VfGH G7/86

VfGHG7/8627.9.1986

Art140 Abs1 B-VG; ZPO §63 Abs1; beabsichtigter Individualantrag auf Aufhebung der Übergangsbestimmungen des SachwalterG; Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluß des BG, mit dem der Sachwalter des Antragstellers bestellt wurde, möglich - Aussichtslosigkeit der Antragstellung; Abweisung des Verfahrenshilfeantrages

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

 

Spruch:

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. Mit der vorliegenden, an den VfGH gerichteten Eingabe begehrt der - mit Beschl. des BG Innere Stadt Wien vom 9. August 1983 beschränkt entmündigte - Antragsteller, ihm die Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrages auf "Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsbestimmungen des Sachwaltergesetzes, BGBl. 136/1983," zu bewilligen. Er sei mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen mit 1. Juli 1984 viel schlechter gestellt als zuvor.

1.2. ArtX des BG vom 2. Feber 1983 über - die Sachwalterschaft für behinderte Personen, BGBl. 136, lautet:

"Artikel X

Schluß- und Übergangsbestimmungen

1. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1984 in Kraft.

2. Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes treten außer Kraft

a) die §§1 bis 3, 5 bis 7, 12 bis 15, 25 bis 55, 57, 60, 61, 64 und 66 bis 72 sowie, soweit sie die Entmündigung betreffen, die §§4, 8 bis 11, 56, 58, 62, 63, 65, 73 und 74 der Entmündigungsordnung vom 28. Juni 1916, RGBl. Nr. 207, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 304/1978;

b) die Verordnung vom 14. Juli 1916, JMVBl. Nr. 24, über die Bekanntmachung einer Entmündigung,;

c) die Verordnung vom 15. August 1916, RGBl. Nr. 265, über das zur Entmündigung eines Inländers, der im Inland keinen Aufenthalt hatte, zuständige Bezirksgericht.

3. (1) Wer vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes voll oder beschränkt entmündigt worden ist, steht einer Person gleich, der ein Sachwalter nach §273 Abs3 Z3 ABGB in der Fassung dieses Bundesgesetzes bestellt worden ist; ein beschränkt Entmündigter behält jedoch die Handlungsfähigkeit eines mündigen Minderjährigen. Sachwalter ist, sofern das Gericht nicht anderes bestimmt, der bestellte Kurator oder Beistand.

(2) Die Bestellung eines Kurators nach einer anderen Rechtsvorschrift als der Entmündigungsordnung bleibt unberührt.

4. Ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängiges Verfahren über eine Entmündigung ist nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in erster Instanz fortzusetzen; ein in höherer Instanz anhängiges Verfahren ist dem Erstgericht zu überweisen und von diesem so fortzusetzen, als ob das Rechtsmittelgericht die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen hätte. Ist ein vorläufiger Beistand bestellt, so gilt er als einstweiliger Sachwalter.

5. Soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen, besonders auf den Begriff der 'Entmündigung', verwiesen ist, die durch dieses Bundesgesetz geändert oder aufgehoben werden, erhält die Verweisung ihren Sinn aus den entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

6. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, ausgenommen die ArtVII und VIII, der Bundesminister für Justiz betraut; er hat hinsichtlich des ArtIX Z6 das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen herzustellen.

(2) Mit der Vollziehung des ArtVII ist die Bundesregierung, mit der Vollziehung des ArtVIII der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz betraut."

1.3. Mit Beschl. vom 19. Juli 1984, Z 4 SW 149/84-99, bestimmte das BG Innere Stadt Wien:

"Aufgrund der Übergangsbestimmungen des Sachwaltergesetzes, BGBl 1983/136, steht

Ing. I H, geboren 8. 5. 1944

mit 1. Juli 1984 einer Person gleich, der ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten (§273 Abs3 Z3 ABGB) bestellt wurde.

Sachwalter ist der bisherige Beistand

Dr. O B, Rechtsanwalt in Wien ...

Der Betroffene behält aber weiterhin die Handlungsfähigkeit eines mündigen Minderjährigen. Die dem Beistand eingeräumten Verfügungsermächtigungen bleiben unverändert aufrecht.

Dieser Beschluß dient als Bestellungsdekret."

Aus dem Pflegschaftsakt ergibt sich, daß dieser Beschluß (auch) dem freigewählten rechtsfreundlichen Vertreter des Antragstellers vom Pflegschaftsgericht zugestellt wurde; darauf wurde auch der Antragsteller selbst mit einer Mitteilung des BG Innere Stadt Wien vom 3. Oktober 1985 hingewiesen.

2. Der VfGH hat über den Antrag erwogen:

2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt (VfSlg. 9724/1983).

2.2. Für den Einschreiter wurde - wie im Punkt 1 dargelegt - mit Beschl. des BG Innere Stadt Wien vom 19. Juli 1984, Z 4 SW 149/84-99, aufgrund der Übergangsbestimmungen des Sachwaltergesetzes, BGBl. 136/1983, sein bisheriger Beistand zum Sachwalter bestellt. Dem Einschreiter stand - auch als Entmündigtem - die Möglichkeit offen, gegen den genannten Beschluß des BG Innere Stadt Wien ein Rechtsmittel zu erheben und bei dem in zweiter Instanz zuständigen Gerichtshof die Stellung eines Antrages auf Prüfung der in Betracht kommenden Übergangsbestimmung des Sachwaltergesetzes nach Art140 B-VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre dieses Gericht, sofern es - gleich dem Antragsteller - Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes hegen sollte, zur entsprechenden Anrufung des VfGH verpflichtet (vgl. VfSlg. 8552/1979, 9394/1982). Ein Individualantrag ist daher nicht zulässig; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter des Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (VfSlg. 8312/1978, 8594/1979, 9583/1982, 10251/1984).

3. Die vom Einschreiter angestrebte Antragstellung erweist sich somit als offenbar aussichtslos. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung (§72 Abs1 ZPO, §35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte