Normen
B-VG Art103 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
GeschäftsO der Krnt Landesregierung LGBl 8/1999 §7
Krnt GemeindekanalisationsG §1, §4, §5
Krnt KundmachungsG §2 Abs1 Z4, Z5
Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94
WRG 1959 §12a, §32
B-VG Art103 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
GeschäftsO der Krnt Landesregierung LGBl 8/1999 §7
Krnt GemeindekanalisationsG §1, §4, §5
Krnt KundmachungsG §2 Abs1 Z4, Z5
Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94
WRG 1959 §12a, §32
Spruch:
1. Der erste Satz im dritten Absatz und der sechste Absatz des Punktes I. sowie der dritte und siebte Absatz des Punktes II. der Verordnung "Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94", sowie
2. die Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten, ergangen in Form eines Schreibens vom 23. Juni 1996, Z8W-Allg-9/7/96,
werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Kärntner Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2061/06 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Oktober 2006 wies der Landeshauptmann von Kärnten die Berufung der beschwerdeführenden Gemeinde gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, womit ein Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für ein eingereichtes Vorprojekt gemäß §111a Abs1 des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 109/2001, abgewiesen wurde, als unbegründet ab. Dieses Projekt sieht die gemäß §32 Abs3 WRG 1959 bewilligungspflichtige Errichtung von vier Abwasserreinigungsanlagen mit anschließender Versickerung der gereinigten Abwässer und einer Abwasserreinigungsanlage mit anschließender Einleitung der gereinigten Abwässer in den Globasnitzbach als Vorfluter vor.
1.2. Die Abweisung des Antrages der beschwerdeführenden Gemeinde gründet sich auf das Wesentliche zusammengefasst darauf, dass das Projekt sowohl vom wasserbautechnischen, vom gewässerökologischen als auch vom geologischen Amtssachverständigen negativ beurteilt worden sei, obwohl die Abwasserreinigungsanlagen als solche einen hohen Reinigungsgrad der Abwässer erreichen würden. Dem Schutz des Grundwassers in diesem sensiblen Gebiet und insbesondere dem Schutz der Tiefbrunnenanlage Traundorf, welche seit 23. Mai 2006 ein wesentlicher Bestandteil der von der Kärntner Landesregierung beschlossenen Kärntner Wasserstiftung sei, sei unzweifelhaft Priorität einzuräumen. Auch das wasserwirtschaftliche Planungsorgan habe im Zuge des Verfahrens immer wieder auf die Problematik der geplanten Anlagen hingewiesen und seine Zustimmung dazu versagt. Die zu entsorgenden Ortschaftsteile der Gemeinde Globasnitz lägen im unmittelbaren und leicht zu erreichenden Anschlussbereich der Kanalisationsanlage des Abwasserverbandes Völkermarkt-Jaunfeld. Ein Anschluss sämtlicher Ortschaftsteile sei mit geringem Aufwand und kurzer Leitungsführung möglich.
1.3. Schließlich berief sich die belangte Behörde im Anlassverfahren auf einen - die Abwasserentsorgung in Siedlungsgebieten regelnden - so genannten "Sickererlass", worin u.a. gestützt auf ein ökologisches Gutachten der Abteilung 15 erkannt worden sei, dass auf Grund der Summationswirkung Versickerungen in geschlossenen Siedlungsgebieten unzulässig seien.
2. Bei Behandlung der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten erhobenen Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit
1. a) des ersten Satzes im dritten Absatz und des sechsten Absatzes des Punktes I. sowie
b) des dritten und siebten Absatzes des Punktes II.
der Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94, sowie
2. des Schreibens des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996, Z8W-Allg-9/7/96, entstanden.
Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 4. Dezember 2007 beschlossen, die genannten Rechtsnormen von Amts wegen einem Verordnungsprüfungsverfahren zu unterziehen.
3.1. Die in Rede stehenden Leitlinien lauten (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"AMT DER KÄRNTNER LANDESREGIERUNG
Abteilung 8 W - Wasser-, Abfall- und Energierecht
Zahl: 8W-Allg-9/6/94
LEITLINIEN ÜBER DIE ZULÄSSIGKEIT VON
ABWASSERVERSICKERUNGEN IN KÄRNTEN
I. Allgemeines
Die Verbringung gereinigter häuslicher Abwässer ist entweder über Einleitung in Fließgewässer oder durch Verbringung in den Untergrund (Versickerung, Verrieselung) durchführbar.
