betreffend Textstellen des Flächenwidmungsplanes Hard (Vorarlberg) ausgesprochen, daß der Verordnungsgeber die für das Wohngebiet geltenden Grundsätze durch Schaffung zahlreicher Mischgebiets-"Inseln" nicht in extensiver Weise durchbrechen darf. Die - im Falle des genannten Erkenntnisses
VfSlg. 13180/1992 aufgehobenen - Textstellen konnten zur Konsequenz haben, daß eine nach der Gesamtgestaltung eines Gebietes vorgesehene Wohngegend durch eine große Anzahl in sie eingebetteter Mischgebietssplitter den im dritten Absatz des §14 RPG vorgeschriebenen Charakter als Wohngebiet einbüßt und so in Wahrheit insgesamt zum Mischgebiet wird. Der Verordnungsgeber darf nicht jedwede Kombination von Baulandwidmungen in jedweder Gestaltung und Größe verfügen. Hiebei sind vielmehr die Raumplanungsziele des §2 RPG sowie insbesondere der Umstand zu beachten, daß der Gesetzgeber für die verschiedenen Arten der Bauflächen in §14 dieses Gesetzes durchaus unterschiedliche Kriterien festgelegt hat.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Rechtsprechung (deren Erwägungen im übrigen auch bei Streulagen im Grünland eine Rolle spielen; s. VfGH 8.3.1994 V115/92 sowie VfGH 1.10.1994 V63/94).
b) Die Vorarlberger Landesregierung und die Gemeindevertretung von Ludesch sind jedoch im Recht, wenn sie meinen, daß im vorliegenden Fall eine andere Sachlage gegeben sei. Der für die Gesetzwidrigkeit der Regelung im Fall des Erkenntnisses VfSlg. 13180/1992 maßgebliche Umstand des Vorhandenseins einer größeren Anzahl von Mischgebietssplittern liegt nämlich hier - unbestrittenermaßen - nicht vor. Bei einem einzigen derartigen Mischgebiet im Wohngebiet - wie Landesregierung und Gemeindevertretung übereinstimmend und unwidersprochen ausführen - kann jedenfalls nicht davon die Rede sein, daß der Wohngebietscharakter verloren geht, weil die für das Wohngebiet geltenden Grundsätze in extensiver Weise durchbrochen werden und daß dieses Gebiet so in Wahrheit insgesamt zum Mischgebiet wird. Neue Mischgebietssplitter können nach der bekämpften Regelung, welche auf den Bestand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes abstellt, jedenfalls nicht entstehen. Eine unzulässige Durchmischung von Widmungsarten wurde somit im vorliegenden Fall durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen nicht bewirkt und liegt auch nicht vor.
Aus diesen Erwägungen kann der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des Landesvolksanwalts von Vorarlberg nicht teilen.
2. Der Verfassungsgerichtshof bemerkt, daß es dem Verordnungsgeber bei einer Sachlage wie der hier vorliegenden auch freigestanden wäre, seine den gegebenen Bestand (vorhandene Betriebsanlage) fortschreibende Planung (gegen die der Landesvolksanwalt als solche nichts vorgebracht hat) durch zeichnerische Festlegung der Widmung auf dem Plan selbst zum Ausdruck zu bringen, ohne durch die allgemein gehaltenen Formulierungen im Text zum Flächenwidmungsplan den Eindruck einer größeren Anzahl davon erfaßter Fälle zu erwecken.
Der Gerichtshof bemerkt weiters, daß er nach seiner ständigen Rechtsprechung an die vorgebrachten Bedenken gebunden ist (s. zB VfSlg. 12674/1991 und die dort zitierte Vorjudikatur) und daher nicht zu prüfen hat, ob die bekämpfte Regelung etwa aus anderen Gründen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 8.3.1994 V115/92 und vom 1.10.1994 V63/94) rechtswidrig ist.
3. Der Antrag ist somit abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
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