VfGH G53/04

VfGHG53/049.3.2005

Zurückweisung eines Individualantrags einer Trafikantin auf Aufhebung einer Bestimmung im Tabakmonopolgesetz betreffend Vertragskündigung wegen Verstoßes gegen das Gesetz mangels Legitimation; Klage bei den Zivilgerichten gegen eine verhängte Geldstrafe bereits eingebracht

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
TabakmonopolG 1996 §35 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
TabakmonopolG 1996 §35 Abs2

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Gestützt auf Art140 B-VG begehrt die Antragstellerin, die Ziffer 2 ("2. Wenn der Tabaktrafikant gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Bestellungsvertrages verstößt[;]") des §35 Abs2 TabMG 1996, BGBl. 1995/830, als verfassungswidrig aufzuheben und ihr den Ersatz der angefallenen Kosten zuzusprechen. Die genannte Wortfolge verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung.

2. §35 Abs1 und 2 TabMG 1996, BGBl. 1995/830, lauten (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§35. (1) Der Bestellungsvertrag erlischt:

1. mit dem Tod des Tabaktrafikanten;

2. durch Verlust des Verfügungsrechts über das Geschäftslokal;

3. mit Wirksamkeit der Kündigung durch den Tabaktrafikanten;

der Tabaktrafikant ist berechtigt, eine ausgesprochene Kündigung bis zur Ausschreibung oder, falls keine Ausschreibung stattfindet, bis zur Nachbesetzung der Tabaktrafik zurückzuziehen;

4. mit dem Erlöschen der Gewerbeberechtigung, in Verbindung mit der eine Tabakverkaufsstelle geführt wurde;

5. durch Fristablauf, wenn der Bestellungsvertrag nur auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen war.

(2) Der Bestellungsvertrag ist durch die Monopolverwaltung GmbH zu kündigen:

1. wenn nachträglich Umstände eintreten, die im Zeitpunkt der Bewerbung oder Bestellung des Tabaktrafikanten einen Ausschließungsgrund (§27) dargestellt hätten;

2. wenn der Tabaktrafikant gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Bestellungsvertrages verstößt;

3. wenn der Tabaktrafikant infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit der Führung der Tabaktrafik zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Führung der Tabaktrafik erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt;

4. wenn der Tabaktrafikant die vorgeschriebenen Entgelte oder den Kaufpreis für die gelieferten Tabakerzeugnisse nicht innerhalb einer angemessenen Frist bezahlt;

5. wenn der Tabaktrafikant seine Bestellung durch wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen hat;

6. wenn der Tabaktrafikant eine verhängte Geldbuße (Abs6) nicht innerhalb angemessener Frist bezahlt.

..."

3. Die Antragstellerin begründet ihre Antragslegitimation wie folgt:

Die Antragstellerin betreibe seit 1987 eine Tabaktrafik mit dem Standort Wien-Westbahnhof. Mit Schreiben vom 11. November 2002 sei über sie wegen unlauterer Werbung gemäß §35 Abs2 Z2 iVm §35 Abs6 TabMG 1996 durch die Monopolverwaltung GmbH eine "Geldstrafe" in der Höhe von € 11.190,-- verhängt worden, da sie einen Schauraum für diverse Rauchernebenartikel betreibe, der einen Hinweis auf ihre Trafik enthalte und wo sie Werbung für Tabakprodukte betreibe. Zur Vermeidung weiterer Rechtsfolgen habe sie vorläufig den Strafbetrag bezahlt, jedoch gleichzeitig Klage beim Zivilgericht eingebracht.

In Reaktion auf einen Zeitungsartikel in der Publikation "Falter, Best of Vienna" sei die Antragstellerin in einem weiteren Schreiben vom 14. November 2003 durch die Monopolverwaltung GmbH darauf aufmerksam gemacht worden, dass gemäß §39 TabMG 1996 für Tabaktrafikanten ein absolutes Werbeverbot bestehe und die Nichteinhaltung dieses Verbotes negative monopolrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Gemäß §35 Abs2 TabMG 1996 könne bereits ein einmaliger Verstoß gegen das Werbeverbot zu einer Kündigung des Bestellungsvertrages führen. Dies verstoße nach Ansicht der Antragstellerin gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung; zwar seien Beschränkungen dieses Rechtes sehr wohl möglich, jedoch müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie der Notwendigkeit der vorgenommenen Beschränkung beachtet werden.

Die Beschreitung eines anderen Rechtsweges sei der Antragstellerin unzumutbar. Sie habe keine Möglichkeit, "die angegriffenen Normen auf indirektem Wege präjudiziell zu machen". Ein Verstoß gegen das Werbeverbot würde eine Kündigung nach sich ziehen und sei daher nicht zumutbar, da eine Kündigung einen Berufsverlust darstelle. Die Sanktion der Kündigung für einen einmaligen Pflichtverstoß sei eindeutig überschießend. Auch der Gerichtshof habe klargestellt, dass das Sachlichkeitsgebot eine Differenzierung gebiete; §35 TabMG 1996 hingegen enthalte eine undifferenzierte Einheitssanktion, wie sie in keinem anderen Berufsrecht anzutreffen sei. Dem Trafikanten stünden vor der Kündigung auch keine anderen Rechtswege, wie z.B. an den UVS, zur Verfügung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Individualantrages gemäß Art140 B-VG erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994).

2. Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das dem Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg. 9939/1984, 10.857/1986, 11.045/1986, 11.823/1988, 16.165/2001).

Die Antragstellerin bringt nun in ihrem Antrag selbst vor, dass sie gegen die verhängte "Geldstrafe" Klage bei den Zivilgerichten eingebracht habe. Sie hat folglich die Möglichkeit, nach einer allfälligen Abweisung des Klagebegehrens bereits im Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken mit der Anregung auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages zu unterbreiten. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre dieses Gericht - wenn es die Bedenken teilt - zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet.

Dass die Antragstellerin diesfalls ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschriften nicht unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof vorbringen kann, vermag an der Zumutbarkeit dieses Verfahrensweges nichts zu ändern (vgl. VfSlg. 14.458/1996). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. z. B. VfSlg. 10.592/1985, 14.458/1996, 15.343/1998), dass es nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges ankommt, sondern darauf, dass im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

4. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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