Nach der Bestimmung des §12 a WRG, welcher durch die Wasserrechtsgesetznovelle BGBl. Nr. 252/1990, in das Wasserrechtsgesetz 1959 eingefügt wurde, hat die Reinigungsmaßnahme häuslichen Abwassers dem Stand der Technik zu entsprechen. Reinigungsziele sind durch das Wasserrechtsgesetz und die darauf fußenden Verordnungen vorgegeben. Trotz aller technischen Anstrengungen sind in den Abwässern weiterhin Schadstoffe enthalten.
Aus diesem Grund ist der Einleitung von gereinigten Abwässern in Fließgewässer der Vorzug zu geben. Es erfolgt in diesen Oberflächengewässern ein weiterer Abbau von Schadstoffen durch biologische Vorgänge. Eine Überwachung von Vorbelastungen und Belastungen durch die Einleitung selbst und des weitergehenden Abbaues ist unschwer möglich. Allfällige Probleme können rasch erkannt und Sanierungsmaßnahmen umgehend getroffen werden.
Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Überprüfbarkeit der Umwelteinwirkungen bei Versickerungen und Verrieselungen auf die Kontrolle der Abwasserreinigung, während die weiteren Auswirkungen sowie der allfällige geringe bis nicht vorhandene Abbau in tiefen Bodenschichten erst wieder in einer beeinträchtigten Grundwasserbeschaffenheit dokumentiert werden. Infolge des langfristigen Ablaufes dieser Vorgänge im Boden sind bei Erkennen von Problemen Sanierungsschritte nicht rasch und erfolgreich umzusetzen. Durch die marginale Abbauleistung in tieferen Bodenschichten kommt es bei massierten Versickerungen zu steigenden Schadstoffanreicherungen im Untergrund und im Grundwasser, welche auch in Kärnten evident sind.
In manchen Fällen ist eine Verbringung gereinigten Abwassers durch Einleitung in Fließgewässer nicht möglich, weil geeignete Gewässer nicht vorhanden, zu gering wasserführend, gravierend vorbelastet sind oder aber andere Hindernisse bestehen.
Aufgrund dieser Sachzwänge und raumplanerischer
Fehler der Vergangenheit wird somit in Einzelfällen eine Verbringung der Abwässer in den Untergrund nicht zu umgehen sein.
II. Geschlossene Siedlung im Sinne der Bestimmungen des Gemeindekanalisationsgesetzes
Die Entsorgung geschlossener Siedlungen, in denen häusliches Abwasser mit einer Schmutzfracht von mehr als 50 EGW 60 anfällt, obliegt gemäß §1 des Gemeindekanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1978 i.d.F. LGBl. Nr. 52/94, den jeweiligen Gemeinden, welche zur Bewältigung dieser Aufgaben zentrale oder dezentrale Kanalisationsanlagen zu errichten und zu betreiben haben.
Ebenso sind die Gemeinden nach den Bestimmungen des Gemeindekanalisationsgesetzes verpflichtet, bis zum 1. Oktober 1995 ein Abwasserrahmenkonzept zu erstellen, welches Reihenfolge der Planung und Errichtung der Kanalisationsanlage einer Gemeinde bestimmt (§1 Abs3 in Verbindung mit Art2 Abs2 des Gemeindekanalisationsgesetzes).
Die Neubewilligung von Abwasserreinigungsanlagen mit nachgeschalteter Versickerung oder Verrieselung in den Untergrund in geschlossenen Siedlungen im Sinne des §1 des Gemeindekanalisationsgesetzes wird wegen der Summationswirkung unzulässig sein, da nachweisbar nach dem natürlichen Lauf der Dinge eine Beeinträchtigung des Grundwassers eintreten würde, die den Grundsätzen des Wasserrechtsgesetzes 1959 widerstreitet.
Gemäß §30 Wasserrechtsgesetz 1959 i.d.g.F. sind alle Gewässer, einschließlich des Grundwassers im Rahmen des öffentlichen Interesses und nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen so reinzuhalten, daß die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet, Grund- und Quellwasser als Trinkwasser verwendet und sonstige fühlbare Schäden vermieden werden können.
Laut §105 Abs1 lita WRG 1959 kann im öffentlichen Interesse ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden, wenn gesundheitsschädliche Folgen zu befürchten wären.
