VfGH V36/2023

VfGHV36/202328.11.2023

Aufhebung eines Flächenwidmungsplans der Gemeinde Damüls auf Grund gesetzwidriger Kundmachung mangels öffentlichen Anschlags des Flächenwidmungsplans oder eines Hinweises an der Amtstafel der Gemeinde auf die Auflegung im Gemeindeamt

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
Flächenwidmungsplan der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls vom 06.05.2003
Vlbg RaumplanungsG §21, §23
Vlbg GemeindeG §32
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:V36.2023

 

Spruch:

I. 1. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003, Z VIIa-602.18, wird, soweit er sich auf das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Im Übrigen wird der Antrag, soweit er sich gegen den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976, richtet, zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 beschlossenen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls betreffend das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, hinsichtlich der Widmung in "Freifläche Freihaltegebiet" (erster Hauptantrag), in eventu den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 beschlossenen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls zur Gänze (erster Eventualantrag), sowie den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976 beschlossenen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls betreffend das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, hinsichtlich der Widmung in "Freifläche Landwirtschaftsgebiet" (zweiter Hauptantrag), in eventu den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976 beschlossenen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls zur Gänze (zweiter Eventualantrag) als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Gesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz), LGBl 39/1996, lauten − auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original − wie folgt:

"§21

Verfahren

 

(1) Der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf des Flächenwidmungsplanes ist einen Monat im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Sie ist, wenn ein Amtsblatt der Gemeinde (Gemeindeblatt) besteht, in diesem, und sie ist weiters in mindestens einer Tageszeitung, deren Erscheinungsort in Vorarlberg liegt, kundzumachen. Die Unterlassung der Kundmachung der Auflage - ausgenommen durch Anschlag an der Amtstafel - hat auf die Wirksamkeit der Verordnung keinen Einfluss. Während der Auflagefrist ist im Gemeindeamt ein allgemein verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes in der erforderlichen Anzahl aufzulegen.

 

(2) Von der Auflage nach Abs1 sind das Amt der Landesregierung, das Militärkommando für Vorarlberg, die Agrarbezirksbehörde, die zuständige Bergbehörde, die Sektion Bregenz der Forsttechnischen Abteilung für Wildbach- und Lawinenverbauung, das Landeswasserbauamt, alle angrenzenden Gemeinden und sonstigen öffentlichen Dienststellen, deren Belange durch den Flächenwidmungsplan wesentlich berührt werden, zu verständigen.

 

(3) Während der Auflagefrist kann jeder Gemeindebürger oder Eigentümer von Grundstücken, auf die sich der Flächenwidmungsplan bezieht, zum Entwurf schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstatten. Darauf ist in der Kundmachung nach Abs1 hinzuweisen. Eingelangte Änderungsvorschläge und Äußerungen der im Abs2 genannten Stellen sind der Gemeindevertretung vor der Beschlussfassung über den Flächenwidmungsplan zur Kenntnis zu bringen.

 

(4) Wenn beabsichtigt ist, Flächen als Vorbehaltsflächen oder nicht mehr als Bauflächen, Bauerwartungsflächen oder Sondergebiete zu widmen, sind die betroffenen Grundeigentümer vor der Beschlussfassung nachweislich darüber in Kenntnis zu setzen und ist ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Der §8 Abs2 dritter Satz gilt sinngemäß.

 

(5) Der von der Gemeindevertretung beschlossene Flächenwidmungsplan ist der Landesregierung in dreifacher Ausfertigung samt dem Erläuterungsbericht, den Äußerungen der im Abs2 genannten Stellen, den Änderungsvorschlägen und Stellungnahmen vorzulegen.

 

(6) Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat nach Prüfung der nach Abs5 vorgelegten Äußerungen, Änderungsvorschläge und Stellungnahmen die Genehmigung durch Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan

a) den im §2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,

b) überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt,

c) einen finanziellen Aufwand zur Folge hätte, durch den die Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde gefährdet würde oder

d) auf Planungen des Bundes, des Landes oder anderer Gemeinden nicht Bedacht nimmt.

