VfGH V22/2024

VfGHV22/202411.6.2024

Aufhebung eines Bebauungsplans der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz; mangelnde Darlegung der Planungsziele im Verordnungsakt betreffend die Festlegung begünstigender Baufluchtlinien entlang einer öffentlich genutzten Seeuferpromenade für Bauten auf bereits bebaute aber nicht für unbebaute Grundstücksbereiche; keine hinreichende Grundlagenforschung betreffend die Festlegung unterschiedlicher Bebauungsdichten für in gleicher Lage befindliche Grundstücke; Verstoß des Bebauungsplans gegen den Flächenwidmungsplan betreffend die Widmung eines Grundstückteils als Grünland statt als Verkehrsfläche

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 Z1
StGG Art2
Oö RaumOG 1994 §31, §32, §33
Bebauungsplan des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee vom 18.10.2018
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V22.2024

 

Spruch:

I. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade", beschlossen am 18. Oktober 2018, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Mai 2019, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 4. Juni 2019 bis 19. Juni 2019, wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit sie das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, betrifft.

II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, die "Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 'Promenade', beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee am 18.10.2018, kundgemacht durch Anschlag von 04.06.2019 bis 19.06.2019, soweit sie das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, betrifft", in eventu die Verordnung zur Gänze, in eventu "die Zahl '47' in der (im Textteil) als 'Nutzungsschablone' bezeichneten Grafik für das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, (Bauplatz Nr 12)" der Verordnung, in eventu "die Zahl '47' in der (im Textteil) als 'Nutzungsschablone' bezeichneten Grafik und die nach Maßgabe der 'Legende' als 'Baufluchtlinien' eingezeichneten Linien für das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, (Bauplatz Nr 12)" der Verordnung, als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Das Landesgesetz vom 6. Oktober 1993 über die Raumordnung im Land Oberösterreich (Oö. Raumordnungsgesetz 1994 – Oö. ROG 1994), LGBl 114/1993, idF LGBl 14/2024 lautet auszugsweise:

"Bebauungsplan

§31. (1) Jede Gemeinde hat in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen, soweit dies zur Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung oder zur Erreichung eines möglichst wirksamen Umweltschutzes erforderlich ist. Bebauungspläne dürfen den Raumordnungsgrundsätzen, den Raumordnungsprogrammen, Verordnungen gemäß §11 Abs6 und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen.

(2) Bei der Erlassung der Bebauungspläne ist die im Interesse der baulichen Ordnung erforderliche räumliche Verteilung der Gebäude und sonstigen Anlagen sowie gegebenenfalls das Maß der baulichen Nutzung möglichst so festzulegen, daß eine gegenseitige Beeinträchtigung vermieden wird. Insbesondere ist auf ein ausreichendes Maß an Licht, Luft und Sonne sowie auf die Erfordernisse des Umweltschutzes, insbesondere auch im Hinblick auf die Ermöglichung einer ökologischen Bauweise (z. B. Solaranlagen, Niedrigenergiehäuser, Passivhäuser), der Hygiene und der Feuersicherheit Rücksicht zu nehmen.

(3) §20 gilt sinngemäß.

Inhalt des Bebauungsplanes

§32. (1) Der Bebauungsplan hat auszuweisen und festzulegen:

1. die genaue Abgrenzung des Planungsgebietes und die Darstellung seiner Lage im Gemeindegebiet;

2. die im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungen sowie die Darstellung von überörtlichen Planungen;

3. die Fluchtlinien (Abs3);

4. die Gebäudehöhe (Abs4);

5. den Verlauf und die Breite der Verkehrsflächen; nach Erfordernis auch die Angabe der Breite von Fahrbahnen und Gehsteigen;

6. die Art der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung und der Energieversorgung;

7. bestehende Bauwerke und Anlagen.

(2) Der Bebauungsplan kann nach Maßgabe des §31 darüber hinaus insbesondere festlegen oder ausweisen:

1. die Bauplätze, ihre Mindestgröße und Höhenlage;

2. die Bauweise (Abs5) und das Maß der baulichen Nutzung (Abs6);

3. Baufluchtlinien, an die im Baufall angebaut werden muß;

[…]

(3) An Fluchtlinien sind zu unterscheiden:

1. Straßenfluchtlinien, das sind die Grenzen zwischen öffentlichen Verkehrsflächen und anderen Grundstücken;

2. Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die mit Gebäuden oder Gebäudeteilen bzw Schutzdächern oder Teilen davon nicht vorgerückt werden darf, sofern das Oö. Bautechnikgesetz 2013 nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt;

3. Grenzlinien, das sind die Grenzen zwischen Gebieten verschiedener Widmungen.

[…]