Die gesundheitliche Bedenklichkeit wird unter anderem in der Trinkwassernitratverordnung dokumentiert, laut welcher aus Gründen des Gesundheitsschutzes ab 1. Juli 1994 der zulässige Nitratgehalt von Trinkwasser mit 50 mg/l und ab 1. Juli 1999 mit 30 mg/l beschränkt wird. Ebenso wurde mit Verordnung die Konzentration möglicher Wasserinhaltsstoffe festgelegt, durch welche Grundwasser für Zwecke der Wasserversorgung untauglich zu werden droht, oder die das Grundwasser so nachhaltig beeinflussen können, daß die Wiederherstellung geordneter Grundwasserverhältnisse nur mit erheblichem Aufwand oder über einen längeren Zeitraum möglich ist.
Eine Neubewilligung von Abwasserversickerungen und Verrieselungen wird daher in geschlossenen Siedlungsgebieten im Sinne des Gemeindekanalisationsgesetzes regelmäßig unzulässig sein.
Die Anpassung des Altbestandes an die Sach- und Rechtslage in geschlossenen Siedlungsgebieten wird im Umfange und nach dem Zeitplan des Abwasserrahmenkonzeptes zu erfolgen haben, welches durch die jeweilige Gemeinde nach dem Gemeindekanalisationsgesetz zu erstellen ist.
III. Einzelobjekte in Streulagen außerhalb des geschlossenen Siedlungsbereiches
Über die Zulässigkeit der Neuherstellung von Abwasserreinigungsanlagen für Einzelobjekte mit nachfolgender Versickerung oder Verrieselung wird im Rahmen einer strengen Einzelfallbeurteilung zu erkennen sein.
Die Streulage an sich wird die Gefahr einer massiven Grundwasserbeeinträchtigung aufgrund des Fehlens der Summationswirkung zwar reduzieren, jedoch ist vor Erteilung einer Bewilligung zu prüfen,
ob:
1. sich die Verbringungsstelle in einer besonders wasserwirtschaftlich oder hydrogeologisch sensiblen Zone befindet. Solche stellen Kernzonen im Sinne der Kärntner Wasserschongebietsverordnung jedenfalls, Außenzonen in eingeschränktem Ausmaß dar. Daneben können auch Gebiete außerhalb der Grundwasserschongebiete sensibel sein. Diese Bereiche sind im Abwasserrahmenkonzept der jeweiligen Gemeinde in Abstimmung mit den zuständigen Landesdienststellen (Abteilung 18 und Abteilung 15 Geologie) kartographisch darzustellen,
2. durch Versickerung oder Verrieselung ein zum menschlichen Gebrauch genutztes Trinkwasservorkommen gefährdet wird,
3. die Versickerung oder Verrieselung aus anderen Gründen (z.B. nicht sickerfähiger Untergrund, Standsicherheit, geringe Bodenüberdeckung, nachfolgende Wasseraustritte, hygienische Gründe) unzulässig ist.
Die Anpassung des Altbestandes hat - soferne die Streulage hievon erfaßt ist - ebenfalls nach Umfang und Zeitplan des gemeindlichen Abwasserrahmenkonzeptes zu erfolgen, ansonsten nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes über die Anpassung an den Stand der Technik (§21 a WRG 1959).
RESÜMEE
Insgesamt ist festzuhalten, daß sich in den letzten Jahrzehnten der Einfluß auf das Grundwasser aus menschlichen Tätigkeiten gravierend verändert und verstärkt hat. Dies betrifft sowohl Gewerbe und Industrie als auch Landwirtschaft und private Haushalte.
Daher wurden durch den Gesetzgeber Regelungen zur Erhaltung der Grundwasserqualität getroffen.
Die derzeit[i]ge Tendenz, die grundsätzliche Notwendigkeit einer geordneten Abwasserbeseitigung in Frage zu stellen oder zu unterlaufen, macht es notwendig, darauf hinzuweisen, daß kontrollierbare und geordnete Abwasserentsorgung in einem hochentwickelten Land, das seine Schönheit und Lebensqualität erhalten und touristisch verwerten will, außer Streit gestellt werden sollte. Zudem zeigt die Erfahrung, daß die Möglichkeit der Ansiedlung von Betrieben an das Vorhandensein von kommunalen Abwasserbeseitigungsanlagen gebunden wird. Sie sind ein Teil der zeitgemäßen und notwendigen Infrastruktur.