 

(7) Wenn keine Versagungsgründe nach Abs6 vorliegen, ist der Flächenwidmungsplan durch Bescheid zu genehmigen. Von der Landesregierung genehmigte Flächenwidmungspläne unterliegen nicht der Verordnungsprüfung gemäß §84 des Gemeindegesetzes.

 

(8) Jedermann hat das Recht, im Gemeindeamt während der hiefür bestimmten Amtsstunden in den rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Einsicht zu nehmen."

 

"§23

Änderung

 

(1) Der Flächenwidmungsplan darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern

a) bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder

b) bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.

 

(2) Für das Verfahren bei Änderung des Flächenwidmungsplanes gelten - ausgenommen im Falle des Abs3 - die Bestimmungen des §21 sinngemäß. Eine Planauflage ist jedoch nicht erforderlich, wenn die betroffenen Grundeigentümer vor der Beschlussfassung nachweislich darüber in Kenntnis gesetzt werden und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt wird. Diesfalls gilt der §8 Abs2 dritter Satz sinngemäß. Eine Planauflage ist auch nicht erforderlich, wenn die Widmung durch einen Landesraumplan vorgegeben ist. Die Anhörung öffentlicher Dienststellen kann auf jene, deren Belange durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes wesentlich berührt werden, begrenzt werden.

 

(3) […]"

2. Die maßgebliche Bestimmung des Vbg Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (Gemeindegesetz), LGBl 40/1985, lautet − ohne die Hervorhebungen im Original − wie folgt:

"§32

Kundmachung von Verordnungen

 

(1) Verordnungen der Gemeindeorgane bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung. Die Kundmachung hat, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Anschlag an der Amtstafel zu erfolgen. Der Bürgermeister hat den Anschlag an der Amtstafel ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, treten solche Verordnungen mit Beginn des auf die Kundmachung folgenden Tages in Kraft.

 

(2) Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zulässt, sind im Gemeindeamt während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist nach Abs1 kundzumachen.

 

(3) Verordnungen der Gemeinde sind, wenn für eine Gemeinde ein Amtsblatt (Gemeindeblatt) besteht, auch in diesem kundzumachen. Hiebei gilt der Abs2 sinngemäß.

 

(4) Durch eine Unterlassung der Kundmachung im Amtsblatt (Gemeindeblatt) wird das Inkrafttreten der Verordnung nicht berührt.

 

(5) Jede Gemeinde hat eine Verordnungssammlung anzulegen, die im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen ist."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Damüls vom 2. August 2022 wurde der Antrag der beteiligten Parteien auf Vorprüfung für den Bau von sechs Carports auf dem Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, gemäß §23 Abs4 Vorarlberger Baugesetz abgewiesen. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, die Gemeinde Damüls gehe zu Unrecht davon aus, dass das Grundstück seit der Erlassung des ersten Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls im Jahr 1976 als "Freifläche Landwirtschaftsgebiet" gewidmet sei. Diese Widmung sei nicht rechtswirksam, weil dieser Flächenwidmungsplan nicht in rechtskonformer Weise kundgemacht worden sei. Auch durch die im Jahr 2003 durchgeführte Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls sei das Grundstück nicht als "Freifläche Freihaltegebiet" gewidmet worden, weil auch diese Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes nicht in gesetzmäßiger Weise kundgemacht worden sei.

1.2. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls wurde am 25. August 1976 von der Gemeindevertretung beschlossen.

1.3. In ihrer Sitzung vom 22. Oktober 2001 hat die Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls den Entwurf einer (Gesamt‑)Änderung des Flächenwidmungsplanes ("Gesamtüberarbeitung") beschlossen. Dieser Entwurf lag vom 3. Dezember 2001 bis zum 4. Jänner 2002 zur öffentlichen Einsicht am Gemeindeamt auf. Die Auflegung war durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Damüls vom 27. November 2001 bis zum 18. Februar 2002 kundgemacht.