(6) Das Maß der baulichen Nutzung der Grundstücke ist durch die Gebäudehöhe, die Geschoßflächenzahl oder die Baumassenzahl auszudrücken. Darüber hinaus kann das Maß der baulichen Nutzung insbesondere durch Festlegung der Anzahl der Geschosse näher bestimmt oder durch Angabe der bebaubaren Fläche des Bauplatzes (Grundflächenzahl) oder der Höchstzahl der in den Gebäuden zulässigen Wohneinheiten beschränkt werden. Die Geschoßflächenzahl ist das Verhältnis der Gesamtgeschoßfläche zur Fläche des Bauplatzes. Die Baumassenzahl ist das Verhältnis der Baumasse zur Fläche des Bauplatzes. Als Baumasse gilt der oberirdisch umbaute Raum bis zu den äußeren Begrenzungen des Baukörpers. Bei Verwendung einer Geschoßflächenzahl bzw Baumassenzahl ist die Art der Berechnung im Bebauungsplan darzustellen.

Verfahren in der Gemeinde

§33. […]

(2) Bei Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplans, eines Teils eines Flächenwidmungsplans (§18 Abs1 zweiter Satz) oder eines Bebauungsplans hat der Beschluss des Planentwurfs durch den Gemeinderat zu erfolgen. Nach Beschluss des Planentwurfs hat die Gemeinde

1. den in Betracht kommenden Bundesdienststellen,

2. der Landesregierung,

3. den benachbarten Gemeinden,

4. der Wirtschaftskammer Oberösterreich,

5. der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich,

6. der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,

7. der Oö. Umweltanwaltschaft, soweit Belange des Umweltschutzes in Frage stehen, sowie

8. sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts, von denen bekannt ist, dass ihre Interessen berührt werden,

Gelegenheit zur Stellungnahme unter Einräumung einer Frist von acht Wochen zu geben. […]

(3) Vor Beschlussfassung eines Flächenwidmungsplans, eines Teils eines Flächenwidmungsplans (§18 Abs1 zweiter Satz) oder eines Bebauungsplans durch den Gemeinderat ist die öffentliche Einsicht in den Plan beim Gemeindeamt (Magistrat) vier Wochen zu ermöglichen. Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen. […]

(4) Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, einschließlich der betroffenen Öffentlichkeit im Sinn des §24b Abs6 Oö. Bauordnung 1994, ist berechtigt, während der Einsichtsfrist schriftliche Anregungen oder Einwendungen beim Gemeindeamt (Magistrat) einzubringen, die mit dem Plan dem Gemeinderat vorzulegen sind. Eine Beschlußfassung des Planes in einer anderen als der zur Einsichtnahme veröffentlichten Fassung ist nur nach vorheriger Anhörung der durch die Änderung Betroffenen zulässig.

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee vom 9. Juni 2020 wurde der mitbeteiligten Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: mitbeteiligte Partei und antragstellendes Gericht) die baubehördliche Bewilligung für das Vorhaben "Änderungsplanung: Neubau eines Wohnhauses" auf dem Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, erteilt. Einwendungen von Nachbarn wurden ab- und zurückgewiesen, soweit sie nicht in Nebenbestimmungen berücksichtigt wurden.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhoben acht Nachbarn Beschwerden an das antragstellende Gericht.

2. Das antragstellende Gericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, zusammengefasst wie folgt dar:

2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt das antragstellende Gericht aus, dass es die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade" (im Folgenden: Bebauungsplan), im Anlassverfahren anzuwenden habe. Das Grundstück der mitbeteiligten Partei sei von diesem seit 19. Juni 2019 wirksamen Bebauungsplan erfasst. Anlässlich der Nachbarbeschwerden habe es – im Umfang der geltend gemachten Nachbarrechte – zu prüfen, ob die Baubewilligung zu Recht erteilt worden sei. Die Nachbarn hätten bereits im behördlichen Verfahren Einwendungen hinsichtlich der Ausnutzbarkeit des Bauplatzes erhoben, wozu sich im Bebauungsplan Festlegungen insbesondere über die Baufluchtlinien und die Grundflächenzahl fänden. Der Bebauungsplan sei daher für das Anlassverfahren präjudiziell.

2.2. In der Sache bringt das antragstellende Gericht vor:

2.2.1. Hinsichtlich der für das Grundstück der mitbeteiligten Partei festgelegten südwestlichen, zum öffentlichen Gut (Promenade) gewandten Baufluchtlinie liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Der Bebauungsplan sehe bei den Grundstücken an der Promenade generell eine sechs Meter vor dieser verlaufende Baufluchtlinie vor, sodass vor den Bauplätzen ein unbebauter Bereich entlang der Promenade bestehen bleibe. Lediglich bei jenen beiden Grundstücken, bei denen dieser Raum im Zeitpunkt der Planung bereits bebaut (Bauplatz Nr 16) bzw bebaut und für eine konkrete Neubebauung durch die mitbeteiligte Partei vorgesehen (Bauplatz Nr 12) gewesen sei, sei diese Baufluchtlinie wesentlich näher zur Promenade situiert.

