VfGH G37/99,V11/99

VfGHG37/99,V11/99G37/99,V11/9924.6.1999

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffend Einkaufszentren sowie der Einkaufszentrenverordnung aufgrund zumutbaren Verwaltungsrechtsweges; Betriebsanlagengenehmigungsverfahren bereits anhängig; keine außergewöhnlichen Umstände zur Rechtfertigung einer allfälligen Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EinkaufszentrenV BGBl II 69/1998
GewO 1994 §77 Abs5, Abs6, Abs7, Abs8
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EinkaufszentrenV BGBl II 69/1998
GewO 1994 §77 Abs5, Abs6, Abs7, Abs8

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die antragstellenden Gesellschaften begehren unter Berufung auf Art140 B-VG zu G37/99,

die Abs5, 6, 7 und 8 des §77 Gewerbeordnung 1994 BGBl. Nr. 194, kundgemacht in BGBl. I Nr. 63/1997 zur Gänze,

in eventu

lediglich Abs5 Z1 und/oder Abs8,

in eventu

lediglich Abs6 und/oder Abs7 und/oder Abs5 Z2, jeweils §77 Gewerbeordnung 1994,

als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Darüber hinaus begehren die antragstellenden Gesellschaften unter Berufung auf Art139 B-VG zu V11/99, die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6.3.1998, kundgemacht in BGBl. II Nr. 69/1998 zur Gänze als gesetz- und verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die erstantragstellende Gesellschaft hat von der Stadtgemeinde Amstetten das Grundstück Nr. 3408, KG Amstetten, inneliegend der EZ 2791, KG Amstetten, im Ausmaß von 11.606 m2 erworben, um darauf einen Verbrauchermarkt für den Handel mit Waren aller Art und den dazu gehörigen Parkplätzen zu errichten. Nach den Angaben der erstantragstellenden Gesellschaft habe sie als außerbücherliche Eigentümerin den Kaufgegenstand zur Errichtung und zum Betrieb des Verbrauchermarktes (Selbstbedienungsmarktes) an die zweitantragstellende Gesellschaft aufgrund eines mündlichen Vertrages vermietet.

Die Gesamtverkaufsfläche betrage entsprechend den Einreichunterlagen mehr als 800 m2, nämlich 1.855 m2, davon betrage die Lebensmittelverkaufsfläche 1.444 m2.

Zur Erlangung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung sei von der zweitantragstellenden Gesellschaft bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten am 25. Juni 1998 ein entsprechendes Ansuchen samt Beilagen eingebracht worden. Ein erstinstanzlicher Genehmigungsbescheid liege derzeit noch nicht vor.

Die antragstellenden Gesellschaften bringen vor, daß ihnen durch die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen sowie durch die angefochtene Verordnung eine Rechtspflicht auferlegt werde, die in ihre Rechtssphäre unmittelbar und aktuell eingreife, ohne daß es einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Ein Zuwiderhandeln, also die Errichtung und der Betrieb ohne gewerbebehördliche Genehmigung, würde Strafbescheide provozieren; dies sei ihnen nicht zumutbar. Zudem würden noch wettbewerbsrechtliche Sanktionen zu gewärtigen sein.

Es sei den antragstellenden Gesellschaften auch nicht zumutbar, erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu erheben, zumal die zeitliche Verzögerung, die mit diesem Weg verbunden sei, keinen zumutbaren Weg darstelle (VfSlg. 9823/1983). Die Stadtgemeinde Amstetten könne nämlich von dem vereinbarten Wiederkaufsrecht Gebrauch machen, wenn die Käuferin nicht innerhalb von 3 Jahren ab Vertragsunterzeichnung in Entsprechung einer bau- und gewerbebehördlichen Bewilligung mit der Errichtung des Verbrauchermarktes begonnen und diesen nicht innerhalb weiterer drei Jahre in Betrieb genommen habe. Es erscheine - zumal bis zum bisherigen Zeitpunkt kein erstinstanzlicher gewerbebehördlicher Bescheid vorliege - völlig ausgeschlossen, daß bis zum 25. November 2001 ein letztinstanzlicher Bescheid im Administrativverfahren vorliege, "... geschweige denn, daß die Entscheidung eines der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes nach Bescheid- und Normenprüfung zugestellt wäre".

Weiters führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß das Beschreiten des Instanzenzuges aufgrund der Zeitkomponente zwingend dazu führen würde, daß sämtliche Aufwendungen - erstantragstellende Gesellschaft: sämtliche Kaufnebenkosten; zweitantragstellende Gesellschaft: Gesamtkosten der Behördenverfahren - zur Erlangung der Bewilligungen aufgrund der vertraglichen Wiederkaufsberechtigung der Stadtgemeinde Amstetten mit größter Wahrscheinlichkeit nutzlos gewesen wären.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 die Verfahren G37/99 und V11/99 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:

2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz bzw. die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit bzw. deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz bzw. die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz bzw. die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw. ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz bzw. die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz bzw. die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13912/1994).

3. Ein solcher zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof anzuregen. Wie der Verfassungsgerichtshof in Zusammenhang mit nach Art139 und 140 B-VG gestellten Individualanträgen mehrfach ausgeführt hat, ist der Partei in einem solchen Fall nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände das Recht zur Einbringung eines Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. z.B. VfSlg. 11344/1987, 11823/1988, 12810/1991, 14418/1996, 14719/1996).

Im gegebenen Fall wurde von der zweitantragstellenden Gesellschaft am 25.6.1998 bereits ein Ansuchen samt entsprechender Beilagen zur Erlangung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten eingebracht. Der Verfassungsgerichtshof vermag keinen Anhaltspunkt für die Annahme zu finden, daß außergewöhnliche Umstände vorlägen, die den antragstellenden Gesellschaften das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages trotz Vorliegens eines bereits anhängigen Verwaltungsverfahrens einräumen würden. Im von den antragstellenden Gesellschaften ins Treffen geführten Erkenntnis VfSlg. 9823/1983 ging es demgegenüber um die Anfechtung einer Trassenverordnung (Autobahn); in diesem angesprochenen Fall bestand die Gefahr, daß nach Durchlaufen des Instanzenzuges schon Teile der Autobahntrasse errichtet worden wären. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof die Trassenverordnung als gesetzwidrig erkannt hätte, wäre in der Folge aufgrund der mittlerweile getätigten hohen Investitionen bei der Erstellung einer neuen Trassenverordnung aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine andere Trassenvariante nicht mehr in Frage gekommen. Im vorliegenden Fall liegt eine derartige Sachlage - auch unter Berücksichtigung des der Stadtgemeinde Amstetten eingeräumten Wiederkaufsrechtes - jedoch nicht vor. Soweit die antragstellenden Gesellschaften geltend machen, daß im Falle des Wiederkaufs des in Rede stehenden Grundstücks durch die Stadtgemeinde Amstetten hohe frustrierte Kosten erwachsen wären, machen sie nur wirtschaftliche Auswirkungen, jedoch keine rechtliche Betroffenheit geltend.

4. Die Anträge waren daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

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