Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GewO 1994 §76a Abs8
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GewO 1994 §76a Abs8
Spruch:
1. Die Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Abs8 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194 idF BGBl I Nr 66/2010, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 B‑VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, die Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194 idF BGBl I 66/2010, in eventu die Wortfolgen "mit der Maßgabe" und ", dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des §75 Abs2 und 3 nur soweit vorzuschreiben sind, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind" in §76a Abs8 GewO 1994, BGBl 194 idF BGBl I 66/2010, in eventu §76a Abs8 GewO 1994, BGBl 194 idF BGBl I 66/2010, insgesamt als verfassungswidrig aufzuheben.
Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer ist Nachbar eines Gastgewerbebetriebs mit Gastgarten in der Gemeinde St. Marein im Mürztal. Mit Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 20. Jänner 2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof auf die nachträgliche Beschränkung der Betriebszeiten des am 19. August 2010 angezeigten Gastgartenbetriebes der mitbeteiligten Partei, des Inhabers der Betriebsanlage, gemäß §76a Abs8 GewO 1994 abgewiesen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2012 wurde die gegen diesen Spruchpunkt erhobene Berufung des Beschwerdeführers des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß §66 Abs4 AVG abgewiesen. In der Berufung hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, dass u.a. dadurch, dass er ständig dem Zigarettenrauch der Gäste ausgesetzt sei, gesundheitliche Auswirkungen auf ihn zu befürchten seien. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark führte dazu aus, dass sich aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebe, dass der Beschwerdeführer durch den Betrieb des Gastgartens zwar belästigt werde; eine Unzumutbarkeit oder Gesundheitsgefährdung sei dem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen. Weitere Betriebseinschränkungen seien auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens im Sinne der Anträge des Beschwerdeführers deshalb nicht erforderlich.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, als Nachbar "vor Störung durch Lärm und Beeinträchtigung und Gefährdung meiner Gesundheit durch Lärm" geschützt zu werden, verletzt.
2. Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof hat im […] Erkenntnis VfSlg 19.584/2011 erkannt, dass durch die Bestimmung des §76a GewO 1994 idF BGBI. I Nr 66/2010 die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzten Schranken überschritten wurden, weil eine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung der von §76a GewO 1994 erfassten Gastgärten fehlt (vgl. IV. Punkt 4.)."
Unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg 19.584/2011 und insbesondere die Ausführungen zu §76a Abs8 GewO 1994 in diesem Erkenntnis führt der Verwaltungsgerichtshof weiters aus:
"Mit diesen Ausführungen werden nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes verfassungsrechtliche Bedenken gegen §76a Abs8 GewO 1994 und die darin normierte Beschränkung des nachträglichen Nachbarschutzes (nur) auf die Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen aufgezeigt, die im vorliegenden Ausgangsverfahren schlagend werden.
So besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der für Gastgärten geltenden Bestimmung des §76a Abs8 GewO 1994 und der allgemein für Betriebsanlagen geltenden Bestimmung des §79 Abs1 GewO 1994:
Nach §76a Abs8 GewO 1994 besteht - mit den Worten des Verfassungsgerichtshofes - die Möglichkeit der nachträglichen Vorschreibung [von Auflagen] nur, soweit dies zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig ist. Unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Lärm kann daher nicht abgeholfen werden, sondern haben die Nachbarn diese hinzunehmen.
Dagegen sieht §79 Abs1 GewO 1994 die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen bereits dann vor, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß §74 Abs2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen (und somit alle in dieser Bestimmung angeführten Interessen, insbesondere auch die Vermeidung einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Nachbarn etwa durch Lärm nach §77 Abs1 GewO 1994) trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Dieser allgemeine nachträgliche Nachbarschutz bei gewerblichen Betriebsanlagen nach §79 Abs1 GewO 1994 besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für Nachbarn einer Betriebsanlage, die einem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach §359b GewO 1994 unterzogen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2011, Zl. 2009/04/0211, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2010/04/0076).