Aus den Festlegungen im Bebauungsplan lasse sich die grundsätzliche Planungsabsicht ableiten, dass die Gebäude auf den seeseitig "in erster Reihe" gelegenen Grundstücken eher im nördlichen, promenadenabgewandten Grundstücksbereich situiert sein sollen, um entlang der öffentlich genutzten Promenade einen unbebauten Bereich zu erhalten bzw zu schaffen. Dies ergebe sich auch aus den Dokumentationen im Verordnungsakt. Diese generelle Planungsabsicht sei hinsichtlich zweier Grundstücke durchbrochen worden. Die südwestliche Baufluchtlinie beim vorliegend relevanten Bauplatz Nr 12 sei offenkundig an das zum Zeitpunkt der Planung bereits bekannte (und drei Monate vor Beschluss des Bebauungsplanes bewilligte) Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei angepasst worden. Dies laufe dem Planungsziel eines unbebauten Bereiches entlang der Promenade diametral zuwider, zumal dadurch der freizuhaltende Raum punktuell und beinahe mittig mit einer Bebauung knapp bis an die Grenze zur Promenade gestört werden könne. Die mitbeteiligte Partei werde insofern gegenüber den anderen Grundeigentümern begünstigt, als sie nicht nur den Mindestabstand von sechs Metern unterschreiten dürfe, sondern auch den bei Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes in §40 Z1 Oö. BauTG 2013 vorgeschriebenen Abstand von drei Metern.

2.2.2. Diese ungleiche Behandlung resultiere aus der Korrektur der Baufluchtlinie anlässlich einer naturschutzfachlichen Forderung der Oberösterreichischen Landesregierung nach einem größeren Abstand zur Promenade. Diese Forderung habe sich zwar – ohne nähere Begründung – auf die Bauplätze Nr 5, 6, 7, 13 und 15 beschränkt; die verordnungserlassende Behörde wäre aber nicht gehindert gewesen, im Sinne des generellen Planungszieles und der Gleichbehandlung insoweit auch den Bauplatz Nr 12 miteinzubeziehen. Dem Absehen davon liege offenkundig die Absicht zugrunde, zwar das Planungsgebiet erstmals – sohin grundsätzlich zum Nachteil aller involvierten Grundstücke – mit einem Bebauungsplan zu regeln, aber dadurch das bereits bekannte Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei weder einzuschränken noch zu verzögern, um eine offene Baustelle an der Promenade im Zeitraum der Oberösterreichischen Landesausstellung 2020 zu vermeiden. Das Argument der Baustellenvermeidung scheitere bereits daran, dass die Landesausstellung ca. Ende 2017 – sohin etwa ein Jahr vor Beschluss des Bebauungsplanes – auf 2027 verschoben worden sei. Damit sei die Abweichung vom generellen Planungsziel bei Bauplatz Nr 12 im Ergebnis ausschließlich zum Vorteil der mitbeteiligten Partei erfolgt.

2.2.3. Die sachlich ungerechtfertigte Baufluchtlinie betreffe nicht nur die Situierung des Bauwerkes, sondern auch die insgesamt mögliche Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Grundfläche. Mit der Situierung der Baufluchtlinie nahe zur Promenade habe für das Grundstück der mitbeteiligten Partei eine hohe Bebauungsdichte in Form einer Grundflächenzahl von 47 festgelegt werden können, die bei Einhaltung des sonst vorgesehenen Abstandes von sechs Metern offenkundig nicht ausgenutzt werden könnte. Das Grundstück weise die größte Grundflächenzahl unter den (ausschließlich) als Bauland-Wohngebiet gewidmeten Grundstücken im Planungsgebiet auf. Die einzigen anderen Grundstücke an der Promenade mit derselben Widmung (Bauland-Wohngebiet) wiesen geringere Grundflächenzahlen von 20 bzw 40 auf. Die übrigen Grundstücke an der Promenade seien als gemischtes Baugebiet gewidmet, jeweils größer als 1.000 m2 und wiesen Grundflächenzahlen zwischen 20 und 35 auf; einzig für Bauplatz Nr 6 sei eine höhere Grundflächenzahl als für Bauplatz Nr 12 festgelegt worden, nämlich 50.

