VfGH V152/94

VfGHV152/9411.10.1995

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer bereits außer Kraft getretenen WildfütterungsV mangels Legitimation

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
WildfütterungsV der BH Scheibbs vom 03.07.92
VfGG §57 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
WildfütterungsV der BH Scheibbs vom 03.07.92
VfGG §57 Abs1

 

Spruch:

Die Anträge auf Aufhebung der Verordnungen vom 3. Juli 1992 und vom 16. November 1994 werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die Erstantragstellerin sowie der Zweit- und Drittantragsteller sind Eigentümer eines in der Marktgemeinde Lunz am See gelegenen Eigenjagdgebietes; der Viertantragsteller ist dessen Jagdverwalter. Sie begehren mit dem vorliegenden, auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag, die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 3. Juli 1992, Zl. 9-JA-92/20, aus näher dargelegten Gründen als gesetzwidrig aufzuheben. Diese Verordnung ("Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 3. Juli 1992, Zl. 9-JA-92/20, mit welcher die Fütterung des Rotwildes während bestimmter Zeiten verboten, die Vorlage bestimmter Futterarten verboten sowie die rotwildsichere Umfriedung der Futterstellen für Rehwild vorgeschrieben wird") hatte - abgesehen von der Präambel - folgenden Wortlaut:

"§1

Fütterungsstandorte, Fütterungszeit

1. Bei sämtlichen in den Gemeinden Göstling an der Ybbs, Lunz am See, Gaming, Puchenstuben und St. Anton an der Jeßnitz liegenden Jagdgebieten, in denen gemäß ArtII Abs3 der Jagdgesetznovelle 1991, LGBl. 6500-8, bestehende Rotwildfütterungen der Behörde bekannt gegeben und von der Behörde nicht verboten wurden oder gemäß §87 Abs3 des NÖ Jagdgesetzes in Zukunft angezeigt und nicht verboten werden, unterliegt die Fütterung des Rotwildes den nachstehenden zeitlichen und fütterungstechnischen Einschränkungen; das Füttern des Rotwildes an anderen Fütterungsstandorten und zu anderen Zeiten ist nicht zulässig.

2. Die Vorlage von Futter jeder Art ist vor oder während der Brunft des Rotwildes ausnahmslos verboten.

3. Mit Ende der Brunft darf Futter nur dann vorgelegt werden, wenn für das Rotwild eine 'Notzeit' gegeben ist. Eine solche Notzeit liegt insbesondere in der Zeit der Vegetationsruhe vor; generell, d.h. ohne Rücksicht auf Witterungsverhältnisse, ist eine Notzeit des Rotwildes frühestens ab 20. Oktober eines jeden Jagdjahres anzunehmen.

4. In der Notzeit und in der Zeit des Vegetationsbeginnes ist das Rotwild mit den in §2 angeführten, von der Jagdbehörde nicht verbotenen Futtermitteln zu füttern. Die Futtervorlage muß mindestens bis zum 30. April, bei Fütterungsstandorten über 1000 m Seehöhe bis zum 15. Mai eines jeden Jagdjahres durchgehend erfolgen. Das Rotwild ist während der gesamten Notzeit gleichmäßig zu füttern.

§2

Futterarten

1. Als Futtermittel sind zugelassen:

  1. 1. Heu und Grassilagen
  2. 2. Rüben (hier alle Arten mit Ausnahme der Karotte), Ganzpflanzensilagen (Grünmaissilagen) und Obsttrester

2. Die in Abs1 Z2 genannten Futtermittel (Saftfutter) dürfen nur vorgelegt werden, wenn an den Fütterungen gleichzeitig ausreichende Mengen von Rauhfutter (Heu) vorgelegt werden.

3. Obst darf nur ab Beginn der bewilligten Fütterungszeiträume (vgl. §1) vorgelegt werden.

4. Alle in Abs1 und 2 nicht genannten Futtermittel und Futterarten, in welcher Konsistenz auch immer, sind zur Vorlage an das Rotwild ausnahmslos untersagt.

§3

Fütterungstechnik

1. Alle in den Gemeinden Göstling an der Ybbs, Lunz am See, Gaming, Puchenstuben und St. Anton an der Jeßnitz bestehenden und noch nicht rotwildsicher eingezäunten Rehwildfütterungen sind bis längstens 30. September 1993 rotwildsicher zu umfrieden. Ebenso sind alle künftig zu errichtenden Rehwildfütterungen rotwildsicher zu umfrieden. Diese rotwildsicheren Umfriedungen sind auf Dauer des Bestehens der jeweiligen Rehwildfütterung funktionsfähig zu erhalten.

2. Der Stababstand der Umfriedung hat zwischen 19 cm und 22 cm zu betragen. Die Höhe der Umfriedung ist jeweils der Hangneigung und der erfahrungsgemäß zu erwartenden Schneehöhe anzupassen und so zu wählen, daß die Umfriedung mindestens zwei Meter über die Schneedecke reicht.