Klagenfurt, 1995-05-15
[Unterschrift des Mitgliedes der Landesregierung Dr. Elisabeth Sickl]".
3.2. Das ebenfalls in Prüfung gezogene Schreiben des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996, Z8W-Allg-9/7/96, hat folgenden Wortlaut (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Im Interesse einer möglichst großen Gleichbehandlung und zur Sicherstellung einer einheitlichen Vollziehung der Wasserrechtsagenden in Kärnten wird die in den 'Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerung[e]n in Kärnten' vorgesehene Ausnahmemöglichkeit von der Regel des Versickerungsverbotes in geschlossenen Siedlungsgebieten mit dem Wortlaut 'Eine Neubewilligung von Abwasserversickerungen und Verrieselungen wird daher in geschlossenen Siedlungsgebieten im Sinne des Gemeindekanalisationsgesetzes regelmäßig unzulässig sein.' wie folgt beispielsweise beschrieben bzw. ergänzt:
Von der regelmäßigen Unzulässigkeit einer Versickerung in geschlossenen Siedlungsgebieten mit einem Abwasseranfall von mehr als 50 EGW60 ist nicht auszugehen, wenn entsprechend allen nachfolgenden Voraussetzungen
- eine Behandlung der Abwässer entsprechend dem Stand
der Technik in biologischen Reinigungsanlagen
erfolgt
- ein durch den Gemeinderat beschlossenes
Abwasserrahmenkonzept samt Reihenfolge der Planung
und
Errichtung der Kanalisationsanlagen vorliegt
- die Bewilligung der Abwasseranlage mit dem Jahr der
geplanten Fertigstellung der Kanalisationsanlage
befristet wird
- der Baubescheid die vollstreckbare Auflage enthält,
daß ein Anschluß des Objektes zum Zeitpunkt der
Fertigstellung der Kanalisationsanlage entsprechend
dem Abwasserrahmenkonzept an dieselbe zu erfolgen
hat.
- wasserwirtschaftliche Nachteile nicht zu besorgen
sind."
4. In diesem Verfahren erstattete die Kärntner Landesregierung eine schriftliche Äußerung, in der sie mit folgender Begründung beantragt, das Verordnungsprüfungsverfahren mangels geeigneten Prüfungsgegenstandes einzustellen:
4.1. Zunächst bezweifelt die Kärntner Landesregierung die Präjudizialität der vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Bestimmungen des sechsten Absatzes des Punktes I. der Leitlinien sowie des Schreibens des Landeshauptmannes aus 1996 und betrachtet nur den ersten Satz des dritten Absatzes des Punktes I. sowie den dritten und siebten Absatz des Punktes II. der Leitlinien für das vorliegende Verfahren als präjudiziell.
4.1.1. Der sechste Absatz des Punktes I. der in Prüfung gezogenen Leitlinien beziehe sich - abgesehen davon, dass er den Intentionen des §30g Abs1 Z1 WRG 1959 entspreche, nämlich Emissionen aus Punktquellen zu begrenzen - erkennbar auf Verbringungen aus Einzelobjekten, weil auszuschließen sei, dass für die Errichtung ganzer Siedlungen Sachzwänge oder raumplanerische Fehler vorlägen. Da der Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde aber die Errichtung von Abwasserreinigungsanlagen für ganze Siedlungen im Gemeindegebiet vorgesehen habe, erscheine es der Kärntner Landesregierung denkunmöglich, dass diese Bestimmung für das Beschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG präjudiziell sei.
4.1.2. Auch das in Prüfung gezogene Schreiben des Landeshauptmannes aus 1996 beziehe sich nur auf Einzelanlagen (wie aus dem Wort "Objekte" im vierten Gedankenstrich zu erkennen sei) und nicht auf Anlagen zur "Entsorgung ganzer Siedlungen". Daher erscheine der Kärntner Landesregierung auch die Präjudizialität dieser Bestimmung für das vorliegende Beschwerdeverfahren denkunmöglich, da sie nur auf Einzelanlagen anwendbar sei.