Die Materialien zu §76a Abs8 GewO 1994 (vgl. RV 780 BlgNR 24. GP, 10) führen unter anderem aus:
'Im Hinblick auf die zeitlichen und betrieblichen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass Gesundheitsgefährdungen und unzumutbare Belästigungen hintangehalten werden; sollten im Einzelfall ausnahmsweise nachträgliche Vorkehrungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen erforderlich sein, bietet Abs8 eine entsprechende Handhabe.'
Damit ging der Gesetzgeber bei der Gestaltung des nachträglichen Nachbarschutzes bei Gastgärten nach §76a Abs8 GewO 1994 und somit in sachlicher Rechtfertigung dieser (von §79 Abs1 GewO 1994 abweichenden) Regelung von einer Annahme aus, die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung in VfSlg 19.584/2011 nicht geteilt wurde. Diese Rechtsprechung geht vielmehr davon aus, dass die 'Annahme, dass die durch die von Gastgärten ausgehenden Lärmimmissionen betroffenen Schutzinteressen des §74 Abs2 GewO bereits durch die Erfüllung der in den Z1 bis 3 genannten Voraussetzungen hinreichend geschützt sind, [ ... ] angesichts dessen, dass bei der schalltechnischen und lärmmedizinischen Beurteilung in jedem Fall auf die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten abgestellt werden müsste, nicht nachvollziehbar' ist.
Damit schlägt diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auf den vorliegend präjudiziellen §76a Abs8 GewO 1994 durch:
Die zu §76a Abs8 GewO 1994 geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zeigen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes deutlich auf, dass die oben dargestellte Beschränkung des nachträglichen Nachbarschutzes bei Gastgärten nach §76a Abs8 GewO 1994 auf die Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen im Vergleich zum allgemeinen nachträglichen Nachbarschutz bei anderen gewerblichen Betriebsanlagen nach §79 Abs1 GewO 1994 und die damit einhergehende Privilegierung der von §76a GewO erfassten Gastgärten sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Es ist nämlich (bezogen auf die Umstände des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Ausgangsverfahrens) keine sachliche Rechtfertigung dafür zu sehen, warum den Nachbarn bei Gastgärten im Vergleich zu Gastgewerbebetrieben an sich (und seien diese auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach §359b GewO 1994 ohne Zuziehung der Nachbarn genehmigt worden) kein nachträglicher Schutz gegen unzumutbare Belästigungen etwa durch Lärm zukommen sollte (vgl. so auch Merli, Unzumutbare Gesetzgebung: Die neue Gastgartenregelung der Gewerbeordnung, JRP 2011, 211 f).
An diesen verfassungsrechtlichen Bedenken ändert auch nichts, wenn der Gesetzgeber in §76a Abs8 GewO 1994 neben den in §79 Abs1 GewO 1994 erfassten Auflagen auch eine Einschränkung der Betriebszeit vorsieht, weil diese zusätzlich mögliche Maßnahme in den Materialien damit begründet wird, dass 'diese als Eingriff in das Wesen der Betriebsanlage im Sinne des §79 Abs3 GewO 1994 verstanden werden könnte und ein aufwändiges Sanierungsverfahren auslösen würde', was der Gesetzgeber vermeiden wollte. Eine sachliche Rechtfertigung für die Beschränkung des nachträglichen Nachbarschutzes auf die Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen lässt sich daraus aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableiten.
Letztlich sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass einer Prüfung der vorliegend präjudiziellen Bestimmung des §76a Abs8 GewO 1994 auch nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen steht (vgl. etwa den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2012, G20/12 ua), weil Gegenstand des Erkenntnisses VfSlg 19.584/2011 nicht Abs8, sondern alleine die Abs1 und 2 des §76a GewO 1994 waren und die in diesem Erkenntnis behandelten Bedenken sich gegen die in diesen Bestimmungen geregelte "Genehmigungsfreistellung" von Gastgärten richteten und nicht gegen die ungleiche Regelung des nachträglichen Nachbarschutzes bei Gastgärten einerseits und sonstigen Betriebsanlagen andererseits (vgl. etwa die Punkte III. und IV. 2. des Erkenntnisses)."