Nach Behandlung der eingelangten Äußerungen wurde die Änderung des Flächenwidmungsplanes in der Sitzung der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls vom 6. Mai 2003 beschlossen.

Der Flächenwidmungsplan wurde mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003, VIIa‑602.18, aufsichtsbehördlich genehmigt. Im Bescheid heißt es ua: "Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung, die unverzüglich nach Zustellung dieses Schreibens vom Bürgermeister durchzuführen ist."

Ausschließlich dieser Genehmigungsbescheid war vom 10. Juni 2003 bis zum 22. Juli 2003 an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen.

2. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg habe gemäß §23 Abs2 lita Vorarlberger Baugesetz im Rahmen der Vorprüfung zu prüfen, ob dem Bauvorhaben eine Verordnung nach dem Raumplanungsgesetz entgegenstehe. Der Erfolg der Beschwerde hänge davon ab, ob die Widmung des Grundstücks in "Freifläche" rechtswirksam erfolgt sei.

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hege Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des am 25. August 1976 von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls beschlossenen Flächenwidmungsplanes, weil aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass dieser durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht worden sei, obwohl dies nach §32 Gemeindegesetz erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus bestünden Bedenken hinsichtlich der Bescheidqualität des Schreibens der Vorarlberger Landesregierung vom 15. Dezember 1976 an das Gemeindeamt Damüls betreffend die Genehmigung des Flächenwidmungsplanes, weil dieses nicht alle wesentlichen Merkmale eines Bescheides aufweise (etwa Bezeichnung als Bescheid, Rechtsmittelbelehrung), obwohl der Flächenwidmungsplan gemäß §19 Abs7 Raumplanungsgesetz durch Bescheid zu genehmigen sei.

2.3. Auch hinsichtlich der am 6. Mai 2003 beschlossenen Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes sei aus den dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg vorgelegten Akten nicht ersichtlich, dass ein gemäß §32 Gemeindegesetz erforderlicher Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Damüls stattgefunden hätte. Der geänderte Flächenwidmungsplan sei allerdings in der öffentlich zugänglichen Applikation "Vorarlberg Atlas" abrufbar, faktisch bekannt, von den Normadressaten tatsächlich zur Kenntnis genommen worden und werde seit etwa 20 Jahren ständig angewendet. Es sei nach dem Inhalt der vorgelegten Akten auch keine direkte Verständigung des damaligen Eigentümers des Grundstücks Nr 536/5, KG Damüls, über die Umwidmung von "Freifläche Landwirtschaftsgebiet" in "Freifläche Freihaltegebiet" erfolgt. Weiters bestehe hinsichtlich des geänderten Flächenwidmungsplanes das Bedenken, dass die Erledigung der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003 an das Gemeindeamt Damüls nicht als Bescheid anzusehen sei und daher die gemäß §21 Abs7 Raumplanungsgesetz mit Bescheid zu erteilende aufsichtsbehördliche Genehmigung fehle.

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnungen vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

3.1. Das Schriftstück vom 15. Dezember 1976 sei als bescheidmäßige Genehmigung des Flächenwidmungsplanes vom 25. August 1976 anzusehen. Es sei davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße Kundmachung erfolgt sei, ein Vermerk über den erfolgten Anschlag könne allerdings nicht aufgefunden werden. Der Flächenwidmungsplan sei laut Protokoll der Gemeindevertretung vom 26. August 1976 in der am 25. Juni 1976 beschlossenen Form zur Einsichtnahme aufgelegt und von den Normadressaten zur Kenntnis genommen worden.

3.2. Zur Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 2003 sei zwischenzeitig in den Akten die mit dem Anschlagsvermerk versehene Ausfertigung der Genehmigung des Flächenwidmungsplanes des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003 aufgefunden worden, aus der sich ergebe, dass der Anschlag am 10. Juni 2003 und die Abnahme am 22. Juli 2003 erfolgt seien. Es sei daher davon auszugehen, dass der Flächenwidmungsplan ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Das Genehmigungsschreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung erfülle die an einen Bescheid zu richtenden Anforderungen. Die erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung liege daher vor.