Aus diesen Festlegungen ließen sich für die Bebauungsdichte an der Promenade generelle Planungsabsichten für zwei Abschnitte ableiten. Im westlichen Promenadenbereich, bei den Bauplätzen Nr 5 und 6, solle offenkundig angesichts der seeseitig vorgelagerten Gebäude und der auf die Verkehrsfläche beschränkten Promenade eine dichtere Bebauung zulässig sein (Grundflächenzahlen 40 und 50). Im östlich daran anschließenden Promenadenbereich (Bauplätze Nr 7 bis 16), in dem die Promenade mit seeseitigem Fußgängerweg und Grünzug verlaufe, sollten die bebaubaren Flächen grundsätzlich reduziertere Ausmaße annehmen (Grundflächenzahlen zwischen 20 und 35). Dieses grundsätzliche Planungsziel werde beim Grundstück der mitbeteiligten Partei mit einer Grundflächenzahl von 47 deutlich durchbrochen. Diese sei an das im Zeitpunkt der Planung bereits bekannte Bauvorhaben angepasst worden und laufe dem generellen Planungsziel im östlichen Promenadenbereich zuwider. Die mitbeteiligte Partei werde dadurch gegenüber den übrigen Eigentümern wesentlich bevorzugt.

2.2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bestehe die Aufgabe des Bebauungsplanes darin, Bauvorhaben in die durch öffentliche Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken. Es sei daher sachlich nicht gerechtfertigt, auf einem der vom Bebauungsplan erfassten Grundstücke lediglich im Interesse des Bauwerbers eine vom sonstigen Bebauungsplan abweichende bauliche Nutzung zuzulassen (Verweis auf VfSlg 14.378/1995). Für die ungleiche Behandlung einzig zum Vorteil der mitbeteiligten Partei liege keine sachliche Rechtfertigung vor.

Im Gegensatz zu den (meisten) anderen Promenadengrundstücken, die einen Abstand von sechs Metern zur Promenade sowie eine Höchstbaudichte von maximal einem Drittel ihrer Grundstücksfläche einzuhalten hätten, werde auf dem Grundstück Nr 2036/1 (Bauplatz Nr 12) eine den individuellen Bauinteressen der mitbeteiligten Partei dienende, erheblich dichtere Bebauung gestattet. Die Festlegungen betreffend die südwestliche Baufluchtlinie (zur Promenade) und die Grundflächenzahl von 47 seien dabei in einem gewissen Zusammenhang zu sehen, zumal eine derartige Grundflächenzahl auf Bauplatz Nr 12 ohne entsprechende Baufluchtlinie nicht ausnutzbar wäre. Auf Grund dieser, das generelle Planungsziel einer promenadenabgewandten, nicht allzu dichten Bebauung konterkarierenden Festlegungen habe die mitbeteiligte Partei ihr ursprünglich geplantes und bewilligtes, nunmehr geändertes Bauvorhaben realisieren können. Hinsichtlich dieser sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung hege das antragstellende Gericht Bedenken an der Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes.

2.2.5. Darüber hinaus könne dem Verordnungsakt keine Grundlagenforschung für die Festlegung der Bebauungsdichte (Grundflächenzahl) im Planungsgebiet entnommen werden. Die Grundflächenzahlen seien erstmals mit dem zweiten Vorentwurf des Bebauungsplanes vom 11. Mai 2017 festgelegt worden und bis zum Beschluss des Bebauungsplanes unverändert geblieben. Eine nähere Begründung der Grundflächenzahlen sei weder den ortsplanerischen Stellungnahmen noch den Protokollen der Gemeinderatssitzungen zu entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es grundsätzlich nicht erforderlich, jede einzelne Bebauungsbestimmung zu begründen, solange auf Grund einer für ein größeres Gebiet geltenden Anordnung von Bebauungsbestimmungen eine dahinterliegende Planungsabsicht erkennbar sei (Verweis auf VfSlg 16.896/2003). Wie bereits ausgeführt, durchbreche die für das Grundstück der mitbeteiligten Partei festgelegte Grundflächenzahl von 47 jedoch die allgemeine Planungsabsicht ohne Angabe von näheren (übergeordneten) Gründen.

2.2.6. Nach §31 Abs1 zweiter Satz Oö. ROG 1994 dürften Bebauungspläne unter anderem dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. Entgegen den Widmungen im Flächenwidmungsplan werde im Bebauungsplan beim Grundstück der mitbeteiligten Partei der südwestliche Grundstücksstreifen nicht als Verkehrsfläche ausgewiesen, sondern von der südwestlichen Grundstücksgrenze bis zur Bauplatzgrenze als Verkehrsfläche und auf einem einen Meter breiten Streifen nordöstlich angrenzend an die Bauplatzgrenze als Grünland (Grünzug "Gz 5"). Dies setze sich bei den westlich anschließenden Promenadengrundstücken bis zu Bauplatz Nr 5 fort. Wiewohl diese Ausweisung in einem Begrünungsvorschlag des Ortsplaners (für Bauplatz Nr 12) begründet sein möge, widerspreche sie offenkundig dem Flächenwidmungsplan. "Darüber hinaus" sei in diesem Bereich keine Grenzlinie gemäß §32 Abs3 Z3 Oö. ROG 1994 zwischen den verschiedenen, unzutreffend dargestellten Widmungen festgelegt worden.