3. Die Bundesregierung erstattete mit Schriftsatz vom 8. Jänner 2014 eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Nach Ansicht der Bundesregierung stelle §76a Abs8 GewO 1994 eine flankierende Regelung zur Genehmigungsfreiheit dar. Das gewerbliche Betriebsanlagenrecht habe eine solche Möglichkeit bis zur Novelle BGBl I 66/2010 bei Anlagen, die keiner Betriebsanlagengenehmigungspflicht unterlegen seien, nicht gekannt. Eine Genehmigungsfreiheit bestehe grundsätzlich dann, wenn entweder die eine Genehmigungspflicht auslösenden Kriterien des §74 Abs2 GewO 1994 nicht erfüllt seien oder wenn Betriebsanlagenarten gemäß §74 Abs7 oder gemäß §76 GewO 1994 von der Genehmigungspflicht ausgenommen seien. Mit der Bestimmung des §76a Abs8 GewO 1994 beabsichtige der Gesetzgeber, die Genehmigungsfreistellung in §76a Abs1 und 2 GewO 1994, bei der die "Eingangshürde" zur Genehmigungsfreistellung großzügiger gestaltet worden sei als in den oben dargestellten Fällen, dadurch zu rechtfertigen, dass zum Ausgleich ein nachträgliches Verfahren, das auch auf Antrag von Nachbarn eingeleitet werden könne, zur Verfügung gestellt werde.
Würde man §76a GewO 1994 mit den die Genehmigungsfreistellung von sonstigen Betriebsanlagen regelnden Bestimmungen der §74 Abs7 und §76 GewO 1994 vergleichen, so werde deutlich, dass diese keinerlei Regelungen betreffend den nachträglichen Nachbarschutz enthielten. §76a Abs8 GewO 1994 könne daher keine Ungleichbehandlung zu Regelungen bewirken, die solche nachträglichen Verfahren für die Nachbarn nicht eröffneten. Der Unterschied zwischen §76a und den Bestimmungen des §74 Abs2 und Abs7 sowie §76 GewO 1994 liege darin, dass die Gastgartenregelung nachträglich behördliche Maßnahmen zulasse, wogegen dies bei allen anderen nicht genehmigungspflichtigen oder genehmigungsfrei gestellten Anlagen nicht der Fall sei, was eine besondere Berücksichtigung von (Nachbar-)Interessen darstelle.
4. Die beim Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei erstattete mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2013 eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes anschließt.
5. Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichthof mitbeteiligte Partei, die einen Gastgartenbetrieb führt, erstattete mit Schriftsatz vom 8. Jänner 2014 eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen Folgendes ausführt und beantragt, den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen, in eventu abzuweisen:
§76a Abs8 GewO 1994 stelle im Unterschied zur Regelung des §76a Abs1 Z4 2. Halbsatz GewO 1994 gerade auf die Umstände des Einzelfalles ab und würde die Nachbarrechte nur insofern beschränken, als die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen nur insoweit zulässig seien, als dies zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des geschützten Personenkreises erforderlich sei. Diese Beschränkung stelle sich jedoch nicht als verfassungswidrig dar, da unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Sachverhalte zulässig seien, was auch für die Wertung des Gesetzgebers gelte. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes stelle sich deshalb als verfehlt dar, da §76a Abs8 GewO 1994 keine unwiderlegbare Rechtsvermutung (zu Lasten der Nachbarn) enthalte, sondern lediglich Nachbarrechte einschränke, wobei sich diese Einschränkung jedoch im Rahmen der Sachlichkeit bewege und dementsprechend nicht als verfassungswidrig zu beurteilen sei.