4. Die Vorarlberger Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag Folgendes entgegengehalten wird:

4.1. Im Jahr 2003 sei der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls neu erlassen worden. Die von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 beschlossene Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes sei auf Grund des Beschlusses der Vorarlberger Landesregierung vom 27. Mai 2003 mit Bescheid vom 2. Juni 2003, VIIa‑602.18, aufsichtsbehördlich genehmigt worden. Im aufsichtsbehördlichen Akt der Landesregierung finde sich kein Hinweis darauf, dass die Auflage zur Kundmachung dieser Änderung des Flächenwidmungsplanes an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen worden wäre. Auf Grund der Plangröße sei eine Kundmachung des in Rede stehenden Flächenwidmungsplanes an der Amtstafel der Gemeinde Damüls nicht möglich gewesen. Für eine ordnungsgemäße Kundmachung sei es daher nach §32 Abs2 Gemeindegesetz erforderlich gewesen, den Flächenwidmungsplan während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist zur öffentlichen Einsicht aufzulegen und die Auflegung durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Nach Mitteilung der Gemeinde Damüls liege der Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 2003 im Gemeindeamt auf und könne während der Amtsstunden eingesehen werden. Weiters sei auf einer Kopie des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsbescheides vom 2. Juni 2003 ein "Anschlagsvermerk" erkennbar, aus dem sich ergebe, dass der aufsichtsbehördliche Genehmigungsbescheid vom 10. Juni 2003 bis zum 22. Juli 2003 an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen gewesen sei. Mit dem darin angeführten Hinweis, dass der Flächenwidmungsplan zu seiner Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung, die unverzüglich nach Zustellung dieses Schreibens vom Bürgermeister durchzuführen sei, bedürfe, werde implizit klargestellt, dass der Flächenwidmungsplan während der Dauer des Anschlages im Gemeindeamt eingesehen werden könne. Der Anschlag des Genehmigungsbescheides an der Amtstafel in Verbindung mit dem dargestellten Inhalt sei daher als Kundmachung über die erfolgte Auflage im Sinne des §32 Abs2 letzter Satz Gemeindegesetz zu qualifizieren. Es liege daher keine gesetzwidrige Kundmachung vor.

4.2. Die aufsichtsbehördliche Erledigung vom 2. Juni 2003, VIIa‑602.18, sei von der Landesregierung als zuständiger Aufsichtsbehörde gegenüber der Gemeinde Damüls erlassen worden. Aus dieser gehe objektiv erkennbar der Bescheidwille hervor, den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 beschlossenen Flächenwidmungsplan aufsichtsbehördlich zu genehmigen. Unter Berücksichtigung des §21 Abs7 Raumplanungsgesetz, wonach die aufsichtsbehördliche Genehmigung mit Bescheid zu erteilen sei, sei die in Rede stehende Erledigung im Ergebnis als Bescheid zu werten. Die erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung liege daher vor.

4.3. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass der Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 2003 rechtlich existent und Bestandteil der Rechtsordnung geworden sei (Anschlag der aufsichtsbehördlichen Genehmigung an der Amtstafel und Auflage zur Einsicht beim Gemeindeamt; Erfassung und Veröffentlichung durch die Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Landesregierung im "Vorarlberg Atlas" auf der Homepage des Landes; tatsächliche Anwendung durch die Baubehörde). Es sei daher davon auszugehen, dass der im Jahr 2003 neu erlassene Flächenwidmungsplan den bis dahin geltenden Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1976 ersetzt habe bzw diesem materiell derogiert worden sei. Daraus ergebe sich, dass der Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1976 im Anlassfall nicht mehr anzuwenden sei und der bezügliche Antrag daher mangels Präjudizialität unzulässig sei.