3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee hat als verordnungserlassende Behörde eine Äußerung erstattet, in der er den Bedenken wie folgt entgegentritt:

3.1. Der Bebauungsplan sei ordnungsgemäß beschlossen und kundgemacht worden. Das Verordnungsprüfungsverfahren beim Land Oberösterreich habe keine Rechtswidrigkeit ergeben. Der Gemeinderat habe den Ortsplaner in die Grundlagenforschung einbezogen, der auch die diversen Entwürfe des Bebauungsplanes erstellt habe. Aus dieser Grundlagenforschung sei eindeutig ersichtlich, dass die Entwicklung des Bebauungsplanes die Intention gehabt habe, die für die Gemeinde besonders wichtige Promenade in der öffentlichen Nutzung sicherzustellen und von einer Bebauung freizuhalten. Dies sei in Zusammenhang mit der für 2020 geplanten Landesausstellung in besonderem Maß ins Gespräch gekommen. Dass diese Landesausstellung inzwischen auf 2027 verschoben worden sei, ändere an dieser Intention nichts.

3.2. Die Regelungen zu zulässigen Bebauungen sollten sich am angrenzenden Bebauungsplan Nr 59 ("Cafe-Blumen Mayer") orientieren und im Wesentlichen die Bebaubarkeiten nach den gesetzlichen Bestimmungen weitgehend offenhalten, dies unter Berücksichtigung der bestehenden Strukturverhältnisse und Höhenvorgaben im Seeuferbereich des Attersees. Aus der Entstehung des Bebauungsplanes ergebe sich auch, dass die darin angeführten Grundflächenzahlen auf Grundlage eines näher genannten Lage- und Höhenplanes ermittelt worden seien. Mittels CAD-Programm seien aus diesem Plan die für den zukünftigen Bebauungsplan relevanten – bestehenden – Gebäudeflächen "abgegriffen" worden, wobei die damalige Bebauung am Grundstück Nr 2036/1 herangezogen worden sei. Dabei habe sich für dieses Grundstück eine Grundflächenzahl "vor Bebauungsplan" von 47 ergeben, die auch im Bebauungsplan festgelegt worden sei.

3.3. Die Planungsintention der verordnungserlassenden Behörde werde vom antragstellenden Gericht somit nur teilweise richtig dargestellt. Es treffe zu, dass grundsätzlich die Freilassung eines unbebauten Streifens entlang der Promenade sichergestellt werden sollte und eine Bebauung in "erster Reihe" in geringerer Dimensionierung als in "zweiter Reihe" beabsichtigt gewesen sei. Zugleich sei es aber ebenso Planungsintention gewesen, die bereits bestehende Bebauung der Grundstücke zu berücksichtigen und diese nicht durch Einschränkungen der Bebaubarkeit über das Maß bestehender Bebauung hinaus zu belasten. Dies sei der Grund gewesen, weshalb bei Bauplatz Nr 12 sowie auch beim Bauplatz "Cafe Mayr" die Abstände zur Promenade geringer festgelegt worden seien. Gleiches gelte auch für die Grundflächenzahl von 47 für den Bauplatz Nr 12, die der Grundflächenzahl der bei Erlassung des Bebauungsplanes bestehenden Bebauung entsprochen habe. Das bereits im Planungsstand bekannte Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei sei offensichtlich hinsichtlich der Grundflächenzahl dem Bestand nachempfunden gewesen, sodass zwar faktisch der Bebauungsplan diese Planung ermöglicht habe, dies jedoch nicht als Planungsintention, sondern als Begleiterscheinung der Berücksichtigung der Bestandsbebauung. Dieses Vorhaben sei für die konkrete Form des Bebauungsplanes keinesfalls maßgeblich gewesen.

3.4. Zum vorgebrachten Widerspruch des Bebauungsplanes zum Flächenwidmungsplan führt die verordnungserlassende Behörde aus, dass die Darstellung der Flächenwidmung im Bebauungsplan nichts an der tatsächlichen Flächenwidmung und der Zulässigkeit von Bebauungen ändere. Die Grenzlinien seien entsprechend den tatsächlichen Widmungen dargestellt, eine Grenzlinie zwischen den im Bebauungsplan dargestellten Widmungen "Verkehrsfläche" und "Grünzug – Gz 5" wäre nicht indiziert, da diesbezüglich tatsächlich keine Widmungsgrenze existiere. Zudem seien beide Aspekte als allenfalls geringfügige Verletzungen des §32 Oö. ROG 1994 zu betrachten, die eine Aufhebung des Bebauungsplanes keinesfalls rechtfertigten.