II. Rechtslage
1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194 idF BGBl I 66/2010, stellen sich wie folgt dar (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):
"§74. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im §2 Abs1 Z4 litg angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
[…]
§75. (1) Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des §74 Abs2 Z1 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
(3) Als Nachbarn sind auch die im Abs2 erster Satz genannten Personen zu behandeln, die auf grenznahen Grundstücken im Ausland wohnen, wenn in dem betreffenden Staat österreichische Nachbarn in den entsprechenden Verfahren rechtlich oder doch tatsächlich den gleichen Nachbarschaftsschutz genießen.
[…]
§76a. (1) Für Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 8 bis 23 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn
1. sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen,
2. sie über nicht mehr als 75 Verabreichungsplätze verfügen,
3. in ihnen lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste, Singen und Musizieren vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind, und
4. auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten ist, dass die gemäß §74 Abs2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§69a) vermieden werden; eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z1 bis Z3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des §74 Abs2 Z4 ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß §82 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.
(2) Für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 9 bis 22 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs1 Z1 bis Z4 sinngemäß erfüllt sind.
(3) Der Betrieb eines Gastgartens im Sinne des Abs1 oder des Abs2 ist der Behörde vorher anzuzeigen. Dieser Anzeige sind Unterlagen im Sinne des §353 Z1 lita bis litc in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.
(4) Sind die Voraussetzungen gemäß Abs1 oder Abs2 nicht erfüllt, so hat die Behörde unbeschadet eines Verfahrens nach §§366 ff dies festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen. Die Behörde hat diesen Bescheid spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige samt Unterlagen zu erlassen.
(5) Wenn die in Abs1 oder Abs2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden, hat die Behörde den Gastgarteninhaber mit Verfahrensanordnung zur Einhaltung der Voraussetzungen aufzufordern. Kommt der Gewerbetreibende dieser Aufforderung nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die Schließung des Gastgartens zu verfügen. §360 Abs4 letzter Satz und Abs5 sind sinngemäß anzuwenden.
(6) Mit Erteilung einer Genehmigung gemäß §81 treten Bescheide gemäß Abs4 oder Abs5 außer Wirksamkeit.
(7) Gastgärten, die im Sinne des Abs1 Z1 bis Z4, jedoch über die in Abs1 oder Abs2 angeführten Zeiten hinaus betrieben werden, bedürfen einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im §74 Abs2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.
(8) Auf Gastgärten, die im Sinne des Abs1 oder Abs2 betrieben werden, sind die §§79 und 79a mit der Maßgabe anzuwenden, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des §75 Abs2 und 3 nur soweit vorzuschreiben sind, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind.
(9) Die Gemeinde kann mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die in Abs1 und Abs2 festgelegten Zeiten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des §113 Abs1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen. Im Besonderen kann in der Verordnung auch in Gebieten mit besonderen touristischen Einrichtungen oder Erwartungshaltungen (Tourismusgebiete) eine Zeit insbesondere bis 24 Uhr als gerechtfertigt angesehen werden.
[…]
§79. (1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, daß die gemäß §74 Abs2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§77 Abs1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, daß bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, daß ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im §74 Abs2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
(2) Zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des §75 Abs2 und 3 geworden sind, sind Auflagen im Sinne des Abs1 nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs1 verhältnismäßig sind.
(3) Könnte der hinreichende Schutz der gemäß §74 Abs2 wahrzunehmenden Interessen nach Abs1 oder 2 nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik innerhalb einer dem hiefür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen; für dieses Sanierungskonzept ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs1) maßgebend. Im Bescheid, mit dem die Sanierung genehmigt wird, hat die Behörde, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, eine dem Zeitaufwand für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen entsprechende Frist zur Durchführung der Sanierung festzulegen. §81 Abs1 ist auf diese Sanierung nicht anzuwenden.
