VfGH V333/2023

VfGHV333/202319.9.2023

Zurückweisung eines Aufhebungsantrags betreffend die IG-L-GeschwindigkeitsbeschränkungsV für die A12 Inntal Autobahn und die A13 Brenner Autobahn mangels Präjudizialität

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z1
IG-L-GeschwindigkeitsbeschränkungsV des Landeshauptmannes vom 17.11.2014 für die A12 Inntal Autobahn und die A13 Brenner Autobahn §3 Abs1 litb
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:V333.2023

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "der Verfassungsgerichtshof möge ein Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG in Bezug auf die nicht gehörige Kundmachung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h laut der Verordnung des Landeshauptmannes vom 17. November 2014, mit der für bestimmte Abschnitte der A 12 Inntal Autobahn und der A 13 Brenner Autobahn eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h festgesetzt wird (IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung), LGBl Nr 145/2014, gemäß Art139 Abs3 iVm Abs4 B‑VG einleiten und

a) die Zeichenfolge in §3 Abs1 litb, vierte Aufzählung, IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung

'von Straßenkilometer 67,903 (Koordinaten: 47.274445 N, 11.504440 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_Al2_2_067,90) im Gemeindegebiet von Ampass bis Straßenkilometer 2,975 (Koordinaten: 47.589206 N, 12.161909 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_Al2_2_002,97) im Gemeindegebiet von Kufstein'

als gesetzwidrig aufheben bzw feststellen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung in diesem Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung gesetzwidrig war,

 

in eventu

 

b) §3 Abs1 lit b als gesetzwidrig aufheben bzw feststellen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung in diesem Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung gesetzwidrig war,

 

in eventu

 

c) feststellen, dass die gesamte Verordnung in diesem Geltungszeitraum ab ihrer Kundmachung gesetzwidrig war."

 

II. Rechtslage

1. §3 der Verordnung des Landeshauptmannes vom 17. November 2014, mit der für bestimmte Abschnitte der A 12 Inntal Autobahn und der A 13 Brenner Autobahn eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h festgesetzt wird (im Folgenden: IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung), in der Stammfassung LGBl 145/2014, lautet wie folgt (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§3

Maßnahme

 

(1) Für folgende Abschnitte der A 12 Inntal Autobahn und der A 13 Brenner Autobahn wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit, unbeschadet des Abs2, mit 100 km/h festgesetzt:

a) auf der Richtungsfahrbahn Bregenz der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 0,050 (Koordinaten: 47.604844 N, 12.192861 O) im Gemeindegebiet von Kufstein bis Straßenkilometer 65,699 (Koordinaten: 47.278099 N, 11.532606 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_065,69) im Gemeindegebiet von Tulfes,

 von Straßenkilometer 80,498 (Koordinaten: 47.253182 N, 11.348182 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_080,49) im Gemeindegebiet von Innsbruck bis Straßenkilometer 90,532 (Koordinaten: 47.269929 N, 11.228743 O) im Gemeindegebiet von Zirl,

 von Straßenkilometer 131,543 (Koordinaten: 47.217606 N, 10.748928 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_131,54) im Gemeindegebiet von Imst bis Straßenkilometer 136,480 (Koordinaten: 47.210533 N, 10.685488 O; Standort des Tunnelvorportal-Verkehrszeichens TVP_A12_1_136,48) im Gemeindegebiet von Mils bei Imst,

 von Straßenkilometer 141,010 (Koordinaten: 47.187360 N, 10.640815 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_141,01) im Gemeindegebiet von Schönwies bis Straßenkilometer 144,739 (Koordinaten: 47.172142 N, 10.598887 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_144,73) im Gemeindegebiet von Zams;

b) auf der Richtungsfahrbahn Kufstein der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 145,433 (Koordinaten: 47.169042 N, 10.590947 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_145,43) im Gemeindegebiet von Zams bis Straßenkilometer 141,010 (Koordinaten: 47.187134 N, 10.641048 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_141,01) im Gemeindegebiet von Schönwies,