4. Die Oberösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken wie folgt entgegentritt:

Bebauungspläne für Einzelfälle seien nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht generell verfassungswidrig. Auch die Änderung (hier: Erstellung) eines Bebauungsplanes zur Verwirklichung eines Bauvorhabens sei nicht schlechthin gleichheitswidrig. Nach Ansicht der Landesregierung folge auch aus dem Umstand, dass bei der Erstellung eines Bebauungsplanes auf Unterlagen eines konkreten Bauvorhabens zurückgegriffen bzw Rücksicht auf ein in der Planung bereits weit fortgeschrittenes Bauvorhaben genommen werde, nicht in jedem Fall eine mangelnde sachliche Rechtfertigung. Besonders zu beachten sei zudem, dass der Bauplatz Nr 12 bereits bisher bebaut gewesen sei, worauf die Gemeinde in ihrer Grundlagenforschung auch ausdrücklich Bezug genommen habe (Hinweis auf die fachliche Stellungnahme des Ortsplaners vom 4. September 2018). Die abweichenden Festlegungen – insbesondere hinsichtlich der Baufluchtlinie – seien daher auch aus diesem Grund sachlich gerechtfertigt.

5. Die mitbeteiligte Partei des Anlassverfahrens hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des antragstellenden Gerichtes teils entgegentritt, sich diesen teils anschließt und teils eigene Bedenken vorbringt:

5.1. Die für das Grundstück der mitbeteiligten Partei festgelegte Grundflächenzahl habe sich aus einer Vermessung des vor Erlassung des Bebauungsplanes vorhandenen Altbestandes ("Café Liehmann") ergeben. Das Bauvorhaben der mitbeteiligen Partei sei bei Inkrafttreten des Bebauungsplanes am 19. Juni 2019 bereits rechtskräftig bewilligt gewesen. Insofern sei es richtig gewesen, dieses im Bebauungsplan adäquat zu berücksichtigen. Es handle sich nicht um "Anlassgesetzgebung", sondern um eine Abbildung der rechtmäßigen Ist-Situation. Die Möglichkeit einer Begünstigung der mitbeteiligten Partei scheide schon deshalb aus, weil diese durch den Bebauungsplan, gemessen an den gesetzlichen Bebauungsmöglichkeiten, keinerlei Vorteile erlange, sondern ausschließlich Einschränkungen der Bebaubarkeit hinnehmen müsse. Vielmehr sei die mitbeteiligte Partei selbst gegenüber Bauplatz Nr 16 benachteiligt worden, dessen Baufluchtlinie direkt an der Promenade liege und der auch keine zusätzliche innere Baufluchtlinie aufweise. Diese Ungleichbehandlung sei unsachlich.

5.2. Tatsächlich gesetzwidrig sei der Bebauungsplan deshalb, weil er an der südlichen Grenze des Grundstückes einen im Flächenwidmungsplan nicht vorgesehenen Grünstreifen – und somit eine Grünlandwidmung anstelle von Bauland – ausweise. Der Bebauungsplan widerspreche damit dem Flächenwidmungsplan. Dies stelle zugleich eine unzulässige Eigentumsbeschränkung dar. Des Weiteren enthalte der Bebauungsplan eine unzulässige dynamische Verweisung auf eine ÖNORM, deren Fassung nicht angegeben werde und die wiederum auf eine andere ÖNORM verweise.

5.3. Die Festlegung einer zusätzlichen (inneren) Baufluchtlinie für das Grundstück der mitbeteiligten Partei sei unsachlich und ein unzulässiger, da nicht erforderlicher Eigentumseingriff. Die Situierung des vormaligen und des nunmehrigen Gebäudes und damit das Ortsbild wären ohne das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei (beinahe) dieselben gewesen, weshalb es keinen Grund für die Festlegung dieser Baufluchtlinie gegeben habe. Entgegen dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes sei es auch nicht sachlich geboten, bebaute und unbebaute Liegenschaften hinsichtlich der Baufluchtlinien gleich zu behandeln. Eigentümer bebauter Liegenschaften hätten – anders als bei unbebauten Liegenschaften – einen guten Glauben auf die Beibehaltung von Situierung, Bebauungsdichte und Ortsbild. Überdies sei im vorliegenden Fall der Altbestand an bebauten Liegenschaften für das Ortsbild zumindest mitbestimmend, wenn nicht sogar der Ausgangspunkt der ortsplanerischen Überlegungen gewesen.

6. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens haben eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Gerichtes vollinhaltlich anschließen und weitere Bedenken gegen den Bebauungsplan äußern. Darüber hinaus bringen sie Bedenken gegen die zugleich mit dem Bebauungsplan beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes vor.