[(4)]
§79a. (1) Die Behörde hat ein Verfahren gemäß §79 Abs1 von Amts wegen oder nach Maßgabe des Abs2 auf Antrag des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie oder nach Maßgabe des Abs3 auf Antrag eines Nachbarn einzuleiten.
(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann den Antrag gemäß Abs1 stellen, wenn auf Grund der ihm vorliegenden Nachbarbeschwerden oder Meßergebnisse anzunehmen ist, daß der Betrieb der Anlage zu einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung der Umwelt durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle führt.
(3) Der Nachbar muß in seinem Antrag gemäß Abs1 glaubhaft machen, daß er als Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist, und nachweisen, daß er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des §75 Abs2 und 3 war.
(4) Durch die Einbringung des dem Abs3 entsprechenden Antrages erlangt der Nachbar Parteistellung. Der Nachbar ist nicht gemäß §76 Abs1 AVG zur Kostentragung verpflichtet, wenn auf Grund seines Antrages andere oder zusätzliche Auflagen vorgeschrieben wurden."
2. Mit Wirkung vom 30. November 2012 wurde die Wortfolge "eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung durch Lärm ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn die im Einleitungssatz und in Z1 bis Z3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind;" in §76a Abs1 GewO 1994 aufgehoben (VfSlg 19.584/2011).
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des §76a Abs8 GewO 1994 im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zweifeln ließe.
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend geht der Gerichtshof davon aus, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Regelung bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002).
Bedenken in diese Richtung sind im vorliegenden Fall nicht entstanden. Dem Vorbringen der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei, die einen Gastgartenbetrieb führt, wonach die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge den Inhalt des §76a Abs8 GewO 1994 vollkommen verändern würde, kann nicht gefolgt werden. Durch die Aufhebung würde nur eine Einschränkung im Tatbestand des §76a Abs8 GewO 1994 beseitigt; die Möglichkeit, auch im Verfahren nach §76a GewO 1994 nachträglich Auflagen festzuschreiben, bliebe bestehen.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die angefochtene Bestimmung Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz. Der Verwaltungsgerichtshof beanstandet insbesondere, dass Nachbarn von genehmigungsfreien Gastgärten nach der derzeitigen Rechtslage im Vergleich zu Nachbarn von sonstigen Gastgewerbebetrieben schlechter gestellt seien. Begründend wird ausgeführt, dass zugunsten der Nachbarn von Gastgärten nachträgliche Auflagen gemäß §79 GewO 1994 nur erteilt werden dürften, sofern die Auflagen zur Vermeidung einer Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit notwendig seien. Ein nachträglicher Schutz gegen unzumutbare Belästigungen (etwa durch Lärm), wie er nach der allgemeinen Regelung des §79 GewO 1994 für Betriebsanlagen gewährleistet sei, bestehe nicht. Für diese Ungleichbehandlung sei keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich.
2.3. Dieses Bedenken trifft zu:
2.3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
2.3.2. Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001, 16.641/2002).
2.3.3. Die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz gesetzten Schranken wurden durch die angefochtene Bestimmung überschritten, weil eine sachliche Rechtfertigung für die Benachteiligung der Nachbarn von genehmigungsfreien Gastgärten fehlt:
2.3.4. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg 19.584/2011 eine Wortfolge in §76a Abs1 Z4 GewO 1994 als unsachlich aufgehoben, die es der Behörde verwehrt hatte, zu prüfen, ob durch einen gemäß §76a GewO 1994 angezeigten und die Voraussetzungen des §76a Abs1 Z1 bis 3 GewO 1994 erfüllenden Gastgarten eine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Belästigung der Nachbarn durch Lärm zu erwarten sei. Der Verfassungsgerichtshof ging damals davon aus, dass durch diese Regelung nicht nur atypische Härtefälle betroffen seien (vgl. VfSlg 19.031/2010), sondern es durch diese Regelung in einer Vielzahl von Fällen zu einer Beeinträchtigung der Schutzinteressen der Nachbarn komme. Lärmbelästigungen, die durch Gastgärten ausgelöst würden, seien zumindest in Wohngebieten eher als Regelfall anzusehen; dies selbst dann, wenn die Gastgärten die Voraussetzungen des §76a Abs1 Z1 bis 3 GewO 1994 erfüllten. Der Verfassungsgerichtshof sah darin eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von Nachbarn einer Betriebsanlage mit Gastgarten gegenüber Nachbarn sonstiger Betriebsanlagen.