4.2. Darüber hinaus bezweifelt die Kärntner Landesregierung die Verordnungsqualität der in Prüfung gezogenen Rechtsakte mit folgender Begründung:
4.2.1. Zwar dürften die Leitlinien und das Schreiben des Landeshauptmannes aus 1996 ein solches Maß an Publizität erlangt haben, dass sie damit in die Rechtsordnung Eingang gefunden haben.
4.2.2. Auch trete die Kärntner Landesregierung der im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes geäußerten vorläufigen Ansicht nicht entgegen, dass es sich bei den in Prüfung gezogenen Rechtsakten um Enunziationen von Verwaltungsorganen handle, die mit der Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben betraut sind. Während das Schreiben vom 23. Juni 1996 eindeutig dem Landeshauptmann von Kärnten zuzurechnen sei, gingen die Leitlinien von der betreffenden Landesrätin aus.
4.2.3. Nach Auffassung der Kärntner Landesregierung handle es sich aber bei den in Prüfung gezogenen Rechtsvorschriften mangels Normativität nicht um Verordnungen im Sinne des Art139 B-VG.
4.2.3.1. Vielmehr seien die "Leitlinien über [die] Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten" als eine interne Richtlinie für Amtssachverständige und für die Gemeinden bei ihren Planungen der Gemeindekanalisationsanlage konzipiert worden. Eine Einzelfallprüfung der jeweiligen wasserrechtlichen Bewilligungsanträge werde durch diese Leitlinien keinesfalls ausgeschlossen. "Sie sollten lediglich ein kärntenweit einheitliches Vorgehen der Amtssachverständigen und der Gemeinden erleichtern".
4.2.3.2. Weiters stützt die Landesregierung die in ihrer Äußerung zum Ausdruck kommende Auffassung, es handle sich bei den in Prüfung gezogenen Rechtsakten nicht um Verordnungen iSd Art139 B-VG, auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2006, 2006/07/0047, demzufolge es sich bei den in Rede stehenden "Leitlinien" um "verwaltungsinterne Richtlinien handelt, die nicht auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe stehen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit des Verfahrens:
1.1. Zweifel an der Präjudizialität der zur Anwendung in Betracht kommenden Normen des ersten Satzes im dritten Absatz des Punktes I. sowie des dritten und siebten Absatzes des Punktes II. der Leitlinien über die Zulässigkeit von Abwasserversickerungen in Kärnten, Z8W-Allg-9/6/94, sind im Verordnungsprüfungsverfahren weder vorgebracht worden noch beim Gerichtshof entstanden.
1.2. Was die von der Kärntner Landesregierung in
ihrer Äußerung dargelegten Zweifel an der Präjudizialität des sechsten Absatzes des Punktes I. der "Leitlinien" sowie des Schreibens des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996 für das Anlassverfahren anlangt, vermag der Verfassungsgerichtshof der Ansicht der Landesregierung, die in Rede stehenden Bestimmungen seien nur auf die Regelung der Abwässerverbringung von Einzelobjekten gerichtet und im vorliegenden Verfahren sohin nicht präjudiziell, nicht beizupflichten.
1.2.1. Wenn der sechste Absatz des Punktes I. der "Leitlinien" vorsieht, dass "in Einzelfällen eine Verbringung der Abwässer in den Untergrund nicht zu umgehen sein" werde, so liegt gleichwohl eine generell-abstrakte Norm vor, die nicht nur den Fall einzelner Objekte im Auge hat. Darin wird nämlich - auch mit Blick auf die systematische Stellung der Bestimmung unter Punkt I. "Allgemeines" - die Regel aufgestellt, dass der Einleitung von gereinigten Abwässern in Fließgewässer in allen Fällen der Vorzug zu geben ist und Ausnahmen davon nur zuzulassen sind, wenn dies aufgrund von Sachzwängen oder raumplanerischen Fehlern nicht zu umgehen ist. Ob diese Regelung - wie die Landesregierung weiters behauptet - den Intentionen des Wasserrechtsgesetzgebers entspricht, ist für die Frage ihrer Präjudizialität im Anlassverfahren ohne Bedeutung.
1.2.2. Ebenso wenig teilt der Verfassungsgerichtshof die Zweifel an der Präjudizialität des Schreibens des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996, Z8W-Allg-9/7/96, welches seinem klaren Wortlaut zufolge zur "Beschreibung bzw. Ergänzung" der - auch von der Kärntner Landesregierung in ihrer Äußerung als präjudiziell betrachteten - Regelung des siebten Absatzes des Punktes II. der Leitlinien ("Eine Neubewilligung von Abwasserversickerungen und Verrieselungen wird daher in geschlossenen Siedlungsgebieten im Sinne des Gemeindekanalisationsgesetzes regelmäßig unzulässig sein.") dient.