 von Straßenkilometer 136,180 (Koordinaten: 47.211337 N, 10.689307 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_136,18) im Gemeindegebiet von Mils bei Imst bis Straßenkilometer 132,008 (Koordinaten: 47.216745 N, 10.743018 O; Standort des Tunnelvorportal-Verkehrszeichens TVP_A12_2_132,00) im Gemeindegebiet von Imst,

 von Straßenkilometer 90,532 (Koordinaten: 47.269762 N, 11.228453 O) im Gemeindegebiet von Zirl bis Straßenkilometer 80,960 (Koordinaten: 47.251846 N, 11.342395 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_080,96) im Gemeindegebiet von Völs,

von Straßenkilometer 67,903 (Koordinaten: 47.274445 N, 11.504440 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_067,90) im Gemeindegebiet von Ampass bis Straßenkilometer 2,975 (Koordinaten: 47.589206 N, 12.161909 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_002,97) im Gemeindegebiet von Kufstein;

c) auf der Richtungsfahrbahn Brenner der A 13 Brenner Autobahn:

 von Straßenkilometer 3,163 (Koordinaten: 47.239035 N, 11.390314 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A13_1_003,16) im Gemeindegebiet von Natters bis Straßenkilometer 8,163 (Koordinaten: 47.197416 N, 11.398227 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A13_1_008,16) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital,

 von Straßenkilometer 11,065 (Koordinaten: 47.183091 N, 11.408888 O) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital bis Straßenkilometer 12,000 (Koordinaten: 47.176493 N, 11.416147 O) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital.

 

(2) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 gilt nicht, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine niedrigere oder gleich hohe Höchstgeschwindigkeit angeordnet ist.

 

(3) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 wirkt direkt, eine Anordnung mit Bescheid erfolgt nicht."

 

2. Mit der Novelle LGBl 19/2021 wurde die Verordnung ua insofern abgeändert, als diese nunmehr mit §3 und dem neu eingeführten §3a zwischen ganzjährigen Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen unterscheidet. In §3 der Verordnung, der nunmehr nur mehr jene Streckenabschnitte enthält, auf denen eine ganzjährige Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, wurden mehrere Spiegelstriche gestrichen und im neuen §3a eingefügt. Die Novelle LGBl 19/2021 trat mit 30. Jänner 2021 in Kraft. §3 und §3a der IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung, LGBl 145/2014 idF LGBl 19/2021, lauten nunmehr:

"§3

Ganzjährige Geschwindigkeitsbeschränkung

 

(1) Für folgende Abschnitte der A 12 Inntal Autobahn und der A 13 Brenner Autobahn wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit, unbeschadet des Abs2, ganzjährig mit 100 km/h festgesetzt:

a) auf der Richtungsfahrbahn Bregenz der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 0,050 (Koordinaten: 47.604844 N, 12.192861 O) im Gemeindegebiet von Kufstein bis Straßenkilometer 65,699 (Koordinaten: 47.278099 N, 11.532606 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_065,69) im Gemeindegebiet von Tulfes,

 von Straßenkilometer 80,498 (Koordinaten: 47.253182 N, 11.348182 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_080,49) im Gemeindegebiet von Innsbruck bis Straßenkilometer 90,532 (Koordinaten: 47.269929 N, 11.228743 O) im Gemeindegebiet von Zirl;

b) auf der Richtungsfahrbahn Kufstein der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 90,532 (Koordinaten: 47.269762 N, 11.228453 O) im Gemeindegebiet von Zirl bis Straßenkilometer 80,960 (Koordinaten: 47.251846 N, 11.342395 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_080,96) im Gemeindegebiet von Völs,

 von Straßenkilometer 67,903 (Koordinaten: 47.274445 N, 11.504440 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_067,90) im Gemeindegebiet von Ampass bis Straßenkilometer 2,975 (Koordinaten: 47.589206 N, 12.161909 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_002,97) im Gemeindegebiet von Kufstein;

c) auf der Richtungsfahrbahn Brenner der A 13 Brenner Autobahn:

 von Straßenkilometer 3,163 (Koordinaten: 47.239035 N, 11.390314 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A13_1_003,16) im Gemeindegebiet von Natters bis Straßenkilometer 8,163 (Koordinaten: 47.197416 N, 11.398227 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A13_1_008,16) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital,

 von Straßenkilometer 11,065 (Koordinaten: 47.183091 N, 11.408888 O) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital bis Straßenkilometer 12,000 (Koordinaten: 47.176493 N, 11.416147 O) im Gemeindegebiet von Schönberg im Stubaital.