7. Die mitbeteiligte Partei des Anlassverfahrens hat eine Replik erstattet, in der sie den Bedenken der Beschwerdeführer wiederum entgegentritt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des angefochtenen Teils der Verordnung zweifeln ließe. Dem antragstellenden Gericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Baubewilligung die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade", anzuwenden hat, soweit sie das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, betrifft. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens (Nachbarn) brachten bereits im behördlichen Verfahren Einwendungen hinsichtlich der Ausnutzbarkeit des Bauplatzes der mitbeteiligten Partei vor, wozu sich im Bebauungsplan Festlegungen finden.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag als zulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Eventualanträge.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004). Auf die durch die mitbeteiligte Partei sowie die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens ergänzend vorgebrachten Bedenken ist daher nicht einzugehen.

2.2. Der Antrag ist begründet:

2.2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl zur Prüfung von Verordnungsbestimmungen am Maßstab des Verfassungsrechts VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=17960&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19033&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=14039&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=16407&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Verordnungsgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (VfSlg 20.229/2017).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt ein solcher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz unter anderem dann vor, wenn die verordnungserlassende Behörde bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken einen Liegenschaftseigentümer ohne konkrete, bei der Planung offengelegte zwingende Gründe gegenüber anderen bevorzugt (vgl zu Baufluchtlinien VfSlg 20.532/2022; zur Festlegung unterschiedlicher Bauklassen VfSlg 13.570/1993; zudem VfSlg 14.629/1996, 17.571/2005, 20.081/2016).

2.2.2. Die im Spruch genannte Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade" (im Folgenden: Bebauungsplan), sieht für das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, eine Baufluchtlinie im Abstand von einem Meter (bzw ab einer Gebäudehöhe von 2,5 Metern im Abstand von zwei Metern) zur südwestlichen Bauplatzgrenze an der öffentlich genutzten Promenade vor. Für die sonstigen an die Promenade angrenzenden, bebaubaren Grundstücke ist hingegen – von einer weiteren Ausnahme abgesehen – eine Baufluchtlinie im Abstand von sechs Metern zur Promenade vorgesehen. Das vom Bebauungsplan erfasste Gebiet ist ein am Ufer des Attersees gelegenes, im Bereich des Grundstückes Nr 2036/1 (Bauplatz Nr 12) vom Seeufer nur durch die Promenade und einen Grünstreifen getrenntes Wohn- und gemischtes Baugebiet.

2.2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat der Erstellung und der Änderung eines Bebauungsplanes eine ordnungsgemäße Grundlagenforschung sowie Interessenabwägung voranzugehen (vgl zB VfSlg 19.007/2010, 19.980/2015, 20.441/2021). Die Grundlagenforschung trägt dabei auch dem Charakter des Raumordnungsrechtes als planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes Rechnung (vgl zB VfSlg 2674/1954).

Der Verordnungsgeber hat im Rahmen dessen bei seiner Planung zwar den bisherigen Bestand zu berücksichtigen (vgl zB VfSlg 13.180/1992). Die Raumplanung richtet sich aber naturgemäß auf die zukünftige Ausgestaltung, weswegen es zu den Aufgaben des Verordnungsgebers gehört, auch Veränderungen des Bestandes, solange er nicht von rechtskräftigen Bewilligungen gesichert ist, für die Zukunft vorzusehen, wenn dies im Interesse der Planungsziele liegt (vgl VfSlg 20.532/2022 mit Hinweis auf VfSlg 13.502/1993, 20.474/2021).

2.2.4. Der Bebauungsplan sieht bei den Grundstücken an der Promenade grundsätzlich eine sechs Meter vor der Grenze zu dieser verlaufende Baufluchtlinie vor, sodass vor den Bauplätzen ein entsprechend unbebauter Bereich entlang der Promenade bestehen bleibt. Daraus ist die grundsätzliche Planungsabsicht abzuleiten, dass Gebäude auf den seeseitig "in erster Reihe" gelegenen Grundstücken eher im hinteren, von der Promenade abgewandten Grundstücksbereich situiert sein sollen, um entlang der öffentlich genutzten Promenade am Seeufer einen unbebauten Bereich zu erhalten. Auch die verordnungserlassende Behörde bestätigt in ihrer Äußerung diese Planungsabsicht. Lediglich bei jenen Grundstücken, bei denen dieser Bereich im Zeitpunkt der Planung bereits bebaut war, verläuft die Baufluchtlinie in deutlich geringerem (Bauplatz Nr 12) bzw ohne Abstand (Bauplatz Nr 16) zur Promenade.

2.2.5. Die generelle Vorgabe für die Anordnung der Bebauung an der Promenade entspricht den für die Bebauungsplanung geltenden gesetzlichen Zielen, die zu verfolgen der Verordnungsgeber im Rahmen seines Ermessens frei ist.