2. Weiters haben die in Prüfung gezogenen
Vorschriften - entgegen dem Vorbringen der Kärntner Landesregierung - Verordnungsqualität:
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Verordnung eine generelle Rechtsvorschrift, die von einer Verwaltungsbehörde erlassen wurde und sich nach ihrem Inhalt an die Rechtsunterworfenen richtet, wobei es auf dieser Ebene der Prüfung zunächst auf die Rechtmäßigkeit der Norm nicht ankommt (vgl. VfSlg. 5536/1967, 12.574/1990). Für die Qualifikation eines Rechtsaktes als Verordnung im Sinne des Art139 B-VG sind weder seine Bezeichnung - als "Erlass" oder wie im vorliegenden Fall als "Leitlinien" - noch der formelle Adressatenkreis oder die Art seiner Veröffentlichung bestimmend; vielmehr kommt es auf den normativen Gehalt des Verwaltungsaktes an, der insbesondere dann anzunehmen ist, wenn er das Gesetz bindend auslegt (und sich nicht etwa in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes erschöpft - vgl. VfSlg. 17.806/2006) und für eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen unmittelbar Geltung beansprucht (vgl. etwa VfSlg. 8647/1979, 11.472/1987, 13.632/1993).
2.2. Diese Voraussetzungen treffen auf die in Prüfung gezogenen und im Spruch dieses Beschlusses genannten Bestimmungen aus folgenden Gründen zu:
2.2.1. Es steht außer Zweifel, dass sowohl die in Rede stehenden "Leitlinien" als auch das darauf Bezug habende Schreiben des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996, Z8W-Allg-9/7/96, von Verwaltungsorganen ausgehen, die mit der Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben betraut sind. Darüber hinaus haben sie mit ihrer Verteilung u.a. an sämtliche Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden im Land Kärnten auch ein solches Maß an Publizität erlangt, dass sie damit in die Rechtsordnung Eingang gefunden haben (vgl. VfSlg. 8647/1979, 11.467/1987, 13.632/1993, 15.549/1999) und somit Gegenstand eines Verordnungsprüfungsverfahrens gemäß Art139 B-VG sein können.
2.2.2. Die in Prüfung gezogenen Vorschriften
enthalten aber auch insoweit normative Festlegungen, als sie - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vom 4. Dezember 2007 vorläufig festgestellt hat - zwar imperative Formulierungen (offenbar um die Möglichkeit von Ausnahmen anzudeuten) vermeiden. Durch die in Prüfung gezogenen Anordnungen - mögen sie auch im Gesetz Deckung finden - wird aber der Entscheidungsspielraum der Behörde bei der Behandlung eines auf §32 WRG 1959 gestützten Antrages insoweit erheblich eingeschränkt, als die "regelmäßige Unzulässigkeit" einer vom Gesetz her nicht ausgeschlossenen Maßnahme, nämlich von Abwasserreinigungsanlagen mit nachgeschalteter Versickerung oder Verrieselung in den Untergrund, verbindlich normiert wird. Indem die in Prüfung gezogenen Bestimmungen eine von mehreren Abwasserbeseitigungsmöglichkeiten (die Einleitung von gereinigten Abwässern in Fließgewässer) bindend vorschreiben und Ausnahmen davon nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß zulassen, wird in Wahrheit insoweit eine "neue Gestaltung der Rechtslage" vorgenommen (siehe zu diesem Aspekt
VfSlg. 17.244/2004 mwN; vgl. auch VfSlg. 15.694/1999).