 

(2) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 gilt nicht, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine niedrigere oder gleich hohe Höchstgeschwindigkeit angeordnet ist.

 

(3) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 wirkt direkt, eine Anordnung mit Bescheid erfolgt nicht.

 

§3a

Zeitliche Geschwindigkeitsbeschränkung

 

(1) Für folgende Abschnitte der A 12 Inntal Autobahn wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit jeweils im Zeitraum 1. November bis 31. Jänner des Folgejahres, unbeschadet des Abs2, mit 100 km/h festgesetzt:

a) auf der Richtungsfahrbahn Bregenz der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 131,543 (Koordinaten: 47.217606 N, 10.748928 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_131,54) im Gemeindegebiet von Imst bis Straßenkilometer 135,060 (Koordinaten: 47.215214 N, 10.702806 O; Standort des Tunnelvorportal-Verkehrszeichens TVP_A12 1 135,06) im Gemeindegebiet von Mils bei Imst,

 von Straßenkilometer 141,010 (Koordinaten: 47.187360 N, 10.640815 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_141,01) im Gemeindegebiet von Schönwies bis Straßenkilometer 144,739 (Koordinaten: 47.172142 N, 10.598887 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_1_144,74) im Gemeindegebiet von Zams;

b) auf der Richtungsfahrbahn Kufstein der A 12 Inntal Autobahn:

 von Straßenkilometer 145,433 (Koordinaten: 47.169042 N, 10.590947 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_145,43) im Gemeindegebiet von Zams bis Straßenkilometer 141,010 (Koordinaten: 47.187134 N, 10.641048 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_141,01) im Gemeindegebiet von Schönwies,

 von Straßenkilometer 136,180 (Koordinaten: 47.211337 N, 10.689307 O; Standort des Anzeigenquerschnittes AQ_A12_2_136,18) im Gemeindegebiet von Mils bei Imst bis Straßenkilometer 132,008 (Koordinaten: 47.216745 N, 10.743018 O; Standort des Tunnelvorportal-Verkehrszeichens TVP_A12_2_132,00) im Gemeindegebiet von Imst.

 

(2) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 gilt nicht, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine niedrigere oder gleich hohe Höchstgeschwindigkeit angeordnet ist.

 

(3) Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach Abs1 wirkt direkt, eine Anordnung mit Bescheid erfolgt nicht."

 

III. Anlassverfahren und Antragsvorbringen

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 4. Oktober 2022, Z IL/309220114733, anhängig. Dem Beschwerdeführer wird darin zur Last gelegt, am 4. Juni 2022 in der Gemeinde Tulfes auf der A 12 Inntal Autobahn bei Streckenkilometer 65,2 in Fahrtrichtung Kufstein mit seinem Fahrzeug die gemäß §3 Abs1 IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl 145/2014, im Sanierungsgebiet auf der A 12 Inntal Autobahn und der A 13 Brenner Autobahn erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch §30 Abs1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm der zitierten Verordnung verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 450,– sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden verhängt.

1.2. Im Rahmen des am 11. August 2023 im Bereich der Autobahnauffahrt A 12 Anschlussstelle Vomp durchgeführten Lokalaugenscheins kamen dem Landesverwaltungsgericht Bedenken an der rechtmäßigen Kundmachung der Verordnung, weshalb es den Antrag gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG an den Verfassungsgerichtshof stellte.

2. Das Landesverwaltungsgericht führt zur Zulässigkeit des Antrags im Wesentlichen das Folgende aus:

2.1. Mit bekämpftem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 4. Oktober 2022 sei dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, er habe am 4. Juni 2022 mit seinem PKW die gemäß §3 Abs1 IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung, LGBl 145/2014, erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten und dadurch die Rechtsvorschrift des §30 Abs1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm §3 Abs1 der IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung, LGBl 145/2014, übertreten.