Allerdings kann den Verordnungsakten nicht entnommen werden, aus welchen übergeordneten Gründen dieses Planungsziel hinsichtlich einzelner, zum Zeitpunkt der Planung bestehender Gebäude durchbrochen wurde. Deren Bestand ist durch die Rechtskraft bestehender Bewilligungen gesichert. Es bedürfte daher einer besonderen Begründung, weshalb die für die umliegenden Grundstücke geltenden Abstandsvorschriften für eine allfällige neue Bebauung nicht gelten sollen, kommt es dadurch doch im Falle der Neubebauung der Grundstücke zu einer ungleichen Behandlung von Grundeigentümern (vgl VfSlg 20.532/2022).

Die verordnungserlassende Behörde begründet diese Abweichungen in ihrer Äußerung ausschließlich damit, dass es (auch) ihre Planungsintention gewesen sei, "die bereits bestehende Bebauung der betroffenen Grundstücke zu berücksichtigen und diese nicht durch Einschränkungen der Bebaubarkeit über das Maß bestehender Bebauung hinaus zu belasten". Wie bereits dargelegt, vermag ein vorhandener Baubestand aber nichts daran zu ändern, dass nicht erkennbar ist, welche Planungsziele – abgesehen vom Interesse der insofern begünstigten Grundeigentümer – die Durchbrechung der ansonsten festgelegten Baufluchtlinie rechtfertigen (vgl erneut VfSlg 20.532/2022).

2.2.6. Der Verordnungsgeber hat damit, wie das antragstellende Gericht zutreffend aufzeigt, bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken einzelne Liegenschaftseigentümer ohne zwingende Gründe gegenüber anderen bevorzugt. Er ermöglicht diesen Eigentümern eine günstigere Bebauung (geringerer Abstand zur Promenade), anderen hingegen hat er den Umfang der Bebaubarkeit stärker beschränkt. Dadurch wird der Gleichheitsgrundsatz verletzt (Art2 StGG, Art7 B‑VG; vgl zur Festlegung unterschiedlicher Bauklassen zB VfSlg 13.570/1993, zudem VfSlg 14.629/1996, 17.571/2005, 20.081/2016).

2.2.7. Darüber hinaus lässt sich den Verordnungsakten auch nicht entnehmen, auf Grund welcher planerischen Erwägungen für die vom Bebauungsplan erfassten, in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücke teils stark unterschiedliche Bebauungsdichten (ausgedrückt durch die Grundflächenzahl) festgelegt wurden. Diese reichen von einer Grundflächenzahl von 20 (Bauplatz Nr 14) bis zu einer Grundflächenzahl von 50 (Bauplatz Nr 6).

Auch in diesem Zusammenhang verweist die verordnungserlassende Behörde in ihrer Äußerung ausschließlich auf die im Zeitpunkt der Planung vorhandene Bebauung der Grundstücke. Die im Bebauungsplan normierten Grundflächenzahlen seien "mittels CAD‑Programm" aus den bestehenden Gebäudeflächen "abgegriffen" und übernommen worden. Es mangelt daher hinsichtlich der im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsdichten (Grundflächenzahlen) an einer ordnungsgemäßen Grundlagenforschung. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts-hofes ist es zwar grundsätzlich nicht erforderlich, jede einzelne Festlegung von Bebauungsbestimmungen zu begründen; dies gilt jedoch nur, solange auf Grund einer für ein größeres Gebiet geltenden Anordnung von Bebauungsbestimmungen eine dahinterliegende Planungsabsicht des Verordnungsgebers erkennbar ist (vgl VfSlg 16.896/2003). Zudem bevorzugt die verordnungserlassende Behörde damit bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken bestimmte Liegenschaftseigentümer ohne konkrete, bei der Planung offengelegte zwingende Gründe gegenüber anderen und verletzt damit den Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG, Art7 B‑VG; vgl abermals VfSlg 13.570/1993).

2.2.8. Schließlich beanstandet das antragstellende Gericht auch zu Recht, dass der Bebauungsplan auf dem Grundstück Nr 2036/1 einen einen Meter breiten Streifen an der südwestlichen Bauplatzgrenze zur Promenade als Grünland ("Grünzug Gz 5") ausweist, obwohl dieser Bereich im Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche gewidmet ist. Der Bebauungsplan widerspricht damit dem Flächenwidmungsplan (§31 Abs1 zweiter Satz Oö. ROG 1994), weil er entgegen §32 Abs1 Z2 Oö. ROG 1994 nicht die im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungen ausweist (vgl VfSlg 19.948/2015).

V. Ergebnis

1. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade", beschlossen am 18. Oktober 2018, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Mai 2019, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 4. Juni 2019 bis 19. Juni 2019, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben, soweit sie das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, betrifft.

2. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oö. VlbG 2015, LGBl 91/2014 idF LGBl 70/2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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