Normen
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV der Gemeinde Kematen / Ybbs vom 21.12.87
Nö ProstitutionsG §4
Nö ProstitutionsG §6 Z3
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV der Gemeinde Kematen / Ybbs vom 21.12.87
Nö ProstitutionsG §4
Nö ProstitutionsG §6 Z3
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Kematen/Ybbs ein Lokal betreibt, in welchem die Prostitution ausgeübt wird.
Sie begehrt mit dem vorliegenden, auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag die Aufhebung der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Kematen/Ybbs vom 21. Dezember 1987 über ein Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution und der Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird.
Diese Verordnung verbietet - unter Strafandrohung (§6 Niederösterreichisches Prostitutionsgesetz, LGBl. 4005) - die Anbahnung und Ausübung der Prostitution und die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, im Umkreis von 500 Metern von der Volksschule, Pfarrkirche und Kindergarten.
2. Die antragstellende Gesellschaft führt aus, daß "unter Berufung auf die oben angeführte Verordnung Verwaltungsstrafverfahren wegen Verstoß gegen das N.Ö. ProstitutionsG eingeleitet (wurden), weil das Lokal der Antragstellerin nach Ansicht der Verwaltungsstrafbehörde innerhalb der Verbotszone gelegen sein soll."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Dazu vertritt der Verfassungsgerichtshof seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht.
2. Der antragstellenden Gesellschaft stehen zwei derartige Wege offen:
a) Gemäß §4 NÖ ProstitutionsG haben Verfügungsberechtigte über Gebäude oder Gebäudeteile, in denen die Prostitution wiederkehrend angebahnt oder ausgeübt werden soll, dies vorher der Gemeinde anzuzeigen. Zwischen der antragstellenden Gesellschaft und den Liegenschaftseigentümern besteht den Antragsausführungen zufolge ein Mietverhältnis hinsichtlich des in Rede stehenden Lokals. Erstere ist also über den entsprechenden Gebäudeteil verfügungsberechtigt. Gemäß §13 AVG sind Anzeigen als Anbringen an die Behörde zu qualifizieren. Langt daher bei der Gemeinde eine Anzeige nach §4 NÖ ProstitutionsG ein, und ist die Ausübung und Anbahnung der Prostitution aufgrund einer Verordnung der Gemeinde unzulässig, so hat die Behörde gegenüber der Partei, welche die Anzeige einbringt, mit Bescheid die Untersagung auszusprechen.
Sohin hat die antragstellende Gesellschaft die Möglichkeit, einen Bescheid zu erwirken. Gegen einen negativen, auf die betreffende Verordnung des Bürgermeisters von Kematen/Ybbs gestützten Bescheid stünde der Antragstellerin nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges die Möglichkeit der Erhebung einer (Bescheid-)Beschwerde nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof offen, in der sie ihre Bedenken gegen die in Rede stehende Verordnung relevieren könnte (s. den gleichgelagerten Fall VfSlg. 13653/1993).
b) Dem §6 Z3 NÖ ProstitutionsG zufolge begeht eine Verwaltungsübertretung, wer es als Verfügungsberechtigter über Gebäude oder Gebäudeteile zuläßt, daß dort die Prostitution ausgeübt wird, obwohl dies dort aufgrund von Bestimmungen dieses Gesetzes oder einer Verordnung wie der angefochtenen verboten ist. Er ist mit einer Geldstrafe bis 50.000 S (im Wiederholungsfall bis 100.000 S) zu bestrafen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es einem Normadressaten zwar unzumutbar, durch Zuwiderhandeln gegen eine Verbotsbestimmung ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren auszulösen. Ist ein Strafverfahren aber ohnehin bereits anhängig, so ist es dem Beschuldigten durchaus zumutbar, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die betreffende Norm (hier also die Verordnung) vorzubringen (s. z.B. VfSlg. 11481/1987, 11726/1988, S 584 f.; 12019/1989).
Im vorliegenden Fall ist es der antragstellenden Gesellschaft daher zumutbar, den Ausgang der gegen sie eingeleiteten einschlägigen Verwaltungsstrafverfahren (s.o. Pkt. I.2) abzuwarten und anschließend allenfalls in der soeben beschriebenen Weise vorzugehen.
3. Da sohin zumutbare Wege bestehen, die gegen die angefochtene Verordnung erhobenen Bedenken geltend zu machen, ist der vorliegende Antrag mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
5. Die antragstellende Gesellschaft wird auf den Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 1996, B67/96 u.a.Zlen., hingewiesen, mit dem die Behandlung von Beschwerden abgelehnt wurde, welche die gleichen Bedenken relevierten wie der vorliegende Antrag.
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