5. Die Parteien des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließen und ergänzend ausführen, dass sich aus dem Protokoll der Sitzung der Gemeindevertretung vom 6. Mai 2003 keine Beschlussfassung über den gesamten Flächenwidmungsplan, insbesondere auch nicht über das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, ergebe und eine ausreichende Grundlagenforschung für die Änderung des Flächenwidmungsplanes fehle. Die beteiligten Parteien seien als Miteigentümer des Grundstückes Nr 536/5, KG Damüls, auch nicht persönlich von der Umwidmung verständigt worden. In einer ergänzenden Äußerung haben die beteiligten Parteien vorgebracht, dass im Auflageentwurf vom 22. Oktober 2001 das Grundstück planerisch nicht dargestellt sei.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Vorarlberger Landesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976, auf welchen sich der zweite Hauptantrag samt Eventualantrag des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg bezieht, in Zweifel.

Mit diesem Vorbringen ist die Vorarlberger Landesregierung im Recht:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B‑VG, welcher gemäß Art135 Abs4 B‑VG auf die Verwaltungsgerichte sinngemäß anzuwenden ist, beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt. Es ist dafür nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=20251&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ).

Rechtsverordnungen müssen, um rechtliche Existenz zu erlangen, jedenfalls ein Mindestmaß an Publizität erlangen. Ein solches liegt nicht vor, wenn eine generell-abstrakte Enuntiation einer Behörde nicht ein Mindestmaß an Publizität erreicht, welche sicherstellt, dass sie in die Rechtsordnung Eingang findet (vgl zB VfSlg 11.624/1988, wonach es ausreicht, dass der in Frage stehende behördliche Akt faktisch bekannt und von den Normadressaten zur Kenntnis genommen wurde; sowie VfSlg 12.382/1990, wonach die Auflage im Rathaus während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht und der Umstand, dass ein Plandokument in dauernder Anwendung steht, jenes Mindestmaß an Publizität herstellt; VfGH 26.9.2014, V57/2014 ua zur Auflage im Gemeindeamt und Verständigung der Betroffenen; VfSlg 20.182/2017 uva.).

Die Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls beschloss am 6. Mai 2003 einen (neuen) Flächenwidmungsplan. Dieser Plan wurde mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003 aufsichtsbehördlich genehmigt. Der Genehmigungsbescheid war vom 10. Juni 2003 bis zum 22. Juli 2003 an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen. Der Flächenwidmungsplan selbst liegt seit 2003 im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht auf und steht seit damals in dauernder Anwendung; er wurde außerdem in die Applikation "Vorarlberg Atlas" auf der Homepage des Landes Vorarlberg eingespielt und ist dort abrufbar.

Vor diesem Hintergrund hat der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 – unabhängig von der Frage, ob er gesetzmäßig kundgemacht wurde –, das entsprechende Mindestmaß an Publizität erlangt, um als Rechtsverordnung in rechtliche Existenz getreten zu sein, sodass der Flächenwidmungsplan mit verbindlicher Wirkung zustande gekommen ist und in Geltung steht.

Der räumliche Geltungsbereich der am 6. Mai 2003 beschlossenen Gesamtänderung des Flächenwidmungsplanes erstreckt sich auf das gesamte Gemeindegebiet der Gemeinde Damüls und sohin auch auf das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, sodass er dem Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1976 jedenfalls hinsichtlich dieses Grundstückes materiell derogiert. Der dem Anlassverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg zugrunde liegende Antrag auf Vorprüfung eines Bauvorhabens auf dem genannten Grundstück gemäß §23 Vorarlberger Baugesetz wurde am 19. April 2022 gestellt. Zur Prüfung, ob dem Bauvorhaben nach Abs2 lita leg cit eine Verordnung nach dem Raumplanungsgesetz entgegensteht, ist der im Entscheidungszeitpunkt hierüber in Geltung stehende, sohin der am 6. Mai 2003 beschlossene Flächenwidmungsplan heranzuziehen. Es ist hingegen denkunmöglich, dass im Rahmen der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg der frühere, am 25. August 1976 beschlossene Flächenwidmungsplan anzuwenden ist. Der Antrag erweist sich daher als unzulässig, soweit er sich gegen den von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976 beschlossenen Flächenwidmungsplan richtet (zweiter Hauptantrag und zweiter Eventualantrag).