2.2. Gemäß §3 Abs1 litb, vierte Aufzählung, IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung werde für den Tatort eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h festgesetzt. Die belangte Behörde habe den Tatvorwurf sohin auf §30 Abs1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm §3 Abs1 IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung gestützt.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof vertrete zu Art89 Abs1 B‑VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliege, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt habe (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es sei nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolge. Demnach hätten auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B‑VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof seien sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018). Eine Kundmachung, die nicht an allen Örtlichkeiten dem Gesetz entspreche, sei mangelhaft. Eine auf diese Weise kundgemachte Verordnung sei zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet (vgl VfSlg 5824/1968; 6346/1970).

2.4. Sohin habe das Landesverwaltungsgericht Tirol diese Geschwindigkeitsbeschränkung laut der in Frage stehenden Verordnung anzuwenden, wobei die Kundmachung dieser Verordnung vom Landesverwaltungsgericht Tirol in Frage gestellt werde.

2.5. §3 Abs1 IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl 145/2014, sei somit für das Anlassverfahren präjudiziell. Der Antrag sei daher nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zulässig.

3. In der Sache begründet das Landesverwaltungsgericht seine Bedenken an der ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung wie folgt: Im Autobahnauffahrtsbereich Vomp auf der A 12 in Fahrtrichtung Kufstein sei keine Geschwindigkeitsbeschränkungen angebracht, sondern es werde vielmehr erst nach dem Ende des Beschleunigungsstreifens — laut Tiris‑Maps mehr als 178 m davon entfernt — die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h samt Zusatz IG‑L durch ein Überkopfelement angezeigt, weshalb eine ordnungsgemäße Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung hinsichtlich des Teilabschnittes (bzw für Fahrzeuglenker und Fahrzeuglenkerinnen, die bei dieser Autobahnauffahrt auf die A 12 auffahren) nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht iSd §4 der IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung erfolge.

IV. Erwägungen

1. Der Antrag ist nicht zulässig:

2. Nach Art139 Abs1 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde unter anderem auf Antrag eines Gerichtes. Ein Gericht kann einen Antrag nur dann stellen, wenn das Gericht die Verordnung in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden hat bzw wenn die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist (§57 Abs2 VfGG).

3. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

4. Das Landesverwaltungsgericht wendet sich gegen §3 Abs1 litb vierter Spiegelstrich, in eventu §3 Abs1 litb, in eventu gegen die gesamte IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung in der Fassung LGBl 145/2014.

5. §3 in der angefochtenen (Stamm‑)Fassung der IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung, LGBl 145/2014, normierte für die darin angeführten Streckenabschnitte eine – zeitlich unbegrenzte – zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Durch die Novelle LGBl 19/2021 wurde die Verordnung ua insofern abgeändert, als diese nunmehr zwischen ganzjährigen Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlichen Geschwindigkeitsbeschränkungen unterscheidet. §3 wurde insofern abgeändert, als er nunmehr (nur mehr) jene Streckenabschnitte enthält, auf denen eine ganzjährige Geschwindigkeitsbeschränkung gilt. Dazu wurden mehrere Spiegelstriche des §3 Abs1 gestrichen. Der neu eingefügte §3a enthält nunmehr all jene (in §3 Abs1 gestrichenen) Streckenabschnitte, die jeweils im Zeitraum vom 1. November bis 31. Jänner eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufweisen.

6. Die Novelle LGBl 19/2021 trat mit 30. Jänner 2021 und damit weit vor dem Strafzeitpunkt – 4. Juni 2022 – in Kraft. Sowohl die belangte Behörde als auch das Landesverwaltungsgericht hätten daher §3 Abs1 litb zweiter Spiegelstrich IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung, LGBl 145/2014 idF LGBl 19/2021, anzuwenden gehabt.

7. Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dass das Landesverwaltungsgericht §3 Abs1 bzw die gesamte IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung idF LGBl 145/2014 im vorliegenden Verfahren anzuwenden und seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Die IG‑L‑Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung in der angefochtenen Fassung LGBl 145/2014 ist sohin für das Landesverwaltungsgericht nicht präjudiziell. Ihre Anfechtung erweist sich damit schon aus diesem Grund sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch der Eventualanträge als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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