3. Im Gemeindegebiet vom Gaming gelten Abs1 und 2 nicht für das Gebiet, welches nördlich der Landeshauptstraße 92 und westlich der Landesstraße 6155 liegt.

§5

Strafbestimmungen

Übertretungen dieser Verordnung stellen Verwaltungsübertretungen dar und werden gemäß §135 Abs1 Z18 und 18a des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500-8, mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen, bestraft."

(§4 der wiedergegebenen Verordnung wurde durch Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft vom 12. Mai 1993 und vom 24. Juni 1994 novelliert.)

2. Zur Antragslegitimation berufen sich die Einschreiter mit dem Hinweis, es handle sich um ein Revier mit eigenem Rotwildbestand, auf die aus der Verordnung für sie (bezüglich der Rotwildfütterung) folgenden, unter Verwaltungsstrafsanktion stehenden Rechtspflichten.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs sowie die NÖ Landesregierung erstatteten Äußerungen und brachten in weiteren Schriftsätzen insbesondere vor, daß die angefochtene Verordnung durch die (nach Antragseinbringung erlassene) Verordnung der Bezirkshauptmannschaft vom 16. November 1994, Zl. 9-JA-94/20, zur Gänze aufgehoben worden sei. Im Hinblick auf diesen - zutreffenden - Umstand beantragt die Landesregierung, den vorliegenden Individualantrag zurückzuweisen.

Die Antragsteller sind hingegen der Ansicht, daß die Prozeßvoraussetzungen des Verordnungsprüfungsverfahrens weiterhin gegeben seien, und stützen diese Auffassung auf zwei noch zu erörternde Argumente. Sie begehren (überdies) die zuletzt erwähnte Verordnung vom 16. November 1994 als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Der Individualantrag erweist sich ebensowenig als zulässig wie der weitere Antrag auf Aufhebung der Verordnung vom 16. November 1994.

Nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des sogenannten Individualantrages auf Verordnungsprüfung, daß die Verordnung - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist; grundsätzlich das gleiche gilt gemäß dem kraft des letzten Satzteiles in Art139 Abs1 B-VG sinngemäß heranzuziehenden Art89 Abs3 B-VG, welcher von der - außer Kraft getretenen - anzuwendenden Rechtsvorschrift spricht.

Legt man das ausschließlich maßgebende Antragsvorbringen zugrunde, so ist es ausgeschlossen, daß die bereits außer Kraft getretene Verordnung für die Einschreiter noch Wirkungen bezüglich der Rotwildfütterung entfaltet. Ihre später geäußerte Ansicht, die Verordnung sei deshalb "weiterhin präjudiziell", weil diese Rechtsvorschrift einem von ihnen beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid zugrundeliege, ist verfehlt. Unter diesem Aspekt wirkt nämlich die Verordnung für die Antragsteller keinesfalls unmittelbar, sondern erst im Wege des beim Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides. Die Einschreiter leiten ferner aus dem von ihnen behaupteten Umstand, daß die Verordnung vom 16. November 1994 - inhaltlich betrachtet - die angefochtene Verordnung nur in deren §2 ändere, das Weiterbestehen eines die Fortsetzung des Verordnungsprüfungsverfahrens erfordernden Rechtsschutzbedürfnisses ab. Hievon könnte jedoch überhaupt nur dann die Rede sein, wenn die neue Verordnung in der erweislichen oder doch vom Ergebnis her erschließbaren Absicht erlassen worden wäre, das anhängige Prüfungsverfahren ganz oder teilweise zu vereiteln (vgl. hiezu das einen Gesetzesprüfungsfall betreffende Erk. VfSlg. 10091/1984, insbesondere S. 707); für die Annahme eines derartigen Vorgehens des Verordnungsgebers bestehen aber keine Anhaltspunkte.

Den Antragstellern fehlt sohin die - nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hierüber - erforderliche Legitimation zur Anfechtung (vgl. VfSlg. 13057/1992, n.w.N.).

Auch dem in der später erstatteten Äußerung enthaltenen Verlangen der Antragsteller, das Verordnungsprüfungsverfahren auf die neue Verordnung auszudehnen, kann der Gerichtshof nicht entsprechen. Der Prüfungsgegenstand ist nämlich durch das (ursprüngliche) Antragsbegehren i.S. des §57 Abs1 VerfGG ("dem ganzen Inhalte nach oder bestimmte Stellen der Verordnung") festgelegt und es besteht für eine Erweiterung oder auch für einen bloßen Austausch des Prüfungsgegenstandes in der von den Einschreitern gewünschten Weise keinerlei gesetzliche Handhabe.

Aus diesen Gründen waren sowohl der vorliegende Individualantrag als auch der Antrag auf Aufhebung der Verordnung vom 16. November 1994 zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

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