1.3. Hingegen ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003 beschlossenen Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls, soweit sich dieser auf das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls, bezieht, zweifeln ließe. Da bezogen auf diese Verordnung auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der (erste) Hauptantrag des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg als zulässig. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den (ersten) Eventualantrag einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg begründet seinen Antrag damit, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, dass eine Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde Damüls über die Auflegung des am 6. Mai 2003 beschlossenen Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls stattgefunden habe. Es bestünden daher Bedenken hinsichtlich der gesetzmäßigen Kundmachung dieses Flächenwidmungsplanes.

2.3. Die Anforderungen an die Kundmachung eines Flächenwidmungsplanes ergeben sich aus §32 Gemeindegesetz. Gemäß §32 Abs1 Gemeindegesetz hat die Kundmachung einer Verordnung durch deren Anschlag an der Amtstafel zu erfolgen. Der Bürgermeister hat den Anschlag an der Amtstafel ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zulässt, sind gemäß §32 Abs2 Gemeindegesetz im Gemeindeamt während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. In diesem Fall ist die Auflegung nach §32 Abs1 Gemeindegesetz kundzumachen.

Die Vorarlberger Landesregierung geht davon aus, dass auf Grund der Plangröße eine Kundmachung des Flächenwidmungsplanes durch Anschlag an der Amtstafel nicht möglich gewesen sei. In den vorgelegten Akten findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass die Kundmachung der Auflegung des Flächenwidmungsplanes im Sinne des §32 Abs2 Gemeindegesetz an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen worden wäre. Wie sich aus den Ausführungen des Bürgermeisters der Gemeinde Damüls und den Akten des Verordnungserlassungsverfahrens übereinstimmend ergibt, war lediglich der aufsichtsbehördliche Genehmigungsbescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003 im Zeitraum vom 10. Juni 2003 bis zum 22. Juli 2003 an der Amtstafel der Gemeinde Damüls angeschlagen und lag bzw liegt der Flächenwidmungsplan beim Gemeindeamt Damüls zur allgemeinen Einsicht auf. Entgegen der Ansicht der Vorarlberger Landesregierung wird die Kundmachung (ausschließlich) des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsbescheides an der Amtstafel der Gemeinde den Anforderungen des §32 Abs1 und 2 Gemeindegesetz nicht gerecht, weil dadurch weder die Verordnung selbst angeschlagen war noch die Kundmachung einen Hinweis darauf enthielt, dass die Verordnung während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist am Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht aufliegt (vgl VfSlg 19.006/2010 zur vergleichbaren Bestimmung des §92 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967). Daran vermag der Hinweis im Bescheid, wonach der "Flächenwidmungsplan […] zu seiner Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung [bedarf], die unverzüglich nach Zustellung dieses Schreibens vom Bürgermeister durchzuführen ist", nichts zu ändern.

Die Kundmachung des angefochtenen Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Damüls entsprach daher nicht den Anforderungen des §32 Abs1 und 2 Gemeindegesetz.

2.4. Vor diesem Hintergrund ist auf das sonstige Antragsvorbringen betreffend die fehlende Bescheidqualität der aufsichtsbehördlichen Genehmigung vom 2. Juni 2003 und die fehlende Verständigung der Grundeigentümer im Planungsverfahren nicht mehr einzugehen.

V. Ergebnis

1. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 6. Mai 2003, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Juni 2003, ist daher, soweit er sich auf das Grundstück Nr 536/5, KG Damüls bezieht, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Im Übrigen ist der Antrag, soweit er sich gegen den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Damüls, beschlossen von der Gemeindevertretung der Gemeinde Damüls am 25. August 1976, richtet, als unzulässig zurückzuweisen.

3. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litf Vbg Kundmachungsgesetz.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Den beteiligten Parteien sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

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