Normen
B-VG Art139 Abs1 Z3
Flächenwidmungs- und Bebauungsplan des Gemeinderats der Stadt Wien vom 27.11.1997, Plandokument 7042
Wr BauO 1930 §58
VfGG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2025:V11.2024
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antragsvorbringen
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "die auf den im Eigentum der Antragsteller stehenden Grundstücke Nr 423/15 und 423/23, KG 01803 Inzersdorf geltenden Festsetzungen des Bebauungsplanes, Plandokument Nr 7042, insofern beheben, als die Ausweisung der Grundstücke Nr 423/15 und 423/23 als Verkehrsfläche durch Entfall der Baulinie an der Grenze des Grundstückes Nr 423/23 KG 01803 Inzersorf beseitigt wird".
2. Die Antragsteller bringen vor, dass das Grundstück Nr 423/15, EZ2201, KG 01803 Inzersdorf, mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64 (im Folgenden: belangte Behörde), vom 11. Oktober 2005 – teilweise gegen Entschädigung, teilweise unentgeltlich – in das öffentliche Gut zu übertragen gewesen sei. Darüber hinaus sei die Verpflichtung festgesetzt worden, das Grundstück über Auftrag der Behörde gegen die nach §17 Abs5 BO für Wien gewährleistete Entschädigung gebühren- und lastenfrei in der festgesetzten Höhenlage an die Gemeinde abzutreten und es der Gemeinde zu übergeben.
Der von den Antragstellern am 16. September 2021 an die belangte Behörde gerichtete Antrag auf Rückübereignung des Grundstückes Nr 423/15, EZ2201, KG 01803 Inzersdorf, in das Eigentum der Antragsteller, sei mit Bescheid vom 4. April 2022 abgewiesen worden. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde sei der Bescheid vom 11. Oktober 2005 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 29. Dezember 2022 ersatzlos behoben worden. Die belangte Behörde habe dagegen eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, das Verfahren sei nach wie vor anhängig.
3. Zur Antragslegitimation bringen die Antragsteller im Wesentlichen vor, dass durch den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (PD 7042) die Verfügungsmacht der Antragsteller erheblich eingeschränkt werde, da die schwebende Verpflichtung einer (neuerlichen) Grundabtretung bei Setzung eines Abtretungsanlasses nicht ausgeräumt werden könne. Zudem, dass die Antragstellung notwendig und geboten sei, da die Antragsteller beabsichtigen würden, auf den genannten Liegenschaften ein Betriebsgebäude mit einer Fläche von etwa 2.000 m2 zu errichten. Auf Grund der Ausweisung der Grundstücke als "öffentliche Verkehrsfläche" sei es den Antragstellern jedoch nicht möglich, eine Bauplatzerklärung bzw eine Baubewilligung zu erwirken.
II. Zur Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B‑VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg 13.871/1994 mwN). Bei Beurteilung dieser Frage kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht auf die Erfolgsaussichten der Partei in der Sache an (zB. VfSlg 9170/1981, 13.226/1992, 13.754/1994, 16.891/2003), sondern vielmehr darauf, dass sich im Zuge eines derartigen Prozesses die Gelegenheit bietet, Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl VfSlg 9170/1981, 9285/1981, 10.592/1985). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass ein Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg 8890/1980, 12.810/1991). Ein Individualantrag wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg 11.344/1987, 11.823/1988). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (VfSlg 15.626/1999 mwN).
3. Den Antragstellern stehen zumutbare Wege zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes des Gemeinderates der Stadt Wien (PD 7042), an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:
3.1. Im Hinblick auf das Grundstück Nr 423/15 hätten die Antragsteller die Möglichkeit, gemäß §58 Abs2 litd BO für Wien einen Antrag auf Rückstellung der in das öffentliche Gut abgetretenen Teile des Grundstückes zu stellen. Gegen einen Bescheid, mit dem die Rückstellung – aus welchen Gründen immer – verweigert wird, kann nach Erschöpfung des verwaltungsbehördlichen Instanzenzuges Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts erhoben werden. Im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen kann die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes geltend gemacht werden, da dieser gemäß §58 Abs2 litd BO für Wien präjudiziell ist. Auch auf diese Weise kann eine amtswegige Überprüfung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auf seine Gesetzmäßigkeit herbeigeführt werden (vgl VfSlg 17.113/2004).
3.2. Im Hinblick auf das Grundstück Nr 423/23 haben die Antragsteller einen solchen Antrag auf Rückstellung der in das öffentliche Gut abgetretenen Teile gemäß §58 Abs2 litd BO für Wien gestellt. Es stand den Antragstellern dabei bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren frei, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (PD 7042) vorzubringen und eine amtswegige Prüfung der Verordnung beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. Soweit die Antragsteller vorbringen, dass diesen die Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B‑VG nicht offen gestanden sei, weil das Verwaltungsgericht Wien den Bescheid im Sinne der Antragsteller ersatzlos behoben habe, ist darin kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu erkennen, zumal es den Antragstellern offenstand (bzw den Angaben im Individualantrag zufolge nach wie vor offen steht), als mitbeteiligte Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten.
III. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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