VfGH V123/97

VfGHV123/9724.2.1998

Zurückweisung eines Verordnungsprüfungsantrags wegen zu eng gefaßten Antragsbegehrens

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
WassergebührenO der Gd Röns (Vorarlberg) vom 22.10.92 und 15.04.93
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
WassergebührenO der Gd Röns (Vorarlberg) vom 22.10.92 und 15.04.93

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die Gemeindevertretung von Röns (Vorarlberg) erließ, gestützt auf das Gesetz über die öffentliche Wasserversorgung durch die Gemeinden in Vorarlberg, LGBl. 26/1929, (wieder in Kraft gesetzt durch LGBl. 22/1954) und auf §15 Abs3 Z5 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl. 687/1988, eine Verordnung über die Regelung der Wassergebühren (Wassergebührenordnung).

Gemäß §1 litc der Wassergebührenordnung wird ua. "eine laufende Wasserbezugsgebühr" erhoben. Im einzelnen bestimmen die §§8 und 10 Wassergebührenordnung:

"§8

Wasserbezugsgebühr

1) Der Berechnung der Wasserbezugsgebühr ist die Wassermenge zu Grunde zu legen. Die Wassermenge ist mit dem Gebührensatz zu vervielfachen. Der Gebührensatz pro m3 Wasser ist mit Verordnung der Gemeindevertretung so festzusetzen, daß das im Rechnungsjahr zu erwartende Aufkommen an Wasserbezugsgebühren das Jahreserfordernis für

a) den Betrieb und die Instandhaltung der Wasserversorgungsanlage und

b) die Verzinsung und Tilgung des für die Wasserversorgungsanlage aufgewendeten Kapitals nicht übersteigt.

2) Die Wassermenge ist mittels des von der Gemeinde installierten Wasserzählers zu ermitteln. Fehlt ein Wasserzähler, oder bei Ausfall des Zählers, ist die bezogene Wassermenge zu schätzen. Wassermengen, die für Brandbekämpfung verwendet werden, bleiben unberücksichtigt.

3) Bei Zweit- und Ferienwohnungen wird, für die Berechnung der Wasserbezugsgebühr, ein Verbrauch von mindestens 30 m3 Wasser angenommen. Übersteigt der, gemäß §8 Abs2, gemessene Verbrauch diese Menge, so gilt der höhere Verbrauch.

§10

Für landwirtschaftliche Betriebe wird auf die, mittels Wasserzähler ermittelte Wassermenge, eine Freimenge zugestanden, die bei der Ermittlung der Wasserbezugsgebühr in Abzug zu bringen ist. Diese Freimenge beträgt pro Rind insgesamt (gemäß jährlicher Viehzählung im Dezember - Formular für Allgemeine Viehzählung - Summe von Spalte 6-21), 3,5 m3 pro Jahr. Für die Haltung anderer Tiere werden keine Freimengen gewährt."

2. Mit einem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg die "Prüfung und Behebung" des §10 zweiter und dritter Satz der Wassergebührenordnung. Es sei, wie er mit näherer Begründung ausführt, unsachlich, die Gewährung einer Freimenge für die Haltung anderer - typischerweise in einer Landwirtschaft auch gehaltener - Tiere als Rinder zu versagen. Zur Zulässigkeit seines Antrags führt der Landesvolksanwalt ua. aus:

"Würde nur der letzte Satz zur Behebung beantragt werden, so würde sich an der Tatsache nichts ändern, daß nur die Rinderhaltung - diese jedoch erheblich und zwar in in sich selbst unschlüssiger Weise - durch eine Freiwassermenge von 3,5 m3 pro Jahr subventioniert wird. Somit kommt dem letzten Satz nur die Betonung des durch den zweiten Satz geschaffenen Faktums der Förderung nur der Rinderhaltung zu. Es bedarf daher der Behebung des zweiten und dritten Satzes von §10, um die Unsachlichkeit zu beseitigen. Das Bestehenbleiben des 1. Satzes ist unschädlich, wenngleich ihm nach Behebung von Satz 2 und 3 bis zu einer Neuregelung nur programmatische Bedeutung zukommt. Er entbehrt aber nicht in dem Maße des Sinnes, daß seine Behebung unerläßlich wäre."

3. Die zu einer Stellungnahme aufgeforderte Vorarlberger Landesregierung sah von einer Äußerung ab, ebenso die Gemeindevertretung von Röns.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8155/1977 (S 221) zusammenfassend dargelegt hat und seither in ständiger Rechtsprechung festhält, ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Norm derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall bildet, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. dazu zB VfSlg. 10936/1986 und im Ergebnis VfSlg. 10384/1985). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Normsetzung wäre (vgl. VfSlg. 12465/1990, S 128; 13915/1994).

2. Der Verfassungsgerichtshof tritt der Ansicht des Landesvolksanwalts von Vorarlberg bei, daß der zweite und der dritte Satz des §10 Wassergebührenordnung miteinander untrennbar verbunden sind. Er kann dem Antragsteller jedoch nicht folgen, wenn er meint, dem ersten Satz dieses Paragraphen käme, sollte der Rest aufgehoben werden, bis zu einer Neuregelung nur programmatische Bedeutung zu. Dieser Satz enthielte dann die - mit Art18 B-VG im übrigen nicht in Einklang zu bringende - Anordnung, daß landwirtschaftlichen Betrieben eine Freimenge zugestanden werde. Eine solche Freimenge käme jedem landwirtschaftlichen Betrieb zu, nicht nur einem solchen, der Rinder hält, oder einem solchen, der - wie es der Intention des antragstellenden Landesvolksanwalts entspricht - Haustiere welcher Art auch immer hält. Die Aufhebung nur des zweiten und des dritten Satzes des §10 käme daher einem dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbaren Akt der positiven Normsetzung gleich (vgl. VfSlg. 13915/1994; vgl. auch VfSlg. 12465/1990 und 14044/1995). Im Falle der Gesetzwidrigkeit müßte daher §10 Wassergebührenordnung insgesamt aufgehoben werden. Der nur die Aufhebung des zweiten und des dritten Satzes ermöglichende Antrag ist somit zu eng.

3. Er ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung gefaßt werden.

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