2.2.3. Aber auch aus dem Vorbringen, dass aus den in der Äußerung zitierten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 eine Art Wertentscheidung des Wasserrechtsgesetzgebers zu Gunsten des Grundwasserschutzes hervortritt, dessen Einhaltung in Kärnten die "Leitlinien" und das Schreiben des Landeshauptmannes aus 1996 garantieren sollten, indem sie die rechtlichen Rahmenbedingungen - nämlich die Verzahnung von Wasserrechtsgesetz 1959 und Kärntner Gemeindekanalisationsgesetz - darstellten und kärntenweit einheitliche Standards für die Beurteilung des Standes der Technik im Sinne des §12a WRG 1959 für die an wasserrechtlichen Verfahren beteiligten Sachverständigen, und zwar ohne Beschränkung der Beurteilung im Einzelfall, bewirken sollten, ist für die in der Äußerung der Kärntner Landesregierung zum Ausdruck kommende Annahme, es handle sich bei den in Prüfung gezogenen Vorschriften lediglich um eine "Darstellung der Rechtslage aufgrund des Wasserrechtsgesetzes 1959 und der Bestimmungen der §§1, 4 und 5 Kärntner Gemeindekanalisationsgesetz", nichts zu gewinnen: Es ist nämlich offenkundig, dass zwischen der Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines effizienten Grundwasserschutzes, wie er in den einschlägigen Bestimmungen des WRG 1959 zum Ausdruck kommt, und dem in den in Prüfung gezogenen Vorschriften festgelegten "regelmäßigen Versickerungsverbot" ein normativer Unterschied liegt.
2.2.4. Soweit die Landesregierung unter Berufung auf den Anlassfall aber vorbringt, dass durch die nicht imperative Formulierung der Leitlinien nur eine Handlungsanleitung für die Amtssachverständigen geschaffen wurde, die weder eine Einzelfallbeurteilung noch das Erfordernis eines Sachverständigengutachtens einschränke, ist zu entgegnen, dass gerade der Anlassfall selbst ein Beweis dafür ist, dass der im angefochtenen Bescheid mehrfach zitierte so genannte "Sickererlass" nicht nur als "unverbindliche Handlungsanleitung für die Amtssachverständigen", sondern vielmehr auch als Entscheidungsgrundlage für die Wasserrechtsbehörden diente. Hätten die betreffenden Verwaltungsbehörden tatsächlich beabsichtigt, mit den in Prüfung gezogenen Anordnungen lediglich unverbindliche Handlungsanleitungen für die am Verfahren beteiligten Amtssachverständigen und nicht verbindliche Normen mit Außenwirkung zu schaffen, so hätte dies - angesichts des zumindest teilweise normativen Charakters ihrer Formulierungen - in der Textierung selbst klar und unmissverständlich durch einen entsprechenden Hinweis zum Ausdruck gebracht werden müssen. Mangels solcher Klarstellungen sind die Leitlinien und das Schreiben des Landeshauptmannes von Kärnten vom 23. Juni 1996 - hinsichtlich ihrer in Prüfung gezogenen Teile - als Verordnungen im Sinne des Art139 B-VG anzusehen.
3. Die Verfahren erweisen sich damit als zulässig.
B. In der Sache:
Die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken treffen im Ergebnis zu:
1. Als Verordnungen wären die in Prüfung gezogenen Vorschriften, also sowohl die "Leitlinien" als auch das sich darauf beziehende Erlassschreiben des Landeshauptmannes, zufolge den Anordnungen des §2 Abs1 Z4 und 5 des Kärntner Kundmachungsgesetzes - K-KMG, LGBl. 25/1986, im Landesgesetzblatt kundzumachen gewesen. Da eine Publikation dieser Vorschriften bislang unterblieben ist, sind sie aus diesem Grund gesetzwidrig.
2. Soweit die "Leitlinien"
Bewilligungsvoraussetzungen für eine nach §32 WRG 1959 bewilligungspflichtige Maßnahme (wie etwa im vorliegenden Fall die Errichtung einer Abwasserreinigungsanlage mit anschließender Versickerung der gereinigten Abwässer) normativ (näher) gestalten und damit eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung regeln, trifft zudem das im Prüfungsbeschluss ebenfalls geäußerte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu, dass sie nicht - wie dies §7 der Verordnung der Landesregierung vom 15. Dezember 1998, mit der die Geschäftsordnung der Kärntner Landesregierung erlassen wird (K-GOL), LGBl. 8/1999, in Entsprechung des Art103 Abs2 erster Satz B-VG dafür vorsieht - im Namen des Landeshauptmannes, sondern im eigenen Namen des betreffenden Mitgliedes der Landesregierung gezeichnet und somit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sind (vgl. VfSlg. 17.773/2006, S 153).
3. Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf weitere im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken einzugehen.
4. Die im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen waren daher aus den soeben dargelegten Gründen als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)