2.3.5. Eine vergleichbare Ungleichbehandlung enthält §76a Abs8 GewO 1994 idF BGBl I 66/2010. Nach dieser Bestimmung können zwar nachträgliche Auflagen iSd §§79 und 79a GewO 1994 zur Vermeidung der Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, nicht aber Auflagen zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen vorgeschrieben werden, während für sonstige Betriebsanlagen keine solche Beschränkung besteht. Diese Ungleichbehandlung ist ebenso wenig zu rechtfertigen wie die mit dem Erkenntnis VfSlg 19.584/2011 beseitigte Privilegierung in §76a Abs1 Z4 GewO 1994 aF von Gastgärten gegenüber sonstigen Betriebsanlagen.
2.3.6. Insbesondere rechtfertigt das Erfordernis, dass der Betrieb im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen des §76a Abs1 GewO 1994 erfolgen muss, nicht, dass die Möglichkeit der Vorschreibung nachträglicher Auflagen (auch) zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen ausgeschlossen wird. Eine Rechtfertigung besteht auch nicht in der in Abs8 (neben der Vorschreibung nachträglicher Auflagen gesondert) vorgesehenen Möglichkeit der Einschränkung der Betriebszeit, weil diese – worauf der Verwaltungsgerichtshof zutreffend hinweist – ausweislich der Gesetzesmaterialien nur deshalb vorgesehen wurde, um die Rechtsfolgen des §79 Abs3 GewO 1994 im Falle einer Vorschreibung von Auflagen auszuschließen.
2.3.7. Andere Gründe der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sind nicht erkennbar. Dass durch die abweichende Regelung nur atypische Härtefälle nachteilig betroffen sein könnten, ist im Hinblick auf die Vorjudikatur (VfSlg 19.031/2010) nicht anzunehmen.
2.3.8. Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Vergleichsmaßstab hier nicht die einer Genehmigungspflicht unterliegenden Betriebsanlagen, sondern jene Betriebsanlagen seien, die keiner Genehmigung bedürften. Für genehmigungsfreie Anlagen ist eine Regelung wie jene des §79 GewO 1994 entbehrlich; sofern sich die Situation einer Betriebsanlage, die ursprünglich gemäß §74 Abs2 GewO 1994 genehmigungsfrei war, insoweit ändert, dass etwa Interessen der Nachbarn nunmehr betroffen sind, müsste diese Betriebsanlage einem Genehmigungsverfahren unterworfen werden. Die ex lege bestehende Ausnahme von der Genehmigungspflicht ist in einem solchen Fall nur als vorübergehende anzusehen, die mit der Erfüllung der Kriterien für die Genehmigungspflicht beendet ist.
2.4. Die Regelung des §76a Abs8 GewO 1994 verstößt daher gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit reicht es aus, die Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Abs8 GewO 1994 aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Abs8 GewO 1994 ist wegen Verstoßes gegen Art7 Abs1 B‑VG aufzuheben.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 B‑VG.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG.
4. Für Gesetzesprüfungsverfahren, die auf Antrag eines Gerichtes eingeleitet worden sind, sieht das VfGG einen Aufwandersatz nicht vor. Es obliegt daher dem antragstellenden Gericht, – nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften – über einen allfälligen Kostenersatzanspruch des Klägers des Ausgangsrechtsstreits zu befinden (zB VfSlg 7380/1974, 8572/1979, 8871/1980 uva, neuere Rechtsprechung zB VfSlg 18.320/2007).
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